Aus Spielen in der Vorbereitung auf die neue Saison sollte und darf man nur eingeschränkt Schlüsse auf das wahre Leistungsvermögen der Mannschaft ziehen. Da treffen unterschiedlich trainingsbelastete Teams aufeinander, es geht noch nicht um die Wurst, Verletzungen will jeder auch nach Möglichkeit vermeiden. Es ist eben ein Testspiel und nicht der Ernstfall. Doch dass bei Borussia drei Wochen vor dem Pokalspiel gegen Rot-Weiß Essen noch viel Luft nach oben ist, ist unbestreitbar - und das macht zum jetzigen Zeitpunkt ja auch noch nichts.
Nun gut, dank der bescheidenen Übertragungsqualität von Fohlen TV in den Spielen gegen Wuppertal und Eupen und einer urlaubsbedingten "Fohlenpause" meinerseits im Anschluss kann ich vor allem das 1:2 im Testspiel in Nürnberg zum Abschluss des Trainingslagers bewerten. Denn angesichts dessen, was ich sonst über die Tests gegen Nizza und Leeds sowie über den Telekom-Cup gelesen und gesehen habe, habe ich es mir gespart, diese Spiele noch mal im Ganzen "nachzuarbeiten". Auffällig war auch da aber schon, dass Borussias (wenigen) Tore ausschließlich Standards oder Einzelaktionen entsprangen und die spielerische Bilanz bei herausgespielten Chancen eher bescheiden ausfiel.
Eine Beobachtung, die das Spiel gegen Nürnberg bestätigt hat. Die erste Halbzeit war nach dem frühen Tor durch Zakaria (nach Hazard-Freistoß) im Gegenteil ein Beispiel dafür, wie man dem VfL ziemlich effektiv begegnen kann.
Nürnberg gelang es immer wieder, durch aggressives Anlaufen der Ballverteiler im Mittelfeld den Gladbacher Spielfluss effektiv zu unterbinden und den Ball zurück zum Abwehrspieler oder Torwart zu provozieren. Die Startelf, die ja durchaus schon Stammelf-Qualität hatte, fand keine spielerischen Lösungen dagegen: kein schnelles Kombinationspiel, keine erfolgreichen Flankenläufe, kein direktes Spiel durch die Mitte, keine langen Bälle hinter die Abwehr. Offensiv fand der VfL gegen einen kurz vor dem Saisonstart stehenden Gegner nicht statt. Angriffsbemühungen wurden in der Regel früh abgebrochen und durch den kapitulierenden Pass zurück das gesamte Spiel entschärft.
Der Club hingegen zeigte nach vorn sehr deutlich, wie man es machen muss. Schnelle, kompromisslose Pässe in die Spitze, gute Konter - es war allein dem gut aufgelegten Yann Sommer und der Schludrigkeit der Nürnberger Stürmer zu verdanken, dass die Niederlage nicht höher ausfiel.
Nach der Pause schien sich das Spiel des VfL mit der Einwechslung der jungen Wilden Cuisance und Benes etwas zwingender zu gestalten, auch Grifo und Herrmann brachten mehr Belebung ins Spiel als es zuvor Hofmann und Traoré gelungen war. Doch das hielt auch nur eine Viertelstunde an.
Gerade bei den jungen Spielern (auch bei Zakaria und in der ersten Hälfte bei Reece Oxford) schlichen sich viele Fehler ein, die darauf zurückzuführen waren, dass sich die Spieler zu sehr auf ihre Fähigkeiten verließen und teilweise zu optimistisch in Zweikämpfe mit gestandenen Zweitligaspielern gingen, die bereits bei fast 100 Prozent in der Saisonvorbereitung stehen. Diese Ballverluste zeigten, dass es bei einigen Akteuren bei aller vorhandenen Klasse noch ein Stück ist bis zur Stammelf für den Ernstfall. Die zweite Halbzeit bot zwar einige Torabschlüsse des VfL, aber insgesamt zu wenig zwingendes; und das, obwohl Dieter Hecking schnell auf Dreierkette (Elvedi, Strobl, Jantschke) umstellte und Fabian Johnson, der nach der Pause auf der Wendt-Position begann, als zusätzliche Kraft ins Mittelfeld schob.
