2017-01-14

Letzter Schuss vor den Bug

Zwei Siege, zwei Niederlagen - der Telekom-Cup hat die Bilanz der Vorbereitung unter dem neuen Trainer Dieter Hecking merklich getrübt. Denn das 0:1 gegen Mainz und noch mehr das 0:2 gegen Fortuna Düsseldorf (jeweils innerhalb von nur 45 Minuten) wirkten wie ein böser Rückfall in die tiefsten Tiefen der Hinrunde. Man könnte natürlich sagen, dass man für eine ordentliche fußballerische Leistung ohne Ertrag (Mainz) und eine indiskutable Leistung gegen einen Zweitligisten auch keinen neuen Trainer gebraucht hätte. Aber das wäre ungerecht und arg oberflächlich betrachtet. Doch die Leistung vom Telekom-Cup macht mehr Kopfzerbrechen als man nach den guten Eindrücken aus Spanien erwarten konnte.

Natürlich spielte in keiner der vier Vorbereitungsspiele die Elf, die am kommenden Samstag in Darmstadt die Wende in der Bundesliga einleiten soll. Aber die beiden Spiele heute in Düsseldorf haben Dieter Hecking auf dem Weg zu einer schlagkräftigen Mannschaft, die den Abstiegskampf annimmt, auch nicht weiter gebracht. Im Gegenteil. Von der recht guten defensiven Struktur, die der VfL - insgesamt gesehen - bei den beiden Spielen in Marbella auf den Platz brachte, war heute nichts übrig. Nach vorne krankte das Spiel an einer seltsamen Unsicherheit, mit welchen Mitteln man künftig eigentlich zum Erfolg kommen will.
Und die Art und Weise, wie die meisten Spieler ihre Aufgabe angingen, lässt zweifeln, ob alle den Ernst der Lage wirklich erkannt haben. Wenn ich vor dem Spiel vom Kapitän Lars Stindl lese, dass er die Saison retten will, indem er den DFB-Pokal gewinnt, dann wundert mich auch die lässig-überhebliche Art nicht, mit der mancher noch immer zu Werke geht. Die Antwort, die Mainz und Düsseldorf heute mit aggressivem Spiel und klaren Spielzügen, gegeben haben, muss nun wirklich der allerletzte Schuss vor den Bug gewesen sein. Sonst droht der VfL auch in den Punktspielen den Gegnern so hinterherzulaufen wie heute. Und was das bedeutet, müsste jedem doch längst klar sein.

Was ist der Grund für den heutigen Rückschritt, der nach den Eindrücken des Trainingslagers nicht zu erwarten war? Vielleicht sogar Dieter Heckings erfolgreiche psychologische Aufbauarbeit und die gelöste Atmosphäre im Training, wo sich jeder zeigen wollte und musste. Vielleicht wollte man heute auch zu viel auf einmal. Auffällig war, dass die "Mainz-Elf" viel mit Flanken und Hereingaben zum Erfolg kommen wollte, obwohl wie gewohnt niemand in die Strafraumpositionen stieß, der die Zuspiele hätte verwerten können. Im zweiten Spiel, als mit Josip Drmic vermeintlich ein solcher Spieler auf dem Platz stand, funktionierte diese in Marbella stark forcierte Spielart über die Flügel mit schnellen scharfen Hereingaben überhaupt nicht. Und Drmic war zunehmend verzweifelt damit beschäftigt, sich selbst Bälle im Mittelfeld zu holen. Zudem war schon wieder nicht mehr die Schnelligkeit bei den Pässen zu erkennen, wie sie die Borussen unter spanischer Sonne verstärkt trainiert hatten - bekanntlich eins der Defizite, das dazu führte, dass die Mannschaft nach vorne in den Wochen vor Weihnachten kaum noch Chancen kreierte.

