2023-05-13

Überfordert und überfordernd

Den Klassenerhalt gerade geschafft und deshalb eigentlich frei aufspielen können: Es gibt Mannschaften, die verstehen, was damit gemeint ist. Die Borussia aus Mönchengladbach nicht.
Sie kann es in der derzeitigen Zusammensetzung - trotz einiger sichtlich engagierter Spieler auf dem Platz - noch nicht einmal so aussehen lassen, als bemühe sie sich darum. Der VfL blamierte sich stattdessen heute in Dortmund innerhalb weniger Minuten vor den Augen aller "Top-Spiel"-Zuschauer bis auf die Knochen und reißt damit fast mutwillig selbst die kleinen Hoffnungspflänzchen aus, die die zuletzt stabileren Auftritte wieder hatten sprießen lassen.

Dreieinhalb Minuten befand man sich in dieser Partie auf Augenhöhe, wurde dabei bereits zweimal vom gewohnt unterirdischen Schiri Daniel Schlager regelwidrig an einem aussichtsreichen Angriff gehindert, nur um dann mit dem ersten ernstzunehmenden Angriff in Rückstand geraten - durch ein halbes Eigentor des wahrscheinlich bald im schwarz-gelben Dress auflaufenden Ramy Bensebaini. Der fälschte einen Dortmunder Schuss unglücklich ab, was Omlin-Ersatz Jan Olschowsky gegen Donyel Malen nicht mehr ausbügeln konnte.
Auch danach präsentierte sich Bensebaini mal wieder in jener Form, in der man ihn nicht so sehr vermissen wird. Daran änderte auch der sicher verwandelte Elfmeter zum 1:4 in der Schlussphase nichts (der im übrigen genausowenig einer war wie zuvor der vorentscheidendere auf der anderen Seite).

Der Algerier reihte sich damit aber nur ein in eine Slapstick-Abwehr, die wenig richtig machte in der ersten halben Stunde. Und die, wie offenbar das gesamte Team, nicht verstanden hatte, was der eigentliche Plan gewesen war. Bis die Mannschaft das begriffen hatte, war das Spiel entschieden, auch wenn es am Ende kurzzeitig gar nicht mehr so danach aussah.
Denn selbst mit diesem Trümmerauftritt wäre es am Ende möglich gewesen, dem Ausgleich ganz nah zu kommen und den BVB aus seinen Meisterträumen jäh zu wecken. Luca Netz und Lars Stindl hatten spät die besten Chancen, um den BVB noch mal richtig nervös zu machen. Doch das wäre heute wahrlich um einiges zu viel des Glücklichen gewesen, denn in der ersten Halbzeit musste man ja zeitweise noch mit einem zweistelligen Ergebnis rechnen.

Negativ beeinflusst wurde das Ergebnis zugegebenermaßen auch vom Schiedsrichter, der einmal mehr eindrucksvoll bewies, dass er auf diesem Niveau nichts verloren hat, weil er keinerlei Gefühl für die Bewertung von Zweikämpfen hat und (auf beiden Seiten) viele Entscheidungen zum Kopfschütteln fabrizierte.

Ergebnisrelevant war letztlich ein Handspiel von Malen vor dem 0:1, das man Schlager allerdings nicht anlasten kann, weil er es nicht sehen konnte, wohl aber der Kölner Keller. Malens Kopfball parierte der tapfere Olschowsky nämlich noch, dann drückte der Dortmunder Angreifer den Ball aber mit seinem Körper über die Linie und berührte dabei den Ball mit der Hand.
Vorentscheidend war der "Foul"-Elfmeter zum 0:2, für dessen ausschlaggebende Berührung es wahrscheinlich nirgendwo sonst auf dem Feld einen Pfiff gegeben hätte. Die Entscheidung blieb aber trotzdem bestehen, weil Schlager eben gepfiffen hatte. Hätte er es nicht getan, wäre aus Köln ziemlich sicher auch kein Signal gekommen, auf Elfer zu entscheiden. Genauso verhielt es sich später mit dem zweiten Elfmeter des Tages.
Das alte Lied.

