2018-01-20

Unterm Strich: Spitzengruppe

Verdienter Sieg gegen den Angstgegner, nach langer Zeit wieder einmal zu Null gespielt, punktgleich mit dem Tabellenzweiten. Das klingt nach einem guten Wochenende für Borussia. Dennoch liegen erneut leichte Schatten auf der Leistung des VfL, die es auch in der folgenden Woche wohl nicht viel ruhiger um die Hecking-Elf werden lassen. Dazu trägt wohl auch die etwas dünnhäutige Reaktion von Max Eberl auf eine zugegeben stichelnde Frage eines Sky-Reporters bei.

Doch es gibt heute wohl keine zwei Meinungen. Der Sieg war erkämpft und erspielt, er hätte höher ausfallen müssen und hätte doch genausogut - wie so oft gegen Augsburg - auch gar keiner werden können. Und dieser Widerspruch ist es, der uns Fans oft genug fertig macht in dieser Saison. 
Gladbach spielt hochkarätige Torchancen raus wie eine Spitzenmannschaft und ist dann effektiv wie ein Absteiger. Sinnbildlich dafür steht Thorgan Hazard, der auch heute ein ums andere Mal falsche Entscheidungen traf, wenn es ums Passen, Schießen oder die Frage ging, hoch oder flach ins Eck zu zielen. Und doch war er wieder einer der fleißigsten. Und er war der, der uns kurz vor Schluss mit einem Klasse-Abschluss erlöste - weil oder obwohl er bei einer Kontersituation "3-gegen-1" den richtigen Moment für den Pass zum Mitspieler schon wieder verpasst hatte und ich ihn schon gerade wieder für seine Schlampigkeit verfluchen wollte.

Gut, sogar "kämpferisch" - was ja zuletzt so moniert wurde - waren die Mannen um Kapitän Stindl heute, fokussiert und trotz zweier schwächerer Phasen eigentlich immer Herr des Geschehens. Aber sie ließen auch erschreckend viel zu, deutlich mehr als zuletzt gegen Köln. Zum Glück war Augsburg aber nicht so effektiv wie beim 2:2 im Hinspiel. Doch manchmal fehlte nur eine Fußspitze und Yann Sommer wäre auf dem falschen Fuß erwischt worden.

Insofern war der Ausgang des Spiels - ohne Gegentor - heute umso wichtiger. Man kann es auch positiver formulieren: Die Borussen waren heute eigentlich immer einen Tick schneller in den entscheidenden Szenen. Die Schlüsselszene war vielleicht die Riesenchance der Gäste in der ersten Hälfte, als eine Flanke wieder nicht verhindert wurde, Sommer den Kopfball reaktionsschnell parierte und Zakaria und Vestergaard den Ball zweimal einschussbereiten Augsburgern vom Fuß spitzelten. Nur eine Zehntelsekunde später und es hätte für beide Grätschen einen Elfmeter geben können.
Ansonsten ließ der VfL aber wenig richtig Zwingendes des FCA zu, was angesichts der Aussetzer bei den Kölner Toren und der schlimmen Gegentorbilanz in dieser Saison einer klaren Qualitätssteigerung gleichkommt. 

Für mich ragte heute niemand aus der Mannschaft heraus. Klar, Cuisance macht vielen Leuten mit seiner frechen Spielweise Spaß. Auch mir. Allerdings muss man auch bei einem so jungen Kerl die Schwächen nicht verschweigen. Heute schüttelte er wieder einmal Weltklassepässe aus dem Fuß. Er rannte sich aber auch immer wieder etwas kopflos fest und riskierte damit gefährliche Ballverluste. In der Rückwärtsbewegung kann er sich dann oft nur durch Fouls helfen, weil die körperliche Präsenz und die Zweikampfgeschicklichkeit noch deutlich ausbaufähig ist. Da ist Denis Zakaria deutlich abgeklärter und nicht nur heute auf der Sechserposition noch weitaus wertvoller als der ungestüme Franzose. 
Insofern konnte ich auch Dieter Heckings Wechsel Jantschke für Raffael kurz vor Schluss gut nachvollziehen. Jantschke sollte die beiden jungen Sechser in der Zentrale in der Schlussoffensive der Gäste unterstützen. Denn dort kamen die Augsburger in der zweiten Hälfte viel zu leicht bis vor den Strafraum.
Und weil in Fankreisen ja auch Heckings Arbeit oft schon bekrittelt wird: Für mich hat das alles Hand und Fuß. Die Wechsel sind nachvollziehbar, ob es vergangene Woche Grifo war, der nach seiner Gala im Testspiel einen Startelfeinsatz verdient hatte, gegen Köln aber auf keinen grünen Zweig kam. Genauso heute Herrmann, der in Hälfte eins noch gut im Spiel war, dann aber untertauchte. Dass die Joker nicht stechen, kann man Hecking natürlich ankreiden. Aber das wäre nicht fair. Tore schießen müssen die Spieler nunmal alleine.
 
