2021-05-09

Einstürzende Saisonbauten

  • Es ist äußerst unwahrscheinlich, zweimal in einer Saison gegen den FC Bayern zu gewinnen.

 

  • Es liegen in jeder Beziehung Welten zwischen den Vereinen - wirtschaftlich wie sportlich.

 

  • Jeder weiß, dass man gegen eine Mannschaft mit der Qualität auch untergehen kann.

 

  • Es gibt keine Beispiele dafür, dass eine Bayern-Elf mal ein Spiel merklich abgeschenkt hätte, wenn sie vorher ihr Ziel schon erreicht hatte.

 

  • Es gibt Tage, da könnte man stundenlang spielen und würde nicht treffen. Und das, während auf der anderen Seite der Gegner die ersten drei Tore nur erzielen kann, weil die Bälle beim Tor beziehungsweise dem Zuspiel vor dem Tor von Gladbachern entscheidend abgefälscht wurden.


Jeder Borussia-Fan weiß das alles. Shit happens, und wenn - so bildlich wie drastisch gesagt - die Sch... erstmal die Beine runterläuft, hältst du das auch nicht mehr auf.

 

Trotzdem war dieses 0:6 heute ein Spiel, das geeignet ist, eine ohnehin schon sehr wechselhafte Saison zu ruinieren und auch alles, was gut war, auszuradieren. Damit meine ich nicht, dass heute endgültig die letzte Chance auf einen Euro-League-Platz vertan worden wäre oder die gute Ausgangsposition für die Conference-League mit der Tordifferenz dahinschmolz. Das alles ist in 32 Spielen aufgelaufen, nicht in diesem allein. Aber es ist ein Tiefschlag, der sitzt. Und der so nicht passieren darf - nicht einer Mannschaft zumindest, die sich selbst auf Augenhöhe mit den Top Fünf der Liga wähnt. Und einem Trainerteam, das für sich den nächstgrößeren Schritt für angeraten hält, sollte es auch nicht passieren, dass einmal mehr eine gewählte Taktik nicht aufgeht und sie dennoch nicht korrigiert wird, bevor nicht der Gegner fast uneinholbar in Führung liegt.

 

Bedenklich ist so vieles an diesem Auftritt, und natürlich auch an dem Auf und Ab der vergangenen Wochen. Das macht ratlos, und es macht müde. So müde, dass ich wirklich froh bin, dass diese Saison bald zu Ende ist.

 

Der Mentalitätsunterschied zwischen den früheren Rivalen um die deutsche Meisterschaft war wohl nie deutlicher zu spüren als heute. Und das scheint mir auch der Knackpunkt im Spiel gewesen zu sein. Die Bayern gingen mit durchaus unsympathischer Unnachgiebigkeit bis zum Schlusspfiff in jeden Zweikampf und in jedes Laufduell, als ginge es für sie noch um etwas. 

Sie waren auch nach sechs Toren noch nicht satt und ärgerten sich über jede vergebene Chance, oft unpassend lautstark. Sie wollten es heute dem "Angstgegner" richtig zeigen, und vor allem Lewandowski zu seinem persönlichen Torrekord verhelfen. Sie liefen trotz 15-minütiger Unterzahl mit 107 zu 109 Kilometern nicht wesentlich weniger als die Borussen, obgleich sie diese ja über weite Strecken mit ihrem Passspiel hatten "laufen lassen". 

Beim aufopferungsvoll herausgekämpften 3:2-Sieg im Hinspiel waren das noch anders gewesen, und die Zahlen erheblich beeindruckender: Die Gladbacher liefen da über 123 Kilometer, die Bayern knapp 117.

Damals setzte der VfL auf eine defensiv äußerst dichte Zentrale mit Neuhaus, Kramen und Zakaria, heute sollten zwei Sechser im 4-4-2 ausreichen. Das ging sichtbar in die Hose.

 

Borussia versuchte im Gegenteil heute, vor allem spielerisch mit offenem Visier und auf Augenhöhe unterwegs zu sein - und landete damit, wie eigentlich jede Mannschaft, die das gegen die Über-Bayern versucht und nicht mindestens individuell ebenbürtig besetzt ist, jämmerlich auf dem Bauch. 

Jonas Hofmann und Co. bemühten sich ja, sie hatten auch einige Ballgewinne in für den Gegner gefährlichen Zonen. Sie kombinierten sich oft auch gut aus der Abwehr heraus bis in die Münchner Hälfte. Aber sie nutzten keinen der gut eingeleiteten Angriffe, vor allem in den ersten 20 Minuten, wo das Spiel ziemlich offen in beide Richtungen lief.


Vor allem aber waren die Fohlen nicht kompakt genug gegen den Ball, die Flick-Elf hatte selten Probleme, schnell durchs Mittelfeld zu kommen, und sich Räume zu erobern, die im Hinspiel noch hart umkämpft gewesen waren.

 

Ich wiederhole mich: Die Leistung war heute einfach nicht ausreichend, und das wurde diesmal auch konsequent bestraft. Es gab in den letzten Jahren ja schon einige Spiele, in denen die Bayern ähnlich spielfreudig wie heute das Gladbacher Tor berannt haben, aber dennoch nicht gewinnen konnten. Das lag dann natürlich auch an einer gehörigen Portion Glück von Yann Sommer und Co. Aber eben auch an einer dazu passenden kämpferischen Einstellung. 

