2020-03-07

Wir können auch würfeln

"Es ist nicht fair, dass dieses Spiel verloren gegangen ist. Aber natürlich muss man anerkennen, dass die Dortmunder ihre Chancen am Ende besser genutzt haben als die wahre Borussia."

Das schrieb ich nach dem Pokal-K.o. in Dortmund im Herbst. Und ganz ähnlich klang mein Fazit zum 0:1 im Hinspiel, im Ligaduell beim BVB. Nun könnte ich, mit leichten Abstrichen, zum dritten Mal das Lied vom unglücklich verlorenen Spiel gegen die schwarz-gelbe Gladbacher Filiale singen. Aber ich war es schon beim letzten Mal leid, immer wieder den gleichen Film mit dem gleichen deprimierenden Ende zu sehen.  Aber so und nicht anders war es auch heute.

Es gab auch heute eine Topleistung des VfL zu sehen  - gegen eine der stärksten Offensivreihen der Liga. Ginter und Co. gelang es erneut, den Gegner über weite Strecken der Partie vom eigenen Tor wegzuhalten und damit auch das Wunderkind Haaland. Und das trotz erneuter früher Schwächung durch eine Verletzung (im Hinspiel Bensebaini, diesmal Denis Zakaria), die Marco Rose zugleich früh eine von drei taktischen Wechselmöglichkeiten raubte.

Dortmund zeigte das gleiche Gesicht wie in den beiden anderen Partien in dieser Saison. Die Favre-Elf kam lange nicht zurecht mit dem Gladbacher Pressing, bis zu Hazards 1:0 waren sie dem Tor von Yann Sommer noch nicht einmal ansatzweise nahe gekommen. Aber: Sie taumelten gegen aggressive Gladbacher auch nicht minutenlang von einer Verlegenheit in die andere, wie in der Hinrunde. 

Der VfL war zwar in der ersten Hälfte die bessere Mannschaft, hatte viele Ballgewinne und vielversprechende Angriffe. Doch die Gäste kämpften ihrerseits mit den gleichen Mitteln zurück. Sie ließen dem VfL wenig Raum für eigenen schnellen und gefährlichen Spielaufbau. Gefährlich wurde es für das Dortmunder Tor nur, wenn Stindl, Hofmann oder Plea Bälle eroberten und die Schwarz-Gelben zu Fehlern gezwungen wurden. Da ging es schnell und ansehnlich nach vorne. Im geordneten Spielaufbau hingegen fehlten der Rose-Elf oft die Mittel, sich ganz durch die gegnerische Defensive durchzukombinieren. 

Die Gladbacher Hintermannschaft blieb bis auf die Gegentore und zwei, drei weitere Angriffe, bei denen Sommer gegen Hazard glänzte, einmal der Pfosten rettete und Haaland in die Wolken schoss, sehr stabil.
Auch Tony Jantschke fügte sich da einmal mehr sehr bissig ein. Insofern war der Punktgewinn nicht nur bis zum Schluss möglich, auch wenn der Kräfteverschleiß in der letzten Viertelstunde sichtbar war - Gladbach lief heute wieder deutlich über 121 Kilometer und damit 4,6 mehr als die Gäste. Ein Punkt wäre auch heute wieder einfach verdient gewesen.

Dagegen hatten aber nicht nur elf Dortmunder etwas, sondern auch noch die, die am besten sind, wenn man sie kaum bemerkt: die Unparteiischen.
Und da bin ich bei einem weiteren Punkt in Sachen Kontinuität bei den jüngsten Duellen mit dem BVB - bei den Schiedsrichterleistungen, die in jedem dieser drei Spiele die große Namencousine unübersehbar bevorteilten. 
Wie man beim Verband auf die Idee kommen konnte, nach der absurden Leistung im Hinspiel ausgerechnet Sascha Stegemann erneut als Schiedsrichter anzusetzen, erschließt sich mir nicht. In einer langen Reihe von ärgerlichen Fehlern war es genau dieser Sportkamerad, der im Hinspiel einen klaren Foulelfmeter von Hummels an Herrmann nicht gab, auch weil der VAR Osmers im Kölner Keller ihm nicht half und ihn nicht aufforderte, sich die Szene wenigstens nochmal selbst anzuschauen.

