2025-11-01

Aufgestanden in Ruinen

Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. 

Für diese Binsenweisheit müsste ich eigentlich ein bisschen Geld ins Phrasenschwein werfen. Aber was nützt es, wenn es doch so ist. Nach dem 7. Spieltag und der unerquicklichen Niederlage gegen die selbst fußballerisch sehr dünnen Unioner schien Borussia endgültig am Boden. Auch die erneute Trainerfrage - ob man sich Eugen Polanski gerade überhaupt als "Experiment an der Seitenlinie" leisten könne, wurde und wird rund um unseren Verein intensiv diskutiert. Diese Stimmen könnten nun etwas leiser werden.

Bis dahin sprach ergebnistechnisch aber in der Tat nichts für ihn außer dem Hinweis, dass die bisherigen Gegner in seiner Amtszeit eben auch kein Fallobst waren. Dass er viel versuchte, war zu sehen, dass auch ihm dabei nicht alles gelang, was er personell und taktisch aufbot, war ebenso unübersehbar. 

Dass es Zeit und viel Arbeit braucht, um eine verunsicherte Mannschaft in einer üblen Abwärtsspirale zu stabilisieren, wusste auch jeder. Aber ob der Verein die haben würde, wenn man Gefahr lief, am Tabellenende im Oktober/November schon den Anschluss zu verlieren, das war (und bleibt noch) offen.

Nun sind wir ein paar Wochen weiter und auch ein Stück schlauer. Gegen die Übermannschaft aus München hielt das Abwehrbollwerk trotz früher selbstverschuldeter Unterzahl mit konzentrierter Arbeit immerhin etwas mehr als eine Stunde. Es war hilfreich, dass der Gegner es im Anschluss recht gut meinte mit dem VfL und an diesem Tag nicht seine ehrgeizigste Einstellung in den Borussia Park gebracht hatte. Aber immerhin: Das Spiel zeigte einen leichten Aufwärtstrend, den man in die nächste Partie mitnehmen konnte.

Der 3:1-Pokalerfolg über den kampfstarken Zweitligisten aus Karlsruhe könnte sich im Nachhinein als ein Wendepunkt herausstellen - wenn denn die Entwicklung weiter in die richtige Richtung geht. Auch hier ging Polanski mit verschiedenen personellen Wechseln in Vorleistung (er wagt da durchaus einiges und bleibt sich treu, auch vor großen Namen nicht zurückzuschrecken). 

Doch die Mannschaft zahlte es mit der bis dahin besten Leistung der Saison zurück. Sicher, der KSC blieb seinerseits vieles schuldig, das frühe 1:0 spielte Borussia in die Karten und auch hier gab es Phasen, in denen sich das Team zu sehr in Bedrängnis bringen ließ. Doch es war am Ende ein verdienter und auch kaum gefährdeter Sieg, der zwar erstmal "nur" Geld und eine weitere Partie im Pokal einbringt. Aber in Borussias Situation möchte man natürlich auch auf solche finanziellen Bausteine gerade nicht verzichten.

Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg gegen den KSC war, dass Reitz und Co. es schafften, sich in der Defensive geschickt und diszipliniert in den Räumen zu bewegen und dem Gegner nicht so absurde Wege zu Toren zu öffnen, wie sie in den Spielen zuvor Punkt um Punkt und Selbstvertrauen um Selbstvertrauen gekostet hatten. 

Den Fokus der Spieler darauf zu richten, ihre Aufgaben zu erfüllen, ohne sich ablenken zu lassen oder zu überdrehen und überall auf dem Platz alles löschen oder im Spiel ankurbeln zu wollen - das muss man Polanski und seinem Trainerteam zurechnen. 

Und solche Dinge sind es auch, die eben ihre Zeit und Übung brauchen, um sicher abrufbar zu sein. Das hatte unter Seoane gefehlt und auch in den ersten Spielen, in denen sich der neue Trainer und das desillusionierte Team erst noch finden mussten. 

Dass dieses Gefüge gegen St. Pauli heute dann gleich wieder funktioniert hat und das Team einen unerwartet hohen und nie gefährdeten 4:0-Sieg am Millerntor verdient und teilweise richtig stark herausgespielt hat, ist dennoch keine Selbstverständlichkeit. 

Klar, Honorat ist wieder da und fit, Maschino macht Fortschritte, insgesamt stellen sich die personellen Möglichkeiten schon etwas angenehmer dar als vor einigen Wochen.

Denn auch Stöger und Neuhaus sind Spieler, die mit ihren individuellen Fähigkeiten inzwischen wieder den Unterschied machen können, auch wenn ersterer weiterhin im Spiel oft einem anderem Navi zu folgen scheint als seine Kollegen. Er macht vieles gut, zum Beispiel in der Balleroberung, doch es kam auch gegen den KSC aus dem Spiel heraus nahezu nichts Gefährliches dabei rum - immerhin aber eine Sahneflanke zu Elvedis vorentscheidendem 2:0. Zum Sieg heute konnte er daher (nicht ganz unerwartet) heute erst spät von der Bank aus etwas beitragen.

Stattdessen waren es Rocco Reitz mit einer sehr fokussierten Leistung und eben jener Florian Neuhaus, der endlich gewillt scheint, sich selbst am feinen Passfüßchen aus dem Schlammassel und Leistungsloch- und Mallorca-Sumpf der letzten Monate und Jahre zu ziehen. Für diese hellwachen Momente vor dem 0:1, für seine Spielintelligenz und die Auffassungsgabe bei der Ballverteilung haben wir ihn einst bewundert und waren von einer bevorstehenden Topkarriere überzeugt. 

Wenn dieser ganze Downfall bei Borussia in den letzten Jahren sicher auch mit seinem Namen verbunden ist, dann muss man ihn hier auch heute als einen der Matchwinner nennen. Eine Entwicklung, die vor kurzem noch undenkbar gewesen wäre. 

Ein anderer ist sicher Haris Tabakovic. Bei der Verpflichtung noch belächelt, nach den ersten unglücklichen Auftritten in der Fanszene schon "haareberauft" und von manchem für zu ungelenk und zu leicht für die Liga befunden, hat er nahezu alle Kritiker verstummen lassen. Ein Tor und eine Vorlage beim Sieg im Pokal sowie in acht Bundesligaspielen zwei Assists und fünf Tore (von insgesamt zehn Gladbacher Toren), das ist eine Spitzenquote. 

Man sieht außerdem, dass er in der Mannschaft auf dem Platz voran geht, sich vorne wie hinten reinwirft und auch in die Prellbock- und Verteilerrolle bei langen Bällen immer besser reinkommt. Diese Leihe ist, wie die von Yannik Engelhardt, sicher etwas, was Roland Virkus vor dem Fernseher zu Recht als zwei seiner guten Entscheidungen abhaken dürfte.

Für mich ist eine der zentralen Entscheidungen für den jüngsten Aufschwung aber eine andere. Polanski hat gesehen, dass er mit Philipp Sander und Yannik Engelhardt zwei hervorragende Zweikämpfer und auch Spielgestalter in der Mittelfeldzentrale hat, dazu einen Rocco Reitz, dessen Fähigkeiten unbestritten sind, der sich aber als Kapitän der Mannschaft einfach zu viel zugemutet und auf die Schultern geladen hatte, weil er überall eingreifen, helfen, vorangehen wollte. Mit diesen drei Spielern das Zentrum effektiv zu verdichten, das gelang so einfach nicht, das war deutlich zu sehen.

Mit dem Zurückziehen von Sander in die Dreierkette löste Polanski gleich mehrere Probleme: die Abwehrkette bekam in den beiden letzten Spielen erheblich mehr Stabilität, der Spielaufbau über den ballsicheren Sander brachte mehr Variation und Gefährlichkeit ins Spiel nach vorn. Zugleich standen sich die ähnlich veranlagten und agierenden, sehr spielintelligenten Sechser nicht mehr im zentralen Mittelfeld auf den Füßen und steckten ihre Reviere besser aufeinander abgestimmt ab. 

Engelhardt ist so zum Dreh- und Angelpunkt in der Zentrale geworden, er und Reitz interpretieren ihre Rolle mit Druck und Drang, aber auch mit Risiko nach vorne. Das können sie aber auch tun, weil hinter ihnen in Sander noch eine gute Lebensversicherung für den Fall eines Ballverlustes steht. Das entlastet auch Diks, Elvedi und die Außen, die gerade in den intensiven Verteidigungsphasen oft erheblich unter Druck geraten sind und dann auch entsprechend Fehler machten. Das hat sich gegen den KSC und St. Pauli deutlich reduziert.

Philipp Sander kann sich bei wenig Gegnerdruck zudem auch zusätzlich in den Angriff einschalten, was die Variabilität noch erhöht und auch anderen Mitspielern Räume öffnen kann. Ich könnte mir deshalb gut vorstellen, dass das eine Dauerlösung werden könnte.     

Und was sind die letzten Spiele unter dem Strich nun für die Gesamtentwicklung wert? Das wissen wir noch immer nicht. Dazu ist sie noch zu kurz und fragil. Und die beiden ersten Siege sind fraglos gegen Gegner zustandegekommen, die nicht ihren besten Tag erwischt hatten. Gelänge ein Spiele wie heute auch gegen stärkere und vor allem besser pressende Gegner? Wir wissen es nicht. 

Aber die Zielrichtung muss sein, dass wirklich auch weiterhin nur ein Schritt nach dem anderen gemacht wird, Spiel für Spiel angegangen und sich auf die dort anstehenden Herauasforderungen fokussiert wird. Und das wird es intern sicher auch. 

Nun steht das Derby vor der Tür, für das Verein und Mannschaft zum Glück rechtzeitig ordentlich Selbstvertrauen tanken konnten. Zu holen gibt es dort aber nur etwas, wenn es wie heute gelingt, die Spielkontrolle und die Ruhe am Ball auch dann zu behalten, wenn man selbst unter Druck gerät. Und wenn man einfach bei sich und im Teamverbund verankert bleibt. 

Ob das gelingt, vermag ich nicht zu prognostizieren. Aber nach dieser Woche bin ich etwas optimistischer. Borussia ist noch lange nicht wieder auferstanden. Aber etwas aufgerichtet hat man sich wenigstens schon, in den Ruinen der Champions-League-Borussia, die in den vergangenen Jahren so fatal zerbröselt sind. Und mehr kann man in diesen paar Tagen nun wirklich noch nicht erwarten.

Also, volle Kraft voraus, zum überfälligen Derbysieg!         

Bundesliga, 7. Spieltag: Union Berlin - Borussia Mönchengladbach 3:1. Tor für Borussia: 2:1 Tabakovic.

Bundesliga, 8. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Bayern München 0:3. 

DFB-Pokal, 2. Runde: Borussia Mönchengladbach - Karlsruher SC 3:1. Tore: 1:0 Maschino, 2:0 Elvedi, 3:1 Tabakovic.  

Bundesliga, 9. Spieltag: FC St. Pauli - Borussia Mönchengladbach 0:4. Tore für Borussia: 0:1 Tabakovic, 0:2 Tabakovic, 0:3 Maschino, 0:4 Fraulo.

