2017-07-04

Der Wert des Rekordzugangs

Da ist er nun, der neue Rekordtransfer von Borussia Mönchengladbach: Matthias Ginter wechselt, so heißt es, für 17 Millionen Euro von Dortmund zur wahren Borussia, Bonuszahlungen könnten den Betrag demnach auf insgesamt 20 Millionen Euro steigen lassen.
Natürlich wird heiß diskutiert, ob das nun ein gutes Geschäft ist oder unser Max nun den Verstand verloren hat, so viel Geld für einen Spieler auszugeben, der auch beim BVB nicht unumstritten war.
Ja, 17 Millionen Euro sind viel Geld. Und Ginter ist auch mir in der vergangenen Saison  nicht als so herausragend in Erinnerung, dass ich ihn für die neue Saison unbedingt auf dem Zettel hätte haben müssen.

Was können wir also erwarten? Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht. Ich bin mir noch nicht sicher, ob Matthias Ginter die hohen Erwartungen erfüllen kann, die mit dem Etikett Rekordtransfer verbunden sein werden. Ich traue es ihm aber zu. Und dafür gibt es eine Reihe von Gründen.

Fest steht, dass der VfL an kaum einem Spieler so oft dran war wie an dem vielseitigen Defensivakteur. Bei dessen Wechsel von Freiburg zog Gladbach schon einmal den kürzeren, seither gab es mindestens zwei vergebliche Versuche, ihn der Namenscousine abzukaufen oder ihn zumindest zu leihen. Wenn man der Scoutingabteilung und Max Eberl vertraut, spricht das für Ginters Entwicklungsfähigkeit.

Auch die nackten Zahlen sprechen für ihn. Mit 23 Jahren hat Ginter schon sechs Bundesligasaisons mit 137 Spielen hinter sich und dazu knapp 30 europäische Einsätze in CL und Euro League. Die meisten dieser Spiele hat er auch über die komplette Distanz bestritten, er ist kein Minutensammler von der Auswechselbank.
Die Liste seiner Erfolge klingt noch besser. Er ist Mitglied des Weltmeisterkaders von 2014 (wenn auch ohne Einsatz), als Stammspieler aber Confedcup-Sieger 2017, Olympiazweiter 2016 und Teilnehmer an einer (nicht so erfolgreichen) U21-EM 2013. Er ist aktueller DFB-Pokalsieger und stand mit Dortmund noch zwei weitere Male im Finale in Berlin.

Ein unschätzbarer Vorteil (auch im Vergleich mit Christensen) ist gerade in diesem Jahr (ohne EL-Teilnahme), dass der Neuzugang gleich drei Positionen auf gehobenem Bundesliganiveau beherrscht: Neben der Innenverteidigung ist das die Rechtsverteidigerposition (in der Hinserie 2015 gelangen ihm dort in 12 Spielen 2 Tore und 7 Assists) und das defensive Mittelfeld. Es wird - gerade nach der Verletzungsmisere in der vergangenen Saison - sicher eine Rolle gespielt haben, dass auch der Abwehrmann X genau dieses Profil des "polyvalenten Spielers" erfüllt.

Und der Preis? Normal für irre Zeiten.
Zum Vergleich: Für den weitaus unerfahreneren Andreas Christensen wären auf jeden Fall mehr als 20 Millionen Euro fällig geworden, für Janik Vestergaard, der in der Bundesligaerfahrung eine etwa gleichwertige Bilanz hat, aber weniger internationale Meriten sammeln konnte, überwies Borussia im vergangenen Jahr wohl 12,5 Millionen Euro. Dazwischen sortiert sich Ginters Transfersumme eigentlich ganz vernünftig ein, wie ich finde.
Denn man darf die allgemeine Entwicklung der Transfersummen auch nicht außer Acht lassen. So wie Ginter beim Wechsel von Freiburg nach Dortmund aufgrund des Interesses mehrerer Vereine mit 12 Millionen Euro schon recht teuer war, muss man für einen jungen, noch entwicklungsfähigen Spieler mit seinem Standing heute bereits die 20-Millionen-Grenze in Kauf nehmen.
Zumindest, sofern es keine Ausstiegsklausel zu nutzen gibt. Die gab es in diesem Fall wohl nicht, sodass Dortmund auch keine Not hatte, ihn verkaufen zu müssen. Dazu hatten offenbar auch englische Clubs ihr Interesse hinterlegt, was einen Spieler noch nie billiger gemacht hat.

Bei einem 23-Jährigen ist das Risiko auch in dieser Preisklasse noch überschaubar, wie ich finde. Entwickelt er sich wie erwartet, steigert er als Nationalspieler seinen Marktwert möglicherweise weiter und verhilft Borussia möglicherweise mit zu zusätzlichen Einnahmen in EL oder CL. Und in drei Jahren (ein Jahr vor Vertragsende) müsste im Fall einer guten Bilanz des Spielers ein marktgerechter Preis mit mindestens kleiner Steigerung auch noch realistisch sein.

Dass Ginters Stern bei Borussia verglühen könnte, ist jedenfalls nicht zu erwarten. Das Vertrauen in ihn ist seit Jahren sichtlich da, bei allen Trainern von Tuchel bis zu den diversen DFB-Auswahlen. Er scheint von der Art gut in die Mannschaft zu passen und sollte sich demnach auch so wohl fühlen, dass er bei uns gute Leistungen abrufen kann. Ich hoffe natürlich, dass ihm dies gleich gelingt. Und: Dass ihm auch von den Fans die nötige Zeit gegeben und Geduld geübt wird, falls am Anfang noch nicht alles glatt läuft. Auch Janik Vestergaard hat schließlich ein bisschen gebraucht, um im Gladbacher Spiel richtig anzukommen.

2 Kommentare:

  1. Zustimmung, obgleich er mir auch etwas teuer vorkommt. Nur den Spruch mit der "Herzensangelegenheit" hätte er sich wahrlich sparen können, das ist kompletter Blödsinn im Profifußball des Jahres 2017.

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  2. Vielleicht wird Doucouré oder Oxford neben Vestergaard Stammspieler. Und Ginter sitzt auf der Bank. Dass mindestens einer der beiden anderen Jungen von den Anlagen her besser sein könnte als Ginter, scheint mir durchaus denkbar.

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