2017-10-22

Unverlierbares verloren

Was soll man dazu sagen? Der VfL hat ein Spiel verloren, das eigentlich nicht zu verlieren war. Aber nicht nur das. Aus einem hoch überlegen geführten Spiel ließ sich die Hecking-Elf von einer keineswegs herausragenden Leverkusener Mannschaft binnen Minuten in einen Alptraum stoßen, der in der jüngeren Vergangenheit seinesgleichen sucht. Und keiner von uns weiß, in welche Richtung die Reise in dieser Saison geht.

Bis auf die jämmerliche Torausbeute - es hätte nach 45 Minuten mindestens ein Drei-Tore-Vorsprung auf der Anzeigetafel stehen müssen - machte das Team in Halbzeit eins nahezu alles richtig. Der Gegner wurde in den Zweikämpfen beherrscht, er kam selten in Strafraumnähe (zweimal aber gefährlich) - und die Angriffsmaschine lief mit feinen Pass-Stafetten (nicht nur beim 1:0) auf Hochtouren. Das Spiel verlief wie gemalt. Und genauso schien es nach Wiederanpfiff weiterzugehen. 
Doch nach der nächsten großen Chance vor dem Leverkusener Tor kippte das Spiel völlig. Weil Borussia nicht mehr so aufmerksam verteidigte, sich mit der Wirkung der Leverkusener Taktikänderung (Einwechslung von Brandt) zu lax auseinandersetzte, ein wenig Pech in den 50:50-Zweikämpfen hatte und sich durch zwei ganz gute Angriffe der Gäste - wieder einmal - mannschaftsweit verunsichern ließ. Die Folge waren das blöde Ausgleichstor und kurz darauf die Entscheidung per Doppelschlag. Lasche Verteidigung wieder einmal von Wendt beim 1:2 und schon in der Entstehung durch Lars Stindl, der den Angriff an der Mittellinie nicht notfalls durch ein Foul unterband, weil er das Unheil nicht heraufziehen sah. Dann der durchaus foulverdächtige Zweikampf im Mittelfeld, bei dem Cuisance den Kürzeren zog und die aufgerückte Gladbacher Hintermannschaft zum 1:3 anschließend kalt erwischt wurde. Die anderen beiden Tore schenke ich mir, an beiden standen eklatante individuelle Fehler am Anfang der Fehlerkette, und leider kann man auch von einem Yann Sommer nicht an jedem Tag verlangen, dass er alle Eins-gegen-eins-Duelle für sich entscheidet.