Saisonspende: 8 Tore aus vier Spielen, darunter auch ein zu Null. Damit sind wir jetzt bei 22 Euro. Das gilt in der Saison 25/26: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für Derbysiege gegen K*** gibt es 10 Euro. Gehaltener Elfmeter: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 2 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund, Leverkusen oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 20 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 30 Euro. Deutsche Meisterschaft: 125 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2025-10-13

Hochgelobte Länderspielpausetaste

Thank god it's Länderspielpause.

Man kann es nicht anders sagen: Für Borussia zählt im Moment nur eins - Zeit gewinnen. Zeit, um die in relativ kurzer Zeit panisch neu aufgemachten Baustellen im Verein nicht noch größer werden zu lassen; um andere Baustellen zu schließen; um daran zu arbeiten, den Verein sportlich wieder sicher auf die Beine zu stellen - und um insgesamt auf Besserung zu hoffen.

Zugegeben: Es ist schon krass, dass ich jetzt das schreibe, nachdem ich vor drei Wochen noch den Eindruck hatte, dass mit der Demission von Gerardo Seoane und unter dem Eindruck des 1:1 gegen Leverkusen ein erster Schritt zurück aus dem Koma gelungen war, in das der Verein sich hatte fallen lassen.

Aber wie sich zeigte, ließ sich auch Roland Virkus nicht halten, nachdem Seoane weg und kein Konzept zu erkennen war, wie es denn jetzt kurzfristig mit der Perspektive Borussia in der ersten Liga aussehen soll.

Es ist im Verein fraglos einiges in Bewegung, nicht nur erdbebenmäßig im Führungspersonal. Die Jugendarbeit verspricht einiges in den kommenden Jahren, auch die Neuzugänge haben das Potenzial, den Club mehr als nur in der Liga zu halten. Aber wohl erst mittelfristig, wie die ersten Saisonspiele andeuten. Oder zumindest, solange wichtige Stammkräfte wie Kleindienst und Honorat sie nicht ergänzen oder entlasten können.

Dass sich der Fokus deshalb jetzt endlich auf die Schritte richtet, die unmittelbar bevorstehen, ist wichtig und richtig. Leider macht die Vereinsführung auch hier keine gute Figur. Es scheint so, als sei man nicht nur vom lange verschleppten Seoane-Aus unvorbereitet getroffen worden, sondern stehe auch nach dem freiwilligen oder nicht so freiwilligen Rückzug von Roland Virkus (das kann und will ich nicht beurteilen) blank und unvorbereitet da.

Wer soll nachfolgen, auf der wichtigen Position des Sportvorstands oder Sportdirektors, je nachdem, wie und wo man sich neu aufstellen will? Damit kann und will ich mich an dieser Stelle nicht beschäftigen, weil mir dazu die Einblicke in den Verein fehlen.

Zu der Personalie Rouven Schröder, der ja offenbar Favorit auf den freien Posten ist, aber mit einer Ablösesumme erst aus Salzburg freigekauft werden muss, will ich dennoch zwei, drei Sätze schreiben.

Bekanntermaßen war Schröder schon in der Zeit von Max Eberl Thema bei Borussia, als Ergänzung, wohl auch später als möglicher Ersatz. Ein Mann mit einem guten Ruf, der nachweislich gute Arbeit in Fürth, Bremen und Mainz geleistet hat. Dann folgten immer kürzere Intervalle, bei Schalke, sein vorzeitiges Aus wegen eines Burnouts dort und mit den folgenden fragwürdigen Engagements bei den Dosenclubs Leipzig und Salzburg, wo er jeweils nach kurzer Zeit offenbar schon verzichtbar war.

Fraglos ist Schröder ein Fachmann und kann für eine Phase der Konsolidierung bei Borussia stehen. Nach der Art und Weise, wie er von Verein zu Verein hüpfte, wenn es für ihn Angebote gab, gefällt es mir dennoch nicht, vor allem, weil er eher der Typ Rose zu sein scheint, der den möglichen Absprung schon eingeplant hat, wenn er kommt. 

Das wirft für mich schon zu früh einen Schatten auf eine solche Verpflichtung. Denn ob Schröder an seine guten Zeiten als Manager anknüpfen kann, ist nach den letzten drei Jahren nicht sicher. 

Es tut mir leid, das zu sagen, aber es ist tatsächlich eine nicht unwichtige Frage, ob sich ein angeschlagener Verein auf Schlüsselpositionen Personal leisten kann, von dem man nicht weiß, ob es die Kurve nochmal kriegt. Das mag bei einem Gio Reyna weniger Risiko bergen als bei einem Sportdirektor. Aber es zeigt auch, dass Borussia entweder keine Wahl hat oder zu schlecht vorbereitet ist, um auf dem Markt besser zu agieren.

Aber das sind wie gesagt nur die Gedanken eines vereinsfernen Beobachters.  

Mein Blick richtet sich ansonsten eher auf Eugen Polanski und die Mannschaft, denn das ist das, was sich von außen für mich noch halbwegs nachvollziehen lässt. Und damit zum sportlichen Eindruck.

Die Heimspiele gegen die Eintracht und den SC Freiburg waren insofern sehr aufschlussreich, weil sie gezeigt haben, was geht und was nicht. Sie haben deutlich gemacht, dass es in dieser Saison nur ums Überleben gehen kann, zumindest in dieser Phase der Saison. 

Möglicherweise tun sich schon in einem halben Jahr andere personelle und taktische Möglichkeiten auf. Aber darauf verlassen darf man sich nicht. Es gibt keine Garantie, dass die Langzeitverletzten Kleindienst, Ngoumou, Hack (und zunächst noch Honorat) das Blatt sofort wieder mit herausragenden Leistungen wenden können, sobald sie spielfit sind.  

Für die nächsten Spiele muss Eugen Polanski das Maximum aus dem Kader herausholen, der ihm zur Verfügung steht. Dass er das mit Bedacht, aber auch mit Mut zum Risiko angeht, hat er in seiner kurzen Amtszeit schon mehr als angedeutet. 

Der Einsatz von Charles Herrmann und Jan Urbich, aber auch die Reaktivierung von Flo Neuhaus zeigt, dass er klare Vorstellungen hat, denen sich auch mancher arrivierte Spieler beugen muss. Das kann natürlich auch nach hinten losgehen. Mir gefällt es aber erstmal sehr gut, vor allem, nachdem dieses Leistungs- und Vertrauensprinzip in den Jahren zuvor bei Borussias Übungsleitern doch einfach zu häufig unter die Räder gekommen ist.

Das heißt nicht, dass ich erwarte, dass die jungen Wilden und der Teilzeit-Regisseur Neuhaus in den nächsten Wochen auf märchenhafte Weise das Ruder rumreißen können werden. Auch dazu fehlt sichtlich noch einiges. Doch wenn sich der eine oder andere jetzt im Ernstkampf bewährt, wird es für ihn auch dann eher Einsatz-Chancen geben, wenn Kleindienst und Co wieder da sind. Was wiederum nur gut sein kann für die Entwicklung aller.

Nun muss Polanski aber auch noch die in der Gruppe in die Spur bringen, die unter seiner Verantwortung bisher die Verlierer sind (und es teilweise auch unter Seoane waren). Bislang sieht es aber so aus, als würden alle so mitziehen, wie es der Situation angemessen ist. Was wiederum die Chancen erhöht, dass irgendwann doch die Ketchupflasche aufgeht und die ersten Punkte fließen.   

Gegen Union wird Eugen Polanski auf jeden Fall nochmals an der Linie stehen. Und ich gehe auch einfach mal davon aus, dass er dies auf absehbare Zeit weiterhin tun darf, sofern er anfängt, mit dem Team auch dreifach zu punkten. Bislang ist mir auch ehrlicherweise kein realistischer Trainername untergekommen, dem ich mehr Zuneigung und Vertrauen entgegenbringen würde.

Aber das muss nichts heißen. Lucien Favre war auch keiner, den ich vor seiner Verpflichtung hätte einschätzen können oder den ich auf dem Zettel gehabt hätte. Das zu bewerten, dafür sind ja auch andere zuständig. Das Vertrauen in manche der handelnden Personen ist im Moment bei mir allerdings eher mittelmäßig ausgeprägt. Deshalb ist hoffen alles, was für die nächste Zeit bleibt. Aber das soll ja mitunter auch Berge versetzen können. 

Bundesliga, 5. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Eintracht Frankfurt 4:6. Tore für Borussia: 1:6 Castrop, 2:6 Tabakovic, 3:6 Engelhardt, 4:6 Ranos.

Bundesliga, 6. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - SC Freiburg 0:0. 


Saisonspende: 6 Spiele sind gespielt, vier weitere Tore geschossen und ein weiteres zu Null eingefahren. Damit verdoppelt sich der Spendenstand auf 12 Euro. Das gilt in der Saison 25/26: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für Derbysiege gegen K*** gibt es 10 Euro. Gehaltener Elfmeter: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 2 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund, Leverkusen oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 20 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 30 Euro. Deutsche Meisterschaft: 125 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2025-09-21

Erleichtert, aber noch nicht beruhigt

Ein guter Monat ist seit meinem letzten Eintrag vergangen. Und seitdem sind bei Borussia nur noch der Vorstand, Roland Virkus und das neue Stahlfohlen an seinem angestammten Platz.

Bundesliga-Fehlstart im viel bemühten Jubiläumsjahr, Torlospanik. Leistungen, die Rätsel aufgeben. Eine Trainerentlassung, die sich über Monate immer wieder angebahnt hatte und dann die Führenden des Vereins doch sehr überraschend getroffen zu haben schien. Am Freitag zuvor war es noch der "richtige Trainer" und Ergebnisse nicht alles, zwei Tage später nach der zehnten sieglosen Bundesligapartie in Folge dann wohl doch alles etwas anders. 

So unlogisch der Weg dahin in den vergangenen Monaten war: Das war vielleicht der Schritt, der einen im eigenen Gespinst verfangenen Club wieder freilegen und befreien könnte. Aber nicht sofort, nicht im Hurra-Stil und ohne weitere mutige und notwendige Entscheidungen. Und natürlich mit der ausdrücklich bestehenden Gefahr, daran zu scheitern und nächste Saison eine Etage tiefer wieder angreifen zu müssen. Denn auch wenn die Erkenntnisse aus dem Spiel heute überwiegend erfreulich waren: Das war nur ein kleiner Schritt aus dem Schlamassel.

Nun soll also mit Eugen Polanski ein neuer (Vielleicht-Zwischen)-Trainer (man weiß es ja nicht) den halb entgleisten Zug wieder auf die Gleise stellen - mit einem für einen anderen Trainer so halbundhalb fertig zusammengestellten Kader - und mit einigen langfristigen Verletzungen an Schlüsselstellen. 

Dafür wünschen wir ihm alle - natürlich - maximalen Erfolg, und wohl niemand hätte etwas gegen eine Dauerlösung, sofern der bisherige U23-Trainer sein Talent auch in die Profimannschaft und auf den Platz bringen kann.

