2018-03-17

3:3 gewonnen

In der Tabelle wird es zwar nicht so gewertet, aber  eins ist klar: Der VfL hat heute 3:3 gewonnen. Wenn alles gegen einen läuft, wie dieser Tage die Gladbacher Verletzungs- und Ergebnisseuche, dann kannst du nur noch mit dem Mute der Verzweiflung anrennen. Und dafür wurde das letzte Aufgebot von Dieter Hecking heute - zumindest teilweise - belohnt.

Ich gebe zu: Danach sah es zu Beginn nicht immer aus. "Fußballgott" Tony Jantschke erneut mit einigen Anlauf-Schwierigkeiten im Abwehrverhalten und in der ungewohnten Rolle, immer wieder als erste Spielaufbaustation gesucht zu werden, leider manches Mal überfordert. Das verhieß nichts Gutes. Sehr sicherheitsorientiert verwaltete die Mannschaft daher dann auch die ersten Minuten aus der neuformierten Dreierkette heraus und mit einem gehemmt wirkenden Mickael Cuisance auf der Sechs. Der spielte in der ersten halben Stunde fast nur Sicherheitspässe - bis auf die tolle Flanke zu Herrmanns Flugkopfball nach einer Viertelstunde.
Doch der anfängerhaft verteidigte Eckball zum 0:1 und damit der erneute Rückstand kratzten merklich am Selbstbewusstsein. Dazu Bobadillas frühe Auswechslung wegen einer - natürlich - Muskelverletzung. Das machte es nicht besser. Der Fußballgott schien also auch heute nichts für die Fohlenelf übrig zu haben.

Aber manchmal geschehen Dinge, die man nicht unbedingt erwarten konnte. Die nach dem 0:1 deutlich vernehmbaren Sprechchöre von den Rängen ("Wir wolln euch kämpfen sehen") wurden von der Mannschaft - bewusst oder nicht - mit zunehmender Spielzeit immer besser beherzigt. Die Bissigkeit in den Zweikämpfen nahm zu, die Schnelligkeit in Spiel nach vorn auch, Borussia brachte die Gäste immer öfter in Bedrängnis. Und die ließen sich beeindrucken.
Dann: Ausgerechnet der für Boba eingewechselte Josip Drmic erzielte mit etwas Glück (aber regulär) das erste Tor seit einer gefühlten Ewigkeit - nach einem fast perfekten Pass des mutiger werdenden Mika Cuisance. Der so verletzungsgebeutelte Schweizer wirkte auch sonst heute ganz und gar nicht mehr wie ein Fremdkörper im Team. Auch wenn nicht alles gelang: Er kämpfte, rackerte, sicherte Bälle, leitete gut weiter. Ob ihm die etwas überraschende Nominierung für die Schweizer Nati noch einen Extraschub gegeben hat, weiß man natürlich nicht. Auf jeden Fall war das Spiel heute ein Indiz dafür, dass sich Josip wirklich von Woche zu Woche und Stück für Stück seine Form zurückholt. Ich gönne es ihm von Herzen, dass er dafür heute endlich mal wieder belohnt wurde. Das sollte ihm Auftrib geben und damit auch der ganzen Mannschaft helfen, wenn man weiß, man hat für die Mittelstürmerposition dann vielleicht doch noch eine passable Alternative.

Mit diesem Stürmertor (!) im Rücken steigerte sich der VfL erheblich, vergab aber wie üblich alle folgenden Chancen bis zur Halbzeit. Darum ging es mit dem gewohnten Gefühl zum Pausentee, dass man längst hätte führen sollen, können, müssen. Dass sich das oft rächt, muss ich keinem Borussen sagen. So auch diesmal: Ein dummer Konter, ein ungeschickter Zweikampf von Hofmann, ein Elfertor für Hoppelheim. Und nach dem wiederum von Hofmann toll herausgespielten, aber insgesamt schwer erkämpften 2:2 von Stindl (endlich!) der erneute Nackenschlag. Diesmal mit unfreiwilliger Mithilfe des  guten (!) Schiedsrichters Martin Petersen. Allerdings passierte der entscheidende Fehler hier schon vorher, auch Hofmann behielt in der Szene nicht den Überblick und dribbelte unnötig in den Schiri hinein und zu schlechter Letzt verpasste noch Cuisance im Anschluss die Gelegenheit, vor dem Strafraum das taktische Foul gegen Uth zu ziehen und damit das Unheil namens 2:3 zu verhindern.

