2021-12-11

Nicht wettbewerbsfähig

Willkommen im Abstiegskampf. 0 Punkte und 2:14 Tore aus drei Spielen, das ist mehr als nur ernüchternd. Es ist beängstigend, weil Trainer und Mannschaft den Ernst der Lage entweder nicht erkannt haben oder momentan nicht angemessen darauf reagieren können. Beides ist fatal.

Wenn man ehrlich ist, gibt es genug Gründe, warum der Wurm drin ist, auch wenn es nur gute zwei Wochen her ist, als man noch dachte, dass Hütter und die Ex-Rose-Elf sich langsam besser verstehen und trotz mancher Holprigkeiten all das Stück für Stück wieder ineinandergreift, was sich nach der schlimmen Rückrunde im Getriebe der Borussia verbogen und verzogen hatte. Doch auf diese Gründe schnell und präzise zu reagieren, das ist die Schwierigkeit dabei.

Das 1:4 in Köln kann passieren. Ärgerlich, aber der Gegner war keine drei Tore besser und Gladbach erspielte sich genausoviele Topchancen wie der Gegner. Trotz mittelmäßiger Leistung war dieses Spiel ein engeres und (bis auf die lächerlich verteidigten letzten Gegentore in Köln und Leipzig) nicht zu vergleichen mit dem, was seitdem kam.

Das 0:6 gegen Freiburg darf nicht passieren, ist aber passiert. Der Gegner profitierte dabei genauso davon, dass er einen perfekten Abend hatte wie der VfL nur ein paar Wochen zuvor im Pokalspiel gegen die Bayern. Und Gladbach blamierte sich gegen einen einsatzfreudigen Gegner wie damals die Bayern auf ganzer Linie. Was zur Folge hatte, dass bereits öffentlich von vielen ganz Grundsätzliches in Frage gestellt wurde, im Verein - nach außen - jedenfalls aber noch nicht.

Nun also Leipzig, das Spiel, wo man von einer Mannschaft, die gerade so verprügelt wurde, eins auf jeden Fall erwarten darf und erwarten muss: eine sichtbare Reaktion, die deutlich macht, dass die Mannschaft lebt und den Trend mit aller Macht umkehren will. Ganz deutlich: Auch dieses Spiel kann dann trotzdem verloren gehen, der Gegner ist keine Laufkundschaft, auch wenn er selbst zuletzt seine Probleme hatte.

Aber diese beherzte Reaktion, die es gebraucht hätte, war aus meiner Sicht auch heute nicht zu sehen. Gegen einen Gegner, der ebenfalls topbesetzt ist, der aber ebenso bislang keine Konstanz in seine Leistung bringen konnte, gelang es Lars Stindl und seinen Mitspielern nur ein paar Minuten lang in der zweiten Halbzeit, das Spiel auf Augenhöhe zu gestalten. Und es wäre damit ja sogar noch ein Remis kurz vor Schluss drin gewesen, weil die Leipziger ihre Chancen leichtfertig ausließen. Doch das wäre nicht verdient gewesen - und es hätte vielleicht mehr Probleme kaschiert als gut gewesen wäre.

Das Verrückte am Fußball ist aber seine irrationale (Un-)Logik. Das 1:4 heute ist zweifellos auch in der Höhe verdient. Zur Halbzeit hätte es auch gut 5:0 für RB stehen können, wäre Yann Sommer nicht gewesen. Unter dem Strich hätte es aus Gladbacher Sicht aber dann wenigstens beim 1:2 bleiben müssen - und können. Denn die Art und Weise, wie die beiden letzten Gegentore quasi nicht verteidigt wurden, während man vorne noch die kleine Chance auf einen Lucky Punch suchte, macht sprachlos. Wie schon nach dem Ausgleich in Köln wurde dieses Momentum auf einfachste Weise selbst zunichte gemacht.

Und trotzdem denke ich: Es ist nicht so einfach, wie sich viele Fans es sich jetzt bei der Analyse machen wollen. Fehlende Mentalität. Schönspieler, die nicht kämpfen können. Wegwollende Spieler, die sich angeblich schonen. Das und die Einstellung an sich wird nach vorne geschoben, wenn man sich die Leistungen erklären will. Verbunden mit den üblichen Vorstellungen, dass ein Verein jetzt endlich den eisernen Besen rausholen, den Spielern Beine machen oder sie sonst am besten schnell reihenweise verkaufen soll und mit jungen, heißen Spielern ins Neue Jahr gehen soll.