Der verdiente Punktgewinn in Leverkusen kann dafür aber nur ein Fingerzeig sein. Zu kurz war seine Vorbereitungszeit, zu eingeschränkt seine personellen Möglichkeiten durch die Verletzung von Robin Hack und das Fehlen von Honorat. Am Ende tat es gut, mit einer sehr ordentlichen Leistung gepunktet und den Torbann gebrochen zu haben. Im Normalfall wäre aber auch das Spiel verloren gegangen, ohne dass man Borussia eine schlechte Leistung hätte attestieren können. Und das sind immer schlechte Vorzeichen. 

Dass sich das Team für ein mutiges und giftiges Auftreten in Leverkusen in letzter Minute noch belohnt hat, ist ein gutes Omen, auf jeden Fall aber eine ganz wichtige Botschaft, die Mut macht. Weil es wieder an die Torgefahr von Haris Tabakovic glauben lässt, der bei den ersten Fans schon nach eineinhalb eher rumpeligen Spielen unten durch war und auch heute bis auf die eine Szene eher schwer in seinen Kurzeinsatz fand.

Es bringt aber vor allem ein wenig Selbstvertrauen zurück, und die Gewissheit, dass dann doch nicht alles gegen einen laufen muss, so wie es gegen Stuttgart war und heute nach dem späten Bayer-Führungstreffer schien. Die Blamage gegen Bremen und das maue 0:0 gegen den HSV dürfte auch den Spielern selbst manch unbeantwortete Zweifel ins Gehirn gebohrt haben und dem Nervenkostüm nicht zuträglich gewesen sein. 

Doch auch durch einen Punktgewinn in Leverkusen ist das nicht alles mit einem Schlag vorbei. Auch heute gab es noch genug zu sehen, was die Mannschaft und einzelne Spieler abstellen müssen. 

Aber die Struktur in der Defensive und die Laufwege und das Pressing in der Offensive wirkten über weite Strecken der Partie robuster und konzentrierter als zuletzt. Darauf lässt sich aufbauen. Vor allem, wenn Rocco Reitz nicht wie zuletzt als hyperaktives Eichhörnchen überall auf dem Platz nach versteckten Nüssen sucht, sondern sich wie heute primär auf klare Aufgaben und daher zuerst auf die Verteidigung wichtiger Räume konzentriert. 

Ich denke, dass Polanski das explizit von ihm eingefordert hat, und nur so hat er auch bei der U21-EM ein tragende Rolle in der Mannschaft spielen können: Mit vollem Einsatz, wo es Sinn ergibt, aber mit kühlem Kopf dort, wo die Hauptaufgabe liegt. Das ist das, was man als Kapitän einschätzen können muss, um ein Teams zu führen. Auch Granit Xhaka hat ein bisschen gebraucht, bis er das verinnerlicht hatte.

Als nächstes wird Polanski das auch Kevin Stöger noch näherbringen müssen. Der blüht als Freigeist im Mittelfeld merklich auf, macht viel Überraschendes, aber auch er will oft zu viel und zerschießt sich damit selbst den Impact, den er haben könnte. Er ist nicht geholt worden, im Alleingang das spielerische Herz Borussias zu sein. Er muss abgeben lernen, um den nächsten Schritt in seiner Entwicklung zu gehen.

Das sind zwei Beispiele dafür, was der neue Trainer angehen muss und wird und was er in den nächsten Tagen - schnell - korrigieren kann, neben der Verbesserung der taktischen Struktur natürlich. Und dann sehen wir in ein paar Wochen, welche Früchte das trägt. Bis dahin gehe ich weiterhin von der schwerstmöglichen Saison (oder zumindest Halbserie) seit vielen Jahren aus. 

Erleichterung heute ja - aber für eine Entwarnung ist es mir nach den letzten Wochen noch viel zu früh.

DFB-Pokal, 1. Runde: Atlas Delmenhorst - Borussia Mönchengladbach 2:3. Tore für Borussia: 0:1 Hack, 1:2 Hack, 2:3 Elvedi.

Bundesliga, 1. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - HSV 0:0.

Bundesliga, 2. Spieltag: VfB Stuttgart - Borussia Mönchengladbach - 1:0.

Bundesliga, 3. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Werder Bremen 0:4.

Bundesliga, 4. Spieltag: Bayer Leverkusen - Borussia Mönchengladbach - 1:1. Tor für Borussia: 1:1 Tabakovic.


Saisonspende: Fünf Spiele sind gespielt, vier Tore geschossen. Dazu kommt das zu Null zum Auftakt gegen den HSV (danke für den Hinweis an die treue Leserin Elke, sonst hätte ich das vergessen). Der Spendenstand somit: 6 Euro. Das gilt in der Saison 25/26: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für Derbysiege gegen K*** gibt es 10 Euro. Gehaltener Elfmeter: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 2 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund, Leverkusen oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 20 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 30 Euro. Deutsche Meisterschaft: 125 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

 

2025-08-17

Gut vorbereitet, aber auf was?

Borussia, straf’ mich Lügen, aber ich sehe unser Team zum Start in die neue Saison doch besser gerüstet, als lange zu befürchten war.

Die Transfers von Team Virkus ergeben Sinn, und auch die wenig Vertrauen erweckende Verhandlungstaktik, sich erstmal öffentlich für handlungsunfähig zu erklären, bis eigene Verkäufe getätigt sind, scheint am Ende nicht geschadet zu haben.

Ob mehr drin gewesen wäre, ist wie immer Spekulation, aber ich kann mit den Neuzugängen gut leben und habe genug Fantasie, um mit ihnen eine Mannschaft entstehen zu sehen, die auch mehr erreichen kann als das neue Normalziel, sicheres Mittelfeld mit Tendenz zur Einstelligkeit.

Dazu muss zugegebenermaßen viel passen, außer einer zusammenwachsenden Einheit auf dem Platz sollten dafür auch sonst viele Würfel günstig fallen: eine nicht zu punktgeile Konkurrenz, gute Trainerentscheidungen, wenig eVerletzungen und wenn, dann nur kurze Ausfälle oder dann auf Positionen, wo sie weniger weh tun als anderswo etc.

Das intakte Mannschaftsgefüge ist entscheidend, wenn man sich nicht nur behaupten will, sondern auch einen oder zwei Schritte weiter gehen möchte. Damit schien es in der Vergangenheit nicht immer zum Besten bestellt zu sein. 

Im Moment wirkt die Mannschaft intern (nach außen) sehr harmonisch. Dass mit Itakura und Plea zwei in dieser Hinsicht wichtige Harmonie-Player weg sind, haben die Abschiedsvideos von Borussia ganz gut belegt. Aber das muss kein Nachteil sein.

Ein wichtiger Faktor wird dabei der neu zusammengestellte Mannschaftsrat sein. Dass Tim Kleindienst und Rocco Reitz dabei die Kapitänsrollen erhalten, ist fast logisch. Sie sind auf und neben dem Platz sichtbare Leistungsträger und motivierende Lautsprecher. Stellen sich auch in nicht so guten Phasen. Und sie spielen auch in der Mannschaft sicher mit den richtigen Reizen und rütteln den Haufen auf, wenn man sich zu wohlfühlig in der Mittelmäßigkeit suhlen sollte.

Auch das hat natürlich Grenzen. Wenn die Leistung mal nicht stimmen sollte, können fordernde Charaktere wie die beiden auch Unfrieden oder Irritationen ins Team bringen. Das sollten sie als selbstkritische Geister aber hinbekommen. Ansonsten müssen die anderen drei im Mannschaftsrat entsprechend ausgleichen und moderieren. 

Die kommen augenscheinlich allesamt von der Fraktion Vernunft und Sachlichkeit.
Mit der Besetzung Sander, Diks und Elvedi sehe ich den Mannschaftsrat auch hinter den beiden Kapitänen gut aufgestellt. Diks und Sander waren bei ihren früheren Vereinen schließlich auch schon Anführer, und Elvedi spielt - bei allen persönlichen Leistungs-Aufs und Abs in den letzten Jahren - als Mensch offensichtlich eine gute und wichtige Rolle im Team.

Dass Gerardo Seoane diese meinungsstarke Führungsriege im Team zulässt, die ihm selbst durchaus aus Parolie bieten kann und intern vielleicht manchmal weniger diplomatisch auftritt als die Omlin und Weigl, das spricht für ihn. Hoffentlich führt das am Ende auch immer zu guten Entscheidungen für Borussia.

Wofür das am Ende reicht, ist schwierig zu sagen. Aber der Verein hat in diesem Sommer (und den Monaten zuvor, wenn man Diks und Castrop dazuzählt) wichtige Entscheidungen getroffen und dem Kader weitere wichtige (neue) Elemente hinzugefügt. Sicher, es hätter mehr sein müssen, um wirklich mit einem runden Kader in die Saison zu gehen. Aber die Mittel fließen nicht so üppig, dass man mehr hätte erwarten dürfen.

Und letztlich folgt die Vorgehensweise ziemlich genau dem, was man vor einiger Zeit ausgegeben hat: Der Umbruch wird einige Transferperioden in Anspruch nehmen. Und er wird nicht ohne Rückschritte sein, möchte ich ergänzen. 

Denn dass nur Volltreffer gelandet werden, kann von niemandem vorausgesetzt werden. Dazu ist das Geschäft von hzu vielen Variablen abhängig, die man nur bedingt beeinflussen kann.

Aus meiner Sicht sind die bisherigen Transfers jedenfalls gut gelöst.

  • Ko Itakura wurde zum angemessenen Preis verkauft, der auch ein wenig Spielraum für einen weiteren Transfer lässt. 

  • Alassane Plea wurde zu einem fairen Kurs abgegeben, damit ging zwar hohe spielerische Intelligenz und Torgefahr verloren, aber es eröffnet sich auch die Chance, sich hinter den Spitzen neu aufzustellen.

  • Stefan Lainers Abgang ergibt für beide Seiten sportlich Sinn.

  • Tomas Cvancara ist ohne Verlust für ein Jahr aus dem ihm gegenüber äußerst kritischen Blickfeld gebracht, mit der Chance, sich zu fangen.
  • Noah Pesch kann sich in der zweiten Liga mit hoffentlich viel Einsatzzeit entwickeln und zur Option für die nächsten Jahre werden

  • Mit Jan Olschowsky bleibt ein weiterer entwicklungsfähiger Torwart in der Nähe. Er könnte nächstes Jahr nach seiner Aachen-Leihe noch einmal ins Spiel kommen, je nachdem, wie sich die neue Saison gestaltet.

  • Kevin Diks ist ein möglicher Führungsspieler mit viel Erfahrung und einem guten Start in der Vorbereitung. Er fängt mit seinem Profil als Rechts- und Innenverteidiger den Lainer-Transfer mit ab und ersetzt auch gute Elfmeterschützen wie Plea und Itakura vom Punkt recht gut.

  • Jens Castrop ist ein spannender Spieler, der im zentralen Mittelfeld sowohl kämpferische als auch spielerische Elemente einbringen kann. Er ist einer, der auch mal grenzwertig resolut dazwischenfunkt und den bad boy geben kann - ein Spieler, der uns so in den letzten Jahren etwas gefehlt hat. Es ist gut, ihn als Backup für Reitz zu haben, und wer weiß, vielleicht spielt er sich auch fest. Von der Entschlossenheit und Bissigkeit her ist er nicht nur eine Wette auf die Zukunft, sondern kann sofort helfen, und das auch auf anderen Positionen wie hinten rechts.  

