Eine Woche noch, dann muss im DFB-Pokal in Essen der erste Härtetest der neuen Saison überstanden werden. Ich hatte gehofft, dass ich nach der Generalprobe in Leicester besser einschätzen könnte, wo Borussia zum Auftakt in das Spieljahr steht. Aber das mit 1:2 verlorene Gastspiel beim englischen Überraschungsmeister von 2016 hat für mich mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Und das nach dem doch sehr anständigen Auftritt gegen Malaga eine Woche zuvor, der nur durch das unmögliche Auftreten der unfairen Spanier getrübt wurde.
Natürlich, die Startelf hat sich herauskristallisiert. Vor Yann Sommer, der heute wieder eine tadellose Partie abgeliefert hat, werden Wendt, Vestergaard, Ginter und Elvedi stehen. Tony Jantschke hätte letzteren noch verdrängen können, doch seine Verletzung hat ihn entscheidenden Tage vor dem ersten Spiel gekostet.
Im defensiven Mittelfeld hat Kramer seinen Platz sicher, und nach den heutigen Eindrücken hat Denis Zakaria die Nase vor Benes, der sich heute wohl um den möglichen Startelfeinsatz gebracht hat - mit nervösem Spiel und mehreren schlimmen Ballverlusten, die unter anderem ein Tor nach sich zogen. Da machte der Schweizer den deutlich agileren und sichereren Eindruck.
Die Außenpositionen gehen aus meiner Sicht an Hazard (sicher) und Patrick Herrmann. Der spielte heute zwar gar nicht, doch das war angekündigt, weil diejenigen Spielzeit bekommen sollten, die zuletzt weniger gespielt hatten. Ibo Traoré drängte sich dabei (nicht nur heute) nicht sonderlich auf, er blieb viel hängen, lief unglücklich und haderte zu oft mit sich und den Mitspielern. Vincenzo Grifo ließ sich von der Körperlichkeit der Engländer sichtlich beeindrucken und shcloss zweimal überhastet ab -die Bälle flogen in die Wolken.
Da Rot-Weiß Essen den VfL vermutlich genau mit diesen physischen Mitteln bespielen wird, spricht einiges dafür, dass Dieter Hecking eher auf Herrmann setzen wird. Denkbar ist aber auch Jonas Hofmann, der zwar als Ersatz-Sechser nach Strobls Verletzung anfangs mit Benes unterzugehen drohte, sich aber nach und nach freispielte, den Engländern Paroli bot (wie damals gegen Celtic auch) und an jeder halbwegs gefährlichen Aktion beteiligt war. Seine mangelnde Effizienz spricht gegen ihn, doch da stehen ihm die anderen Borussen in der Offensive derzeit kaum nach.
Der stark verbesserte Raffael und Kapitän Stindl sind - da wird niemand widersprechen - für den Auftritt an der Essener Hafenstraße ebenfalls gesetzt.
Doch genau ab da fangen die Fragezeichen für mich an. In Leicester stand heute die mutmaßliche Startelf in der ersten Halbzeit auf dem Platz und zeigte einen sicheren Auftritt mit viel Ballbesitz und Spielkontrolle. Richtige Einschussmöglichkeiten erlaubte man Jamie Cardy und Co in den ersten 45 Minuten nicht. So weit, so gut. Bis auf zwei, drei eigene gute Chancen, die nicht genutzt wurden, war es dennoch ein Auftritt, der für die Bundesliga - und vielleicht auch für RW Essen - zu wenig ist. Zu wenig Risiko, selbst wenn sich mal gute Passwege öffnen, immer wieder abgebrochene Angriffe, verschlepptes Spiel, zu verspieltes Klein-klein, wenn es in die entscheidende Zone rund um den Strafraum geht - das offenbarte sich nicht zum ersten Mal in der Vorbereitung. Und es ist ein Teil der Erklärung, warum so wenig Tore aus dem Spiel heraus gefallen sind.
Leicester City tat den Stammelf-Borussen den Gefallen, den ganzen gepflegten Passstafetten geduldig zu folgen und auf starkes Pressing zu verzichten. Mit dem Ergebnis, dass die erste Elf vorne nichts riss und hinten nichts anbrennen ließ - obwohl sich auch heute einige bedenkliche Löcher in der Rückwärtsbewegung nach Ballverlusten auftaten. Die konnten da, vor allem von Vestergaard, Ginter und dem aufmerksamen Sommer, noch gestopft werden, sodass es nicht ganz brenzlig wurde.