Natürlich merkte man allen Spielern an, dass sie im Gegensatz zu den Gastgebern ein forderndes Trainingslager in den Knochen hatten. Doch auch einige Routiniers blieben darüber blasser als erwartet - etwa Raffael, Johnson, Traoré und Hofmann. Insgesamt bot das Spiel also viele Ansatzpunkte für das, was in den kommenden Wochen noch verbessert werden muss. Denn so viele Chancen wie die Nürnberger an diesem Tag werden andere Teams in der Saison nicht auslassen.
Mein vorläufiger Eindruck der Neuen (und Nachrückenden) bezieht sich auf die bisherigen Testspieleindrücke, sollte also auch entsprechend vorsichtig gewichtet werden:
Vincenzo Grifo: Stammelfkandidat, aufgrund seiner Standards und der guten Einbindung ins Spiel nach vorn hat er aus meiner Sicht derzeit die Nase vorn, vor den bislang noch steigerungsfähigen Hofmann und Johnson.
Denis Zakaria: Drückt dem Spiel schon seinen Stempel auf, verlässt aber gerade mit dem Rücken zum angreifenden Gegner sehr stark auf seinen Körper, das kann gefährliche Ballverluste zur Folge haben. Nach vorne mit guten Ballschleppereigenschaften, die Pässe in die Spitze zeigen Übersicht, sind aber oft unsauber gespielt. In manchem ungeschickten Zweikampf (Foul) drohte ihm gegen Nürnberg (bei einem Pflichtspiel) eine Gelbe Karte. Er muss sich steigern, sonst könnte ihm ein risikobewussterer Spieler wie Strobl vorgezogen werden.
Laszlo Benes: Hat aus der vergangenen Saison einen Bonus, er könnte auch Zakaria auf der Sechserposition verdrängen. Dazu muss er aber cleverer spielen als in Nürnberg, wo er oft zu viel zeigen wollte, anstatt die einfache Lösung zu suchen.
Reece Oxford: Spielt mit viel Selbstbewusstsein, den Nachweis der zugehörigen Klasse bleibt er in manchen Situationen aber noch schuldig. Gegen Nürnberg verlor er bisweilen den Gegenspieler aus den Augen und spielte den einen oder anderen schwachen Pass im Aufbauspiel. Insgesamt aber ein ordentliches Auftreten, im direkten Zweikampf gute Lösungen. Dennoch: Oxford wird es schwer haben, an einem Matthias Ginter vorbeizukommen, wenn er nicht insgesamt fokussierte wird.
Mickael Cuisance: Traut sich viel zu, hat eine hervorragende Ballbehandlung und schon einen guten Körpereinsatz. Allerdings geht auch vieles noch daneben - Dribblings werden gestoppt, Pässe gehen ins Leere. Derzeit für mich noch kein Kandidat für die Startelf, lernt aber offenbar sehr schnell dazu.
Kwame Yeboah: Alternative aus der U23. Hat wohl eine gute Vorbereitung gespielt, Hecking hat ihm bisher viel Spielzeit gegeben. Gute Bewegungen im Angriff, aber Torgefahr bzw Knipsermentalität konnte er nicht nachweisen.
Julio Villalba: Bisher mit wenig Spielzeit, kaum seriös zu bewerten. Da ihm bei den Einwechslungen Yeboah vorgezogen wurde, braucht er offenbar noch ein bisschen Anlaufzeit.
Und sonst? Matthias Ginter und Mamadou Doucouré haben noch nicht ins Spielgeschehen eingegriffen, Ba-Muaka Simakala spielt derzeit keine Rolle im Kader, er blieb auch in Nürnberg ohne Einsatz.
Das bedeutet, dass meine momentane Startelf für den Saisonauftakt derzeit noch stark der der vergangenen Saison ähnelt:
Sommer - Wendt, Vestergaard, Ginter, Elvedi (Jantschke) - Grifo, Zakaria, (Strobl, Benes), Kramer, Hazard (Herrmann, Traoré) - Stindl, Raffael.
Ich bin gespannt, wie sich der Kampf um die Positionen bis zum 11. August in Essen weiterentwickelt. Luft nach oben haben schließlich alle.
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