  • Shuto Maschino als sehr schneller, vielseitiger Offensivspieler mit gutem Torriecher verspricht kurzfristig eine schnell funktionierende Lösung, um die fehlenden Tore von Kleindienst und Plea aus der letzten Saison auszugleichen. Mittelfristig ist er nach der Kleindienst-Rückkehr auch ein wichtiger Baustein einer unberechenbareren Borussenoffensive.

  • Haris Tabakovic ist ein fast risikoloser, aber auch vorab schwer zu bewertender Transfer. Zeigt er sich so treffsicher wie bei Hertha und gegen uns zuletzt, ist er ein guter Ersatz für Kleindienst und eine Alternative, wenn es im Sturm auf Körperlichkeit ankommt. Bleibt er blass, ist er keine keine teure Fehlinvestition. Ob er überzeugt, da bin ich noch nicht so sicher. Weniger aufgrund seines Könnens, eher weil ich nicht weiß, ob er wirklich ins System passt, das Seoane spielen lassen will. Ich lasse mich aber gern eines Besseren belehren.


Neben den personellen Auffrischungen bleiben aber auch noch ungelöste Problemfelder oder Konstellationen, die sich dazu entwickeln könnten.

1) Die Doppelsechs, die ich nicht allein an Julian Weigl festzumachen möchte. Doch auch trotz Castrop ist hier für mich noch nicht der fehlende Baustein gefunden, der die defensive Stabilität über einen längeren Zeitraum garantieren kann. Derzeit würde ich Sander mit Reitz oder mit Weigl als die beste Wahl ansehen. Da lasse ich mich aber gern eines Besseren belehren, es wäre gut, wenn es hier verschiedene Lösungen
 gäbe, mit denen man gezielt auch gegen wechselnde Gegnertaktiken arbeiten kann. 

2) Die Innenverteidigung, in der Marvin Friedrich noch immer derjenige ist, der am wenigsten ins Borussia-Konzept passt. Sollten Diks und Chiarodia rechts oder links in der Kette gefordert werden oder ausfallen, blieben nach dem heutigen Stand Elvedi und Friedrich - ein Duo, mit dem man am liebsten nicht in eine längere Saisonphase gehen möchte. Kommt also hier nach dem Itakura-Transfer noch jemand? Etwas wohler wäre mir damit, weil ich auch in der eigenen Jugend niemanden sehe, der da kurzfristig in dieser Saison reinwächst.

3) Florian Neuhaus und Kevin Stöger: Ob Neuhaus noch eine Chance bekommt und die auch nutzt? Falls ja, wäre er eine Option, die das Spiel von Borussia vor allem nach Pleas Abgang noch stärken könnte. Falls nein, könnte er toxisch wirken. Kevin Stöger wiederum muss seine Rolle immer noch finden und ist auch in der Ära nach Lasso für mich nicht gesetzt. Was ist bisher in den Spielen gesehen habe, war das Bild der Vorsaison. Ein klasse Typ, um Gegner zu verwirren. Allerdings auch einer, der zugleich Durcheinander in der eigenen Mannschaft kreieren kann. Und das kann sich Borussia gar nicht leisten. Insgesamt jedenfalls ist für beide die Konkurrenz nicht weniger geworden, und das war ihrer Entwicklung bisher nicht zuträglich. 

4) Die Torwartfrage. Omlin und Nicolas haben beide Ambitionen, dahinter steht mit Tiago Perreira ein dritter starker Anwärter in den Startlöchern. Schwer zu sagen, ob das auf Dauer ohne Probleme über die Bühne geht oder ob wir vielleicht froh sein können, wenn bei Verletzungen so starke Ersatzleute parat stehen. Bei der einen oder anderen Personalie aus dieser Reihe (Weigl, Friedrich, Neuhaus, Omlin) steht sicher in den nächsten Transferfenstern die Fortsetzung des Kaderumbaus an. Ob das gut funktioniert ist offen. Schon jetzt mangelte es offenbar ja an Ointeressenten für die Spieler, die in Gladbach keine große Zukunft mehr haben dürften. 

Was heißt das aus der heutigen Sicht für mich?
Ich denke, dass Borussia stark genug ist, um die Vorjahresplatzierung zu erreichen. Findet sich das Team schnell und kann die Ausfälle kompensieren und sind Kleindienst und Ngoumou nach der Reha schnell wieder in Form, kann auch mehr drin sein. Wetten sollte man darauf nicht. 

Läuft viel schief, kann es durchaus auch Richtung Abstiegskampf gehen, das sollte man aber niemals ganz ausschließen, wenn man nicht Bayern München heißt. Für meinen Eindruck ist die  Mannschaft aber auch mit den Neuen gefestigt genug, um sich da abseits halten zu können.

Heißt: Für Euphorie gibt es keinen Grund. Aber positiv überrascht werden, vor dem Hintergrund realistischer Erwartungen, das wäre schon schön. Packen wir es an, am besten mit einem schönen Auftakt im DFB-Pokal! Davon würde auch die neue Saisonspende profitieren. 


Saisonspende:
Das gilt in der Saison 25/26: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für Derbysiege gegen K*** gibt es 10 Euro. Gehaltener Elfmeter: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 2 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund, Leverkusen oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 20 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 30 Euro. Deutsche Meisterschaft: 125 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2025-08-03

Lange Zeit, langer Weg: Happy birthday, Borussia!

Die neue Saison rückt näher, einiges ist klar, anderes weiter offen - und wie das Spieljahr 2025/26 für die Elf vom Niederrhein enden wird, darüber lässt sich auch heute nur spekulieren.

Hier und heute aber soll es um das gehen, was in den letzten Wochen gefühlt die Hauptbeschäftigung innerhalb des Vereins gewesen zu sein schien: die Jubiläumsvorbereitungen und dann das rauschende Fest am Wochenende, mit dem die Vereinsgründung vor 125 Jahren und die wechselvolle Klubgeschichte zelebriert wurde.

Zunächst also auch an dieser Stelle, wie es sich gehört: Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und alles Gute für die Zukunft, lieber Fußball-Club Borussia, lieber Verein für Leibesübungen 1900 e.V. aus München Gladbach bzw. Mönchengladbach! 

Du einzige und eigenartige Borussia! Du nervige Zauderprinzessin, du draufgängerische Fohlenherde, du Provinzglück und Wohlfühloase, du schnell Zufriedene und meist Unvollendete, du Unglückliche in großen Dramen, Stolperexpertin mit Ansage, du vernünftige Realistin und selbstangemaltes Mauerblümchen. 

Du verzückender, verrückter und vereint so großer, glänzender, herzlicher Verein - du Freund wie Feind in den Wahnsinn treiben könnender unvergleichlicher VfL!

Borussia blickt zweifellos zurück auf eine äußerst spannende Geschichte, die mit der Gründung am 1. August 1900 ihren Anfang nahm. Und hat es verdient, dies auch jetzt angemessen zu begehen, trotz oder obwohl es in der Gegenwart nicht so rund läuft, wie es alle, die es mit der Borussia halten, so gern hätten.

Aber vielleicht ist es auch ganz gut, sich die Historie dieses stolzen Vereins immer mal wieder zu Gemüte zu führen, um den einen oder anderen Fehlschuss richtig einzuordnen.

Ich bin jetzt seit fast einem halben Jahrhundert Gladbach-Fan. Als kleines Kind habe ich, eher am Rande, das Aushauchen der 70er-Erfolgsjahre erlebt.

Ich habe in den Achtzigern an jedem Wochenende mit meinen Idolen gefiebert und versucht, ihnen so gut es ging auf den Sportplätzen meiner Umgebung nachzueifern. Siege trugen mich fröhlich durch die Woche, Niederlagen drückten die Laune tagelang, vor allem, wenn auf dem Pausenhof das Thema auf Fußball kam.

Es gab auch in diesen Jahren viele begeisternde Momente und ein paar schlimme Niederlagen, die es verhinderten, dass eine mit wirklich talentierten Spielern ausgestattete Gladbacher Mannschaft in diesem Jahrzehnt etwas "Blechernes" in die Höhe strecken durfte. Dennoch war es eine gute Zeit für alle, die die Raute im Herzen tragen.

Ich habe in den 90ern mit Ausnahme der zweiten "Effenberg-Ära" und in den Nuller-Jahren mehr und mehr verzweifelt den Weg in die Bedeutungslosigkeit verfolgt, und doch jedes Jahr aufs Neue auf eine gute neue Saison gehofft, nach dem Motto "Es kann doch nicht immer jedes Jahr wieder so viel falsch laufen". Doch, es konnte. Immer wieder. Aber auch das waren Erfahrungen, die bleiben, und die heute als Anekdoten leicht von der Zunge gehen und nicht mehr wehtun.

In den Zehnerjahren konnte ich vieles aufholen, was mir als Kind und junger Erwachsener in Sachen Borussia verwehrt geblieben ist, einfach weil 250 Kilometer bis zum Niederrhein damals zu weit weg und eigentlich nie genug Geld für große Sprünge zum Stadion oder für ein Trikot da waren. 

Ich - wir alle - haben in diesen Jahren viel miterlebt, was uns für die graueren Jahrzehnte mehr als entschädigt hat. Vom Fast-Abstieg zur Champions-League, von Aue bis Barca, diese Jahre haben mich (und einen meiner Söhne) vielleicht am meisten geprägt. Oder sie blieben besser im Geächtnis haften. 

Oder ich konnte einfach nur live im Stadion und im Fernsehen viel mehr davon selbst sehen, schließlich bestand meine Gladbachwelt früher überwiegend aus der Samstagnachmittag-Radiokonferenz und den Kurzfilmen aus Sportschau und Sportstudio. 

Dass es nicht auf Dauer so weitergehen würde und konnte, das war absehbar. Und als vorsichtiger, skeptischer Mensch befürchtete ich schon in der Favre-Ära jederzeit einen erneuten Absturz. Es lief nach dem Befreiungsschlag in der Relegation gegen Bochum einfach zu plötzlich zu gut. Wie im Stoppok-Song "Ärger" blieben große Rückschläge aber aus, Borussia spielte wieder eine Rolle, auch international. Und scheiterte genauso in Schönheit wie früher. 

Das alles geschah schon gegen alle Wetten, gegen die normalen Regeln des Geschäfts. Das durchkommerzialisierte Business Profifußball füttert, nein stopft mit dem Gros der Einnahmen nur die, die schon oben stehen. Es erlaubt Außenseiter nur der Folklore willen, um den Eindruck zu erwecken, dass der Wettbewerb fair und offen und märchenhafte Aufstiege jederzeit möglich sind. 

Sie sind es natürlich nicht. Das haben alle deutschen Vereine erfahren, die mal ein wenig bei den Großen mitspielen durften und die nicht Bayern oder Dortmund heißen. Selbst Vereine, die für ihren Weg in die nationale Spitze einen dauerhaften Geldzugang von außen gelegt bekamen, stagnieren irgendwann, weil die Dauerteilnahme an den großen europäischen Geldtöpfen und die ungleichen Erlössituationen eben den Unterschied machen.

