Das war eminent wichtig. Borussias erster Sieg der Rückrunde, das sind mehr als nur drei Punkte, über die bald niemand mehr spricht. Der Erfolg mit Anlaufschwierigkeiten rückt nämlich sowohl die Bilanz im neuen Jahr zurecht und taucht zugleich die medial geschürte "Untergangsstimmung" wieder etwas ins realistischere Licht.
3:1 gegen Mainz, das ist einerseits ein erwarteter Pflichtsieg, andererseits ist es die erhoffte gute Reaktion auf den Nackenschlag der vergangenen Woche. Damit ist längst noch nicht wieder alles so wie zu besten Zeiten in der Hinrunde.
Aber die Mannschaft ist bereit, ihren Weg mit Mut fortzusetzen und sie ist fähig, dabei auch Widerstände zu überwinden. Dafür war die Partie im Borussia Park heute ein gutes Beispiel.
Denn anfangs schien es, als hätte sich der ernüchternde Rückrundenauftakt auf Schalke auch diesmal ins Selbstvertrauen der Borussen gefressen. Unpräzise Pässe, viel Quergespiele, wenig vertikales Tempo - das machte es dem Gegner in der ersten Halbzeit oft leicht, die Gladbacher Feldüberlegenheit gefahrlos zu verwalten. Der frühe Rückstand nach einem einfach mal lang nach vorne geschlagenen Ball auf Quaison trug seinen Teil dazu bei.
Die erste Halbzeit zeigte aber auch, dass die Selbstverständlichkeit im Spiel bei Gladbach im Moment nicht einfach so da und abrufbar ist. Die Mannschaft von Marco Rose muss sie sich hart erarbeiten. Und das Gute war, dass sie dies heute tat und in der zweiten Halbzeit an die guten Spiele anknüpfte - zugebenermaßen gegen relativ schwach verteidigende Gäste.
Der VfL steigerte sich im Aufbau und legte sich den Gegner gerade in der zweiten Halbzeit nach und nach immer besser zurecht. Unter anderem dank eines im Spielaufbau immer dominanter auftretenden Nico Elvedi, über den gefühlt 70 Prozent aller Angriffe in Hälfte zwei eingeleitet wurden. Die Mainzer rannten teilweise minutenlang hilflos hinter dem Ball her, allein der Ertrag der Hausherren blieb überschaubar. Beide Tore von Alassane Plea fielen nach Standardsituationen, und das mit freundlicher Unterstützung der Mainzer Abwehr, die Plea frei vor dem Tor einfach mal machen ließen.
Das waren schöne Tore, kein Zweifel - aber keine, die aus dem Spiel heraus erzwungen worden wären. Beschweren will ich mich darüber ganz sicher nicht. Denn gerade die Harmlosigkeit nach Ecken und Freistößen war zuletzt ja ein Manko gewesen. Von der Sorte herausgespielte Tore hätte es gleichwohl über die 90 Minuten ebenfalls noch ein paar geben können - bei nur ein bisschen mehr Effektivität vor dem Tor.
Zwei Aluminiumtreffer, fehlende Konzentration vor dem gegnerischen Tor sowie der tapfere und in den meisten Szenen starke Mainzer Torwart Zentner verhinderten, dass das Spiel am Ende so deutlich entschieden wurde, wie es hätte sein müssen.
Klar: Statt des 3:1 oder eines ohne Weiteres möglichen Fünf-Tore-Abstandes hätte das Spiel natürlich auch ganz bitter enden können. Schließlich kam Mainz beim Stand von 2:1 ärgerlicherweise noch zu mehreren erstklassigen Einschussmöglichkeiten, die aus Yann Sommer einmal mehr Paraden der Extraklasse herauskitzelten. Wahrscheinlich war es das, was den gegnerischen Trainer nach dem Spiel zu der steilen These verleitete, dass seine Mannschaft heute den Sieg auch irgendwie verdient gehabt hätte. Wer das Spiel gesehen hat, weiß es besser. Gladbach hätte das Spiel verlieren können. Aber verdient wäre das nicht gewesen.
Es gäbe natürlich Grund, mal wieder zu einer meiner gefürchteten Schiri-Schelten anzusetzen. Aber angesichts der Tatsache, dass Gladbach auch trotz Felix Zwayer und seinen Helfern gewonnen hat, belasse ich es heute bei einer allgemeinen Anmerkung. Es ist krass, in einem leicht zu leitenden Spiel klarste Fouls und Handspiele selbst aus wenigen Metern Entfernung nicht zu erkennen, dafür dann aber einen zurecht darüber erzürnten Trainer bei erster Gelegenheit zu verwarnen.