Wobei letzteres in der Enttäuschung und der Wut von Fans zwar vielleicht nachvollziehbar sein kann, aber völlig weltfremd ist. Natürlich kann es sein, dass im Winter Spieler gehen, die im Sommer ablösefrei wären. Vielleicht auch einer, der wirklich ein Einstellungsproblem offenbart, aber dringend benötigtes Geld einbringt (ob es den oder mehrere gibt, kann ich aber nicht beurteilen). Doch niemand bei Borussia wird das Risiko eingehen, großflächig Ausverkauf zu machen und dafür mit unerfahrenen Spielern wie meinetwegen Conor Noß oder Yvandro Borges Sanchez in die Rückrunde zu gehen, sie zu verbrennen und am Ende möglicherweise wirklich tief im Abstiegskampf zu stecken.

Wer mein Blog schon länger liest, weiß, dass ich nicht (oder fast nie) daran glaube, dass Profifußballer absichtlich schlecht spielen, aus welchen Gründen auch immer. Da es Menschen sind, kann es aber schon sein, dass sie nicht den vollen Einsatz bringen oder zu bringen in der Lage sind. Dafür gibt es viele mögliche Erklärungen, über die ich nur spekulieren kann. Was neben dem Platz möglicherweise nicht stimmt - ich weiß es nicht. Doch auf dem Platz lässt sich manches ablesen.  

Die Aggressivität, mit der die gleiche Mannschaft schon diverse Gegner angelaufen, zu Fehlern gezwungen hat, dominiert und besiegt hat, ist derzeit offensichtlich nicht abzurufen. Und wenn, dann nur von Teilen des Teams, aber nicht als organische Einheit. Gegen Dortmund, Wolfsburg oder die Bayern verteidigten die Ketten wie an einer unsichtbaren Schnur verbunden, verschoben lückenlos, gingen gemeinsam im Pressing vor und waren so ein ständiger Stressfaktor für den Gegner. Ein bisschen wirkte das wie ein Schwarm Fische oder Vögel, die instinktiv die richtigen Abstände einhalten und die korrespondierenden Richtungswechsel mitgehen. 

Im Spiel nach vorne stimmten die Passwege, selbst auf engstem Raum lösten sich die Spieler an der Außenlinie sehenswert und brachen dann mit schnellen Pässen oft in die Spitze durch. Das Verständnis untereinander schien engespielt, auch wenn natürlich immer wieder Angriffe ins Leere liefen, weil der Pass zu kurz oder der Gegner dazwischen war.

Nichts von dem ist in den letzten beiden Spielen zu sehen gewesen. Die Zusammenarbeit aller elf Spieler mit dem Ball und auch gegen den Ball funktioniert nicht mehr "organisch". Das ist aber etwas, was im heutigen Fußball unabdingbar ist. Machen nicht alle Spieler gleichermaßen mit, hat der Gegner oft leichtes Spiel. So wie Freiburg letzte Woche, so wie Leipzig heute.

Wenn dann das Pressing leicht überspielt wird, die Räume nicht zugelaufen werden können, hetzt die ganze Mannschaft nur hinter dem Gegner her und ist zum reagieren gezwungen, wo er den Gegner lieber selbst unter Zugzwang setzen wollte. 

Auch im Spiel nach vorn klappt immer weniger. Das liegt offenbar auch an der Verunsicherung, der angst, Fehler zu machen, die sofort bestraft werden. So werden Angriffe immer wieder abgebrochen, zm Torwart zurückgespielt und so verzögert, statt nach vorne zu spielen und den Gegner damit zu fordern. Auch der One-Touch-Fußball fällt dem immer häufiger zum Opfer, und damit ausgerechnet das Mittel, mit dem man sich auch schnell und effektiv aus dem Gegnerdruck befreien kann. 

Man kann nun alle möglichen Parameter, wie Laufleistung, Sprints oder Zweikämpfe heranziehen, nur beleuchten diese immer nur einen Teil des Gesamtbildes. Warum es so ausgeht, wie es ausgeht, liegt immer an der Kombination dieser Details. Man könnte ja beispielsweise sagen, dass viele Gegentore zuletzt ja gar nicht aus dem Spiel heraus fielen, sondern aus schlecht verteidigten Standardsituationen. Das ist richtig und sollte längst intern aufgearbeitet und trainiert werden. Doch auch die Szenen, die zu Freistößen oder Ecken führen, haben ja etwas damit zu tun. Wenn ich dem Gegner hinterherlaufen muss, steigt die Gefahr, dass ich ihn nur mit einem Foul stoppen kann oder in höchster Not zur Ecke klären muss.

