Spitzenreiter, Spitzenreiter - hey, hey!!
Wenn man so selten in die Verlegenheit kommt, diesen Ruf durchs Stadion schallen lassen zu können, dann muss man die Gunst der Stunde nutzen. Wir stehen an der Spitze der Liga, ja, schon auch, weil die anderen nicht wollten. Das kann und sollte uns aber völlig egal sein. Denn es ist auch deshalb so, weil die Mannschaft nicht - wie schon öfter zuvor - angesichts einer drohenden Tabellenführung vor Angst erstarrte. Nein, dieses 5:1 war bärenstark, auch wenn der schwache Gegner ganz recht kam. Es ist etwas deutlich anders geworden als in den Jahren zuvor. Und das macht ein gutes Gefühl.
Jetzt können wir fast zwei Wochen lang ein ganz breites Grinsen im Gesicht haben und jedem an Fußball halbwegs interessierten Zeitgenossen den fordernden Blick "Frag' mich doch mal, wo Gladbach gerade steht" zuwerfen. Das tut gut, nicht zuletzt auch wegen der beiden bitteren Auftritte, die die herbeigesehnte Europapokal-Euphorie schon merklich abgekühlt hatten.
Aaaber bei aller Freude dürfen wir nicht vergessen, wo wir herkommen... Nein, nur Spaß!
Doch es steht uns tatsächlich gut an, nicht gleich durchzudrehen. Denn es gibt einiges, was man an der Entwicklung der noch jungen Saison berücksichtigen muss, wenn man einen ehrlichen Blick auf den Leistungsstand der Mannschaft und auf die Begleitumstände in der Liga werfen will. Damit meine ich nicht, dass es nur den schwächelnden Topklubs zu verdanken ist, dass wir jetzt mal ganz oben schnuppern dürfen. Das ist im Fußball manchmal so und wenn man etwas erreichen will, sollte man zu solchen sich bietenden Gelegenheiten eben auch nicht Nein sagen.
Zum Glück habe ich den Eindruck, dass innerhalb der Borussia-Familie im Moment ein ganz gesunder Blick auf die Leistung der Mannschaft geworfen wird - im Negativen wie im Positiven. Klar gibt es die, die Marco Rose und seine Spieler in der einen Woche in den Himmel heben und kurz darauf für unfähig erklären wollen. Aber die meisten Fans wissen, wie sie mit dem Zwischenstand umgehen müssen: mit einer gewissen Gelassenheit.
Mein Blick geht daher natürlich auf die richtig guten Spielzüge, auf das gelungene Pressing und die schön herausgespielten Tore. Er geht auf das bis auf einzelne Szenen sehr gute Stellungsspiel in der Defensive und auf die mannschaftsdienliche Spielweise, um den besser postierten Nebenmann einzusetzen oder dem Mitspieler zu Hilfe zu eilen, wenn es eng wird. Wie innig die Spieler auch nach den Toren miteinander umgehen, zeigt, dass hier eine richtige Einheit gewachsen ist. Und das ist weit mehr wert als eine (vorübergehende) Tabellenführung. Und es sollte auch zu erwartende Rückschläge überdauern, denn noch immer ist Roses Borussia lange nicht "fertig".
So waren auch heute viele kleine Fehler zu beobachten, die gegen einen stärkeren Gegner hätten teuer werden können. Deshalb geht mein Blick auch (milder als sonst) auf die Schwächen im Spiel, etwa im Ausspielen der Kontersituationen.
Er geht zweitens auf die personelle Situation, die sich heute nochmals verschärft hat.
Und drittens darf man nicht außer Acht lassen, dass nach der Länderspielpause auf engem Raum die bislang mutmaßlich größten Herausforderungen in dieser Saison warten: zweimal Dortmund, zweimal AS Rom sowie Frankfurt, Leverkusen und Bremen - insgesamt sieben Spiele in 22 Tagen. Da kann es dann auch schnell wieder vorbei sein mit der Herrlichkeit.
Denn eins darf man heute bei aller Freude nicht vergessen: Augsburg war in der ersten Halbzeit nicht bundesligareif. Die Abwehr in der ersten halben Stunde völlig überfordert, der Torwart sicher nicht von der Qualität, den eine Mannschaft im Abstiegskampf benötigt. Dennoch hatten die Gäste am Ende genausoviele Torschüsse wie Borussia, und in einer etwas glücklicheren Phase hätten aus den besten Chancen auch drei oder vier Augsburger Tore werden können.
Das soll keineswegs die Gladbacher Leistung schmälern. Denn der forsche Auftritt von Beginn an war es, der den Gegner durcheinanderbrachte und folgerichtig auch die schön herausgespielten Tore ermöglichte. Danach spielten Benes (das war sein bisher vielleicht bestes Spiel für den VfL), der überragende Patrick Herrmann und ihre Kollegen die Partie routiniert nach Hause, wobei das zwischenzeitliche 1:4 nicht mehr als ein ärgerlicher Schönheitsfehler war. Augsburg war heute schlicht chancenlos, weil Gladbach sie gleich überrumpeln konnte. Ob das ohne den frühen Vorsprung genauso leicht gewesen wäre, glaube ich allerdings nicht.
An so einem Tag soll man sich eigentlich nicht an der Schiri-Leistung stoßen. Das will ich trotz einiger grober Fehler auch weitgehend lassen. Doch weil diese sehr mäßige Leistung auch Einfluss auf das Verletzungsgeschehen hatte, muss es einfach gesagt werden. Knackpunkt war das Frustfoul von Khedira, der Patrick Herrmann im Mittelfeld im vollen Lauf und in einer lange nicht gesehenen Unsportlichkeit umgetreten hatte. "Gelbeinhalb" reicht aus meiner Sicht für so eine Aktion einfach nicht aus. Da muss dann auch einfach mal zum Schutz aller Spieler durchgegriffen werden.