Doch auch damit war der VfL noch nicht besiegt. Antrieb war der unbändige Wille, nicht schon wieder geschlagen vom Rasen gehen zu müssen - eine wahnsinnig umkämpfte, aber auch fußballerisch ansprechende Schlussphase, ein Kraftakt auf dem Platz und auch auf den Rängen - mit zumindest dem kleinen Happyend. 

Ok, das 3:3 ändert nichts an der schwachen Rückrundenbilanz, es hilft nicht viel nach unten und schon gar nicht, um den Anschluss an die Teams auf Platz sechs und sieben zu halten. Auch diese Gomez-Kirmestruppe aus Stuttgart steht jetzt noch vor uns.

Dennoch könnte von diesem Spieltag eine Initialzündung für einen Endspurt in der Liga ausgehen. Denn der Spirit in der Mannschaft ist nach wie vor da. Wer dreimal einen Rückstand aufholt, und sei er noch so dämlich oder unglücklich, der darf einfach nicht im Niemandsland der Tabelle versinken. Der muss am Ende der Saison da stehen und sich sagen können: "Uns kann nichts umhauen". Das wünsche ich der Mannschaft, die in dieser Saison schon so viel Scheiße am Schuh hatte. Natürlich: Auch heute haben wir mit Bobadilla einen weiteren Verletzten zu beklagen, zu dem sich eventuell noch Ginter gesellen könnte, der ja in der Schlussphase übel auf die Schulter gefallen war. 
Aber dafür gibt es Hoffnung, dass Raffael, Johnson und Wendt in zwei Wochen wieder echte Alternativen für die Startelf sind. Heute haben alle drei gezeigt, wie wichtig sie noch immer für uns sein können. Oscar hat heute nicht nur bravourös über 90 Minuten durchgehalten. Er hat auch gezeigt, wie er der Mannschaft helfen kann, wenn er voll bei der Sache ist. Das war ein sehr gutes Comeback. Raffa ist sofort ein Faktor, wenn er im Team ist - auch weil er beim Gegner Nervosität auslöst. Und auch für Fabian Johnson war der Einsatz heute ein Schritt nach vorn. Dabei bleibt es hoffentlich nicht. Benes und Strobl sollten bis zum Mainz-Spiel ebenfalls weitere Schritte zurück in den Kader gemacht haben, vielleicht sind auch Kramer, Zakaria und Oxford wieder fit - oder gar Ibo Traoré. Hoffen wir drauf, toi toi toi, dass zur Abwechslung mal nicht wieder neue Verletzungen hinzu kommen. 
Das vorausgesetzt, lässt sich auch psychologisch darauf aufbauen, was Borussia heute alles besser gemacht hat als in den letzten Spielen: Drei Tore in 90 Minuten gegenüber sechs aus den übrigen 810 Minuten des Jahres 2018. In einem Spiel dreimal einen Rückstand aufgeholt gegenüber einem einzigen erzielten Ausgleichstor (Köln) in den neun Spielen zuvor. Drmics Torlos-Serie (25 Monate) beendet und Stindls (14 Spiele) gleich mit. Gezeigt, dass man auch mit all den personellen Einschränkungen bis zum Schluss torgefährlich ist. 

Die Mannschaft scheint intakt, sie nimmt ihr Schicksal an und zeigte sich heute auch taktisch variabel. Das aus der Not heraus eingeübte System mit Dreierkette und den beiden Außen Wendt und Herrmann funktionierte und entlastete so die Not-Sechser-Besetzung Hofmann und Cuisance merklich. Hier ist sicher ein Ansatzpunkt zu finden, der auch in der kommenden Saison eine Rolle spielen wird: Wie man flexibler agieren kann, um etwa passiv-massiv verteidigende Gegner zu knacken. Das heute war dafür ein guter Fingerzeig, und ich werde darauf in einem anderen Blog-Beitrag noch eingehen.