Das Schlimme daran ist, dass trotz dieser fünf Nackenschläge das Spiel nicht hätte verloren gehen müssen. Auch in der zweiten Halbzeit gab es genügend gute Einschussmöglichkeiten, das Spiel hätte also durchaus eine andere Wendung nehmen können. 
Soweit das Offensichtliche. Doch damit ist es nach so einem Spiel nicht getan. Borussia 2017 ist eine Wundertüte, das haben wir schon zur Genüge erfahren. Doch nach der 1:6-Klatsche in Dortmund war dieses Spiel schon das zweite in dieser Saison, in dem die Mannschaft phasenweise defensiv völlig überfordert schien, wenn auch bei sehr unterschiedlichen Spielverläufen.
Das hat natürlich auch damit zu tun, dass in Elvedi, Zakaria, Cuisance drei sehr junge Spieler auf Schlüsselpositionen eingesetzt waren. Die spielten in den ersten 45 Minuten mutig und famos auf, um danach schmerzhaft die Flügel gestutzt zu bekommen. Aber auch wenn diese Jungen Lehrgeld zahlen und Fehler machen, etwa indem sie nach Rückständen zu ungestüm agieren oder in Zweikämpfen zu viel riskieren - es standen in Dortmund und auch gegen die Pillen acht gestandene Bundesligaprofis neben ihnen, von denen man erwarten können muss, dass sie kühlen Kopf bewahren. Aber wie schon in der vergangenen Saison fehlt offenbar jemand, der auf dem Feld in der entscheidenden Situation die richtigen Ansagen macht und das Spiel vielleicht auch mal beruhigt. In anderen Partien gelang dies deutlich besser, aber gerade gegen offensivere Gegner scheint die Verlockung zu groß zu sein, in kritischen Phasen den offenen Schlagabtausch anzunehmen, mit dem Risiko, unterzugehen.
Das Spiel am Samstag wurde zwischen der 50. und 62. Minute verloren, und da lief der VfL für jeden Zuschauer sichtbar ins offene Messer, wenn auch mit den besten Absichten, nämlich die Tore zu machen, die man vorher sträflich liegengelassen hatte. 
Die wichtige Frage ist: Was machen diese beiden hohen Niederlagen mit der Mannschaft? Und die doch (mit ausnahme des Bremen-Spiels) immer wiederkehrende Abschlussschwäche? Sind Stindl und Co. gefestigt genug, das wegzustecken? Oder verkrampft die Mannschaft mehr und mehr, wenn die Chancen nicht genutzt werden - weil sie weiß, dass das gegen bessere Teams bitter bestraft werden kann? Ich weiß es nicht. Aber für mich gab es am Samstag schon nach der ersten guten Viertelstunde einen ersten Bruch im Spiel, nachdem Thorgan Hazard den Ball aus 3 Metern nicht an Bernd Leno vorbeigebracht hatte. In  den folgenden Minuten wirkte der VfL fahrig und ermöglichte den Gästen die ersten Gelegenheiten quasi aus dem Nichts. Zwar fing sich die Mannschaft danach wieder und kam wieder gut ins Rollen. Doch nach der Halbzeit schien es genauso. Gleich eine verpasste gute Gelegenheit zu Beginn, dann fingen die Nerven an zu flattern und das Unheil nahm seinen Lauf.
Nun ist Dieter Hecking gefordert wie vielleicht noch nie zuvor in seiner Amtszeit. Die jungen Wilden vom Feld zu nehmen, wäre falsch und auch nicht gerechtfertigt. Aber er muss Stindl, Johnson, Wendt, Raffael, Hazard, Vestergaard und Ginter in die Pflicht nehmen, damit nicht zu viel Verantwortung auf den Schultern von Zakaria und Cuisance lastet. Dass diese Mannschaft zusammenarbeiten kann, hat sich nicht zuletzt auch am Samstag in den ersten 50 Minuten gezeigt. Da wurden Ballverluste schnell wieder wettgemacht, weil der Nebenmann im Zweifel aufgepasst hatte und den Ball zurückholte. Das gelang in der zweiten Halbzeit nicht mehr. Und das muss allen eine Lehre sein.


Bundesliga, Saison 2017/18, 9. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Bayer Leverkusen 1:5 (Tor für Borussia: 1:0 Johnson)

1 Kommentar:

  1. Der Bericht ist schrecklich zutreffend... Leider haben wir nur eine Wundertüte im negativen Sinne. 1:5, 1:6 und keinen hohen Sieg. Klar kann so ein Spiel passieren, aber es passieren einfach zu viele unverständliche Aussetzer durch die ganze Mannschaft hindurch. Es wäre mehr als an der Zeit, die "Führungsspieler" an diese Funktion zu erinnern! Offensichtlich ist nur ein Kramer - neben seinen vielen Rück-und Seitpässen momentan dazu bereit!? Fast schmerzlich ist es, Raffa spielen zu sehen. Das ist ja grausam, was ihm nicht gelingt...vielleicht mal ein Spiel Pause? Und die Jungen? Cuisance/Zakaria machen es toll, allerdings besonders Cuisance machen daneben völlig schlimme Fehler, aber das wird schon. Ob das für die ganze Mannschaft oder den Saisonverlauf auch zutrifft ????

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