Das Bemühen war heute auch erkennbar, aber nicht in der Vehemenz, in der es gegen frei aufspielende Bayern nötig gewesen wäre. Die Rose-Elf kam zu wenig in die Zweikämpfe, und wenn, dann waren die Gegner stets eine Spur entschlossener - so wirkte es für mich zumindest. Selbst in Überzahl bekam Borussia keine Ballkontrolle oder gar noch ein vernünftiges angriffsspiel, Zugriff oder Druck auf den Gegner, um wenigstens das Ergebnis etwas erträglicher gestalten zu können. Im Gegenteil: Selbst mit zehn Mann wären für die Münchner noch mehr Tore drin gewesen als nur das 6:0. 

 

Soviel also dazu. Muss ich zu Tobias Stieler noch etwas sagen? Vom Spielverlauf nicht, damit hatte der Referee heute wirklich nichts zu tun. Aber ich  tue es doch. Denn es ist immer wieder faszinierend, wie zielsicher in seinen Gladbach-Spielen immer wieder Situationen entstehen, bei denen der Jurist seiner Regelpedanterie freien Lauf lassen kann. Als ob er sie heraufbeschwören könnte.

 

So wie beim Elfmeter, der nach der derzeit gerade geltenden absurden Regel zwar korrekt war, nach sportlichen Gesichtspunkten aber natürlich nach wie vor grober Unfug ist. Flo Neuhaus befindet sich in einem natürlichen Bewegungsablauf, wenn er in dieser Szene seine Arme ausbreitet, um zum Kopfball hochzusteigen. Er will nicht seine Körperfläche vergrößern, sondern den Schwung der amre dazu nutzen, Höhe zu gewinnen. 

In diesem Bewegungsablauf wird er von hinten aus 30 Zentimetern Entfernung angeköpft. Es ist einfach nur sinnfrei, dafür Elfmeter zu verhängen, während sonst schon aus Angst vor einem Pfiff alle Verteidiger im Strafraum mit hinter dem Rücken versteckten Armen rumlaufen und dadurch Bälle nicht mehr vernünftig verteidigt bekommen, wie etwa Ramy Bensebaini heute. 

Genauso unsinnig ist es übrigens, dass das bei Neuhaus - allein weil es ein Handspiel ist - automatisch noch eine Gelbe Karte nach sich zieht, während schon längst nicht mehr jedes Foul beim Elfmeterpfiff mit Gelb geahndet wird. 

Dass Stieler diesen idiotischen Regeln zur Geltung verhilft, werfe ich ihm nicht vor. Vielleicht aber, dass er nicht bereit ist, in so einer Szene auch seinen Ermessenspielraum zu nutzen und die Entlastungsgründe abzuwägen, die in den Regelauslegungen eben auch erwähnt werden. Und dazu gehört zum Beispiel der Abstand zwischen den handelnden Spielern. Stieler hingegen schaute sich die Szene am Monitor keine zehn Sekunden an, da stand sein Urteil fest.
Fingerspitzengefühl fehlte dem Referee aus meiner Sicht auch Sekunden vor Schluss, als er Hannes Wolf zurückpfiff und der seinem Frust mit einem Ballwegschlagen Ausdruck verlieh. Laut Regel Gelb - das weiß ich wohl. Aber ehrlich: In der 90. Minute, beim Stand von 0:6, wenn es auch nicht darum geht, Zeit zu schinden - da verstehe ich nicht, warum man da nicht als Schiri einfach mal beide Augen zudrückt. Aber gut, so ist er eben, der Sportkameras Stieler.


Das alles war jetzt ein Exkurs, der nichts mit der Leistung der Borussia und dem Spielausgang zu tun hat. Dennoch ist er Teil dieser Spielgeschichte, und es ist auch Teil meines Frusts, solche Dinge anzusprechen, die mir ungerecht erscheinen, selbst wenn sie streng nach Regelwerk korrekt sind.


Was nun, Borussia? Ich schaue mir jetzt noch die restlichen zwei Spiele an, aber ich wäre froh, ich müsste es nicht tun. Es ist mir auch relativ egal, wie sie ausgehen und was am Ende steht. Ich habe die Saison abgehakt, ich bin leer. Genervt von dem Geplärre von Trainern und Spielern in einem leeren Stadion, das in der Kreisklasse ja wenigstens noch einen gewissen Unterhaltungswert hat - nicht aber bei Bundesligisten. Frustriert von dem seltsamen Auf und Ab, den Enttäuschungen, dem nur flüchtigen Aufblitzen der wirklichen Fähigkeiten dieser Mannschaft. 

 

Und am meisten vielleicht von der Tatsache, dass in dieser Spielzeit auch viel Positives verschüttet wurde, durch das Theater um den Trainer und die stagnierenden Leistungen, die die Mannschaft am Ende der Saison auf einen Platz führen werden, den sie auch verdient hat. Wobei wir alle wissen, dass mehr drin wäre mit diesem Kader. Ich jedenfalls brauche echt langsam Abstand davon, um mich auf die nächste Saison vielleicht wieder freuen zu können.

 

Bundesliga, 32. Spieltag: FC Bayern München - Borussia Mönchengladbach 6:0.

Saisonspende: Weiterhin 110 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Erreichen der K.o-Phase und für jede weitere erreichte CL-Runde: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

2 Kommentare:

  1. Danke für deinen Text. Genauso ist auch meine Gefühlslage. Entwicklungstechnisch leider ein verlorenes Jahr für Borussia. Da hat Adi Hütter noch ein Haufen Arbeit vor sich...

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  2. Geht mir genauso....einfach enttäuscht, genervt und leer. Bin schon am überlegen mal Sky und DAZN abzumelden um mal eine Pause von dem Irrsinn zu machen. Es ist ja nicht nur Corona und das Auftreten der Elf bzw. die Trainerrotationen auch die ESL und eine WM in Katar bringen mich zu einem Punkt mal eine Zeitlang aus diesem sich immer irrsinniger drehenden Rad auszusteigen.

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