2018-06-01

Saisonbilanz II: In der Zwischenwelt

Mit einem letzten Blick zurück will ich diese an Lehren reiche Saison dann endlich hinter mir lassen und dann schon nach vorne schauen - ohne die richtigen Schlüsse aus 17/18 zu unterlassen. 
Es ist nicht viel Neues mehr dabei, beim Blick zurück: Borussias Saison ist nicht glanzvoll gewesen, glatter Durchschnitt, durchaus enttäuschend, aber auch frei von Sorgen um den Klassenerhalt. Und das ist eine wichtige Feststellung, weil sie nicht unbedingt selbstverständlich ist.

Klar, unsere Ziele sind heute andere als 2010 oder 2011, aber es gibt genug Beispiele von anderen Mannschaften, die ähnliche oder bessere Ausgangspositionen haben oder hatten und die dennoch voll in den Abstiegsstrudel gerieten oder dort kenterten. 
Köln, Wolfsburg, HSV, ein paar Jahre zurück auch der VfB Stuttgart und Eintracht Frankfurt - das sind die warnenden Beispiele, die wir nie aus den Augen verlieren sollten. Denn wer absteigt, verliert selbst beim direkten Wiederaufstieg vorneweg fünf Jahre, die es braucht, um sich wieder an die Konkurrenz im Oberhaus heranzuarbeiten. Es sei denn, man hat wie Leipzig (oder damals Hoffenheim) andere finanzielle Voraussetzungen. 
Gladbach hat sich dagegen in den vergangenen Jahren, mit einigen kleinen Rückschlägen, die auch dem ständigen personellen Nauaufbau geschuldet waren, kontinuierlich aus dem Tabellenkeller heraushalten können. Sportlich kann der VfL mit den Großen mithalten - zwar keine ganze Saison, aber doch phasenweise und das trotz der stets schlechteren Ausgangslage als sie die Bayern, Dortmund, Schalke oder Leverkusen haben.

Allerdings ist diese Rolle als gut aufgestellter, lauernder Underdog in Gefahr. Aus mehreren Gründen. Fehler gibt es überall: auf dem Spielfeld, im Management, auf der Trainerbank oder in der medizinischen Abteilung. Das ist normal, und auch der zurecht verehrte Lucien Favre hat in seiner Gladbacher Zeit mehr Fehler gemacht als wir dies im Rückblick oft noch wahrnehmen. Fehler gehören dazu. Nur: Bei einem Mittelklasse-Club wie Gladbach sind Fehler nicht mehr so leicht zu verschmerzen, wenn der über Jahre hinweg durch clevere Personalpolitik aufgebaute kleine Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Teams abschmilzt.  

Vieles an einer guten oder weniger guten Saison entscheidet sich heute neben dem grünen Rasen. Borussia hat sich den Ruf als gute und attraktive Adresse für junge Spieler erarbeitet, deshalb gelingen auch immer wieder Coups wie Benes, Doucouré, Cuisance oder jetzt Keanan Bennetts. Aber es wird zunehmend schwieriger, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten Verstärkungen an Land zu ziehen, bei denen man sicher sein kann, dass sie ihren Preis auch wert sein werden. Inzwischen werden 17- oder 18-Jährige für Millionensummen eingekauft, die noch kein Erstligaspiel bestritten haben. Die, die schon gezeigt haben, dass sie Verstärkungen sind, kosten schnell mal ein Zehntel des letzten Jahresumsatzes, den Borussia erwirtschaftet hat (179 Millionen Euro). Richtige Spitzenspieler sind für Borussia nach wie vor Utopie, nicht mal, wenn sie 34 Jahre alt sind wie ein Stephan Lichtsteiner (bis jetzt Juve). Und bei einer Gehaltsstruktur, die der VfL zurecht im engen Rahmen hält, fallen viele mögliche Transfers weg, weil die Spieler (uns Berater) dann oft lukrativere Angebote aus Schalke, Wob, Hoffenheim oder vom BVB vorziehen.

In der Jugendarbeit holen viele Vereine auf oder bieten sogar mehr als Gladbach. Für Spieler, die in Gladbachs Jugend ausgebildet werden, ist es heute ungleich schwerer, den Weg in die erste Mannschaft zu finden als zu Jantshckes oder Herrmanns Einstiegszeiten - als Gladbach einen deutlich schlechteren Kader hatte, wenig in überdurchschnittliche Neuzugänge inverstieren konnte und nicht diese Strahlkraft für junge Topspieler auch aus anderen Ländern hatte. Andererseits sind wir darüber denke ich alle auch ganz froh. 
Nicht zuletzt sind etwa durch Stuttgart und Frankfurt inzwischen wieder recht stabil geführte Traditionsvereine als zusätzliche Konkurrenz wiedergekommen, die aber deutlich finanzstärkere Regionen hinter sich haben als Borussia.