Unsere Borussia hat in diesen Jahren sehr viel richtig gemacht und ist im Rückblick doch nur wenige Schritte vorangekommen - zu wenige, um dagegen gefeit zu sein, die Erfolgstreppe auch wieder ein ganzes Stück hinunterzupurzeln. 

Trotz des zwischenzeitlichen Gladbacher Höhenfluges gab es wohl nur einmal eine wirkliche Chance, sich mit einem gewagten nächsten Schritt sich länger oben festsetzen zu können. Das war die Zeit der Rose-Verpflichtung, als der Verein so sexy war, dass auch Spieler kamen, die einen sehr großen sportlichen Impact und zugleich bislang ungeahnte finanzielle Möglichkeiten bei einem Verkauf versprachen. 

Wie es im Idealfall hätte laufen können, zeigt Eintracht Frankfurt, das momentan mit Glück und Geschick ganz andere Transfersummen jongliert als Borussia. Doch: Zwei Jahre ohne entsprechendes Fortune in diesem Spieler-Karussell, dann kann es auch dort wieder anders aussehen. Shit always happens.  

Der mutige Schritt wurde bei Borussia jedenfalls nicht konsequent genug gegangen, für die jahrelange Aufbauarbeit belohnte sich der Verein nicht. Oder vielleicht wäre es ohnehin vergebens gewesen, wer weiß das schon. Dazu kamen negative äußere Einflüsse, die zu weiteren Fehlern führten. Seitdem ging mehr schief, als für den Verein in dieser Phase verkraftbar war. Und doch war es wahrscheinlich richtig, diese einzigartige Chance beim Schopfe packen zu wollen.

Der Rest ist bekannt. Wir sind wieder da, wo wir herkamen. Aber auch doch noch nicht wieder da unten, wo wir nie wieder hinwollen. 

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr passt die sportliche Lage nicht mit dem glanzvoll in Rückblenden erzählten Fest, der Selbstbespiegelung einer trägen sportlichen Führung und dem trotzigen Eintauchen in eine mit Tradition und Erfolgen gespickte Vergangenheit zusammen. 

Die neue Führung schwankt zwischen Aussitzen und Neustart, zwischen ausprobieren, neu ausrichten und "das haben wir schon immer so gemacht". Aber die Bilanz ist mit etwas Abstand auch wieder nicht so verheerend, wie sie oft gemacht wird. Borussia ist nicht abgeschmiert wie andere Vereine, die mal in ähnlichen Sphären unterwegs waren. Der Verein scheint sich zu festigen, was auch immer das für die nähere und fernere Zukunft bedeutet. 

Denn es ändert nichts daran, dass das derzeit realistische Ziel "Mittelfeld ohne Kontakt zur Abstiegszone" nicht ausreichen wird, um die Tradition des Clubs in der höchsten deutschen Liga dauerhaft fortführen zu können. 

Das moderne Fußballsystem ist elitär und ungerecht, es belohnt nicht vernünftige Wachstum und gesunde Entwicklung, sondern die Potenz, jeden Schritt bei der Monetarisierung des Spiels mitzugehen und auch sportlich bei jedem Irrsinn mithalten zu können. Das moderne Fußballsystem erlaubt keine Bräsigkeit, es bestraft Fehler und das zu lange Festhalten daran oft sehr brutal. Manchmal bestraft es auch, ohne dass jemand viel falsch gemacht hat. 

Trifft das auch unsere Borussia, und am Ende noch ausgerechnet im Jubiläumsjahr? Das ist eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten und Variablen. Ich kann mir zwischen Platz 5 und 17 vieles vorstellen. Seriös abschätzen lässt sich das allerdings von Jahr zu Jahr immer schlechter, finde ich. In dieser Saison kommen mit Köln und Hamburg noch zwei Konkurrenten hinzu, die ein anderes Potenzial haben als kleinere Auch-mal-dabei-Vereine wie Kiel.  

In den vergangenen Jahren hat mich vieles von dem, was ich bereits geschrieben habe, vom Profifußball entfremdet. Es ist ein Geschäft, das zunehmend von Geldgebern von außen bestimmt wird, von Spielverderbern, die aber immer mehr Fäden in die Hand bekommen. Warum? Weil sie bereit sind, permanent irre Summen in ein Spiel hineinzupumpen, das längst kein Spiel mehr ist. 

Wo Fußballer in erster Linie Sportunternehmer sind (oder werden mussten?), die das Spielen auf der Klaviatur der Gefühle von Fans genauso erlernt haben wie den exakten Pass in den richtigen Fuß des Mitspielers. Die mit gewinnmaximierend ablösefreien Wechseln das Geschäftsmodell von Vereinen aushebeln, die ihren Etat komplett selbst erwirtschaften müssen - und das kann man den Akteuren nicht einmal vorwerfen, weil es erstens vertragsgemäß ist und zweitens zum unternehmerischen Handeln dazugehört, den eigenen Marktwert bestmöglich zu nutzen. Schön ist es dennoch nicht.

In meiner Jugend hätte ich mir eher vorstellen können, dass 40 Jahre später nicht mehr Menschen, sondern Roboter gegeneinander spielen, als dass dieses unberechenbare Hin und Her, was wir als Fußball lieben, Million für Million korrumpiert, für die Besten sehr lukraktiv und für wenige Auserwählte sogar hablwegs berechenbar gemacht wird. Die Zeche zahlen wir alle, und auch wenn wir nur noch als stimungsvolle Wettbewerbs-Staffage erwünscht sind, packt uns dann doch jeder kleine Höhenflug wieder emotional und lässt unsere Portemonnaies aufspringen, für Merch, Karten, Pay-TV etc.    

So betrachtet, und damit komme ich zurück zum Vereinsjubiläum, lässt sich auch so ein Fest wie das am Wochenende mit Fug und Recht als reines Kommerz-Event betrachten. 

Ich denke zum Beispiel nicht, dass wir eine massive Fohlenskulptur gebraucht hätten, für die jetzt 1900 Paten gesucht werden, die für einen Umsatz von 1,8 Mio. Euro sorgen sollen. Was an diesem Wochenende konsumiert und geshoppt wurde, kann ich nicht annähernd schätzen. Doch trotz hoher Kosten wird am Ende ein hübsches Sümmchen übrig bleiben, das den fürs Geld zuständigen Geschäftsführer bis zur nächsten Jahreshauptversammlung vielleicht auch ein wenig ruhiger wird schlafen lassen. Vielleicht erweitert es auch die finanziellen Möglichkeiten so, das wir am Ende sagen, auch dafür hat es sich gelohnt.

Das Jubiläum also als Verkaufsveranstaltung, quasi eine Kaffeefahrt, zu der die Teilnehmer freiwillig selbst und mit gelockertem Geldbeutel anreisen. Sicherlich. Und jeder hat ja die Wahl, ob er daran teilnimmt und was er in den Warenkorb legt oder auch nicht.

Ich habe für mich aus verschiedenen Gründen entschieden, dass ich das diesmal auslasse. Mir haben die Impressionen über Social Media und in der Sky-Übertragung gereicht. Aber ich verstehe gerade deshalb auch jeden, der Teil davon sein wollte. Und darin steckt die wirkliche Chance, die diese Veranstaltung bot.

Denn wir brauchen keine Fohlen-Bronze, kein goldgerändertes Real-Madrid-Imitat als Trikot - aber wir brauchen einander. 

Um zusammenzurücken, wenn der Opa dem Enkel von den tollen und den tragischen Kapiteln der Vereinsgeschichte erzählt und auch hier wieder den Funken der Begeisterung erweckt, der bei manchem anderen nur noch manchmal leise aufglimmt. 
Um einig zu sein - dort, wo zusammen gelacht, geweint, gefightet und gejubelt wird, denn dort entsteht die Kraft, die einen Verein und eine Mannschaft trägt, auch wenn es gerade mal nicht so gut steht.

Das hat Borussia Mönchengladbach nach den letzten Jahren bitter nötig, die doch eher von zerbröselnder Liebe denn von unerschütterlichem Zusammenhalt geprägt waren. 

Nach allem, was ich aus der Ferne von diesen zwei Tagen mitbekommen habe, hat hier am Ende vieles besser gepasst als es vielleicht im Vorfeld zu hoffen oder zu erwarten war - es gab viele glückliche Gesichter, tolle Begegnungen mit nahbaren Legenden, ein familiäres, friedliches Fest und gegen Valencia eine bemerkenswerte Stimmung im Stadion, die für Pflichtspiele auf mehr hoffen lässt. 

Natürlich, der Pathos tropfte zwei Tage lang nur so aus jedem Lautsprecher, inklusive augenbefeuchtenden Filmschnipseln, Feuerwerk und einer neuen, mit allen Klischees und Worthülsen beladenen und daher auch überflüssigen Hymne.

Aber wenn es genau das braucht, um "ein einig Volk von Brüdern" zu aktivieren, den Mythos Borussia zu reanimieren, sich unterhaken zu lassen und Borussia mit ordentlich Rückenwind ins Feuer der neuen Saison zu schicken, dann bin ich fein damit und habe nie etwas anderes gewollt ;-)

Auch das wird uns wohl nicht zum Meister machen, aber es lässt alles, was da kommen mag, besser ertragen. Und wer weiß, vielleicht gibt es doch bald mal wieder mehr Grund zur Freude als zuletzt. E
s muss ja nicht alles immer nur schlechter werden. Wenn Zusammenhalt in den kommenden Monaten fußballerisch Berge versetzen würde - ich würde ich mich jedenfalls nicht dagegen wehren wollen. 

Die Seele brennt!

2025-07-13

In der Falle

Es ist Mitte Juli und gut einen Monat vor dem Beginn der neuen Saison steht man als geneigter Borusse ziemlich ratlos vor dem, wofür der Verein in diesem Sommer eigentlich steht und was er in den kommenden Monaten vorhat - außer bei einer zweitägigen Jubiläumsfeier Anfang August in der glorreichen und halb glorreichen Vergangenheit zu schwelgen.

Die Transfertätigkeiten liegen auf Eis, weil es für zu viele, von denen man sich zum wiederholten Mal vorstellen könnte, sie zu einem anderen Club zu verabschieden, offensichtlich keinen Markt gibt. Oder zumindest keinen, auf dem es mögliche Abnehmer besonders eilig hätten. 
Ohne zu dramatisieren, kann man also festhalten: Borussia Mönchengladbach sitzt da in einer blöden Falle.

Der vielzitierte Dominostein, der alles andere auf dem Transfermarkt ins Rollen bringen könnte, er wird auch diesmal nicht von der Gladbacher Seite angestoßen. Das ist jedem längst deutlich geworden, auch ohne dass die sportliche Führung das immer wieder mantraartig hätte betonen müssen. 
Ob das eine kluge Verhandlungstaktik ist, ein folgenschwerer Fehler oder ob man sich das Leben damit zumindest nur schwerer macht, kann sich jeder selbst überlegen. Wir werden es erst später endgültig bewerten können.

