Die Saison ist vorbei, das war sie im Prinzip auch schon einen Spieltag vor Schluss.
Nach der Niederlage in Dortmund schrieb ich noch:
"Die
Mannschaft und der Trainer haben noch ein Kiel, Hoffenheim, Bayern und
Wolfsburg lang Zeit, das Gefühl, das wir für diese Saison haben, in ein
nachhaltig Gutes zu verwandeln. Vier Spiele für ein Halleluja oder vier
Spiele für ein "Ihr Hallodris"?
Im zweiten Fall werden wir über den
Sommer hinweg eine weiter verschärfte Diskussionsschleife und Wehklagen
über Virkus und Seoane haben, inklusive des fortgesetzten Zweifels an
der Richtung, die der Verein verfolgt. (...)
Das
Gute: Mannschaft und Trainer haben das noch selbst in der Hand. Das
nicht so Gute: Mannschaft und Trainer haben das noch selbst in der Hand."
Was soll man sagen? Mannschaft und Trainer haben nur eine sehr unbefriedigende Antwort auf die damals offenen Fragen geben können, und doch war es eine durchaus vorhersehbare Antwort. Von der Momentaufnahme auf Platz 5 hat man sich innerhalb der letzten Wochen verdient in der Tabelle durchreichen lassen.
Die zwischenzeitlich erreichbar scheinenden Ziele verpasst, allein die "Einstelligkeit", das nach dem Verlauf der Saison dann doch unterambitionierte Saisonziel, von Roland Virkus mangels besserer Argumente aber nochmals beschworen, war vor Spiel 34 noch in Sichtweite.
Wie fast schon zu erwarten, hätte Borussia aber selbst ein Heimsieg gegen Wolfsburg nicht mehr dazu gereicht, dazu hätten ja außerdem die Konkurrenten mitspielen müssen. Und selbst ein versöhnlicher Heimsieg gelang gegen einen äußerst biederen Gegner nicht, trotz vernünftiger erster Halbzeit und ausreichend Torchancen. Borussia verpasste somit auch die letzte Möglichkeit, die Fans mit einem guten Gefühl in die Sommerpause zu schicken. Was kein Grund ist, Trainer und einzelne Spieler des eigenen Teams vor, während und nach dem Spiel auszupfeifen.
Fest steht: Diese letzte Saisonphase macht eine Saison kaputt, die nicht so schlecht war, wie sie jetzt wirkt und teilweise gemacht wird. Die aber trotzdem auch alle Schwächen im Verein, im Kader und auf dem Platz aufgedeckt hat.
Irgendwas zwischen Platz 8 und 11 konnte es vor dem Wolfsburg-Spiel noch werden. Platz 10 blieb es, was allerdings auch nicht dem eigenen Ertrag aus dem Spiel, sondern den Ergebnissen auf den anderen Plätzen geschuldet war.
Platz 10 also. Das ist erstmal unbestreitbar positiv, mit dem kurzen Blick zurück auf Rang 14 in der vergangenen Saison. Im Vergleich zu den wenig erquicklichen Jahren zuvor - Platz 10, 10 und 8 - liegt die Seoane-Borussia allerdings etwa auf dem gleichen Niveau, was Abschneiden und Punkteausbeute angeht. Und die Jahre zuvor ziehen wir zum Vergleich erst gar nicht heran, das wäre nicht zielführend.
In dieser Saison stehen am Ende 34 Spiele, 13 Siege, 6 Remis und 15 Niederlagen in der Bilanz. Vor einem Jahr war es am Saisonende eine Niederlage weniger, allerdings nur 7 Siege und 13 Unentschieden. Das macht ziemlich genau den Unterschied, denn statt zu derzeit 45 Punkten reichte es damals nur zu 34. Die geschossenen Tore sind mit 55 gleich.
Deutlich besser sind die Gegentore mit 57. Und hätte sich die Mannschaft in den letzten fünf Spielen nicht einen Gegentorschnitt von fast 3 Toren geleistet, hätte diese Bilanz deutlich noch freundlicher ausfallen können. Denn vergangene Saison waren es noch 67 Gegentore, und das ist neben der Punkteausbeute der positive Befund eines Fortschritts - wohlgemerkt zur ersten Seoane-Saison.