Das alles sind Dinge, die Eberl und Co nur am Rande oder gar nicht beeinflussen können. Klar ist, dass das zweite Jahr ohne Europa-Einnahmen die Situation nicht verbessert, weder finanziell noch bei der Attraktivität für Spieler, nach Gladbach zu wechseln. Insofern war das abgelaufene Jahr für Borussia eins des verlorenen Bodens. Dennoch ist der Weg der kleinen Schritte weiterhin der beste und vielleicht der einzige, der langfristig Erfolg verspricht. Selbst wenn man jetzt mit großen Anstrengungen drei vier teure Leistungsträger einkaufen würde, garantierte das noch keinen Erfolg. Es sorgte aber ganz sicher für ein Auseinanderfallen der Mannschaft, falls es nicht so liefe wie erhofft.

Denn das haben wir in den vergangenen beiden Saisons erlebt. Es gibt schnell ordentlichen Druck von außen (Medien/Fans) und damit verbunden eine negative Grundstimmung, die sich bis auf die Ränge der treuesten Fans frisst.
Dies kann sich irgendwann auch negativ auf die bisher sehr abgeklärte Vereinsführung auswirken - und zu vielleicht überhasteten Personalentscheidungen führen. 
Das kann Trainer oder Manager betreffen, aber auch Spieler, die nicht auf Anhieb voll einschlagen und dann vielleicht nicht genug Vertrauen erhalten, um sich durchzubeißen. Die älteren unter uns wissen noch, wie lange Allan Simonsen gebraucht hat, die Rolle als Bankdrücker abzulegen. Und wie Granit Xhakas Verpflichtung öffentlich angezweifelt wurde, als er nicht sofort so souverän agierte wie es seine (heute niedliche) Ablösesumme zu verlangen schien. 

Und schließlich gibt es auch keine Garantie, dass es jedesmal gelingt, eine solche Ausfallliste im Kader wie in den vergangenen beiden Saisons so zu kompensieren, wie es zuletzt noch gelungen ist.
  Für die neue Saison bedeutet das einen klaren Auftrag: eine attraktive Positionierung des Vereins und der Mannschaft. Attraktiver Fußball begeistert die Fans, Erfolg beflügelt, und harte Arbeit und Bodenständigkeit sorgt für Identifikation bei den Fans und sichert ihre Treue und bedingungslose Unterstützung. Mir sind - sicher auch durch die sozialen Medien - viel zu viele Absichtserklärungen, Beschwichtigungen und Ansagen von Spielern und Verantwortlichen untergekommen, die ich dann auf dem Platz nicht so wiedergefunden habe. 

Das ist nicht gut, denn ich brauche keine starken Worte, ich brauche Taten - zumindest aber den Eindruck, dass wirklich alles versucht wurde. Dann bin ich auch bereit, auf den Rängen alles zu geben. Und dann bin ich auch einverstanden, wenn es eben mal nicht reicht. Ehrliche Arbeit gegen ehrlichen Support, das ist der Kitt, der Fans und Mannschaft zusammenhält. Lässt einer nach, macht das den anderen schwächer. Im Extremfall endet das dann so deprimierend wie in manchem Heimspiel letzte Saison, wo schnell Grabesstille herrschte, Pfeifkonzerte deutlich zu hören waren oder verschiedene Fangruppen sich gegenseitig zu übertönen versuchten. Die Saison war vom Team nicht gut, es war aber auch nicht immer ein Ruhmesblatt für unsere Fangemeinschaft, auf deren Zusammenhalt und Stärke wir uns gern etwas einbilden.

Wie ich es in der Überschrift formuliert habe: Borussia befindet sich derzeit in einer Zwischenwelt, auf allen Ebenen. Noch immer mit so viel Kredit und selbst aufgebauter Substanz, dass sie in der Bundesliga eine tragende Rolle spielen kann und die höheren Ansprüche erfüllen kann. Zugleich wird es aufgrund vieler Faktoren von Jahr zu Jahr schwieriger, diesen kleinen Wettbewerbsvorteil gegenüber nicht so gut geführten Vereinen, die aber mehr Geld zur Verfügung haben, zu behaupten. Gerade aus diesem Grund muss das "Alles-auf-den-Prüfstand-stellen", die Neuausrichtung im Verein und die Gestaltung des Kaders "sitzen". 
Daran entscheidet sich letztlich auch das Schicksal des Trainers. Er muss jetzt, allen Widrigkeiten wie voraussichtlich sehr späten Transfers und den Unwägbarkeiten einer WM für die teilnehmenden Borussen zum Trotz, schnell liefern. Sonst wird im neuen Jahr sicher ein anderer Übungsleiter auf der Bank sitzen. 
Auch wenn sich das jetzt schon viele wünschen werden: Wer A sagt, muss auch B sagen. Und das bedeutet, dass man dann auch jemanden im Blick haben muss, der es - mit einiger Sicherheit - besser machen würde als Dieter Hecking. Und das ist eine Frage, in der mehr steckt als nur, einen Namen in den Raum zu werfen. Ich denke, dass man DH die vorhandene Unzufriedenheit mit der abgelaufenen Saison nicht komplett ankreiden darf, auch wenn er sicher Fehler gemacht hat. Er sagt, er sei bereit, sich daran messen zu lassen. Und diese Chance sollte er auch bekommen. 
So, damit beende ich jetzt auch offiziell meine Blogsaison 17/18 und schaue ab jetzt auf die neue Herausforderung, ohne den (lehrreichen) Blick in den Rückspiegel dabei ganz zu vergessen.

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