Der daraus folgende Stillstand im Kader ist allerdings beunruhigend. Denn auch wenn Roland Virkus sehr früh die Vorgriffs-Transfers von Kevin Diks und Jens Castrop verkünden konnte: Ohne Bewegung bei Gladbacher Ab- und Zugängen können sie - trotz ihrer zweifellos vorhandenen Klasse - wichtige Probleme auch nicht lösen.

Denn: Für beide gäbe es Stand jetzt keinen Platz in der Startelf oder sie verdrängen dort Stammspieler mit gut dotierten Verträgen, die damit auch nicht an (Verkaufs-)Wert gewinnen würden. 

Denn sowohl auf den zentralen Positionen im Mittelfeld, die der aus Nürnberg gekommene Castrop beackert, als auch in der Abwehr, in der Diks heimisch ist, gibt es einen krassen Überhang an (Noch-)Konkurrenten.

Das Dumme: Castrop ist ebenso wie Weigl, Reitz, Sander, Stöger, Fraulo und Neuhaus kein klassischer Sechser. Sander kommt dem bisher noch am nächsten, und vielleicht entwickelt sich ja der Neuzugang dahin - man möchte sich aber nicht darauf verlassen. 

Weigl scheint unverkäuflich (und ein Transfer wird offenbar auch von Vereinsseite nicht für notwendig erachtet) und wirkt zugleich als einer der größten Problemfälle, was die Balance in der Mannschaft angeht. 
 

Der Vizekapitän spielte in den letzten Jahren fast immer, doch es kam jeweils sehr stark auf seinen Nebenmann an, wie gut oder schlecht Borussia das zentrale Mittelfeld defensiv dicht bekam und ob es offensiv Durchschlagskraft entwickeln konnte. 

Ob und wie Borussia diese Baustelle - die Unwucht zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei einem der nominellen Führungsspieler - angeht, ist mir völlig unklar.   

Kevin Diks konkurriert rechts zwar nur mit Joe Scally, doch in der Innenverteidigung, wo er vermutlich dringender gebraucht würde, steht er sich derzeit noch mit Itakura, Elvedi, Chiarodia und Friedrich auf den Füßen. 

Auf der einen Seite steht Scally, mit einem gewissen Marktwert ausgestattet, genauso im Borussia-Schaufenster wie die Innenverteidiger Itakura (bringt notwendiges und zum Teil bereits ausgegebenes Geld) und Elvedi (müsste bei zu erwartender eher geringer Einnahme erst gleichwertig ersetzt werden). 

Andererseits hat Borussia weder beim Japaner noch beim - nicht vergessen: äußerst verdienten und treuen - Schweizer Borussen ein Druckmittel im Poker um die Ablösesumme. Im Gegenteil: Wenn beide bleiben, könnten sie sich im kommenden Jahr bzw. im Fall Elvedi dann 2027 in die Reihe der unglückseligen ablösefreien Abgänge von Thuram bis Bensebaini einreihen. 

Etwas, was Virkus und Stegemann zwar unbedingt vemeiden wollen und müssen, aber kaum können, wenn die Spieler nicht mitspielen. Ähnlich schlecht sind Borussias Karten bei einem Wechsel von Marvin Friedrich.     

Gehandelt werden muss nun aber mal. Überall.

Im Tor, wo Jonas Omlin nach seiner voraussichtlich dauerhaften Einordnung als Nummer zwei hinter Moritz Nicolas eigentlich dem eigenen Anspruch nach das Weite suchen müsste, es für ihn angesichts der Verletzungshistorie aber möglicherweise gar keine passenden Interessenten gibt.

Im Sturm, weil Tim Kleindienst bis mindestens November das Toreschießen in der Liga nicht wieder wird aufnehmen können. 

In der Abwehr, weil durch Lainers Weggang bei einer Verletzung von Scally oder Diks die Seite nicht mehr doppelt besetzt wäre. Und, weil die Abwehr insgesamt eine Auffrischung oder Neuausrichtung dringend nötig hätte. 

Im Mittelfeld schließlich, weil zu viele Spieler um die spielgestaltenden Positionen rangeln und zu wenige um die Türsteherjobs vor der letzten Verteidigungslinie.

Als wäre es noch nicht kompliziert genug, diese Aufgaben bei gesperrtem Festgeldkonto einigermaßen unter einen Hut zu bekommen, bleibt auch noch die Ungewissheit bei einer Handvoll weiterer Spieler.

  • Gehen Luca Netz oder Lukas Ullrich und was hieße das für die defensive Stabiliät hinten links, wenn man weiß, dass beide in der kompromisslosen Verteidigung nach hinten keine Monster sind?
     
  • Macht Lasso Plea nochmal was Neues und hinterlässt uns ein kleines Ablösesümmchen, für das man aber keinen gleichwertigen Ersatz mit diesem Profil und Spielintelligenz bekommt? Kann Stöger dann in diese Rolle schlüpfen?

  • Was sind die besten Entscheidungen für Fraulo, Ranos, Fukuda, Tiago Perreira? 

  • Bekommt man den in Ungnade gefallenen Florian Neuhaus in ein 1,2,3,4 Wochen koste es, was es wolle, noch vom Hof oder sitzt auch er seinen Vertrag aus?

  • Oder muss man am Ende einen Honorat ziehen lassen, um auf dem Transfermarkt überhaupt handlungsfähig zu werden?
     
  • Und werden wir am Ende wirklich darauf vertrauen müssen, dass Tomas Cvancara gegen jede Wette unverhofft durchstartet und sich als Kleindienst-Vertreter bewährt? Oder Ngoumou daran anknüpft, wo ihn die schwere Verletzung ausgebremst hat?

  • Hofft der Verein ernsthaft, dass in dieser Situation ein Nachwuchsspieler den "Borussia-Weg" geht und zum Hoffnungsträger mutiert?  

Was sich bis zum Ende der Transferperiode tut und ob Borussia da gut, zerrupft oder katastrophal heraus kommt, ist bis heute kaum vorherzusagen. 

Fakt ist, dass einige der hoffnungsvollen Spieler, die mit Borussia in Verbindung gebracht wurden, aufgrund der selbst auferlegten Handlungsunfähigkeit längst vom Markt sind. Das klingt nach verpassten Chancen, muss aber kein Nachteil sein. 

Immerhin: Dass ein (Wunsch-)Spieler wie Kiels Machino noch nicht woanders unterschrieben hat, macht etwas Mut. Aber auch diese Entscheidung ist sicher keine Frage von mehreren Wochen mehr. 

Alles unklar also an der Spielerfront. Und da haben wir noch nicht über den Trainer gesprochen, der mit gellenden Pfiffen in die Sommerpause verabschiedet wurde (was ich in keiner Weise billige). 

Die Zweifel daran, dass er in der Lage ist, die Mannschaft neu auszurichten, sich den gegebenen Möglichkeiten anzupassen und junge Spieler mutig und nicht nur in Notsituationen zu integrieren oder Spieler einfach besser zu machen, konnte er auch in der vergangenen Saison nicht zerstreuen. 

Dass der Verein in Ermangelung anderer guter Nachrichten zuletzt medial in den Vordergrund stellte, dass man in den kommenden Jahren stärker auf die Durchlässigkeit aus der Jugend in die Profimannschaft achten will, ehrt ihn. Doch bis die Talente aus der bisherigen U17 und U19 zu konkurrenzfähigen Bundesligaspielern für Borussia entwickelt werden können, werden noch einige Jahre vergehen. 

Und ob gefragte U17-Topspieler wie Moya und Güner auch nach ihrer Volljährigkeit ihre Zukunft noch in Gladbach sehen, hängt erheblich davon ab, wie Borussia dann da steht und welche Perspektiven man ihnen bieten kann. 

Entkommt Borussia bis dahin der Weiterentwicklungsfalle, in der sie gerade sitzt, könnte das ein Wendepunkt zum Positiven sein. Wenn nicht, drohen auch die großen Anstrengungen des Vereins in seiner Jugendarbeit zu verpuffen. Was es nicht leichter machen würde, in einem immer enger werdenden Wettbewerb und bei steigender Zahl an finanzkräftigeren Konkurrenten, dauerhaft zu bestehen.

Das heißt: Man kann wegen der Bedeutung der diesjährigen Entscheidungen für die nächsten Jahre nur hoffen, dass die Weichen in diesem Sommer noch richtig gestellt werden können. 

Ich würde allerdings im Moment darauf nicht wetten. Und das hat nichts mit überhöhten Ansprüchen oder Erwartungen eines Fans zu tun. Es ist die Befürchtung, dass man sich entgegen der berühmten Aussage des Sportchefs eben doch Sorgen um Borussia Mönchengladbach machen muss.

2025-05-21

Werte, Demokratie und die Saisonspende

Das war sie nun, die Saison, und damit auch meine Saisonspende 2024/25. Kurz und schmerzlos zur Bilanz: 

Da kamen in den letzten vier Bundesligaspielen nochmal 7 Borussia-Tore dazu. Damit summiert sich das erspielte Geld auf 114,50 Euro. 

Im Jubiläumsjahr von Borussia runde ich das natürlich zu einer standesgemäßen Endsumme von 125 Euro auf.

Es brennt an allen Ecken unserer Landes und in der Welt. Man weiß nicht, wo zuerst anzupacken wäre. Weil Bildung, Wertevermittlung und das Ermutigen junger Menschen das beste Rezept dafür sind, dass sich Menschen für die Demokratie und für ihre Mitmenschen einsetzen, habe ich in diesem Jahr meinen Spendenschwerpunkt darauf gesetzt.

50 Euro gehen deshalb an Scoring Girls Deutschland. Bildung, Bewegung und das Gefühl der Zugehörigkeit sind für die gesunde Entwicklung junger Menschen essenziell, heißt es dort. Leider wird vor allem Mädchen mit Zuwanderungsgeschichte und aus sozial benachteiligten Familien der Zugang zu Förderprogrammen oftmals erschwert, nicht zuletzt auf Grund kultureller & finanzieller Hürden. 

Bei Scoring Girls, einem Empowermentprojekt für Mädchen von 9 bis 18 Jahren werden junge Frauen durch wöchentliche Sport- und Bildungsangebote dabei unterstützt, jene Kompetenzen zu stärken, die sie für eine selbstbestimmte Teilhabe an der Gesellschaft benötigen. Gegründet hat die Initiative die ehemalige Bundesligaspielerin Tuğba Tekkal 2016 in Köln. Die Angebote gibt es aber auch in anderen Städten.

Link zu Scoring Girls 

 

Weitere 50 Euro gehen an die Initiative GermanDream von Tuğbas deutlich bekannterer Schwester Düzen Tekkal.

Worum geht es da? Auf der Seite der Initiative heißt es dazu: Toleranz, Freiheit, Chancengleichheit und Pluralismus – was bedeuten diese Begriffe und wie begegnen wir ihnen in unserem täglichen Leben?

Um all das und noch mehr geht es in den Wertedialogen von German Dream, die der Vermittlung von Werten einen Raum geben, durch Besuche und Veranstaltungen an Schulen, anderen pädagogischen Einrichtungen oder im digitalen Gespräch - für eine Wertevermittlung, die wirkt. Interessierte Schulen, Verbände oder Einrichtungen können sich direkt über das Anmeldeformular für einen kostenlosen Wertedialog anmelden.