Vergleicht man mit der Farke- (52:55 Tore, 43 Punkte) und der Hütter-Saison (54:61 Tore, 45 Punkte), so liegt Borussia in diesem Jahr wieder fast auf dem gleichen Niveau, was Tore, Gegentore und Punkte angeht - nicht mehr und nicht weniger. Auch diese beiden Saisons endeten im absoluten Mittelfeld, auf Platz 10.
Der von der Vereinsspitze vielbeschworene Fortschritt beschränkt sich also in Wirklichkeit nur auf die missratene erste Saison unter Gerry Seoane.
Doch Zahlen verraten nicht alles. Team und Trainer haben sich weiterentwickelt. Beide haben zeitweise die Hoffnungen nähren können, dass sie zueinander gefunden haben. Dass die Mannschaft verstanden hat, was Seoane will und dass der Schweizer Trainer sich auch anderen Ansätzen als seinen öffnet, wo es für den Erfolg nötig ist.
Doch das hatte Grenzen. Es blieb eine Wechselpolitik, die zu oft von außen nicht nachvollziehbar war. Die aber dafür sorgte, dass Spiele enger endeten, als es hätte sein müssen. Dass die Mannschaft sich aus dem gegnerischen Druck nicht mehr befreien konnte. Des öfteren blieb so auch der begründete Verdacht des Vercoachens hängen.
Mit zunehmender Dauer des Saison reichten die Kräfte auch immer öfter nicht mehr, um ständige personelle Ausfälle und individuelle Durchhänger zu kompensieren, weil gleichzeitig von Einwechselspielern in engen Schlussphasen kaum Entlastung kam.
Ich bin keiner, der sich für schlauer hält als ein Trainer, der die Spieler täglich sieht, einschätzen kann und der natürlich seinen Beruf beherrscht - sonst wäre er kein Trainer bei einem Proficlub. Für alle Entscheidungen hat das Trainerteam seine Gründe gehabt, gute und die, sich sich als nicht erfolgreich herausgestellt haben.
Sicher ist: Keine war dazu gedacht, die eigene Mannschaft schwächer zu machen. Wenn ich den handelnden Personen diese Selbstverständlichkeit nicht zugute halten würde, bräuchte ich mir kein Spiel mehr anzuschauen.
Allerdings wird auch Gerardo Seoane wissen, dass das, was er innerhalb der Partien in dieser Saison entschieden und umgesetzt hat, zu oft nicht den Ertrag gebracht hat, der möglich war.
Und was hat sich nun wirklich geändert in dieser Saison? Die Runderneuerung des teuren, aber stagnierenden
"Europa"-Kaders schreitet voran, ist vielleicht sogar bald fürs erste abgeschlossen - sofern Abgänge nicht neue Wunden reißen. Es bringt wenig, Sommer, Thuram, Bensebaini, Hofmann oder Koné hinterherzutrauern oder darüber nachzudenken, wo man mit ihnen heute stehen könnte - sie wären ohnehin nicht in dieser Konstellation zusammengeblieben.
Und zur Ehrlichkeit gehört auch, dass auch diese Kader unter Hütter und Farke nicht wirklich rund waren und unter dem Strich keine bessere Performance ablieferten als der heutige.
Klar, Vergleiche der letzten drei, vier Jahre sind schwierig, aber nicht unzulässig.
Tatsächlich steht der aktuelle Kader im Vergleich nicht so schlecht da.
Von den individuellen Fähigkeiten der besten 16, 17 Spieler könnte er
durchaus einen europäischen Wettbewerb erreichen, meint man, besonders
in einem Jahr wie diesem, wo es eine Reihe von Konkurrenten auf
Augenhöhe gab, die sich auch nicht viel cleverer angestellt
haben. Der Kader ist noch immer (auch ohne Verletzungen) auf einigen Positionen nicht gut oder nicht ausgeglichen genug besetzt, um wirklich eine ganze Saison lang im ersten Drittel der Tabelle mithalten zu können.
Dennoch
haben wir auch viele gute Spiele und viele sehr gut (oder grandios)
herausgespielte Tore erlebt, dazu eine sehr starke Präsenz bei
offensiven Standards. Phasenweise klappte die Gesamtverteidigung hervorragend, zeitweise gab es aber auch üble Rückfälle in alte, schlechte Muster.
