2024-08-24

Mehr, als zu erwarten VAR

Willkommen in der neuen Spielrunde unter dem Motto "VAR da was?" Borussia ist mit einem Sieg im DFB-Pokal in Aue und einem Fast-Erfolgserlebnis gegen den amtierenden Meister nach einem mehr als ordentlichen Spiel in die Bundesliga-Saison gestartet. Das ist deutlich mehr, als man noch vor zwei Wochen erwarten konnte.

Ich habe mir - wegen der sehr zweifelhaften Entwicklung dieses Sports und seiner Profiteure - vorgenommen, künftig deutlich weniger Engagement (und Geld, z.B. für DAZN) in die Begleitung des Ganzen zu stecken und Borussias verzweifelten Weg in einer Sportwelt der vielen Ungleichen mit mehr Gelassenheit zu betrachten. 

Deshalb wären die Ergebnisse der ersten beiden Spiele im Normalfall auch geeignet gewesen, das Gemüt in dieser Hinsicht gleich etwas zu beruhigen. Natürlich kam es anders und ich war die guten 100 Minuten gegen Leverkusen sowas von "on fire". Aus vielen Gründen.

Fangen wir mit dem Positiven an. Die Fans sind wieder ok mit dem Club und der Mannschaft. Das ist wichtig.

Der Fanmarsch war klasse anzusehen, die Bökelberg-Choreo überragend, die Stimmung im Park mitreißend, selbst die (natürlich teuren) Pyrogrüße gaben dem Saisonauftakt einen guten Rahmen. Irre: Der Verband, der das sanktioniert und verteufelt, macht genau mit diesen stimmungsvollen Bildern dann Werbung in aller Welt für das Premiumprodukt Bundesliga. Finde den Fehler.

Das Drumherum stimmte also. Und auch die Mannschaft von Gerardo Seoane lieferte. Sie hatte in der schlimmen Endphase der letzten Saison und auch in der Vorbereitung auf die neue zwar nur wenig aufblitzen lassen, was auf eine sichere Saison ohne Abstiegssorgen schließen lassen würde.

Doch diese Zweifel sind ein wenig kleiner geworden. Nach den ersten mauen Minuten gegen Aue mit der Reproduktion altbekannter Fehler bekam das um Kevin Stöger und Tim Kleindienst verstärkte Team in der vergangenen Woche die Nervosität und die eigene Spielidee besser in den Griff und brachte die nicht nur für die Stimmung im Anhang sehr wichtige Partie letzlich sicher ins Ziel. Erster Grundstein also gelegt.

Ob damit sportlich gegen den ungeschlagenen Übermeister der letzten Saison etwas zu holen sein würde, war zum Abpfiff in Aue allerdings noch äußerst fraglich. Eine Woche später wissen wir: Der VfL hat standgehalten. Die Trainingswoche wurde offensichtlich gut genutzt, und Borussia zeigte sich im Gegensatz zu den beiden letzten eher chancenlosen Treffen mit Xabi Alonsos Bayer-Team erheblich besser gerüstet, als das zu erwarten war.

Die Gäste waren zwar am Freitagabend durchweg die reifere und erheblich besser eingespielte Mannschaft, doch Borussia verdichtete ihrerseits die eigenen Räume fast über die gesamte Spielzeit mit großem läuferischen Einsatz, mutigem und gutem Angriffspressing und einer tadellosen kämpferischen Einstellung. 

Dass Leverkusen durch zwei eiskalt genutzte Chancen frühzeitig zu enteilen drohte, war dennoch nicht überraschend. Denn die niederrheinische Defensive neigt nach wie vor zur Anfälligkeit, das war schon gegen Aue zu beobachten. Hier fehlt einfach noch die adäquate Verstärkung, die es im Offensivbereich mit Kleindienst, Stöder und Sander schon gegeben hat. Und Fehlpässe wie der von Elvedi vor dem 0:1 werden von Spitzenteams nun mal gern konsequent ausgenutzt.

Doch Borussia zog weiter durch, blieb giftig und fleißig, ließ sich zu keinem Zeitpunkt des Spiels hängen und wurde, angetrieben vom unermüdlichen Stöger, selbst phasenweise spielbestimmend und immer wieder mal gefährlich. 