Und was führt dazu, dass Borussia meist deutlich weniger läuft und sprintet als der Gegner? Zu einem Teil die eigene, ballbesitzorientierte Spielweise. Doch auch das ist nur ein Teil der Antwort.
Vielleicht liegt es auch an der Form der einzelnen Spieler, an fehlender Alternative für formschwache Spieler.
Vielleicht fehlt es an Fitness oder den letzten Leistungsprozenten bei (National-)Spielern, die seit zwei oder drei Jahren nahezu durchspielen, wenn sie nicht gerade verletzt waren (Ginter, Elvedi, Bensebaini, Zakaria, Hofmann, Lainer, Embolo).
Vielleicht sind viele Leistungsträger nicht auskuriert aus ihren Verletzungen zurückgekehrt und deshalb nicht beim vollen Leistungsvermögen - oder noch nicht (Bensebaini, Elvedi, Hofmann, Thuram, Lainer).
Vielleicht spielt bei manchem wirklich die Zukunftsentscheidung im Kopf eine Rolle - auch bei Spielern, die eigentlich bleiben wollen, aber zugleich beobachten, wie unberechenbar sich die Situation sportlich und im Kader entwickelt.
Vielleicht haben junge Spieler einfach eine normale Leistungsschwankung, nachdem sie jung ins kalte Wasser geworfen wurden und nun dringend mal eine Auszeit bräuchten (Scally, Koné).
Vielleicht ist bei manchem durch Misserfolge tatsächlich das Selbstbewusstsein am Boden (Neuhaus, Wolf), sodass man sie derzeit nicht wirklich als Alternative sehen kann für einen, der aus den vorgenannten Gründen sein Leistungslevel nicht erreicht.

Fakt ist: Bei Borussia kämpfen gerade viele Spieler damit, dass sie ihre gewohnte Leistung nicht abrufen können. Das ist tödlich für den Spielansatz, den Adi Hütter (aber mittlerweile auch die meisten anderen Trainer in der Liga) favorisiert. Und es gibt aus verschiedenen Gründen kaum Alternativen, ihnen eine Pause zu gönnen oder andere mit gutem Gewissen aufs Feld zu schicken. 

Immerhin hat heute in Laci Benes einer mal wieder seinen Kopf herausgestreckt und sich einen Startelfeinsätz am Mittwoch verdient. Weil er der einzige ist, der offenbar im Moment gefährlich Standards schlagen kann (auch wenn zwei Freistöße ziemlich ins Leere gingen). Und er ist ballsicher genug, um auch nach hinten und vorne der Mannschaft ein wenig mehr Stabilität zu geben als Koné zuletzt. Nochmal: Ich werfe das weder dem Franzosen noch Scally vor. Das Problem ist, dass sie mangels fitter und formstarker Konkurrenz derzeit gesetzt sind und dass ihnen auch die erfahrenen Nebenleute nicht die Stabilität und Unterstützung geben können, die sie bräuchten.

Ich habe keine Ahnung, wie sich dies kurzfristig reparieren ließe, wahrscheinlich geht es auch nicht so schnell. Das bedeutet aber, dass wir uns gegen Frankfurt und Hoffenheim in der kommenden Woche auf zwei weitere schwierige bis bittere Spiele einstellen müssen, bei denen am Ende möglicherweise wieder keine Punkte gesammelt werden. Insofern ist der Blick nach unten in der Tabelle, den ich letzte Woche schon mal angeraten habe, spätestens heute zur Pflicht geworden.

Es muss sich in dieser Mannschaft etwas Entscheidendes tun, damit die neuerliche Negativspirale durchbrochen wird. Was dabei bedenklich ist, ist die Tatsache, dass dies ja auch der nahezu gleichen Mannschaft unter Marco Rose nach dem verlorenen Derby nicht mehr gelang. Damals verdeckte die aufgeheizte Rose-Diskussion und die einseitigen Vorwürfe vieler Fans in dessen Richtung diese Tatsache weitgehend. Wenn sich das in ähnlicher Weise unter Adi Hütter wiederholt, ist diese Ausrede weg. Aber ist es dann eine Frage der Mentalität, wo doch genug Gegenbeispiele existieren, als diese Mannschaft Mentalität und Comebackqualitäten gezeigt hat.