Aber das ist am Ende alles auch egal. Denn dieses Spiel hat Borussia ganz allein verloren, in einer Art und Weise, die einen wahnsinnig machen kann. Anstatt sich nach dem schnellen 0:2-Rückstand erstmal aufs Stabilisieren der Defensive zu konzentrieren, wurde am gegnerischen Strafraum weiter munter und unsinnig gepresst und vom Gegner dann mit oft nur einem langen Pass das komplette Gladbacher Mittelfeld überspielt und die Abwehr überrannt. 

Einfach dumm gelaufen? Wohl kaum. Denn wenn ich vorher weiß, dass ich mit meinen Spielern kein Laufduell gegen Malen, Adeyemi und Co gewinne - was soll das dann? Immerhin, um auch einen Kalauer in dieses Trauerspiel zu bringen: Dass es so einfach werden würde, hätte sich der BVB vorher sicher auch nicht aus-Malen können.
Stellungsfehler, überforderte Spieler - und was genauso schlimm war: es gab in Halbzeit eins keine sichtbare Reaktion von der Bank. Und das nach diesem Saisonverlauf, nach diesem Auf und Ab - ein einziger ausbleibender Lerneffekt auch noch (oder wieder) am 32. Spieltag. Es fällt immer schwerer, das zu erklären oder zu verteidigen. Das Team spielt manchmal bodenlos und kann schon im nächsten Moment sein großes Können hervorkramen. Und man weiß nicht, wem man mehr Schuld dafür zuweisen soll, dass es nicht gelingt, hier irgendeine Konstanz reinzubekommen.  

Sicher, es war auch vor dem Spiel klar, dass Borussia in Dortmund gegen ein anderes Kaliber antreten musste als es zuletzt Wolfsburg, Stuttgart oder Bochum dargestellt hatten. Und die personelle Situation ohne Omlin, Plea und Thuram ließ einen Auswärtssieg der Auswärtsschwachen noch weniger wahrscheinlich aussehen. Doch dass man sich in der ersten Hälfte so abschlachten lassen würde, war auch damit nicht absehbar. 

Umso fragwürdiger ist im Nachhinein, dass Daniel Farke sich zum Beispiel für Hannes Wolf und gegen Lars Stindl in der Startelf entschied. Nicht, dass Wolf der Alleinschuldige gewesen wäre. Doch was der Kapitän immer noch mehr auf den Platz bringt, zeigte er eindrucksvoll nach seiner Einwechslung. Da steckte der Karren aber schon zu tief im Dreck.
Und ausgerechnet jetzt, nach dieser ersten Katastrophenhalbzeit, stellte der Trainer plötzlich auf Dreier-/Fünferkette um, was er die ganze Saison über so gut es ging vermieden hatte. Die Mannschaft zeigte nach der Pause, dass sie damit ganz gut zurecht kommen kann. Das Spiel lief deutlich sicherer, natürlich aber auch, weil der Gegner nicht mehr mit der gleichen Intensität auf das nächste Tor ging wie vor der Pause. 

Doch warum gibt es immer erst Änderungen vonder Bank, wenn eigentlich alles schon zu spät ist? Dass nach den klaren Worten zum Umbruch mit Farke und den sichtbaren Transferbemühungen der vergangenen Tage gleich nach dem Spiel Spekulationen über eine bevorstehende Entlassung des Trainers laut wurden, erklärt sich daraus allerdings auch wieder nicht. Und es würde aus meiner Sicht auch keinen Sinn ergeben.

Aber was weiß ich schon? Nicht erst seit heute zweifele und verzweifele ich an meiner aktuell überforderten und uns Fans überfordernden Borussia. Scheint wohl so, als ob das auch noch ein Weilchen so bleibt.  

Saison 2022/23, Bundesliga, 32. Spieltag: BVB - Borussia Mönchengladbach 5:2. Tore für die wahre Borussia: 1:4 Bensebaini (FEM), 2:4 Stindl. 

Zwei Tor plus = neuer Spendenstand 115 Euro.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer Jonas Omlin (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

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