Es war nicht alles Gold, was heute glänzte. Aber es war ein Spiel, das in die richtige Richtung weist für diese noch so unschlüssige erste Saisondrittel des VfL. Und wenn ich die bisherigen neun Spiele so rekapituliere, war der Sieg in Sinsheim heute vielleicht die beste Leistung, die Borussia in der Bundesliga in dieser Spielzeit gezeigt hat. Denn bisher waren es immer nur Teile von Spielen, die begeistern konnten. Über die komplette Spielzeit gelang das sonst nur gegen äußerst schwache Bremer.
Auch heute gab es ein paar Minuten, in denen Sommer und Co. das Spiel hätten verlieren können, weil sie den Hoffenheimern Türen öffneten, die man besser geschlossen hält. Aber es gab diesmal keine Phase, in der die Mannschaft überfordert war oder Gefahr lief, auseinanderzubrechen, wie es ihr gerade vor einer Woche gegen Leverkusen passiert war.
Das Spiel heute war aus Gladbacher Sicht nicht so dominant geführt wie andere. Der Gegner hatte schließlich auch einiges zu bieten. Aber es war ein Spiel, in dem die Mannschaft ihr Spiel weitgehend durchbringen konnte, weil sie die Konzentration meist hoch und die Ordnung be-hielt.
Die wichtigste Lektion, auch nach Gegentoren geduldig zu bleiben und nicht unüberlegt nach vorne zu rennen, hat die Hecking-Elf heute gleich vorbildhaft umgesetzt. Es war eindrucksvoll, wie sie dem Spiel in der zweiten Halbzeit von Minute zu Minute mehr ihren Stempel aufdrücken konnte und sich dann auch endlich mit Toren belohnte. Gerade nach der zweiten Halbzeit gegen Leverkusen war von manchen Fans ja schon wieder die Einstellung der Spieler in Frage gestellt worden. Darauf hat das Team, glaube ich, heute eine eindrucksvolle Antwort gegeben. Die Mannschaft ist intakt, sie ist auch nervenstark. Aber sie ist auch noch in Teilen recht jung und von gewissen Spielverläufen oder taktischen Änderungen des Gegners zu beeindrucken. Heute immerhin machte es den Eindruck, dass die Hecking-Schützlinge um ein Erfahrungs-Level nach oben geklettert sind.
Aber auch darüber hinaus hat die Partie einige aufschlussreiche Erkenntnisse gebracht. Die Außenverteidigerpositionen sind noch immer die Sorgenkinder im Mannschaftsgefüge. Wendt steigerte sich mit dem Team erst in der zweiten Halbzeit, Tony Jantschke biss sich in seine Aufgabe rein, er bringt auch etwas mehr Stabilität ins Gefüge, braucht aber natürlich noch Spielpraxis. Umso erfreulicher, dass die Versetzung von Jantschkes Vorgänger auf rechts - Nico Elvedi - in die Innenverteidigung erfreulich reibungslos funktioniert hat. Egal ob neben Ginter (wie in Düsseldorf) oder neben Vestergaard - diese Woche hat gezeigt, dass der Schweizer jetzt auch reif für diese Position ist. Sandro Wagner und Mark Uth sahen gegen Elvedi/Vestergaard kaum Land, gefährlich waren heute fast ausschließlich andere Hoffenheimer.
Dass die vermeintliche Stammelf des Saisonanfangs durchaus auch eine innermannschaftliche Rotation verträgt, bewies genauso Matthias Ginter, der heute vor der Abwehr eine richtig gute Rolle spielte. Ballsicher, fast ohne Leichtsinnigkeiten, und im Spiel nach vorne mit einigen guten Aktionen (ganz abgesehen natürlich von seinem Tor), zeigte der Ex-Dortmunder, warum er auf mehreren Positionen zu einem Führungsspieler der Mannschaft werden kann.
Einer, der das unumstritten bereits ist, ist Lars Stindl - auch wenn er dies nicht durch lautstarke Kommandos oder Gesten auf dem Platz deutlich macht, sondern durch seine giftige und unspektakulär-effektive Spielweise, die oft gar nicht so auffällt. Aber wer sich mal genauer anschaut, wo die gefährlichen Angriffe des VfL ihren Ausgangspunkt haben, wird sehr häufig auf einen Ballgewinn Stindls im Zweilkampf oder auf ein geschicktes Anlaufen durch den Kapitän stoßen, das zur Balleroberung führt. Damit war er heute ein enorm wertvoller Spieler auf dem Platz, auch wenn andere heute eher im Rampenlicht standen. Auf einen Raffael zu verzichten, das geht immer mal wieder, das hat auch das heutige Spiel gezeigt. Ohne Stindl dagegen fehlt Borussia das Herzstück - selbst wenn er nicht als Vollstrecker glänzt wie im Moment.
