2019-10-20

Starker Verlierer

Es ist schön, wenn man nach einem Spiel gegen den BVB sagen kann, dass das Spiel genausogut mit einem Sieg des VfL hätte enden können - und niemand dagegen etwas hätte sagen können. Denn die Partien gegen die angebliche Borussia waren in den vergangenen Jahren eher selten ausgeglichene Spiele. Das Ärgerliche daran ist: Es bleibt eine Niederlage - wie in den meisten Spielen der vergangenen Jahre auch.

Dennoch kann die Mannschaft erhobenen Hauptes in die wichtige englische Woche gehen, wo mit Rom und Frankfurt zwei weitere harte Nüsse warten. Denn der Auftritt in Dortmund war über 60 Minuten der einer Spitzenmannschaft und die restlichen Minuten war es immerhin nah dran. Es gab nur die Phasen jeweils 15 Minuten vor und nach der Pause, wo die Rose-Elf dem BVB zu viele Räume ließ, wo sie sich etwas aus dem Konzept bringen ließ und sich kleine Schludrigkeiten einschlichen.

Jedes Mal wurde das dann auch bestraft, zunächst mit dem vermeintlichen 1:0 durch Hazard, das letztlich aus einem Freistoß von Yann Sommer heraus fiel, den Delaney unbedrängt in die Gladbacher Hälfte zurückköpfen konnte. Dass Hazard dann ziemlich frei stand, war der zweite Fehler.
Und dieser Fehler in der defensiven Ordnung passierte dann noch einmal - vor dem regulären Führungstreffer durch Reus, den der sträflich freie andere Ex-Gladbacher Hazard gekonnt einleitete. 

Der zweite aberkannte Treffer war einerseits dem höheren Risiko geschuldet, das Marco Rose mit der Umstellung auf Dreierkette ging. Andererseits blieben auch da drei Mann gegen Reus' Dribbling zu passiv, der Ball kam dann - mal wieder durch einen Gladbacher abgefälscht - etwas unglücklich zu Hakimi. Dass Brandts Tor keine Anerkennung fand, weil Reus Yann Sommers Blickfeld verdeckte, war korrekt und zugleich auch etwas glücklich für den VfL. Denn der Keeper hätte auch dann keine Abwehrchance gehabt, wenn er den platzierten Schuss vorher gesehen hätte.

Auffällig und gut war, dass die Abstimmung zwischen den Spielern deutlich verbessert wirkte. Es gab viel weniger Fehlpässe und Missverständnisse in der Offensive als in den ersten Spielen, damit dann auch weniger Leerlauf im Angriff. Dass dies nicht nur gegen Augsburg, sondern auch gegen den (mit Leipzig) bisher wohl stärksten Gegner in der Liga gelang, macht Mut. Genauso wie die Tatsache, dass sich der starke Tony Jantschke und seine Kollegen in keiner Phase minutenlang in der eigenen Hälfte einschnüren ließen - wie es gegen Dortmund zuletzt zur Gewohnheit geworden war.     

An so einem Tag macht es sich dann oft schmerzlich bemerkbar, wenn man seine eigenen Chancen nicht nutzt. Die klarsten waren - aus kürzester Entfernung - die von Lainer in der ersten Halbzeit und von Neuhaus kurz vor Schluss. Dazu die zwei Szenen zwischen Embolo und Bürki in der ersten Hälfte, wo der Dortmunder Torwart seinen Schweizer Landsmann jeweils heftig abräumte und auch vom Platz geflogen wäre - wenn, ja wenn er nicht auch noch Sekundenbruchteile zuvor den Ball gespielt hätte - jeweils eher glücklich als gezielt. Man kann sagen, da fehlte Gladbach einfach an diesem Abend ein kleines bisschen Fortune - oder ein paar Zentimeter. Man kann allerdings auch konstatieren, dass diese Kleinigkeiten am Ende nicht unverdient den Ausschlag zugunsten des Gegners gegeben haben.

Hätte der VfL seine Tore gemacht, wäre wahrscheinlich auch etwas milder über die Schiedsrichterleistung zu reden gewesen - oder sagen wir eher über die Leistung des Videoassistenten in Köln. 
Denn Sascha Stegemann machte keine wirklich spielentscheidenden Fehler. Er war mir in der Verteilung der Karten zu lasch, was den Gegner angeht. Nach zwei rücksichtslosen Luftduellen mit Kramer hätte Delaney kurz vor Schluss zwingend die zweite gelbe Karte sehen müssen, genauso wie Schulz und Hazard, die ihre Gegner in der ersten Hälfte von hinten rüde umsensten. So hatte Gladbach am Ende zwei Verwarnungen (wobei die gegen Jantschke hochgradig lächerlich war), Dortmund eine. Plus die kuriose Verwarnung für Marco Rose, während der in seiner Coaching Zone rumtanzende Lucien Favre seltsamerweise straffrei ausging.