Dass
es in der Saison 25/26 nicht zu Auslandspflichtspielreisen kommen wird,
hat viele Gründe. Jeder für sich ist nachvollziehbar, oder fast jeder. In der genauen Betrachtung bleiben sie trotzdem ärgerlich. Und möglicherweise
vermeidbar. Oder sie waren Folge verschiedener Fehlentwicklungen früherer Jahre. Manche waren aber auch zufällig, wie etwa die sich aus der Vorsaison fortsetzende Verletzungsdramen bei Gladbacher Torleuten.
Das alles muss ehrlich bewertet werden und es müssen richtige Schlüsse daraus gezogen werden. Ob das auch im Verein geschieht, kann ich nicht sagen.
Dass sich alle offensichtlichen Probleme durch Transfers lösen lassen, ist jedenfalls zu bezweifeln. Dafür fehlt Borussia das Geld und vielleicht auch andere Möglichkeiten. Deshalb ist es umso wichtiger, junge, talentierte Spieler mehr zu fördern und einzubauen. Es ist auch notwendig, dass sich der Trainer weiterentwickelt.
Netz, Ullrich, aber auch Nicolas und Tiago Cardoso haben sich nur in die Mannschaft spielen können, weil Seoane durch entsprechende Personalnot nicht mehr an ihnen vorbei kam. Es wäre wichtig, dass aus dieser Erfahrung heraus jetzt die nächsten Spieler, etwa Fukuda oder Pesch, einen größeren Vertrauensvorschuss bekommen und schneller integriert werden.
Es braucht aber auch einen Fokus darauf, wie man eine Mannschaft emotional und taktisch so clever aufstellen kann, damit sie daraus Kraft ziehen kann, auch wenn sie sonst an Grenzen stößt. Es gibt genug Vereine, die dies schaffen und die damit fehlende individuelle Klasse wettmachen können.
Dass Borussia Comeback-Qualitäten hat, hat sie auch in dieser Saison schon ausgiebig bewiesen. Das ging oft ein wenig unter, weil man sich mehr darüber ärgern musste, warum Vorsprünge überhaupt abgegeben wurden oder Rückständen hintergelaufen werden musste.
Nun ist die Zeit, die Weichen zu stellen, damit das kommende Spieljahr einen wirklichen Forschritt zeitigt. Trotz guter Ansätze ist das in der Saison 2024/25 nicht gelungen. Es bleibt der mittelprächtige Eindruck einer verbesserten Stagnation hängen. Das ist angesichts einer Reihe von guten Auftritten schade. Doch das haben sich Mannschaft und Trainerteam durch das schlaffe letzte Drittel der Saison wiederum selbst zuzuschreiben.
"Wird's besser? Wird's schlimmer?, fragt man alljährlich", schrieb vor langer Zeit Erich Kästner. Um dann weiter zu dichten: "Aber seien wir ehrlich, Leben ist immer lebensgefährlich.”
So dramatisch müssen wir es noch nicht sehen oder formulieren. Doch es ist nicht aus der Luft gegriffen, das in diesem Sommer entscheidende Weichen für die nächsten Jahre gestellt werden - in die eine, bessere oder die andere, schlechtere Richtung. Weichen, die Roland Virkus und Gerry Seoane mit zu verantworten haben werden, genauso wie der Rest der oft zu gemütlichen Vereinsführung.
Und das ist wiederum von elementarer Wichtigkeit für unseren begrenzt handlungsfähigen Verein, der anders als andere niemals die Gewissheit haben kann, dass er nicht sehr schnell in einen fatalen Abwärtsstrudel hineingezogen werden könnte. Sicher, es kann auch anders, deutlich besser, kommen. Dazwischen liegen oft nur Nuancen, Zufälle, Glück und Pech. Aber wetten würde ich im Moment darauf nicht.
Saison
2024/25, Bundesliga, 31. Spieltag: Hostein Kiel - Borussia Mönchengladbach 4:3. Tore für Borussia: 2:1 Cvancara, 2:2 Plea, 3:3 Honorat.
Saison
2024/25, Bundesliga, 32. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - TSG Hoffenheim 4:4. Tore für Borussia: 1:0 Chiarodia, 2:0 Reitz, 3:2 Honorat, 4:4 Kleindienst.
Saison
2024/25, Bundesliga, 33. Spieltag: Bayern München - Borussia Mönchengladbach 2:0.
Saison
2024/25, Bundesliga, 34. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - VfL Wolfsburg 0:1.