Mit etwas Glück und viel Einsatz verdiente sich die Seoane-Elf kurz vor Schluss dann auch den von Kleindienst auf unnachahmliche Mittelstürmer-Art erzielten Ausgleichstreffer. 

Dass der gegen die "Nachspielzeit-Monster" vom Bayer-Kreuz aber dann doch nicht zu einem Punktgewinn reichte, war ärgerlich. Nein: Es war zum Kotzen. Denn wieder waren es diverse fragwürdige äußere Eingriffe, die dafür sorgten, dass am Ende weniger die beherzte Leistung der Borussia im Vordergrund stand, sondern wieder einmal das versagende Schirihilfsmittel VAR.

Ich habe mich am Freitagabend und am Samstag schon wieder viel zu lange mit den strittigen und möglicherweise spielentscheidenden Szenen beschäftigt, aufgehalten, darüber diskutiert und mich geärgert. Deshalb wollte ich sie hier auch bewusst nicht mehr in den Vordergrund stellen. Allerdings leistete das schwache Schiripärchen Robert Schröder (Feld) und Benjamin Cortus (VAR) so gründliche Arbeit, um das von mir immer wieder verteidigte Korrektur-Hilfsmittel zur Zumutung verkommen zu lassen, dass man nicht dran vorbeikommen kann.

Viermal griff der VAR ein, zweimal überprüfte er dabei Abseitsentscheidungen, die bei den Toren jeweils haarscharf zugunsten der Gladbacher ausfielen. Glück gehabt, denn auch wenn es sich hier um messbare, "unparteiische" Ergebnisse handelt, ist "Abseits oder nicht" heute in 90 Prozent der Fälle eine reine Glückssache, die weder ein Verteidiger noch ein Stürmer bewusst durch das eigene Verhalten steuern können. Aber: Geschenkt.

Dass das vermeintliche 1:2 durch Kleindiensts Kopfballhechter knapp über der Grasnarbe nicht zählte, war nicht nur aufgrund der Energieleistung und des brachialen Durchsetzungswillens des Torschützen sehr schade. Es säte auch erste Zweifel daran, ob der VAR Cortus seine Aufgabe kannte, nämlich den Schiedsrichter nur auf drohende klare Fehlentscheidungen aufmerksam zu machen. 

Ja, ich kann damit leben, dass der Treffer zurückgenommen wurde, weil es bei der Grätsche um den Ball zu einem wahrscheinlich eher leichten Kontakt gegen Hincapies Wade kam, die Schröder vermutlich nicht sehen konnte. Doch weder war das ein Tritt, der den Abwehrspieler behinderte, noch einer, der den Ablauf der gesamten Aktion bis zum Torerfolg verändert hat. Das Tor wäre auch sonst genauso gefallen, da Hincapie die Aktion nicht besser hätte klären können. Klare Fehlentscheidung also? Mitnichten.

Spielentscheidender und vollends unerträglich wurde es in der Nachspielzeit, als Itakura gegen Adli im Strafraum klären wollte und beide Spieler nahezu zeitgleich den Fuß an den Ball brachten. Der kullerte aus dem Strafraum heraus, genau in der Richtung, in die Itakura gegrätscht hatte, bevor der Japaner dann unzweifelhaft Adlis Fuß traf. 

Der wiederum ging mit langem Bein in den Zweikampf, um den Ball zu erreichen oder zumindest möglichst vom Gegner getroffen zu werden. Adli fiel theatralisch zu Boden, doch Schiri Schröder sah die Richtung des Balles und ließ weiterlaufen. Auf Intervention aus dem Kölner Keller änderte er seine Meinung, wobei unklar ist, ob er alle zur Verfügung stehenden Perspektiven ausreichend betrachtete. 

Ein Kamerawinkel entlastet Itakura, andere legten den Schluss nahe, das der Gegner eher am Ball war. Diese Blickwinkel waren allerdings nicht geeignet, die Richtung deutlich zu machen, in die der Ball nach dem Kontakt lief. Es ist jedenfalls kaum realistisch, dass Adli in dieser Situation den Ball statt geradeaus nach links hätte spielen können und wollen. 

Ohne Zweifel eine sehr verzwickte Szene, die wie die beim 1:2 über mehrere Minuten gecheckt wurde und aus der vor allem eins klar wurde: eine eindeutige Fehlentscheidung des Schiedsrichters lag nicht vor, Schröder hatte in der Realgeschwindigkeit richtig gelegen - etwas, was ihm an diesem Abend nicht immer gelungen war. 