Link zu German Dream 

 

Die restlichen 25 Euro gehen an unser örtliches Frauenhaus. Wir wissen alle, warum das unverändert bitter nötig ist. Denn jeder hat das Recht auf ein Leben ohne Gewalt.

Ich muss dazu sagen, dass ich mit meiner Familie ohnehin jedes Jahr spende und dies auch ohne den Bezug zu Borussia tun würde. Es macht aber Spaß, das mit diesem sportlichen Thema zu verknüpfen und zu schauen, was am Ende rauskommt. Und den einen oder anderen daran teilhaben zu lassen und beispielhaft zu zeigen, was es für Initiativen und Projekte gibt, die man unterstützen kann, wenn man will. Ich lese auch gern die Spendenziele von anderen Saisonspendern. In diesem Sinne, habemus nun wirklich Saisonende! 

Saisonspende: Das galt in der Saison 24/25: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für die beiden kampflosen Derbysiege gegen K*** gibt es diese Saison ein Startkapital von 20 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 2 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund, Leverkusen oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 30 Euro. Deutsche Meisterschaft: 124 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.



 

2025-05-19

Verbesserte Stagnation

Die Saison ist vorbei, das war sie im Prinzip auch schon einen Spieltag vor Schluss.

Nach der Niederlage in Dortmund schrieb ich noch:
"Die Mannschaft und der Trainer haben noch ein Kiel, Hoffenheim, Bayern und Wolfsburg lang Zeit, das Gefühl, das wir für diese Saison haben, in ein nachhaltig Gutes zu verwandeln. Vier Spiele für ein Halleluja oder vier Spiele für ein "Ihr Hallodris"?
Im zweiten Fall werden wir über den Sommer hinweg eine weiter verschärfte Diskussionsschleife und Wehklagen über Virkus und Seoane haben, inklusive des fortgesetzten Zweifels an der Richtung, die der Verein verfolgt. (...)
Das Gute: Mannschaft und Trainer haben das noch selbst in der Hand. Das nicht so Gute:
Mannschaft und Trainer haben das noch selbst in der Hand."

Was soll man sagen? Mannschaft und Trainer haben nur eine sehr unbefriedigende Antwort auf die damals offenen Fragen geben können, und doch war es eine durchaus vorhersehbare Antwort. Von der Momentaufnahme auf Platz 5 hat man sich innerhalb der letzten Wochen verdient in der Tabelle durchreichen lassen. 

Die zwischenzeitlich erreichbar scheinenden Ziele verpasst, allein die "Einstelligkeit", das nach dem Verlauf der Saison dann doch unterambitionierte Saisonziel, von Roland Virkus mangels besserer Argumente aber nochmals beschworen, war vor Spiel 34 noch in Sichtweite. 

Wie fast schon zu erwarten, hätte Borussia aber selbst ein Heimsieg gegen Wolfsburg nicht mehr dazu gereicht, dazu hätten ja außerdem die Konkurrenten mitspielen müssen. Und selbst ein versöhnlicher Heimsieg gelang gegen einen äußerst biederen Gegner nicht, trotz vernünftiger erster Halbzeit und ausreichend Torchancen. Borussia verpasste somit auch die letzte Möglichkeit, die Fans mit einem guten Gefühl in die Sommerpause zu schicken. Was kein Grund ist, Trainer und einzelne Spieler des eigenen Teams vor, während und nach dem Spiel auszupfeifen.

Fest steht: Diese letzte Saisonphase macht eine Saison kaputt, die nicht so schlecht war, wie sie jetzt wirkt und teilweise gemacht wird. Die aber trotzdem auch alle Schwächen im Verein, im Kader und auf dem Platz aufgedeckt hat.

Irgendwas zwischen Platz 8 und 11 konnte es vor dem Wolfsburg-Spiel noch werden. Platz 10 blieb es, was allerdings auch nicht dem eigenen Ertrag aus dem Spiel, sondern den Ergebnissen auf den anderen Plätzen geschuldet war.

Platz 10 also. Das ist erstmal unbestreitbar positiv, mit dem kurzen Blick zurück auf Rang 14 in der vergangenen Saison. Im Vergleich zu den wenig erquicklichen Jahren zuvor - Platz 10, 10 und 8 - liegt die Seoane-Borussia allerdings etwa auf dem gleichen Niveau, was Abschneiden und Punkteausbeute angeht. Und die Jahre zuvor ziehen wir zum Vergleich erst gar nicht heran, das wäre nicht zielführend.

In dieser Saison stehen am Ende 34 Spiele, 13 Siege, 6 Remis und 15 Niederlagen in der Bilanz. Vor einem Jahr war es am Saisonende eine Niederlage weniger, allerdings nur 7 Siege und 13 Unentschieden. Das macht ziemlich genau den Unterschied, denn statt zu derzeit 45 Punkten reichte es damals nur zu 34. Die geschossenen Tore sind mit 55 gleich. 

Deutlich besser sind die Gegentore mit 57. Und hätte sich die Mannschaft in den letzten fünf Spielen nicht einen Gegentorschnitt von fast 3 Toren geleistet, hätte diese Bilanz deutlich noch freundlicher ausfallen können. Denn vergangene Saison waren es noch 67 Gegentore, und das ist neben der Punkteausbeute der positive Befund eines Fortschritts - wohlgemerkt zur ersten Seoane-Saison. 

Vergleicht man mit der Farke- (52:55 Tore, 43 Punkte) und der Hütter-Saison (54:61 Tore, 45 Punkte), so liegt Borussia in diesem Jahr wieder fast auf dem gleichen Niveau, was Tore, Gegentore und Punkte angeht - nicht mehr und nicht weniger. Auch diese beiden Saisons endeten im absoluten Mittelfeld, auf Platz 10.

Der von der Vereinsspitze vielbeschworene Fortschritt beschränkt sich also in Wirklichkeit nur auf die missratene erste Saison unter Gerry Seoane.

Doch Zahlen verraten nicht alles. Team und Trainer haben sich weiterentwickelt. Beide haben zeitweise die Hoffnungen nähren können, dass sie zueinander gefunden haben. Dass die Mannschaft verstanden hat, was Seoane will und dass der Schweizer Trainer sich auch anderen Ansätzen als seinen öffnet, wo es für den Erfolg nötig ist. 

Doch das hatte Grenzen. Es blieb eine Wechselpolitik, die zu oft von außen nicht nachvollziehbar war. Die aber dafür sorgte, dass Spiele enger endeten, als es hätte sein müssen. Dass die Mannschaft sich aus dem gegnerischen Druck nicht mehr befreien konnte. Des öfteren blieb so auch der begründete Verdacht des Vercoachens hängen. 

Mit zunehmender Dauer des Saison reichten die Kräfte auch immer öfter nicht mehr, um ständige personelle Ausfälle und individuelle Durchhänger zu kompensieren, weil gleichzeitig von Einwechselspielern in engen Schlussphasen kaum Entlastung kam.    

Ich bin keiner, der sich für schlauer hält als ein Trainer, der die Spieler täglich sieht, einschätzen kann und der natürlich seinen Beruf beherrscht - sonst wäre er kein Trainer bei einem Proficlub. Für alle Entscheidungen hat das Trainerteam seine Gründe gehabt, gute und die, sich sich als nicht erfolgreich herausgestellt haben. 

Sicher ist: Keine war dazu gedacht, die eigene Mannschaft schwächer zu machen. Wenn ich den handelnden Personen diese Selbstverständlichkeit nicht zugute halten würde, bräuchte ich mir kein Spiel mehr anzuschauen. 

Allerdings wird auch Gerardo Seoane wissen, dass das, was er innerhalb der Partien in dieser Saison entschieden und umgesetzt hat, zu oft nicht den Ertrag gebracht hat, der möglich war.

Und was hat sich nun wirklich geändert in dieser Saison? Die Runderneuerung des teuren, aber stagnierenden "Europa"-Kaders schreitet voran, ist vielleicht sogar bald fürs erste abgeschlossen - sofern Abgänge nicht neue Wunden reißen. Es bringt wenig, Sommer, Thuram, Bensebaini, Hofmann oder Koné hinterherzutrauern oder darüber nachzudenken, wo man mit ihnen heute stehen könnte - sie wären ohnehin nicht in dieser Konstellation zusammengeblieben. 

Und zur Ehrlichkeit gehört auch, dass auch diese Kader unter Hütter und Farke nicht wirklich rund waren und unter dem Strich keine bessere Performance ablieferten als der heutige. 

Klar, Vergleiche der letzten drei, vier Jahre sind schwierig, aber nicht unzulässig.

Tatsächlich steht der aktuelle Kader im Vergleich nicht so schlecht da. Von den individuellen Fähigkeiten der besten 16, 17 Spieler könnte er durchaus einen europäischen Wettbewerb erreichen, meint man, besonders in einem Jahr wie diesem, wo es eine Reihe von Konkurrenten auf Augenhöhe gab, die sich auch nicht viel cleverer angestellt haben. Der Kader ist noch immer (auch ohne Verletzungen) auf einigen Positionen nicht gut oder nicht ausgeglichen genug besetzt, um wirklich eine ganze Saison lang im ersten Drittel der Tabelle mithalten zu können. 

Dennoch haben wir auch viele gute Spiele und viele sehr gut (oder grandios) herausgespielte Tore erlebt, dazu eine sehr starke Präsenz bei offensiven Standards. Phasenweise klappte die Gesamtverteidigung hervorragend, zeitweise gab es aber auch üble Rückfälle in alte, schlechte Muster.   

Dass es in der Saison 25/26 nicht zu Auslandspflichtspielreisen kommen wird, hat viele Gründe. Jeder für sich ist nachvollziehbar, oder fast jeder. In der genauen Betrachtung bleiben sie trotzdem ärgerlich. Und möglicherweise vermeidbar. Oder sie waren Folge verschiedener Fehlentwicklungen früherer Jahre. Manche waren aber auch zufällig, wie etwa die sich aus der Vorsaison fortsetzende Verletzungsdramen bei Gladbacher Torleuten.

Das alles muss ehrlich bewertet werden und es müssen richtige Schlüsse daraus gezogen werden. Ob das auch im Verein geschieht, kann ich nicht sagen. 

Dass sich alle offensichtlichen Probleme durch Transfers lösen lassen, ist jedenfalls zu bezweifeln. Dafür fehlt Borussia das Geld und vielleicht auch andere Möglichkeiten. Deshalb ist es umso wichtiger, junge, talentierte Spieler mehr zu fördern und einzubauen. Es ist auch notwendig, dass sich der Trainer weiterentwickelt.

Netz, Ullrich, aber auch Nicolas und Tiago Cardoso haben sich nur in die Mannschaft spielen können, weil Seoane durch entsprechende Personalnot nicht mehr an ihnen vorbei kam. Es wäre wichtig, dass aus dieser Erfahrung heraus jetzt die nächsten Spieler, etwa Fukuda oder Pesch, einen größeren Vertrauensvorschuss bekommen und schneller integriert werden.

