2017-03-17

Borussia, wir haben ein Problem!

Wir bleiben uns treu! Borussia und die Tragik des Ausscheidens - das gehört offenbar zusammen. Wieder einmal war es sooo unnötig, in einem Pokalwettbewerb die Segel zu streichen. Wieder einmal kann man Unglück, dumme Umstände und Benachteiligungen für das Aus verantwortlich machen. Aber man sollte es nicht tun.

Der VfL hat sich das gestern und vergangene Woche selbst eingebrockt. Das Achtelfinale gegen Schalke war in beiden Spielen ein Duell zweier Mannschaften auf Augenhöhe, die jeweils phasenweise deutliche Schwächen offenbarten. Auf Gladbacher Seite waren das unter dem Strich zu viele, wenn auch kaum mehr als beim Gegner. 
Zweimal konnte man eine Führung nicht ins Ziel bringen, weil man sich gegen den Druck des Gegners nicht effektiv zu wehren verstand. Die Borussen hatten in beiden zweiten Halbzeiten in entscheidenden Momenten nicht genug zuzusetzen, um das deutsche Euro-League-Duell frühzeitig (oder überhaupt) für sich zu entscheiden. Die Chancen dazu waren in beiden Spielen da, und das muss sich die Mannschaft ankreiden lassen. Natürlich waren einige spielbeeinflussende Faktoren dabei, auf die ein Spieler wenig Einfluss hat - zwei renommierte Schiedsrichter mit überaus schwachen Leistungen und Fehlentscheidungen. Und als Krönung der schon legendäre Platzfehler, den Ralf Fährmann unabsichtlich wohl beim Aufwärmen fabriziert hat. Da rutschte er einmal weg, trat dabei ein Stück Rasen heraus, das er anschließend wieder andrückte. Ich habe diese Szene zufällig vor dem Spiel beobachtet, die besagte Stelle war ziemlich genau dort, wo der Ball später für Yann Sommer eine unerreichbare Flugbahn einschlug. 

All das passt natürlich zu Borussias Hang zum tragischen Scheitern.

Trotzdem: Das Ausscheiden durch zwei Unentschieden ist kein Beinbruch, die Bilanz der internationalen Auftritte ist insgesamt sehr positiv, es war eine gute CL-Vorrunde unter verschärften Bedingungen und immerhin gelang erstmals der Sprung unter die letzten 16 im Euro-League-Wettbewerb. Das bewahrt uns nicht davor, erneut kopfschüttelnd zurückzuschauen, weil der VfL in entscheidenden Situationen trotz guter Ausgangslage immer wieder versagt.

Gestern allerdings kam noch etwas anderes dazu, das mich sehr nachdenklich gemacht hat. Es hat mich zum Titel dieses Beitrages, leicht abgewandelt vom legendären Apollo-13-Funkspruch in Richtung "Houston", inspiriert.
Die Vorstellung von einer heilen Borussia-Familie, die wir uns in den vergangenen Jahren - auch durch einige fantastische Erlebnisse im Stadion und auswärts aufgebaut haben, hatte schon deutliche Risse. Nun scheint sie am zerbröseln zu sein. Borussia, wir haben ein Problem! Und das zeigt sich nicht zuletzt am Support der Fans bei einer solchen Gelegenheit.





Man kann sagen, die Mannschaft hat gestern die nötige Reife vermissen lassen, um sich international durchsetzen zu können. Man kann sagen, die Mannschaft hatte nicht die Mittel, sich der Schalker Laufbereitschaft und der Aggressivität besser zu erwehren. Aber was die Fans im Park gestern angeht, da muss ich sagen: Das war die schlechtere Vorstellung. Natürlich kann ich es nur so wiedergeben, wie ich es von der Süd aus erlebt habe. Stimmungsmäßig war das weder eines Bundesligaspiels noch eines internationalen Saisonhighlights würdig.
Somit haben die Schalker nicht nur auf dem Platz das bessere Ende für sich gehabt, sondern auch auf den Rängen einen Punktsieg davongetragen. Und das sage ich wahrlich nicht gern. 
Ich weiß nicht, woran es liegt, dass der Funke von der Nordkurve seltener überspringt oder von dort gar nicht zündet. Ich bin ja nur selten im Stadion, aber wenn, dann bin ich bereit, mir die Seele aus dem Leib zu schreien, um meine Mannschaft zu unterstützen. Gerade auch dann, wenn es nicht so läuft. Das geht bei 46000 oder 54000 Menschen aber nur, wenn jemand den Ton angibt. Dazu ist die Nordkurve da, mit den aktivsten Fangruppen und denen, die jede Woche für Borussia Gas geben.
Gestern fiel die Nordkurve als Einpeitscher für das Stadion bis auf wenige Minuten aus. Nur der harte Kern hinter dem Tor war von der anderen Seite aus zu sehen und zu hören, stimmliche Wucht kam von der Nord aber kaum. Zweimal starteten Fans auf der Südkurve sogar (erfolgreich) einen Gesang, um den Schalkern nicht ganz das Feld zu überlassen. Nicht einmal der sonst so sicher funktionierende Wechselgesang "Vau-Eff-Ell" kam zustande. Kann es das sein, in so einem Spiel?
In den Spielen, die ich in den vergangenen (erfolgreichen) Jahren live gesehen habe, hat sich die Stimmung verändert. Die Gesänge wurden vielleicht nicht unbedingt weniger durchschlagskräftig, aber weniger ausdauernd. Das Absingen der Lieder und Schlachtrufe wurde eintöniger, immer wieder sind die gleichen zu hören, und oft immer wieder die, die man abgewandelt in jedem Stadion hört. Manchmal stehen sie nicht mal in Verbindung zum Spielverlauf. Oder mit Anpfiff wird einmal das ganze Repertoire rausgehauen und danach bleibt vieles irgendwie halbherzig oder verstummt abrupt. 