Auch ganz am Ende der Partie übrigens nicht, als eine fast identische Grätsche von Itakura gegen Adli - diesmal ohne Ballberührung - zu einem Elfmeter hätte führen müssen. Hier blieben Schiri und VAR allerdings untätig, vermutlich, weil das Spiel beim Stand von 3:2 für Leverkusen ohnehin kurz vor dem Abpfiff stand. Was es nicht richtiger macht. Genausowenig allerdings wie die Tatsache, dass der VAR sich in diesem Spiel einfach öfter hätte zurückhalten müssen.  

Fazit: Auf der Leistung der Borussia lässt sich aufbauen, auch defensiv. Dennoch gilt es abzuwarten, ob und wie sich die unrunde Kaderstruktur angesichts noch möglicher Transfers von Koné, Neuhaus, Itakura oder Elvedi bis zum Monatsende noch verändert. Und ob Borussia nach dem mutigen Auftritt gegen den übermächtigen Gegner die Spannung auch gegen andere Gegner zu halten imstande ist.

Saison 2024/25, DFB-Pokal, 1. Runde: Erzgebirge Aue - Borussia Mönchengladbach 1:3. Tore für Borussia: 1:1 Honorat, 1:2 Netz, 1:3 Plea.

Saison 2024/25, Bundesliga, 1. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Bayer Leverkusen 2:3. Tore für Borussia: 1:2 Elvedi, 2:2 Kleindienst. 

Das gilt in der Saison 24/25: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für die beiden kampflosen Derbysiege gegen K*** gibt es diese Saison ein Startkapital von 20 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 2 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund, Leverkusen oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 30 Euro. Deutsche Meisterschaft: 124 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2024-08-13

Unfertig in die Saison

Vier Tage noch, dann beginnt mit dem Erstrundenspiel in Aue für Borussia die neue Saison. Ich habe mir bis jetzt Zeit gelassen, meine Gedanken zum erneuten Umbruch nach der so enttäuschenden letzten Saison zu Tastatur zu bringen. Denn ich habe gehofft, dass irgendwann der Kader so steht, dass man ihn vorläufig beurteilen kann. 

Aber auch heute muss ich gestehen: Egal, was ich schreiben würde, es wäre ein Schuss ins Blaue - eine Rechnung mit zu vielen Unbekannten. Eine reine Spekulation. Wer heute eine Saisonprognose wagt, kann richtig liegen. Aber genausogut völlig falsch.


Deshalb konzentriere ich mich darauf, mich der Frage „Wie stark kann Borussia sein?“ von verschiedenen Seiten zu nähern. Beantworten kann ich sie nicht. 



Die Transfers

Eins lässt sich mit einiger Berechtigung sagen: Roland Virkus und sein Team haben bislang drei gute Transfers getätigt. 


Kevin Stöger ist ein weit überdurchschnittlicher Bundesligaspieler in einer unterdurchschnittlichen Bochumer Mannschaft gewesen - und letztlich ihr Garant für den Klassenerhalt in der Relegation. Als Bochumer Kapitän hat er auch gegen Borussia gezeigt, dass er sich nicht versteckt und auch nicht zurücksteckt. Man erinnere sich nur an die Ajuseinandersetzung mit Florian Neuhaus. 

Das ist eine Eigenschaft, die unserem VfL oft gefehlt hat - zumindest, wenn man mit aggressivem Spiel nicht auch gleich bei den Schiedsrichtern im Block steht, wie es unseren Spielern teilweise sehr schnell passiert.


Auch Philipp Sander ist bei seinem vorherigen Team Kapitän gewesen und kein unerfahrener Spieler. Er kann auch im zentralen Mittelfeld variabler eingesetzt werden als zum Beispiel Stöger. Dass er erste Liga kann, würde ich nicht in Zweifel ziehen. Allerdings sollte man nicht gleich erwarten, dass er die Seoane-Elf alleine stabilisieren kann. 

Zugleich sollte man genau das aber auch nicht ausschließen. Beispiele wie Hack und Reitz haben ja genau das gezeigt. Wem sich eine Chance bietet und wer sie nutzen kann, dem ist viel mehr zuzutrauen als von der Papierform erwartbar wäre. 