Dadurch, dass die Gastgeber nach der Pause völlig verwandelt wie wütende Stiere aus der Kabine kamen und nach dem schnellen Traumtor von Thorgan Hazard noch eine Schippe Wut draufzulegen bereit waren, lässt sich der Auftritt der Elf der ersten Hälfte nicht wirklich mit der der zweiten Halbzeit vergleichen. Außer in einem: Die Streuung in den Pässen war enorm - zwischen hervorragend und gruselig - erstaunlicherweise bei allen Spielern, was teilweise auch vom zumindest in der zweiten Halbzeit aggressiven Gegner forciert wurde.
Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Borussen in den zweiten 45 Minuten erheblich Lehrgeld zahlten, ihre Ordnung binnen weniger Minuten verloren und erst nach und nach wiederfanden. Da waren sie aber als Auswärtsteam schon mehrfach ausgekontert worden und auf der Verliererstraße. In der ersten Halbzeit zeigten sie dagegen risiko- und einfallslosen, letztlich ineffektiven Tu-mir-nicht-weh-Fußball, mit dem man in der Bundesliga und im DFB-Pokal nicht weit kommt.
Nun geht es wahrlich nicht um das Ergebnis dieses Spiels. Zumal der Ausgleich aus meiner Sicht deutlich abseits war. Doch die Art und Weise, wie die Gegentore fielen, erinnerte fatal an die Schubert-Endzeit. Wie gesagt, die Mannschaft fing sich - und Jannik Vestergaard verdient sich ein Extra-Lob dafür, dass er die Nerven behielt, obwohl er von dem ständig foulenden Vardy übel angegangen, offenbar auf dem Platz von den Engländern zu Freiwild erklärt und vom Publikum konsequent ausgepfiffen wurde.
Da zeigt sich, dass sich die Mannschaft auch wieder aufrichten kann.
Wie auch immer. Ein Gefühl der Sicherheit, dass der VfL für den Saisonstart gerüstet ist, wollte sich nach diesem Auftritt bei mir nicht einstellen. Vielleicht ist das gut, nachdem ich vor der letzten Saison ganz anderer Auffassung war und nach dem guten Start der bekannte Absturz folgte.
Wer weiß. Jetzt hoffe ich erstmal darauf, dass Tobi Strobl nichts Schlimmeres passiert ist. Denn auch wenn viele ihn nur als Lückenfüller sehen. Für mich ist er einer der Unterschätzten im Kader, der Stabilität ins defensive Mittelfeld bringen kann, wenn es notwendig ist. So wie es in der zweiten Halbzeit heute gut gewesen wäre.
So, genug in die Glaskugel geschaut und Vorbereitungsspiele seziert. Wichtig ist aufm Platz. Nächste Woche. Da gilt es. Und ich hoffe, dass die Jungs mich Lügen strafen.
Bin ganz deiner Meinung, dazu kommt noch die notorische Abschlussschwäche, es fehlt ein torgefährlicher Mann vorne.
AntwortenLöschenJa das sind komische Vorzeichen einer Saison: alles ist möglich - leider wirklich alles.... Schon unter Schubert und auch zum Ende der Saison: Verletzungen, Abschlussschwäche (echt 3 s?) und ein ständiges "Hintenherumgespiele" und wenn einer dann mal steil oder schnell spielen will, ist der Ball gleich weg - damit konnten die Mitspieler ja auch nicht mehr rechnen ?!? Mir fehlt der Teil in der Mannschaft, der die Ärmel hoch krempelt und dagegenhält, wo der Gegenspieler weiß, da bleibst Du besser mal auf Abstand - Hahn war leider unglücklich zum Schluss, aber der ist so einer ... - alles Gute in HH, nur nicht gegen uns!
AntwortenLöschenWas mir nicht gefällt ist der Satz, der durch die Presse geistert: Ein Jahr ohne Europa ist mal ganz gut (oder ähnlich). Zwar o.k., aber da ist die absolute Ansage "ein Jahr" drinn. Mal sehen ob die Mannschaft sich aufgerichtet bekommt, wenn das Ziel in Gefahr kommt oder alle nervös werden ...
Wenn 35 Mio. investiert werden, der Kader gut aufgestellt sein soll, die (letzten) Testspiele so weggeschenkt werden, hinten links und vorne noch jemand fehlen könnte, dann sind das noch ganz schön viele ??? 4 Tage vor dem 1. Ernstfall.
Trotzdem freue ich mich auf die neue Saison! Termine checken, Fahrten planen oder auch Sofa zurechtrücken und die 11 vom Niederrhein schmettern. Und ich hoffe, das dann alle wieder dabei sind. Bitte kein Support-Boykott, Absplitterung und Selbstsüchteleien ... - ein einig Volk von Brüdern & Schwestern unter der RAUTE!