Noch besser als die Mannschaft (und der Trainer) waren heute aber die Fans, die das richtige Gespür für die kitzlige Ausgangssituation hatten und die von Anfang an gut dabei waren. Super, wie sie vereinzelte Pfiffe von den Rängen schnell in hilfreiche Anfeuerung umkehrten und vor allem in der Phase nach der 60. Minute, als die Mannschaft das Spiel aus der Hand zu geben schien, mit stimmlicher Wucht hinter dem Team standen. Man sieht, mit 42000 kann es manchmal sogar besser sein als bei vollem Haus und einem Fünftel Unzufriedenden darunter. 

So. Und nun noch mal tief durchatmen. Thema Schiedsrichter. 
Ich fand Bibiana Steinhaus, die ich heute erstmals in der Bundesliga in einem ganzen Spiel gesehen habe, unaufgeregt und souverän im Umgang mit den Spielern. Ich war mit manchem Foulpfiff (gegen Zakaria) nicht einverstanden, aber das ist normal. Insgesamt war das also eine vernünftige Leistung. Das Spiel war allerdings auch nicht besonders kompliziert zu leiten, wenn man zum Vergleich an manch andere Tret-Orgie der Puppenkistler in den Vorjahren denkt. 
Dennoch: Der VfL ist aus meiner Sicht heute erneut zweimal krass benachteiligt worden. Und der Video-Assistent hat dabei wieder eine undurchsichtige Rolle gespielt. Ich weiß, dass es bei beiden Situationen auch die Auffassung geben kann, dass Steinhaus letztlich richtig entschieden hat. Aber ich will begründen, warum ich das anders bewerte.

Erste Szene ist das Halten von Opare gegen Raffael. Ein klares Foul als letzter Mann nach eigenem Fehlpass, das Raffael daran hindert, allein auf den Torwart zuzulaufen. Steinhaus greift zunächst zur Gesäßtasche, wo die Rote Karte drin ist, entscheidet sich auf dem Weg zum Spieler jedoch um und zieht Gelb aus der vorderen Gesäßtasche. Es scheint also eine Kommunikation gegeben zu haben, mit ihren Assistenten oder mit dem VAR in Köln. Das erfahren wir natürlich nicht. 
Möglich ist, dass der Assistent in der Augsburger Hälfte ihr signalisiert hat, dass Raffael den Ball möglicherweise nicht vor Torwart Marvin Hitz erreicht hätte. Für diese Kommunikation mit dem Assistententeam spricht, dass Bibiana Steinhaus die Szene nicht selbst überprüft hat. Doch das ist eine Spekulation. Es wäre gleichwohl der einzige sinnvolle Grund gewesen, hier nicht Rot zu ziehen. 
Aus meiner Sicht hatte Raffael sehr wohl eine sehr gute Chance, den Ball zu erreichen und hätte ihn dann problemlos am rausstürzenden Torwart vorbeilegen können. Zum Kriterium zu machen, dass Raffael den Ball beim Foul "nicht kontrolliert" hat, wie es Markus Merk bei Sky erzählte, ergibt in dieser Szene absolut keinen Sinn.
Wenn man das zugrundelegt, kann es gar keine "Notbremsen" mehr bei solchen Kontersituationen geben, denn die zeichnet ja aus, dass ein Spieler mit einem Steilpass auf die Reise geschickt wird und den Ball eben nicht am Fuss dribbelnd führt. Das kann aber nicht Ziel dieser Regelauslegung sein. Denn eins muss den Regelhütern doch klar sein: Eine gelbe Karte und ein Freistoß im nirgendwo sind für dieses Vergehen keine ausreichende Strafe, schließlich wird ein fast sicheres Tor verhindert. "Strafverschärfend" müsste sich eigentlich auch auswirken, dass der Spieler mit dem Foul einen eigenen krassen Fehler wettmachen wollte. Für mich eine Fehlentscheidung, wobei ich nicht genau weiß, wem ich sie jetzt ankreiden soll.