Zum Abschluss noch dieses: Ich habe einige Spieler für ihre Rolle im Spiel schon erwähnt. Es wäre unfair, zu unterschlagen, was Jantschke, Ginter und Elvedi heute an Abwehr- und Laufleistung abgespult haben. Yann Sommer hat uns einige Male hervorragend im Spiel gehalten, auch das spielt für die Moral eine wichtige Rolle. Hofmann war heute mit Dauerrenner Stindl zusammen das Herz des Spiels (beide weit über 12 Kilometer Laufleistung). Wichtigen Anteil hatten aber auch Patrick Herrmann, Thorgan Hazard und Mickael Cuisance. Herrmann und Hazard waren zwar vielleicht nicht so auffällig, aber ungemein lauf- und zweikampfstark, schafften damit auch Räume für ihre Mitspieler. Den jungen Franzosen wiederum bewundere ich natürlich für sein feines Füßchen, das er unter anderem vor dem 1:1 einmal mehr bewies. Wichtiger aber war heute, dass er sein Dribbel-Temperament zügeln und sich voll in den Dienst der Mannschaft stellen konnte. Das ist für so einen Spielertyp nicht einfach, das weiß ich. Umso höher rechne ich ihm heute diese sehr erwachsene Leistung an.

Natürlich gab es auch heute viele Schwächen, viele Fehler, die auch zu den Gegentoren geführt haben. Aber auf dieser Leistung lässt sich aufbauen. Mit diesem Spiel im Rücken lässt sich hoffen, dass die Saison noch nicht ganz im Eimer ist. 
Also: Weiter so, Jungs!  


Bundesliga, Saison 2017/18, 27. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - TSG Hoppelheim 3:3 (Tore für Borussia: 1:1 Drmic, 2:2 Stindl, 3:3 Ginter)

2 Kommentare:

  1. Wer hätte das vor dem Spiel und angesichts der schlimmen Verletzungssorgen bei Borussia Mönchengladbach vorher gedacht, dass in diesem Spiel sechs (!) Tore fallen würden?! Und eigentlich hätten noch deutlich mehr Tore fallen müssen, wenn die Fohlen ihre Chancen endlich mal besser verwerten würden ...

    Zurück zum Spiel: Es war ein mitreißendes Spiel zweier Mannschaften, die "mit offenem Visier" spielten. Dabei haben die Fohlen es geschafft, drei Mal (!) einen Rückstand aufzuholen! Das war wirklich ein "Sieg der Moral". Die Gladbacher versuchten ALLES, warfen sich mit Leidenschaft in die Zweikämpfe und kämpften bis zuletzt in der Hoffnung, noch das 4:3 zu erzielen. Doch der TSG-Keeper Baumann erwischte einen super Tag und hielt zum Teil grandios. Nur einmal sah er schlecht aus, als er sich bei einer Flanke in seinen Strafraum verschätze, doch das blieb ohne Folgen.

    Und auch Yann Sommer konnte sich kurz vor Spielende noch einmal mit einer Parade auszeichnen und seiner Mannschaft so den einen Punkt festhalten.

    Besonders gefreut habe ich mich heute für den sympathischen Kapitän der Borussia, Lars Stindl, der zum 2:2 Ausgleich für die Fohlenelf traf und damit nach langer Torflaute von 12 Spielen infolge endlich mal wieder beim Gegner einnetzen konnte.
    Das Einzige, das sich die Gladbacher erneut vorwerfen lassen muss, ist die miese Chancenverwertung. Die Fohlenjungs erspielen sich immer wieder durch tollen und schnellen Kombinationsfußball und/oder Traumpässe Torchancen, die überhastet am Tor des Gegners vorbeigeschossen werden. In der Mannschaft fehlt eindeutlich ein "Knipser".

    Fazit: Für solche Spiele wie das gegen die TSG aus Hoffenheim am gestrigen Samstagabend lebt der Fußballfan. Was für ein Fußballkrimi! Ach, was wäre ich gerne live dabei gewesen ... Doch ich habe "nur" vorm TV mitgelitten und dabei sicher wieder unzähliche graue Haare hinzubekommen. Egal. Es war ein TOLLES Spiel unserer Elf vom Niederrhein!

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