Tim Kleindienst ist der durchsetzungs- und abschlussstarke Mittelstürmer, der eigentlich Tomas Cvancara letzte Saison hätte sein sollen. Kleindienst hat seine Treffsicherheit in der Bundesliga bei Heidenheim vergangene Saison nachgewiesen. Allerdings war das auch sein bisher einziges Erstliga-Jahr. Dass er das wiederholen kann, wird weniger an ihm liegen als seinen Nebenleuten. Und da spielt die taktische Ausrichtung im Spiel nach vorne die entscheidende Rolle.

 Was Kleindienst auf jeden Fall auf ein anderes Niveau heben kann, ist das Anlaufverhalten im Gegenpressing und im gegnerischen Spielaufbau - was wiederum auch nicht so schwer ist. Er ist nachweislich ein unermüdlicher und sehr unangenehmer Gegner, seine neuen Kollegen waren es bis jetzt nur in Ausnahmefällen. Zusammen mit Stöger und Hack könnte das also eine gute erste Pressinglinie geben. Und: Kleindienst kommt mit einer Prise Extravaganz und viel Selbstvertrauen nach Gladbach - so wie Max Kruse damals. Das kann auch eine Mannschaft beflügeln - sofern sie dafür Freiräume bietet und akzeptiert.


Drei Neuzugänge also, die nach Beobachtung der letzten Spieljahre durchaus Sinn ergeben und der Mannschaft neue Impulse geben können. Allerdings: Härte gegen Ball und Gegner, die den notwendigen Respekt beim Gegner erzeugen und ihn stressen kann, ist ein Mittel, aber kein Allheilmittel. Und nur eins der vielen Probleme, die Borussia in der vergangenen Saison an den Rand des Abgrunds geführt hatten. 

Da kann eine besser austarierte Offensivabteilung natürlich schon eine entscheidende Rolle in der erneuten Neuerfindung der Borussia spielen. 


Und die Offensivkräfte im Gladbacher Kader können sich insgesamt sehen lassen. Für die Neuzugänge sollten Robin Hack und Franck Honorat perfekte Ergänzungen sein. Von Shio Fukuda und Grant-Leon Ranos sind weitere Schritte zum Bundesligaspieler zu erwarten. Gerade beim Japaner sehe ich die nötige Wettkampfhärte und auch die Abschlussstärke, dass er sich kurzfristig durchsetzen kann und ein Spieler für den Spieltagskader sein kann. Eine Leihe kann bei Ranos allerdings dennoch Sinn ergeben. 

Denn ohne verletzte Kollegen ist die Konkurrenz noch immer sehr groß: Plea, Hack, Kleindienst, Stöger, Cvancara sollten in verschiedenen taktischen Varianten im zentralen Positionen gesetzt sein. 


Cvancara wäre zu wünschen, dass er diesmal fit bleibt und auch seinen Stärken entsprechend eingesetzt wird. Was er kann, hat er immer wieder angedeutet. 


Dazu die Wundertüten Neuhaus und Ngoumou, die alle Anlagen für mehr als nur Bankdrücker haben, dies aber auch konstant auf dem Platz beweisen müssten (was aber in den Testspielen diesen Sommer nicht wirklich zu sehen war). Was für eine Renaissance von Neuhaus und eine wieder wichtige Rolle von Alassane Clea sprechen könnte wäre, dass sie läuferisch stärkere Spieler neben sich und gute Passempfänger vor sich hätten.  


Die Abgänge 


Tony Jantschke und Patrick Herrmann sind Verluste. Nicht mehr so sehr sportlich, wobei Tony auch in seinen letzten Spielen erneut bewies, dass er auf den Punkt seine Leistung abzurufen weiß. Flaco gelang dies in den letzten eineinhalb Jahren dagegen fast gar nicht mehr.

Verluste sind sie zweifellos dennoch, für das Mannschaftsgefüge, so wie Oscar Wendts und Ibo Traorés Abschied sich damals merklich auf die Disziplin der damaligen Mannschaft auszuwirken schien.

Vielleicht bietet das Karriereende der sportlich nur noch teilzeitgefragten Urgesteine aber auch die Chance, dass sich neue ehrgeizigere Teamstrukturen bilden, wer weiß das schon.