Es braucht aber auch einen Fokus darauf, wie man eine Mannschaft emotional und taktisch so clever aufstellen kann, damit sie daraus Kraft ziehen kann, auch wenn sie sonst an Grenzen stößt. Es gibt genug Vereine, die dies schaffen und die damit fehlende individuelle Klasse wettmachen können. 

Dass Borussia Comeback-Qualitäten hat, hat sie auch in dieser Saison schon ausgiebig bewiesen. Das ging oft ein wenig unter, weil man sich mehr darüber ärgern musste, warum Vorsprünge überhaupt abgegeben wurden oder Rückständen hintergelaufen werden musste.

Nun ist die Zeit, die Weichen zu stellen, damit das kommende Spieljahr einen wirklichen Forschritt zeitigt. Trotz guter Ansätze ist das in der Saison 2024/25 nicht gelungen. Es bleibt der mittelprächtige Eindruck einer verbesserten Stagnation hängen. Das ist angesichts einer Reihe von guten Auftritten schade. Doch das haben sich Mannschaft und Trainerteam durch das schlaffe letzte Drittel der Saison wiederum selbst zuzuschreiben.      

"Wird's besser? Wird's schlimmer?, fragt man alljährlich", schrieb vor langer Zeit Erich Kästner. Um dann weiter zu dichten: "Aber seien wir ehrlich, Leben ist immer lebensgefährlich.” 

So dramatisch müssen wir es noch nicht sehen oder formulieren. Doch es ist nicht aus der Luft gegriffen, das in diesem Sommer entscheidende Weichen für die nächsten Jahre gestellt werden - in die eine, bessere oder die andere, schlechtere Richtung. Weichen, die Roland Virkus und Gerry Seoane mit zu verantworten haben werden, genauso wie der Rest der oft zu gemütlichen Vereinsführung. 

Und das ist wiederum von elementarer Wichtigkeit für unseren begrenzt handlungsfähigen Verein, der anders als andere niemals die Gewissheit haben kann, dass er nicht sehr schnell in einen fatalen Abwärtsstrudel hineingezogen werden könnte. Sicher, es kann auch anders, deutlich besser, kommen. Dazwischen liegen oft nur Nuancen, Zufälle, Glück und Pech. Aber wetten würde ich im Moment darauf nicht.


Saison 2024/25, Bundesliga, 31. Spieltag: Hostein Kiel - Borussia Mönchengladbach 4:3. Tore für Borussia: 2:1 Cvancara, 2:2 Plea, 3:3 Honorat.

Saison 2024/25, Bundesliga, 32. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - TSG Hoffenheim 4:4. Tore für Borussia: 1:0 Chiarodia, 2:0 Reitz, 3:2 Honorat, 4:4 Kleindienst.

Saison 2024/25, Bundesliga, 33. Spieltag: Bayern München - Borussia Mönchengladbach 2:0.

Saison 2024/25, Bundesliga, 34. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - VfL Wolfsburg 0:1.

2025-04-20

Vier Spiele für ein Halleluja

Wie gewonnen, so zerronnen: Als unsere Borussia das Spielglück der bisherigen Saison nochmal ganz gut gebraucht hätte, war es gerade nicht verfügbar. Und das hatte wahrscheinlich sehr viel damit zu tun, dass man es sich in anderen Partien mit besseren Leistungen einfach mehr erarbeitet hatte. 

Im engen Rennen der Plätze 4 bis 12 hat sich Gladbach daher unnötigerweise mit drei sieglosen Spielen auf (Stand jetzt) Platz 9 durchreichen lassen. Und das entspricht dem Leistungsstand nach wie vor recht gut, auch wenn mancher kleine Höhenflug das immer wieder zu übertünchen verstand.

Beim spielerisch stärksten Kellerkind St. Pauli liefen Kleindienst und Co. über weite Strecken erschreckend hilflos der Musik hinterher. Der schwachen Chancenverwertung des Gegners war es zu verdanken, dass am Ende ein Pünktchen heraussprang.

Im Heimspiel gegen den direkten Tabellenkonkurrenten aus Freiburg ereilte die Seoane-Elf nahezu das gleiche Schicksal. Auch hier ging man in Führung, auch hier entglitt das Spiel völlig und die einzige Entlastung waren lang rausgeschlagene Bälle auf nicht vorhandene oder nicht zweikampfstarke Stürmer. Der Nackenschlag des 1:2 in letzter Minute war bitter, aber ohne Zweifel verdient. 

Und heute? Es klingt seltsam, aber trotz einer erneut über die gesamte Spielzeit der mittelmäßigen Leistung wäre hier vielleicht noch am meisten drin gewesen. Denn der Gegner ließ nur selten den Druck erkennen, den Freiburg und die Hamburger ausgeübt hatten. 

Die feine Einzelleistung von Itakura zum überraschenden Führungstreffer hätte gegen eine immer noch zeitweise anfällige Dortmunder Mannschaft viel wert sein können, wenn man sich nicht entschieden hätte, ab der 41. Minute bis zum Pausenpfiff gleich drei Ostergeschenke an die Hausherren zu einem 1:3-Rückstand zu verteilen. 

Es war schon mehr als fahrlässig, wie leicht eigener Ballbesitz hergegeben und im Strafraum dann die Zuspiele und ihre Adressaten nicht verteidigt wurde. In den Minuten rund um die Halbzeitpause hätte es insgesamt noch bitterer kommen können, was den Spielstand angeht. Doch danach setzten sich die Schwarz-Gelben weitgehend zur Ruhe und Borussia bekam das Spiel unverhofft besser in den Griff. 

Zwar brauchte es erneut eine Szene aus dem Nichts, um wieder auf die Anzeigetafel zu kommen. Doch der Elfmeter, den der "warum auch immer Fifa-Schiedsrichter" Daniel Siebert nach mehreren Minuten dann doch geben musste, nachdem er den Tritt von Nmecha gegen Tim Kleindienst trotz guter Sicht in Realgeschwindigkeit noch großzügig übersehen hatte, dieser Elfmeter war unstrittig.   

Dass ausgerechnet Kevin Stöger zur Vollstreckung antrat, nachdem er das 1:3 auf sehr dämliche Weise mit einem krassen Fehlpass verschuldet hatte und auch ansonsten keine Hilfe auf dem Platz gewesen war, das schockte sicher nicht nur mich. Doch der Standardspezialist, der in Gladbach noch zu keiner Zeit einer geworden ist, verwandelte den Strafstoß bombensicher, trotz diverser Störfeuer von Guirassy und Co. vor der Ausführung.

Mit etwas kühlerem Kopf, mehr Fortune in der gegnerischen Hälfte und dem einen oder anderen ausgewogeneren Schiedsrichterpfiff in der letzten halben Stunde wäre sicher auch mehr drin gewesen. Borussia steigerte sich insgesamt auf eine unter dem Strich ordentliche Leistung, die letztlich aufgrund der Aussetzer vor der Pause unbelohnt blieb. So war es am Ende weniger der BVB, der das Spiel gewonnen hatte, sondern Gladbach, das es irgendwie auf dem Weg verloren hatte.

Das hilft aber leider nicht weiter. Die große Chance, sich vor dem Saisonendspurt eine richtig gute Ausgangsposition für den Kampf um Europa zu verschaffen, wurde mit drei mehr als mauen Spielen leichtfertig hergegeben.

Dass das auch damit zu tun hat, dass wieder und wieder personelle Ausfälle zu beklagen sind, die mit der Fortdauer der Saison immer schlechter zu kompensieren sind, ist überdeutlich. Der Substanzverlust, der auch und gerade vor den bisherigen Leistungsträgern nicht halt macht, bringt das Korsett der Mannschaft und damit die gesamte Balance im Spiel immer häufiger ins Wanken. 

Dennoch wäre es zu einfach, nur darauf zu zeigen. Denn die Wechsel, die das Trainerteam im Spiel und in der Startformation vornimmt, sind oft genug von außen nicht zu verstehen. Und die Reaktion auf taktische Wechsel des Gegners erfolgen immer wieder zu spät oder gar nicht. Das ist Wasser auf die Mühlen derer, die offenbar nur darauf gewartet haben, die in der Punktebilanz ablesbaren Fortschritte dieser Saison wieder kleinzureden und die nachlassenden Leistungen der letzten Wochen in erster Linie gegen Trainer und Sportdirektor zu verwenden. 

Auch das ist mir zu einfach. 

Gleichwohl: Es ist eine Entwicklung, die man als leidgeprüfter Borussenfan nicht nur erwartet hat, sondern nach der man seine Uhr stellen konnte. Immer, wenn Borussia die Chance auf einen Schritt nach vorne hat, wird dieser sogleich und zielgewiss mit dem Hintern eingerissen. 

Wenn also am 17. Mai kein europäischer Startplatz herausgesprungen sein sollte, wonach es gerade stark aussieht, dann ist das kein Beinbruch, weil bei ehrlicher Betrachtung dann die Mannschaft ihr Soll erfüllt und sich insgesamt trotzdem gesteigert hat (wir wissen, wo wir herkommen - aus der letzten Gruselsaison!). 

Es wäre dennoch enttäuschend, weil jeder weiß, dass mehr drin war. Und, dass es vielleicht nächstes Jahr nicht mehr so leicht sein wird, einen europäischen Startplatz zu erreichen wie in diesem Jahr 2025. 

Die Mannschaft und der Trainer haben noch ein Kiel, Hoffenheim, Bayern und Wolfsburg lang Zeit, das Gefühl, das wir für diese Saison haben, in ein nachhaltig Gutes zu verwandeln. Vier Spiele für ein Halleluja oder vier Spiele für ein "Ihr Hallodris"? Im zweiten Fall werden wir über den Sommer hinweg eine weiter verschärfte Diskussionsschleife und Wehklagen über Virkus und Seoane haben, inklusive des fortgesetzten Zweifels an der Richtung, die der Verein verfolgt. 

Das wiederum kann sich Borussia eigentlich nicht leisten, wenn es wirklich nachhaltig und Schritt für Schritt wieder nach oben gehen soll. Das Gute: Mannschaft und Trainer haben das noch selbst in der Hand. Das nicht so Gute: Mannschaft und Trainer haben das noch selbst in der Hand.

Saison 2024/25, Bundesliga, 28. Spieltag: FC St. Pauli - Borussia Mönchengladbach 1:1. Tor für Borussia: 0:1 Itakura.

Saison 2024/25, Bundesliga, 29. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - SC Freiburg 1:2. Tor für Borussia: 1:0 Günter (Eigentor).

Saison 2024/25, Bundesliga, 30. Spieltag: Die aus Dortmund - Borussia Mönchengladbach 3:2. Tore für Borussia: 0:1 Itakura, 3:2 Stöger (FEM).

Saisonspende: 3 Spiele, 4 Tore, 1 Punkt. Neuer Stand: 107,50 Euro. 

Das gilt in der Saison 24/25: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für die beiden kampflosen Derbysiege gegen K*** gibt es diese Saison ein Startkapital von 20 Euro. Gehaltener Elfmeter von Jonas Omlin oder einem anderen Torwart: 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 2 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund, Leverkusen oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 30 Euro. Deutsche Meisterschaft: 124 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.