2020-01-18

Mit den eigenen Waffen geschlagen

Wow. Das war ja mal eine kalte Dusche zum Aufgalopp in die Rückrunde! Äußerst unzufriedenstellende 94 Minuten in der Schalker Turnhalle, keine Punkte und die klare Erkenntnis, dass ein Gegner unserer Borussia auch im Jahr 2020 allein mit aggressivem Pressing den Schneid abkaufen kann. 
Immerhin: Es war die erste verdiente Niederlage gegen S04 seit vielen Jahren, und die Deutlichkeit, mit der der VfL heute unterlegen war, macht es einfacher, sich nicht lange ärgern zu müssen. Es war kein fehlendes Spielglück, kein schlechter Platz, schon gar nicht der Schiedsrichter. Heute ist die Rose-Elf an sich selbst gescheitert, und an einem Gegner, der den VfL erfolgreich mit seinen eigenen Waffen attackierte.

Von der ersten Minute und Yann Sommers erstem schlampigen Pass an zeigte der Gegner, wer hier Herr im Haus ist. Gladbach kam zwar ganz passabel ins Spiel, aber Schalke war fast durchweg gedankenschneller, fixer in den Zweikämpfen und erstickte so die meisten Angriffe mühelos schon weit vor dem eigenen Strafraum. Während der Gladbacher Spielaufbau behäbig wirkte und oft unpräzise, kopierte Königsblau ein blitzsauberes Gladbacher Konterspiel mit klaren, präzisen Pässen, begünstigt natürlich auch von den glänzend aufgelegten Raman, Serdar und dem Neuzugang Gregoritsch, der ja gegen Gladbach irgendwie schon immer aufzutrumpfen wusste.
Die dezimierte Gladbacher Hintermannschaft kam damit gar nicht zurecht, die zentralen Mittelfeldspieler Zakaria und Hofmann wirkten in der ersten Halbzeit häufig nicht gut aufeinander abgestimmt, und so ließen sich die Gäste das Spiel der Schalker aufdrücken und machten dabei Fehler um Fehler.

Es hat aber keinen Sinn, heute einzelne Spieler für eine schwache Leistung an den Pranger zu stellen, auch nicht Oscar Wendt, der sich einen rabenschwarzen Abend ausgerechnet da genehmigte, wo ihm in den kommenden Wochen voraussichtlich keiner den Startelfplatz streitig machen kann.
Nein, es waren heute zu viele, die deutlich unter ihren Möglichkeiten blieben. Einzig Yann Sommer zeigte heute für mich eine annehmbare Leistung. Bei den anderen waren es oft ganze Fehlerketten, die einen nach dem anderen schlecht aussehen ließen. Beispielhaft etwa beim 0:2, einem simplen Konter nach einem am gegnerischen Strafraum leicht verlorenen Ball. 

Dass das Spiel trotz einer etwas stärkeren Phase in der Schlussviertelstunde nicht mehr zu retten sein würde, war mir ebenfalls nach einer Wendt-Szene klar - als der Schwede völlig allein im Strafraum angespielt wurde und er den Ball, anstatt ihn mutig mit dem starken linken Fuß ins Tor zu schweißen, irgendwie nochmal in die Mitte legen wollte und dabei einem Schalker direkt in die Füße spielte. Das war symptomatisch für das Spiel, in dem ja prinzipiell durchaus etwas drin gewesen wäre für den VfL - hätte er die vorhandenen Chancen etwas cleverer ausgespielt.

So war der 18. Spieltag einer für die Füße. Nicht nur wegen der verlorenen Punkte, genauso wegen der Erkenntnis, dass natürlich auch das Trainerteam um Marco Rose Fehler macht - die Gift sein können für das oft angesprochene neue Selbstvertrauen. Denn wenn man das ganze Spiel nur hinter dem Gegner herläuft, frustriert das natürlich nicht nur uns Fans.
War schon die Aufstellung mit Hofmann statt Neuhaus oder Benes im Nachhinein vielleicht nicht ganz glücklich, so zeigte sich nach der Pause auch, dass die taktische Umstellung zur Dreierkette mit Zakaria die schnellen Gegentore und die Schalker Kontertaktik eher noch begünstigte. Hofmann war da in der Zentrale mit zu großen Räumen konfrontiert, die Schalke dankbar annahm. 
Weder eine Pausenansprache von Marco Rose noch die späteren Einwechslungen vermochten der Partie diesmal noch eine Wendung zum Positiven zu geben. 
Das ist keine Kritik, es ist das, was im Fußball immer passieren kann. Eine Taktik kann aufgehen, oder eben auch nicht. Nicht immer kann man das dann innerhalb der 90 Minuten reparieren. Und heute lief unterm Strich schon sehr viel schief. Das muss schnell aufgearbeitet werden, damit es nicht doch in die Köpfe der Spieler einsickert.

Und damit bin ich beim eigentlichen Aufreger des Spiels. Zum Glück kann ich diesmal anmerken, dass ich an der Leistung von Schiri Aytekin nichts Nennenswertes auszusetzen habe. Er zückte sogar mal Gelb für einen Schalker, der wieder einmal die schnelle Ausführung eines Gladbacher Freistoßes verhinderte, indem er den Ball wegschoss. Diese Unsportlichkeiten - den Ball wegkicken, den Ball wegtragen - häuften sich auf Schalker Seite heute dermaßen, dass diese Verwarnung schon ein bisschen zu spät kam. Aber insgesamt war das eine unaufgeregte und souveräne Leistung des Unparteiischen-Gespanns.

Das kann man leider von den handelnden Personen des übertragenden ZDF nicht sagen. Dass der Sportjournalismus gerade rund um die Bundesliga schon lange nur in vorgefertigten Stories denkt und manche Reportage unabhängig vom Spielverlauf in diese Dramaturgie gepresst wird, ist ja nichts Neues. Aber das Herbeireden eines angeblichen Rückrunden-Blues' und das impertinente Nachfragen von Feldreporter Boris Büchler, ob man jetzt - nach dem ersten Spiel - Angst vor einem Einbruch in der Rückrunde wie im letzten Jahr habe, das war unwürdig und unverschämt. Die zurecht genervte Reaktion von Jonas Hofmann werden diese Art Berichterstatter dann natürlich wieder genau so auslegen: als Angst vor dem Absturz in der Tabelle.

Wer das Spiel gesehen hat, muss zum Glück diesem Quatsch nicht folgen. Die Fehler waren klar zu erkennen, die Mannschaft kann es nachweislich sehr viel besser. Gleichwohl muss das Team aufpassen, dass es nicht gleich zu Beginn unter Druck gerät. Mainz am kommenden Wochenende dürfte nämlich kaum wenig wehrhaft auftreten als Schalke heute. 
Und die Befürchtung mit den Verletzungen ist ja leider auch schon Realität geworden. Für den nächsten Spieltag stellt sich die Abwehr fast von alleine auf: Lainer ist gelbgesperrt, Bensebaini wird fehlen, möglicherweise Elvedi und der heute verletzt ausgewechselte Tony Jantschke auch. Beyer und  Poulsen sind ausgeliehen. Da wird es dann defensiv schon sehr eng. Aber ich habe Borussia in dieser Saison nicht ohne Grund schon oft loben können für die Fähigkeit, nach Rückschlägen aufzustehen und stärker zurückzukommen. Und darauf baue ich auch heute, nach diesem wirklich unerwartet ernüchternden Rückrundenauftakt.

Bundesliga 2019/20, 18. Spieltag: Schalke 04 - Borussia  Mönchengladbach 2:0

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