Dass Chris Kramer wohl nicht mehr für Borussia auflaufen wird, ist für mich eine zwiespältige Sache. Einerseits ist er noch immer einer, der Bundesliga spielen kann. Doch sein sportlicher Impact beim VfL ist seit Jahren kaum noch zu spüren. 

Er hat es verpasst, sein Spiel an die Erfordernisse der jeweiligen Trainer zu adaptieren (oder zu wechseln). Denn diese Flexibilität ist Grundvoraussetzung dafür, um dauerhaft einen Kaderplatz bei einem Bundesligisten besetzen zu können. 

Ich sehe über Laufbereitschaft und Erfahrung hinaus heute wenige sportliche Argumente, die noch für ihn (bei Borussia) sprechen. Und dass die Interessenten bei ihm trotz vermutlicher Ablösefreiheit nicht Schlange stehen, sagt auch etwas aus. 


Kramer hat sich immer zu Borussia bekannt, das rechne ich ihm hoch an. Aber möglicherweise hat er auch seinen Anteil an manchen wenig leistungsfördernden Stimmungen in der Kabine, aber das kann ich nicht beurteilen. Dass er von Seoane am Ende so deutlich aussortiert wurde, macht die Sache nicht schöner. Schade, wenn es so endet, denn Borussia könnte einen eloquenten Vertreter auch nach seiner Karriere sicher gewinnbringend einsetzen. Aber dazu scheint es jetzt nicht mehr kommen zu können.


Falls Kramers Vertrag aufgelöst wird und auch Manu Koné den Verein noch verlässt, wäre Borussia im zentralen Mittelfeld immer noch zahlenmäßig und qualitativ ausreichend besetzt. Zu den schon genannten Namen kommen ja auch noch Rocco Reitz und Julian Weigl. Mehr geht immer. Dennoch scheint der Offensivbereich derzeit deutlich besser für die Saison gerüstet als die übrigen Mannschaftsteile.


Für Patrick Herrmanns Kaderplatz rücken vor allem Nachwuchskräfte wie sein aus Dortmund gekommener Namensvetter oder die Eigengewächse Boteli und Sauck in Reichweite. Keiner von diesen dreien ist Stand heute bundesligareif. Aber über kurz oder lang könnte der eine oder andere an den Bundesligakader heranrücken. 


So wie man überhaupt lobend erwähnen muss, dass Borussia gerade für die „Nachwuchs-Säule“ im Borussia-Plan diesmal sehr viel Überzeugungskraft und auch wohl Geld in die Hand genommen hat, um Toptalente von Spitzenclubs wie Dortmund abzuwerben oder, wie im Fall Boteli, im Verein zu halten. 


Das ist sicher ein wichtiges Investment, das sich aber frühestens in zwei, drei Jahren in der Bundesliga auszahlen könnte. Zugleich ist jeder dieser frühen Transfers ein Wagnis, weil es eine Garantie nicht gibt, dass ein verheißungsvoller Spieler am Ende dort ankommt, wo man es sich erhofft. Gerade bei Borussia hat man da in den vergangenen Jahren sowohl mit ausländischen Talenten wie mit den eigenen so seine Erfahrungen gemacht. Kaum einer kam wirklich rein in die Fohlenelf - eine ganze Reihe aber ist zum guten Zweit- oder Drittligaspieler geworden. 


Der Unterschied zwischen diesen beiden Karriereverläufen muss gar nicht groß sein - aber es ist bei sehr wenigen Spielern frühzeitig vorhersehbar, dass sie es ganz nach oben schaffen werden. 


Die (noch) fehlenden Transfers


Würde man die Transferarbeit zum heutigen Tag bewerten wollen, dann müsste man sie wohl fahrlässig unvollendet nennen. Nun wissen wir alle, dass das Geschäft in den letzten Jahren nicht einfacher geworden ist, und schon gar nicht für eine in einen Negativstrudel geratene Borussia. Und wir wissen alle, dass Geld über Verkäufe erst reinkommen muss, bevor über Kleindienst und Co hinaus weiter investiert werden kann. 