Was noch krasser ist: wenn das Team im Kölner Keller seinen Job auch nicht macht, wie bei den zwei elfmeterreifen Einhak-Einlagen von Niakaté gegen Ginter in der ersten Halbzeit und gegen Embolo in der Schlussphase. Das Gleiche gilt für den Tritt oberhalb des Knöchels von Brosinski gegen Johnson, der laut Regeln mit Rot zu bestrafen ist, wo Zwayer nur Gelb gezückt hatte. Schwamm drüber, das Spiel ist gewonnen. Aber entspannen kann man sich als Fan während solcher Schiri-Auftritte ganz und gar nicht.
Zum Glück gab es dafür in der Mannschaft einiges sehr Positives zu notieren. Sommers Zuverlässigkeit muss man eigentlich gar nicht mehr erwähnen. Dass sich Chris Kramer heute im Mittelfeld als sehr stabilisierender Faktor erwiesen hat, schon. Das war eine saubere Leistung, ebenso wie die von Fabian Johnson, der Stevie Lainer solide vertrat und auch gute Szenen in der Offensive hatte. Johnson ist nicht die Dampfwalze, die wir auf der rechten Abwehrseite gewohnt sind, aber er löste seine Aufgaben heute sehr unaufgeregt und zuverlässig. Beim Gegentor war er sicher einen Moment zu spät, andererseits durfte er auch die Außenbahn nicht ganz blank lassen. Gerade, weil Kramer und Johnson ja recht wenig Spielpraxis haben, finde ich das erwähnenswert.
Neben dem bärenstarken Plea stand für mich heute Kapitän Lars Stindl an der Basis des Erfolgs. Immer anspielbar, mit vielen Bewegungen in die Tiefe, mit Ballsicherheit, Zweikampfhärte und guten Weiterleitungen zeigte er, was seine Position in der Startelf sein kann und sein soll.
Und weil ich ihn letzte Woche einen der schwächsten fand, will ich Oscar Wendt heute loben. Ein paar Unsicherheiten hatte der Schwede auch heute drin. Aber das meiste hatte Hand und Fuß, er war konzentriert in den Duellen an der Seitenlinie und nicht zuletzt war er als Freistoßausführender auch an den Plea-Toren beteiligt.
Besonders gefreut habe ich mich natürlich über den Wahnsinnstreffer von Flo Neuhaus. Nicht nur, weil er die ersehnte Erlösung im Stadion bedeutete. Neuhaus hatte in der Schlussphase ja kaum Zeit, dem Spiel noch seinen Stempel aufzudrücken. Aber manchmal gelingt es eben doch. Der platzierte Schuss in den Winkel aus 35 Metern gegen den herausgeeilten Torwart (Embolo gebührt für seinen Einsatz im Laufduell gegen Zentner auch ein Lob und ein Stück vom Tor) sollte ihm wieder Selbstbewusstsein und Auftrieb geben. Denn bis dahin hatte er auch aus kürzester Entfernung schon so viele Chancen liegengelassen, dass sich das schon zu einem Trauma zu entwickeln drohte.
Vor dem Duell um die Tabellenspitze am kommenden Samstag lässt sich also sagen: Borussia ist wieder im Soll. Ist Borussia aber auch bereit für Leipzig? Das lässt sich anhand des heutigen Spiels kaum beurteilen. Es waren genug Schwächen zu sehen, um eher skeptisch zu sein. Andererseits kann der VfL auch gegen starke Gegner gut aussehen. Zudem wird der Auftritt im Brausestadion voraussichtlich von einer ganz anderen Taktik bestimmt sein. Dazu haben beide Teams zu gern den Ball und die Kontrolle über das Spiel. So tief wie Mainz wird der Gegner sicher nicht stehen. Und das bedeutet naturgemäß, dass beim schnellen Umschalten nach Ballgewinnen auch die Räume in der gegnerischen Hälfte andere sein werden. Hoffen wir, dass Borussia sie nutzen kann.
Bundesliga
2019/20, 19. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - FSV Mainz 05 3:1 (Tore für Borussia: 1:1 Plea, 2:1 Plea, 3:1 Neuhaus)
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