Zweite Szene, noch unfassbarer für mich: Dreifaches Handspiel am Fünfmeterraum durch Augsburgs Baier - und auch nach Rücksprache in Köln: kein Elfmeter.
Erste Frage: Nach den neuesten Ansagen der Oberkampfrichter vom DFB soll die Entscheidung ja immer und nur noch vom Schiri vor Ort gefällt werden. Wer aber fällt hier die Entscheidung? Keiner der Assistenten auf dem Platz kann dies von seiner Position uneingeschränkt gesehen haben. Bleibt also der VAR in Köln. Steinhaus verlässt sich auf ihn, denn sie selbst schaut sich die Szene nicht im Stadion nochmal an. Warum nicht? Wer also entscheidet in dieser Szene wirklich? Steinhaus jedenfalls nicht. Das ist für mich nicht mehr nachvollziehbar: Es ist lächerlich.

Kommen wir zur Szene selbst. Baier berührt den Ball im Rückwärts-Fallen einmal unbeabsichtigt leicht mit dem Arm. Das ist nicht zu ahnden. Der Ball rollt weiter, hinter seinem Rücken, bis ihn der Augsburger Kapitän mit der anderen Hand stoppt und festhält. Für mich eine klar regelwidriges Handspiel, man kann sogar Absicht unterstellen. Doch damit noch nicht genug. Im Abrollen berührt Baier den Ball mit dem auf dem Rasen ausgestreckten Arm zum dritten Mal und blockiert mit seinem Arm zudem noch Hazards Fuß, der den freien Ball aufs Tor schießen wollte, dann ins Straucheln gerät und anschließend vom Torwart umgerissen wird, sodass er auch noch daran gehindert ist, nochmal ins Spiel einzugreifen. Das muss man nicht als Foul pfeifen. Aber alles in allem stehen da ein oder zwei strafwürdige Handspiele, auf die für mich nur ein Elfmeter folgen kann. Und was passiert? Nichts. 

Die Rückrunde ist gerade einmal zwei Spiele alt, und nicht nur was Borussia angeht, ist das Chaos rund um Schiri und VAR perfekt. Falsche Entscheidungen werden nicht von Köln revidiert, Einfluss wird genommen, ohne das der Schiri sich selbst ein Bild macht. Und wenn er sich ein Bild macht wie Zwayer letzte Woche in Köln, dann sieht er das Foul angeblich auch da immer noch nicht. Das ist nicht nur ärgerlich, das ist unwürdig. Heute können wir es gelassen nehmen, weil es auch so zum Sieg gereicht hat, letzte Woche hat es mit ziemlicher Sicherheit Punkte gekostet. Und für mich als Gerechtigkeitsfanatiker ist es einfach unerträglich. Zumal es in anderen Stadien ja auch weiter drunter oder drüber geht. In Mainz zählt - wie bei Wendt damals - ein Tor nicht, obwohl zwischen dem geahndeten Handspiel und dem Torerfolg der Gegner fünf oder sechsmal die Möglichkeit hat, einen Zweikampf zu gewinnen und das Tor zu verhindern.
Dortmund erhält trotz der zur Verfügung stehenden Technik einen glasklaren Elfmeter (Foul an Yarmolenko) nicht. Und das ist nur, was ich selbst im Fernsehen gesehen habe. Das ist doch einfach irre. Anderes Thema, aber auch völlig daneben, und dann höre ich auf, über andere Dinge zu plaudern als Borussia: Beim Spiel HSV - Köln wird ein Hamburger beim Einwurf auf Höhe des eigenen Strafraums einen Meter zurückbeordert. Als er auf die Ansprache nicht reagiert, gibt Schiri Winkmann Einwurf für Köln. Regeltechnisch in Ordnung. Aber solange Bundesligaschiris bei jedem Spiel Dutzende falsche Einwürfe ignorieren und dem irregulären "Raumgewinn" bei Schritt für Schritt nach vorne laufenden einwerfenden Spielern nur alle Jubeljahre mal Einhalt gebieten, macht sich ein Unparteiischer mit einer solchen Aktion nicht nur unglaubwürdig, sondern auch lächerlich. Hm. Dieses Wort habe ich für heute dann auch oft genug benutzt. Zeit, zum Ende zu kommen. ;-)

Fazit: Trotz all der vertanen Chancen und merkwürdigen Schiri-Entscheidungen in dieser Saison sind wir weiter vorne dabei. Und wenn die Mannschaft mit dem Druck, gegen einen direkten Konkurrenten gewinnen zu müssen, auch nächste Woche so umgeht wie heute, dann ist auch in Frankfurt was drin. Klingt doch gut. Also: "Der VFL ist wieder da. Wir singen Heja Borussia!" 


 Bundesliga, Saison 2017/18, 19. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - FC Augsburg 2:0 (Tore für Borussia: 1:0 Ginter, 2:0 Hazard)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.