Da Schiedsrichter Schröder auch sonst zu lange auf die gelbe Karte für Gästeakteure verzichtete, wo sie angebracht gewesen wäre (zumal im Vergleich zu der, die Herrmann sah), gab er den Gästen einen Freibrief dafür, im Laufe des Spiels immer mutiger mit offener Sohle in die Zweikämpfe zu gehen. Alassane Plea war wieder einmal der Haupt-Leidtragende, aber auch Thuram, Benes oder Herrmann mussten einiges einstecken.
So bleibt in dieser Kategorie einzig die Tatsache positiv zu vermerken, dass Denis Zakaria die drohende fünfte Gelbe Karte vermeiden konnte. Allerdings bot er heute auch wirklich überhaupt keine Angriffsfläche für eine Verwarnung.
Zum Glück ist nun ein wenig Zeit zum Verschnaufen und kürzertreten. Denn die Personalsituation ist mittlerweile alarmierend. Plea spielte zwar heute lange so, dass man ihm die Verletzung aus Istanbul nicht anmerkte. Doch irgendwann ging es sichtlich nicht mehr. Die Verletzungen von Stevie Lainer und Matze Ginter (hier keine Vorwürfe an die Augsburger Gegenspieler) sahen allerdings schon schlimmer aus. Beide sind - vor allem in ihrer heutigen Form - nicht so einfach zu ersetzen wie die bisher schon ausfallenden Offensivkräfte. Aber ich fürchte, dass eine ausgekugelte Schulter und eine Außenbandverletzung nach einer längeren Spielpause verlangen, als sie durch die Länderspielwoche zur Verfügung steht. Das ist natürlich ein bitterer Nachgeschmack zu dem süßen Sieg von heute.
Wie eng es trotz sehr polyvalentem Kader inzwischen ist, zeigte die Bankbesetzung heute und auch der verletzungsbedingt notwendig gewordene Ringtausch in der zweiten Halbzeit. Lainer und Ginter raus, Beyer nicht im Kader, Strobl und Johnson verletzt, da wird es für rechts hinten und für die Innenverteidigerposition schon ziemlich eng. Auch wenn es schade war, dass Mamadou Doucouré heute nicht sein verdientes Debüt feiern konnte, es war schon in Ordnung, zum Ende hin Jantschke rechts, Wendt links und Elvedi und Bensebaini in der Mitte zu Ende spielen zu lassen.
Ich hoffe, dass die Pause hilft, dass zum nächsten Spiel in Dortmund die Alternativen wieder andere sind. Denn auch wenn die Ausfälle kurzfristig ganz gut kompensiert werden konnten. Irgendwann geht es an die Substanz der Spieler, die immer ranmüssen. Und das gefährdet den Erfolg, den sich die Mannschaft bis hierhin so hart erarbeitet hat - mit Mut, Fleiß, Kampf, spielerischem Können und der richtigen Reaktion auf Fehler und Rückschläge. Und das ist das, was wirklich zählt. Nicht der Tabellenstand nach dem 7. Spieltag.
Bundesliga
2019/20, 7. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - FC Augsburg 5:1 (Tore
für Borussia: 1:0 Zakaria, 2:0 Herrmann, 3:0 Herrmann, 4:0 Plea, 5:1 Embolo)
Schöner Bericht und sehr passend zur Stimmung rund um die Borussia.
AntwortenLöschenIch hätte mir gewünscht, dass mehr routiert worden wäre - vielleicht auch schon mal mit einem Beyer (wo war der eigentlich?) zu Beginn. Wobei ich verstehen kann, wenn man der bisher nicht sattelfesten Abwehr gemeinsame Spielzeiten geben will. Doch -auch vor der Verletzung Ginter+Lainer - brauchen wir schnell mehr Breite. Sonst fehlt die Frische und es steigt die Verletzungsgefahr. Hoffentlich schaffen es die Akteure alle wieder in 14 Tagen - gute Besserung!
Ansonsten genießen wir doch einfach mal Platz 1. Der ja zumindest aus Bayern-Sicht nur vorübergehend ist ... mag sein, vorübergehen schön ist auch schön und man weiß ja nie ... :-)))
Beyer war verletzt bzw. ist Rekonvalesent - hoffenltich ist er gegen den BxB wieder fit, sonst sind wir hinten ziemlich offen.
AntwortenLöschenHabe mich hier lange nicht mehr gemeldet und will das nun endlich wieder mal tun. Schöner Bericht und schön ist tatsächlich diese Momentaufnahme. Ich genieße sie jedenfalls, solange sie währt (und dann sehen wir weiter). Leider konnte ich das Spiel nicht besuchen, rieb mir aber verwundert die Augen, als mein Ticker gefühlt im Minutentakt Tore ausspuckte. Besonders hat es mich natürlich für 'Flaco' gefreut - das gibt ihm sicherlich Aufwind. Hoffen wir mal, dass zumindest Lainer schneller wieder fit ist als gedacht - der scheint ja so ein richtiger (Durch)-Beißer zu sein und avancierte sehr schnell - aufgrund seiner Kämpfermentalität - zu einem meiner Lieblingsspieler... Wäre mal der ganze Kader fit (was unwahrscheinlich ist), was wäre das für ein Traum. Genießen wir also als Fans den momentanen Platz an der Sonne! Und die Mannschaft bleibt hoffentlich - auch Dank Rose - geerdet. Viele Grüße, Fohlen
AntwortenLöschenDanke Euch für Eure Rückmeldung!
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