Der Auffälligste war gleichwohl heute Vincenzo Grifo, der sein Startelfdebüt mit einer richtig guten Partie, zwei bärenstarken Torvorlagen und einem Pfostenschuss zum Zunge schnalzen rechtfertigte und auch defensiv emsig ackerte. Der Deutsch-Italiener brachte heute die Raffinesse ins Gladbacher Spiel, die man von Johnson und Herrmann nicht erwartet. Wobei sich auch diese beiden heute steigern konnten, vor allem Herrmann, der durch Hofmanns Verletzung ungeplant schnell reinkam und zunächst völlig neben sich zu stehen schien, dann aber immer besser in Fahrt kam. Schade, dass ihm das dringend nötige Erfolgserlebnis - ein strammer Schuss aus spitzem Winkel unter die Latte - durch den Abseitspfiff genommen wurde.
Es deutet also wieder einiges darauf hin, dass der VfL heute einen wichtigen Schritt nach vorn gemacht hat. Aber wie eingangs gesagt: Es ist noch lange nicht alles gut. Selbst wenn ein Sieg gegen Hoppelheim (und mehr noch: im Hoppelheimer Stadion) für uns Fans in der Bundesligageschichte immer noch etwas ganz besonderes, weil Seltenes, ist.
Das interessiert den nächsten Gegner Mainz wahrscheinlch aber nicht die Bohne. Woran ist also als nächstes zu arbeiten? Zum Beispiel an der Abstimmung in der Defensive. Unter Favre war einkalkuliert, dass der Gegner auch ohne große Gegenwehr von außen flanken konnte, weil im Zentrum sehr stark verteidigt wurde. Obwohl Borussia in dieser Zeit sehr viele Flanken zuließ, fielen kaum Gegentore aus solchen Situationen. Spieler wie Jantschke und Oscar "Ich-hampele-ein-bisschen-vor-dem-Gegner-herum-verhindere-aber-die-Flanke-nicht" Wendt sind noch ein bisschen so geprägt. Doch das Spiel hat sich weiterentwickelt und es ist noch kompliziert und wendiger geworden. Heute reicht es nicht mehr, das entweder-oder (flanken lassen oder Flanken blocken) zu beherrschen, weil die meisten Mannschaften ihr Gewicht im Spiel blitzschnell verlagern können - auf den schnellen Doppelpass im Zentrum oder auch wieder zurück auf die Flügel, mit folgender langer Flanke oder dem flachen Pass in den Rücken der Abwehr.
Und so gibt es immer wieder Situationen im Gladbacher Defensivspiel, bei denen man das Unheil von außen bereits heranziehen sieht, bevor es geschieht. Die Kopfballchance von Wagner war heute so ein Fall. Auch die Probleme, die Tony Jantschke auf dem Flügel anfangs mit dem Ex-Gladbacher Nico Schulz hatte und die letztlich zum Gegentor führten, gehörten dazu.
Der VfL hat inzwischen 18 Gegentore geschluckt, und längst nicht alle waren Kontertore. Viele aber wären zu verhindern gewesen, wenn die Balance zwischen Außen- und Innenverteidigern sowie ihren Vordermännern besser gewesen wäre. So wie heute, als die Schulz-Flanke von Elvedi zu kurz geklärt wurde - zumindest zu kurz, um die eigenen Mitspieler in die Lage zu versetzen, den Ball zu sichern. Ergebnis war, dass Demirbay am Strafraum nahezu unbedrängt, wenn auch etwas glücklich, zum 1:0 einschießen konnte.
Wenn Borussia sich stabilisieren und im oberen Tabellendrittel mitmischen will, sollte die Mannschaft vorne noch zählbar effektiver werden. Vor allem muss sie aber solche einfachen Gegentore verhindern. Denn dass die Mannschaft einen Rückstand drehen kann, hat sie schon oft gezeigt, nicht erst heute. Es gibt nur keine Garantie darauf, dass das immer klappt, wenn man es braucht.
Bundesliga,
Saison 2017/18, 10. Spieltag: TSG Hoffenheim - Borussia Mönchengladbach 1:3
(Tore für Borussia: 1:1 Hazard, 1:2 Ginter, 1:3 Vestergaard)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.