Alarmierender war jedoch, dass Abwehr und Mittelfeld, egal in welcher Konstellation, kaum Zugriff auf die Gegner bekamen und bei Ballverlusten kollektiv schwach verteidigten. Mit zunehmender Spielzeit liefen die Hecking-Schützlinge nur noch hinterher und waren nicht mehr in der Lage, sich die Spielkontrolle wieder zurückzuholen. Zu den wenigen Lichtblicken gehörte nur der junge Laszlo Benes, der sich gegen Mainz um die Ordnung des Spiels bemühte, während von seinem Partner Christoph Kramer ebensowenig zu sehen war wie später von Mo Dahoud. Neuzugang Timothee Kolodziejczak hatte hinten einige Male seine Schwierigkeiten, deutete nach vorne aber an, dass er den Weg bis zur Grundlinie des Gegners gut kennt. Mit etwas mehr Präzision wäre gegen Mainz auch eine Torvorlage möglich gewesen.

Eine Woche bleibt Dieter Hecking nun, diese niederschmetternden Eindrücke gewinnbringend einzusetzen und gegen Darmstadt die richtigen elf Mann auf den Rasen zu schicken. Denn eins ist klar: Eine Niederlage gegen die Lilien brächte nicht nur den Gegner wieder in die Reichweite der Nichtabstiegsplätze und den VfL geradewegs an den Relegationsabgrund. Es wäre der Beweis, dass die Mannschaft doch tiefer in der Krise steckt als man bisher dachte.

Da die Verletzungen dem VfL weiterhin treu bleiben, ist die Auswahl der Startelf gegen Darmstadt eingeschränkt. Strobl, Traoré, Herrmann, Marvin Schulz und wohl auch Elvedi fehlen sicher, Johnson ist ohne Spielpraxis, die Jungen Benes, Sow, Simakala und Rütten wird Hecking nicht in einem solch wichtigen Spiel von Beginn an ins kalte Wasser werfen (obwohl Dahoud in der heutigen Verfassung in der Startelf eigentlich nichts zu suchen hätte). Drmic hält zudem noch keine 90 Minuten durch. Das bedeutet, dass sich die Mannschaft fast von selbst aufstellt und zumindest auf den Flügelpositionen nicht optimal besetzt scheint.  

Nach meinen Eindrücken würde ich deshalb - "Stand heute" - folgendes Team aufbieten: Sommer - Kolo, Vestergaard, Christensen, Korb - Dahoud (Benes), Kramer - Nico Schulz, Stindl, Hazard (Hahn) - Raffael.

Eigentlich war ich trotz der wenigen Tage, die Dieter Hecking bis zum Pflichtspielauftakt zur Verfügung hatte, recht optimistisch, dass er schnell eine funktionierende, sicherheitgebende Spielformation finden würde, die aus einer sicheren Deckung heraus einen Gegner effektiv (wenn auch auf Kosten der Atraktivität des Spiels) bespielen und beackern könnte, so wie es Lucien Favre nach seinem Amtsantritt gelungen war. Der heutige Tag hat mich nachdenklich gemacht. Allerdings sollte es für eine Mannschaft auf diesem Niveau auch kein Hexenwerk sein, eine so konzentrierte Leistung abzurufen, wie sie im Testspiel gegen Zulte-Waregem zu sehen war. Da lief auch nicht alles rund, aber es war der richtige Weg. Ich hoffe, dass die Borussen ihn in dieser Woche wiederfinden.
 

2 Kommentare:

  1. Bitte arbeitet mit einer größeren Schriftart, ich habe den Artikel leider nicht lesen können, weil das für mich eine Zumutung ist. Vielen Dank

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  2. Danke für den Hinweis, daran soll es natürlich nicht scheitern. Es war mir bewusst, dass die Schrift nicht besonders groß ist, aber bisher hatte sich auch noch niemand beschwert. Ich habe den aktuellen Text mal umgestellt, wenn es so passt, könnte ich es künftig so übernehmen.

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