Gestern nun drangen viele Gesänge aus dem Norden gar nicht bis auf die andere Seite des Stadions vor. Es wirkte, als machte nicht die gesamte Kurve mit. Vielleicht kann mir jemand erklären, was da los war, ich bin ja schließlich kein Insider, was die Befindlichkeiten innerhalb der Ultra- und anderen Fangruppen angeht. Ich unterstütze deren Engagement und auch deren Sichtweise in vielen Dingen, weil sie es sind, die das Gänsehauterlebnis Fußball im Stadion überhaupt noch möglich machen. 
So schlapp wie gestern möchte ich es im Stadion einfach nicht erleben. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass die Stimmung im Park gefürchtet und auch bewundert wird. Nur zugucken kann ich am Fernseher auch.

Womit ich bei einem zweiten Phänomen bin, das sicherlich auch mit der Entwicklung der Stimmung im Stadion zu tun hat. Wenn man in so einem Spiel naturgemäß oft aufsteht und hinter einem jaulen sofort irgendwelche Leute rum, dass man sich doch wieder hinsetzen soll, dann ist das nur schwer erträglich.  Wenn während des Spiels ständig Leute durch die schon engen Reihen durchwollen, weil ihnen Bier, Pommes oder das Klo wichtiger sind oder der kleine Vorteil, schneller am Parkplatz oder am Wurststand zu sein, ist das Mist. Wenn Leute sich mehr für ihr Handy als für den Spielverlauf interessieren, sowieso.
All das hat es schon immer gegeben. Aber diese Leute werden gefühlt immer mehr. Das ist offensichtlich der Preis des Erfolges, der Preis dafür, dass es gerade hip ist, zum VfL zu gehen. Und wenn ich dann noch das aggressive Verhalten vieler Borussia-Fans untereinander in den Kommentarspalten bei Facebook und Co. sehe, frage ich mich schon, wohin das auf Dauer führt.


Vielleicht braucht es ja Denkanstöße wie diese letztlich peinliche Performance auf den Rängen. Vielleicht auch Ideen von außerhalb, um daran wieder etwas zu ändern. Vielleicht eine gemeinsame Plattform im Internet, wo man sich als Normalfan mit den aktivsten Fangruppen austauschen kann, ohne dass man hier oder dort bei sachlicher Kritik gleich eingeschnappt ist. Vielleicht wäre ein Wettbewerb für neue Schlachtgesänge und Lieder eine Idee. Oder Verbindungspersonen in der Südkurve, die den Support auch von dort ein wenig steuern können. 

Wie gesagt, das alles hier ist meine persönliche Wahrnehmung. Ich als Gelegenheits-Stadionbesucher käme nicht auf die Idee, eine Nordkurven-Karte zu kaufen. Dort sollen die stehen, die immer Zauber machen können, die jede Woche im Block ihren Mann oder ihre Frau stehen. Aber dennoch will ich mich im Stadion lautstark einbringen. In einigen Spielen konnte ich das zuletzt aus meiner Sicht nicht ausreichend. Und das steigert meine Verzweiflung, vor allem, wenn es auf dem Rasen mal holpert - oder endet, wie es bei Borussia irgendwann offensichtlich immer endet: mit fassungsloser Enttäuschung.

