2019-10-24

Nichts gestohlen

Wow. Das mus man erstmal sacken lassen!
Den AS Rom im eigenen Stadion 25 Minuten an die Wand gespielt, wie üblich dann ein zu einfaches Gegentor bekommen und im Anschluss über eine Stunde unermüdlich, aber nicht immer besonders effektiv angerannt - gegen einen Gegner, dem man seine Erfahrung und Cleverness deutlich angemerkt hat. 
Trotzdem ist der VfL bis zum Schluss im Spiel geblieben, dank etwas Glück und einer tapferen Leistung, nicht zuletzt von Fußballgott Tony Jantschke (der Dzeko heute super Paroli bot), Nico Elvedi und "Krake" Zakaria, der den Römer Florenzi auch auf dem Weg zum sicheren 2:0 noch in der letzten Sekunde entscheidend irritierte. 
Und dann dieser Elfmeter, den der lange zurückerwartete Kapitän in der Nachspielzeit so eiskalt verwandelt. Das war ein denkwürdiger Europapokalabend, über den man sehr viel schreiben könnte.

Doch zunächst gebietet es die Fairness, zwei Dinge voranzustellen. Ich glaube, dass das 1:1 ein sehr verdientes Ergebnis für beide Seiten ist. Aber ich kann natürlich die Wut und Enttäuschung der Italiener verstehen, die sich durch einen unberechtigten Elfmeter um ein besseres Resultat gebracht sehen. Umgekehrt wäre ich auch ausgeflippt, wenn einem Schiedsrichter in allerletzter Sekunde so eine Fehlentscheidung gegen mein Team unterliefe. 

Zweitens: Mir tut vor allem der Unparteiische leid. Er ist jetzt das ärmste Schwein. Ich war in der Echtzeitbetrachtung genauso sicher wie William Collum, dass in der Szene ein Handspiel vorliegt. Am Ende der Nachspielzeit überhaupt einen Elfmeter gegen das Heimteam zu pfeifen, ist an sich schon nichts Selbstverständliches. Nun war das Handspiel aber keins und ausgerechnet dann gibt es in diesem Millionen-Wettbewerb keinen VAR und kein anderes Hilfsmittel, das den Referee vor einem solchen Alptraum bewahren kann. Das ist in erster Linie nicht Collums Fehler, sondern der der Uefa. 

Deshalb tut mir der Schiedsrichter leid, der vielleicht schon anhand der wütenden Proteste ahnen konnte, dass er einen Fehler gemacht hat. Aber zurücknehmen konnte er die Entscheidung dann auch nicht mehr. 
Wir diskutieren so viel über den VAR und schimpfen auch oft. Aber das hier war eben eine dieser Schwarz-Weiß-Entscheidungen, die ganz einfach zu korrigieren wären und deshalb auch zwingend korrigiert gehören. Wäre der Ball dagegen vom Gladbacher Kopf tatsächlich aus kürzester Entfernung an Smallings Hand geflogen, wäre es schon wieder eine Ermessensentscheidung, ob strafbar oder nicht - mit der Konsequenz, dass jede Entscheidung irgendwie zu rechtfertigen gewesen wäre. 

Das heißt aber nicht, dass ich die glückliche Fügung nicht gern annehme. Borussia ist schon so oft krass benachteiligt worden. An eine Bevorzugung dieses Kalibers kann ich mich in meinen ganzen Jahren als VfL-Fan dagegen nicht erinnern - und das sind mittlerweile über 40. 
Es spielt also auch eine gehörige Portion Genugtuung mit, wenn ich mich über dieses 1:1 gegen die teils überhart agierenden und am Ende penetrant auf Zeit spielenden Römer freue. Dazu kommt, dass die Mannschaft sich diesen Lucky Punch wirklich erarbeitet und verdient hat. Der Punkt ist nicht gestohlen. Sicher haben Zakaria und Co. nach dem Rückstand lange nicht mehr das auf den Platz gebracht, was die Römer ja bis zum 0:1 vor echte Probleme gestellt hatte. Aber auf dem immer tiefer werdenden Boden gegen eine geschickt verschiebende gegnerische Defensive immer wieder anrennen und auf der anderen Seite die gefährlichen Konter unterbinden zu müssen, das muss man erstmal so hinbekommen.