Aber selbst wenn es so sein sollte und das Management handeln will. Es kann in diesem Winter nicht und es konnte im vergangenen Transferfenster nicht so gehandelt werden, wie man es vielleicht vorhatte, um dem neuen Trainer die Arbeit mit "passenderen" Spielern zu erleichtern. Die Welt und die finanziellen Rahmenbedingungen sind so, der Verein lebt zum Glück ein seriöses Wirtschaften vor und kann dann aber auch nicht so handeln wie manch anderer. Das muss man so hinnehmen, aber es ist - wie die jüngste Entwicklung - nichts, was einen in Sachen Gladbach optimistisch ins neue Jahr schauen lassen würde. 

Aber ich sprach ja auch schon von der nicht immer nachvollziehbaren Logik des Fußballs. Dazu gehört auch die "Spontanheilung". Wer weiß schon, wie es in sechs Wochen aussieht. Ja, ich weiß, dass die ersten drei Gegner im neuen Jahr die Bayern, Bayer und Union heißen. Aber vielleicht findet das Team trotzdem schneller als gedacht wieder zu seinen "organischen Abläufen" und straft mich und viele andere Lügen.
Ich würde es mir wünschen, so richtig glauben kann ich daran heute nicht. Denn was ich in den letzten beiden Spielen gesehen habe, beunruhigt mich extrem: So ist Borussia nicht wettbewerbsfähig.
 

Bundesliga, 15. Spieltag: RB Leipzig - Borussia Mönchengladbach 4:1. Tor für Borussia: 2:1 Bensebaini.

Saisonspende: Ein Euro in die Kasse, mehr konnte es auch heute nicht werden. Vielleicht muss ich noch eine Nichtabstiegsprämie aufrufen, denn mit den Saisonzielen wird das so auch spendentechnisch nichts. Zwischenstand: 69 Euro.

Folgendes gilt für die Saison 2021/22: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal: 1 Euro. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 121 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

3 Kommentare:

  1. Ich schließe mich deiner Spiel- und Mannschaftsanalyse 100%ig an, auch wenn es mehr als weh tut.

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  2. Zwei Sachen möchte ich ergänzen, welche in allen Blogs um die Borussia ignoriert bzw. vergessen werden:
    Borussia ist seit einiger Zeit nicht mehr Herr im eigenen Haus, Trainer (Rose) und Spieler (kann nicht alle betreffenden hierein schreiben, da nur begrenzt Textzeichen) tanzen dem Verein auf der Nase herum. Eberl und die restlichen Verantwortlichen lassen das mit sich machen. Eberl reagiert auf berechtigte Kritik viel zu dünnhäutig, anstatt "Eier" zu zeigen, taucht bei Eberl das Ei nunmehr nur in der Bezeichnung als Weichei auf. Eberl hat in der Vergangenheit sicherlich viel richtig gemacht aber seine Entwicklung hat mit zunehmenden Erfolg des Vereins stagniert.
    Das zweite Problem ist, dass die Jugendarbeit bei Borussia seit Jahren quasi tot ist in Bezug auf dem Herausbringen von jungen Spielern, welche konkurrenzfähig sind und die borussia-DNA in sich tragen. Den Fans fehlen solche Spieler, welche Borussia immer wieder gebar, wie es so schön in einem Lied heißt. Die letzten Borussen, die das Fohlen-Gen in sich tragen, sind mittlerweile auch schon über 30 Jahre alt.

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  3. Wie ich bereits schrieb es muss in dieser Saison Ziel sein 3 Mannschaften von unten hinter sich zu lassen, irgendwie wenn nötig und so wie es z. Zeit aussieht auch ohne Hütte und die welche keine Leistung mehr bringen können oder wollen oder aus welchen Gründen auch immer. In der Winterpause ist dringendst gross Reinemachen erforderlich auf allen Ebenen, jeder Stein muss umgedreht werden, mit wenn erforderlich mit den notwendigen Konsequenzen, andernfalls findet man sich in der nächsten Saison in Liga 2 wieder.

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