Die sonstigen strittigen Szenen waren für den Schiedsrichter auf dem Feld schwer zu sehen. In allen drei Fällen war es Mats Hummels, der im Strafraum Gegner statt Ball spielte. Gleich zweimal in der zweiten Minute, als er erst Embolo traf, der ihm den Ball stibitzte und vielleicht drei Sekunden später Marcus Thuram, der mit einer Finte an ihm vorbei wollte. Natürlich kann man argumentieren, so etwas sei "zu wenig" für einen Elfmeter. Allerdings reicht so ein leichter Kontakt im umgekehrten Fall in 98 von 100 Fällen aus, um Stürmerfoul zu pfeifen. 
Gleich zwei solche Szenen innerhalb von Sekunden, da hatte dann auch der BVB ein bisschen Glück, dass der Videoassistent an diesem Abend nicht so auf der Höhe war. Wenn ich sarkastisch sein wollte, würde ich sagen, es war die erwartete Leistung des Keller-Mannes in Köln. Der hieß nämlich Harm Osmers und hatte mich vor kurzem erst als Schiedsrichter im Hoffenheim-Spiel viele Nerven gekostet.  

Selbst wenn man ihm in der Anfangsphase noch zugute halten konnte, dass er vielleicht keine klare Fehlentscheidung von Stegemann sehen wollte, der ungerührt weiterspielen ließ. Beim Aufreger in der zweiten Halbzeit gibt es jedoch einfach keine Entschuldigung mehr. Das Foul von Hummels am einschussbereiten Patrick Herrmann ist für den Videoassistenten so unübersehbar, dass er eingreifen musste. Punkt. Da gibt es keine zweite Meinung. Dass das für den Schiedsrichter auf dem Platz in Echtzeit viel schwieriger zu erkennen war, auch weil sich Herrmann überhaupt nicht beschwerte, sehe ich ein. Das muss aber auch Osmers wissen und ihm entsprechend helfen, damit Stegemann sich das gegebenenfalls selbst noch einmal anschaut. Es darf aber ein Pfiff, auch nachträglich, nie davon abhängen, ob sich eine Mannschaft beschwert oder Elfmeter fordert. Das wäre ja völlig gaga. Im Umkehrschluss hätte es dann ja auch kein Eingreifen bei der anderen strittigen Entscheidung gebraucht - dem aberkannten Hazard-Treffer. 

Marco Rose hat nach dem Spiel eigentlich genau das Richtige gesagt, als er meinte, dass wir den VAR für solche Szenen nicht brauchen, wenn ein Foul wie im Fall Herrmann nicht geahndet wird und wir den VAR dann auf Abseitsentscheidungen beschränken könnten. Allerdings bewies Osmers, dass der VAR auch da nicht immer eine wirkliche Hilfe sein muss. Denn auch wenn es zum Nutzen meines Teams war - die Annullierung des Hazard-Treffers führt den Sinn der Abseitsregel ad absurdum. 
Ich habe mir die Szene oft angeschaut. Aber selbst wenn man da, mit technischen Mitteln, den Fuß von Reus ein paar Zentimeter im Abseits misst und bewertet, dann wird es lächerlich. Sinn der Regel ist eigentlich, dass bestraft wird, wenn der Stürmer sich mit der Abseitssituation einen Vorteil verschafft.
Wenn er sich aus dem Abseits herausbewegt, dabei der Fuß fahrlässigerweise noch in der Bewegung einen Tick weiter nach hinten ragt als der des Verteidigers, ist das keine bewusste Aktion, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Es ist Zufall. 
Und wenn dann auf seinen entscheidenden Ballkontakt noch vier weitere folgen, ehe der Torabschluss kommt, ist die Rücknahme eines Tores aus meiner Sicht nicht mehr im Sinne des Spiels. Und es ist schade, weil es die Akzeptanz des an sich guten Instruments des Videobeweises untergräbt.