Insofern bin ich - angesichts der angespannten personellen Situation und der harten Gangart der Italiener - auch mit der Gesamtleistung einverstanden. Gladbach hat sich zu keiner Zeit aufgegeben, ist in keiner Phase eingebrochen, auch nicht nach dem Rückstand, als das ganze für ein paar Minuten etwas wacklig zu werden drohte. Sicher war auch viel Streuung in den Angriffsversuchen, gab es eine Reihe schwacher Pässe und Missverständnisse.

Auf der anderen Seite habe ich viele hervorragende Pressingmomente und Balleroberungen gesehen. Klasse Spielzüge, starke Defensivzweikämpfe, gute Torchancen (und eher schwache Abschlüsse). Aber was das Wichtigste ist. Der VfL ist bis zum Schluss immer in der Lage, zu reagieren und Tore zu schießen - auch gegen sehr gut besetzte Mannschaften. Das hat man gegen Dortmund gesehen, und das hat man auch heute gesehen.

Was bringt uns das jetzt in der Euro League? Schon vor dem Spiel habe ich von Fans gelesen, die die Gruppe schon abschenken wollten. Zwar stehen wir mit zwei Punkten auch nach dem dritten Spieltag noch am Ende der Tabelle. Doch das heißt nicht viel. Diese beiden Punkte in Istanbul und Rom waren enorm wichtig, weil sie alle Chancen auf ein Weiterkommen erhalten. Denn es sind nicht so sehr die zwei Zähler auf der Habenseite, sondern, dass Basaksehir und der Roma durch uns jeweils zwei fehlen. Denn so ist der Abstand zu den ersten beiden Plätzen weiterhin nur bei drei bzw. zwei Punkten.
Dass alle drei Gegner schlagbar sind, haben die Spiele gezeigt. Also liegt es allein an der Mannschaft, das Ticket für die nächste Runde noch zu buchen. Positiv stimmt mich, dass dass auch in der jüngeren Vergangenheit schon einmal gelungen ist. 
Und: Dass man sieht, dass auch die Rose-Elf gereift ist und sich seit dem Wolfsberg-Ausrutscher in Liga und Europapokal merklich effektiver und cleverer angestellt hat. 



Was außerdem wichtig ist: Erfahrungen wie die heute schweißen zusammen - Mannschaft und Trainer, aber auch Fans und Team. Das war heute wieder zu merken, am tollen Support der Fans vor Ort, bei dem die Heimfans nur vereinzelt mithalten konnten. Und genauso an der gegenseitigen Würdigung nach dem Spiel in der Kurve, was uns daheimgebliebenen Fans von DAZN vorbildlich und ausführlich ins Wohnzimmer gebracht wurde. Dass Marco Rose dann allein noch mal in die Kurve kommt und später auch Max Eberl, das zeigt die Wertschätzung und Vertrauen auf beiden Seiten. Das braucht es in den kommenden Monaten, und wenn beide Seiten weiter so mitspielen, dann muss uns vor keiner Herausforderung bange sein.


Europa League 2019/20, Gruppenphase, 3. Spieltag: AS Rom - Borussia Mönchengladbach 1:1 (Tor für Borussia: 1:1 Stindl, Handelfmeter)

3 Kommentare:

  1. Mal wieder, wie eigentlich jede Woche, ein super Artikel!

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  2. Stimmt voll. Ich freue mich immer drauf und wenn ich mich beherrschen kann, lese ich ihn, also den Artikel, ganz zum Schluss, als krönenden Abschluss.

    Ach ja, mich freut es übrigens auch sehr, dass wir endlich mal auf der Sonnenseite stehen - aufgrund des Schiri - und nicht wie so oft als begossene Pudel. Fazit zum Blog: Lieber Wortarbeiter, weiter so. Gruß, Fohlen

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