Euro League, Achtelfinale, Rückspiel (16.3.17): Borussia Mönchengladbach - FC Schalke 04 2:2 (Tore für Borussia: 1:0 Christensen, 2:0 Dahoud)        

7 Kommentare:

  1. Kann ich nur bestätigen. Beim Spiel in Dortmund im Dezember war mehr Stimmung als bei manchen Heimspiel!!!

    AntwortenLöschen
  2. Vor dem TV war ich entsetzt und enttäuscht.

    AntwortenLöschen
  3. Auch ich sitze in der Südkurve (regelmäßig) und kann nur zähneknirschend bestätigen, dass die Gästekurve der Nordkurve gezeigt hat, wo der Hammer hängt.
    Das "döpdöpdöp" nach dem Schlusspfiff hat denen besonders viel Spass gemacht :-(

    AntwortenLöschen
  4. Immer geil, wenn man sich von weit weg als Klugscheisser über anderer beschwert. Top! Da sach ich nur: Selber machen!

    AntwortenLöschen
  5. Kann ich nur bestätigen: die Stimmungshoheit lag bei den Ruhrpottkanaken (eigenes Banner der Schalker.....). Aus der Süd konnte man die Nord nicht stark wahrnehmen. Zum Ende hin quasi gar nicht. Auch mich haben die ständigen "Durchgeher" genervt. Meinen Jungs habe ich erzählt Essen, Trinken & Klo vorher, in der Pause oder nachher. Die Kriegen das mit ihren ca. 10 Jahren hin. Zwei Reihen vor uns ist einer 6x raus - Leute lasst das bleiben!!!!! Im Stadion ist Support angesagt - sonst bleibt vor dem Fernseher.

    AntwortenLöschen
  6. 1900% Zustimmung.
    Ich habe DK+ in der Nordkurve Oberrang. Dort sitzen leider sehr viele Dauerkarteninhaber, die überhaupt nicht mitgehen. Ich vermute 2 Gründe, warum die in der Nordkurve sind:
    1. Ist billiger als auf der Geraden
    2. Man möchte Teil der Nordkurve sein (leider ohne beizutragen).
    Ich gebe gerne Gas für Borussia, werde leider häufig von den anderen dort nur dumm angeguckt.
    Durch diese aus meiner Beobachtung große Anzahl von DK, die dort nicht hingehören, sind viele sporadischen Besucher wie Du, die gerne mitgehen würden, außerhalb der Nordkurve untergebracht.
    Ich kann Dir nur sagen, Du bist auch als seltener Besucher in der Nordkurve herzlich willkommen, wenn Du denn Deinen Verein anfeuern möchtest!!!
    Ich liebe Auswärtsfahrten. Die 4000 - 6000 sind in der Regel fest entschlossen und geben alles.
    Und natürlich trauere ich den alten Bökelbergzeiten hinterher.
    Damals ging bei strittigen Situationen auch die Haupttribüne mit, bei Fouls oder Schirientscheidungen sind die aufgesprungen und haben Einfluss genommen.
    Leider alles vorbei.
    Schwarz-weiss-grüne Grüsse

    AntwortenLöschen
  7. Vielen Dank für Eure Einschätzungen, die mein Bild überwiegend bestätigen. Auch natürlich an die kritische anonyme Stimme("Klugscheißer"). Dazu aber eins: Es geht mir nicht darum, jemanden schlecht dastehen zu lassen oder um das "selber besser machen", das funktioniert eben nicht so gut, wenn man nur ab und zu da ist. Es ist zu sehen, dass sich viele (in der Nord, aber auch im Süden) anstrengen, ordentlich Stimmung zu machen. Wenn das dann nicht durchdringt, ist es einfach schade. Es bringt auch nichts, wenn sich Fans gegenseitig Vorwürfe machen. Vielleicht bieten solche Erfahrungen (und Äußerungen wie meine) auch die Chance, mal was zu überdenken. Wer in der Nord steht, weiß natürlich nicht, was in der Süd ankommt. In der Vergangenehit hat das Zusammenspiel der beiden Seiten aber auch schon gut funktioniert - es geht also besser. Und so wie die Mannschaft einen schlechten Tag haben kann, kann das auf den Rängen passieren. Aber man sollte seine Lehren daraus ziehen. Darum ging es mir. Ich spreche nur für mich und ich gebe meine Wahrnehmung wieder. An einer anderen Stelle im Stadion kann das jemand anders völlig anders wahrnehmen. Zumindest bin ich mit meiner Wahrnehmung nicht alleine gewesen.
    In diesem Sinne an alle Aktiven im Stadion - meine Unterstützung habt ihr.

    AntwortenLöschen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.