Ach ja, apropos Thorgan Hazard. Ich kann die (zu erwartende) Wut vieler Gladbachfans über seinen Auftritt gestern nicht ganz teilen. Ich fand seinen Torjubel nicht übermäßig provokativ - jedenfalls im Vergleich zu dem, was er sich geleistet hat, als er noch Angestellter der wahren Borussia war. Dass er noch eine Rechnung mit denen offen hatte, die ihn am Schluss im Gladbach-Trikot ausgepfiffen haben, kann ich nachvollziehen. Ob es schlau ist, sich so zu präsentieren, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Verteidigen will ich ihn damit gleichwohl nicht. Er ist mir egal, ich will an ihn keine Emotionen mehr verschwenden. Ich habe Thorgan Hazard als Spieler gemocht, habe zu ihn gehalten, als er uns mit seiner schlampigen Ineffektivität auf die Probe gestellt hat und ich habe mich gefreut, als er uns mit seinen Toren und guten Aktionen sehr geholfen hat. 

Ich habe ihn abgehakt, als er sich gegen den VfL gestellt hat. Er bedeutet mir nichts mehr, genauso wie ich mit geringem Interesse verfolge, welchen Karriereweg die Herren Dahoud und Cuisance nehmen. Ich halte alle drei für sehr gute Fußballer, die ihren Weg gehen werden. Und ich erkenne an, dass Thorgan gestern ein sehr gutes Spiel gemacht und zu unserer Niederlage beigetragen hat, so wie immer und immer wieder Marco Reus. Allerdings verhält der sich in direkten Duellen stets sehr anständig (abgesehen vom ständigen Toreschießen) - weil er weiß, wo er herkommt (sic!) und wem er seinen Vertrag in Dortmund auch zu verdanken hat - einem Verein, der an ihn geglaubt und sehr gefördert hat. Aber vielleicht kann Herr Hazard sich auch in dieser Beziehung noch etwas abschauen von seinem heutigen Kapitän. Wenn nicht - auch egal.   
  
Bundesliga 2019/20, 8. Spieltag: Borussia Dortmund - Borussia Mönchengladbach 1:0

2 Kommentare:

  1. Sehr schönem Analyse und Argumentation, besonders auch um den VAR. Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Diese Millimeter-Abseitsentscheidungen sind und waren auch noch nie mein Ding und widersprechen dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angreifer".

    Dass es (natürlich) mal wieder Ex-Spieler sind, die gegen uns treffen... Naja, das ist eigentlich schon fast ein ungeschriebenes Gesetz. Dass man dabei offenbar die Fans des ehemaligen Arbeitgebers provoziert (nachdem man seinen eigenen Abgang grenzwertig inszeniert hat) ist allerdings unterste Schublade. Allerdings habe ich neulich irgendwo im Netz etwas gelesen, was in Richtung "...aber wer vermisst ihn?" ging. Und dabei fiel mir auf - stimmt, der ist ja gar nicht mehr da. Von daher ist in diesem Fall mein Motto: "Was schert's die Eiche".

    Bei den Herren Dahoud und Cuisance sehe ich das ein wenig anders als du, lieber Wortarbeiter, wobei Cuisance noch ein anderes Kaliber ist (wie ich das interpretiere aus diversen Artikeln im Netz), da er seinen Abschied von Borussia in größter Überheblichkeit und Undankbarkeit forciert hat; wie man liest, auch seinen eigenen Kollegen gegenüber. Vielleicht glaubte er, dass er gleich der große Zampano wird bei den Bayern, aber bisher ist es mit den Einsätzen in der 1. Mannschaft doch sehr überschaubar - da wären seine Chancen bei unserer Borussia dann doch ungleich größer gewesen. Aber wenn er meint... Eventuell lässt hier auch dann ein gewisser Herr S. K. grüßen.

    Bei Dahoud sehe dich allerdings dann doch mit einer gewissen Schadenfreude, dass er meistens als Bankdrücker zum "Einsatz" kommt. Immerhin, er hat dann einen super Platz und bekommt ihn auch noch gut bezahlt (im Gegensatz zu uns Fans). Da kann ich mir ein gewisses Gefühl des "es wäre besser gewesen, bei Gladbach noch etwas zu reifen" nicht verkneifen. Ein gutes Gegenbeispiel ist für mich Denis Zakaria. Der hat nach seinem Wechsel von Young Boys seine Chance genutzt, sich durchgebissen und verbessert. Und solange wir ihn noch halten können, wird er uns noch viel Freude machen.

    Abschließend noch gesagt: Gerne hätte ich gesehen, dass wir zumindest einen Punkt mitnehmen, aber immerhin: Die bisher meist obligatorische Klatsche gab es dieses Mal nicht und da alle für uns gespielt haben, dürfen wir noch eine weitere Woche den Platz an der Sonne genießen. Und wenn das nicht wenigstens ein Grund zum Freuen ist. Viele Grüße, Fohlen

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  2. Schöner Kommentar, danke Dir Fohlen!

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