Dennoch ist wenige Tage vor dem Saisonstart die Zusammenstellung der Defensive wenig vertrauenerweckend. Den Talenten Chiarodia und Ullrich stehen in Itakura, Friedrich, Elvedi, Scally, Netz und Lainer erfahrenere Kollegen zur Seite, von denen aber nicht einer eine gute letzte Saison gespielt hat. Phasenweise ja, zumal in Anbetracht des insgesamt prekären Auftretens der Mannschaft. Aber dauerhaft überzeugend war keiner davon. Diese acht Spieler sind nach den derzeitigen und vergangenen Eindrücken ohne Frage nicht ausreichend, um eine erfolgreiche Bundesligasaison zu spielen - geschweige denn, sie schadlos zu überstehen.



Auch Jantschkes Aufrücken in den Trainerstab und das Auslaufen der Leihe von Max Wöber haben für diese deutliche Lücken im defensiven Kaderteil gesorgt, die bis heute nicht ansatzweise geschlossen sind. Mit Patrick Herrmanns Karriereende und dem mutmaßlichen Ausstieg von Chris Kramer fallen zudem zwei (zugegeben absolute) Notnägel für die Rechtsverteidiger bzw. Innenverteidigerposition weg. In Jantschke und Wöber fehlen auch die letzten erfahrenen Spieler, die sowohl auf Außen als auch innen verteidigen könnten. Die möglicherweise schwerwiegende Trainingsverletzung von Nico Elvedi vom heutigen Dienstag lässt spätestens jetzt alle Alarmglocken schrillen.


Insofern muss sich hier noch bis zum Transferschluss Ende August etwas Gravierendes tun. Hoffen wir, dass das noch durch einen Koné-Wechsel in den kommenden Tagen realisiert werden kann und mit entsprechenden Kandidaten soweit alles klar ist, dass sie auch kommen würden. Wenn nicht, was wäre Plan B?


Es bleibt ein Ritt auf der Rasierklinge


Was heißt das nun alles? Ich weiß es nicht. Natürlich kann es sein, dass ab Samstag alle Rädchen wie geschmiert ineinander greifen. Dass sich die neuen Mannschaft schnell findet, all die enttäuschenden individuellen und mannschaftlichen Leistungen der vergangenen Saison einfach weggewischt werden können. Und dass sich auch das nicht zu Unrecht kritisierte Trainerteam um Gerry Seoane rehabilitieren und das Vertrauen der Vereinsführung rechtfertigen kann. Dass die Elvedis und Friedrichs, die Weigls und Neuhaus’ plötzlich wieder das spielen, was man ihnen zutrauen darf. Dass Omlin verletzungsfrei bleibt und das hohe Niveau wieder erreicht, mit dem er hier einst ankam. 


Vielleicht haben alle im Verein verstanden, worauf es ankommt und ziehen gemeinsam an einem Strang. Vielleicht überrascht man uns auch mit dem einen oder anderen weiteren guten Neuzugang. Vielleicht hat Borussia auch mal wieder das Spielglück, was es braucht, um sich selbst auf einen guten Weg zu bringen. Das ist alles möglich, und man sollte es auch nicht ausschließen, nur weil die Testspiele wenig davon haben erkennen lassen.


Allein, ich kann es mir nicht so recht vorstellen. 

Für mich ist Borussias inzwischen dritter Umbruchsversuch in Folge noch zu unvollendet und das Team nicht ausreichend auf durchaus wahrscheinliche Rückschläge wie Verletzungen von Leistungsträgern vorbereitet. Stand heute ist Borussia für mich ein Kandidat für das untere Mittelfeld, mit einem gewissen Risiko für noch Schlechteres. 


Nicht falsch verstehen: Ich lasse mich gern eines Besseren belehren. Ich hoffe sogar sehr, sehr, sehr darauf. Ein, zwei, drei sinnvolle Verpflichtungen können viel bewirken - oder mancher, den man gar nicht auf dem Zettel hatte, kann sich in den Fokus spielen. 


Aber alles, was dafür besser laufen müsste, muss auch erstmal eintreffen. Daran habe ich mit den heute vorliegenden Informationen und Eindrücken meine begründeten Zweifel. Denn nicht zuletzt zeichnet es unsere Borussia bekanntermaßen gerade nicht aus, dass ihr stets die Sonne aus dem Hintern scheint. Obwohl es mal Zeit dafür wäre. 


In diesem Sinne: Trotz allem auf eine geile Saison!