Heute saß Sportsfreund Felix Zwayer im Keller und er hatte wohl ebenfalls gerade Tomaten auf den Augen, als Zagadou unserem Jonas Hofmann mit einem gezielten Ausfallschritt in die Parade fuhr, als der Zagadous Rückpass auf Bürki erlaufen wollte. Stegemann hatte beste Sicht auf die Szene, ließ trotzdem weiterspielen. Und er wurde von Köln nicht korrigiert oder wenigstens aufgefordert, sich die Szene am Bildschirm noch einmal anzuschauen. Das nenne ich Totalversagen des VAR. Und weil es in dieser Saison für Gladbach zum wiederholten Mal eine solche Benachteiligung trotz oder wegen eines eingreifenden oder nicht eingreifenden VAR gab, bin ich nicht mehr bereit, das einfach achselzuckend zu übergehen. 

Ich schaue ja vor allem Spiele des VfL. Und da ist mit der Einfluss, den die Referees auf den Spielausgang nehmen, zu häufig und zu groß. Ich spreche nicht über mein allgemeines Gemecker über aus meiner Sicht falsche Zweikampfbewertungen oder Kartenvergabe. Es geht um die Situationen, in denen durch Platzverweise, nicht gegebene Tore oder Elfmeter ein Spiel deutlich verändert oder in andere Bahnen gelenkt wurde. 
Um das ganz klar zu sagen: Ich glaube nicht an Verschwörungen. Und ich würde mich nicht darüber beklagen, wenn man eine Linie in der Anwendung der Regeln oder in der Arbeit des VAR erkennen könnte. Aber wir befinden uns hier ganz offensichtlich auf einem Experimentierfeld mit wöchentlich wechselnden Bedingungen, bei dem die Sportler und die Trainer die Versuchstiere sind. 
Es gibt kein gleiches Maß, anhand dessen gemessen würde. Jeder Schiri macht auf dem Platz sein eigenes Ding und offenbar auch, wenn er im Kölner Keller sitzt. Da gibt es welche, die auf gar nichts reagieren, also an der Linie nur bei "absoluten Fehlentscheidungen melden" festhalten. Und dann gibt es bei den VAR Detektive, die minutenlang zurück nach irgendwelchen Vergehen suchen, die dann auch noch interpretationsfähig sind. 
In dieser Saison habe ich so viele Merkwürdigkeiten (nicht nur in Spielen der Borussia) gesehen, was Schiris und VAR und ihre Zusammenarbeit angeht, dass man sich wirklich fragen muss, ob hier nicht Woche für Woche der Wettbewerb in der Liga verzerrt wird oder der Zufall regiert, einfach nur, weil es kein ausgereiftes und einheitliches Konzept zum Eingreifen durch den VAR gibt. Wenn das sich weiter so fortsetzt, wäre es ehrlicher, die Spiele auszuwürfeln, dann müssten wir während der 90 Minuten nicht so viele Nerven lassen.
  
Natürlich: Auch wenn es heute Elfmeter für den VfL gegeben hätte, wäre nicht sicher gewesen, ob Gladbach am Ende ein besseres Ergebnis verbucht hätte. Hätte man bei den Gegentoren besser verteidigt und hätten Lainer, Bensebaini, Plea und (spät) Embolo ihre Chancen so konsequent genutzt wie die Gegner, dann gäbe es um diese eine Szene auch keine so große Diskussion. So aber spielt es eben doch eine Rolle, und: Weil es längst kein Einzelfall mehr ist. 
In umgekehrter Verantwortung hatte mich das "Traumduo" Stegemann/Zwayer schon beim Sieg gegen Mainz vor ein paar Wochen zur Weißglut gebracht. Und nachdem auch das dritte Borussenduell auf Augenhöhe durch umstrittene Schiedsrichterentscheidungen beeinflusst wurde, Borussia in Leipzig durch den Oberlehrer-Anfall von Tobias Stieler beschissen wurde und der schlafende Kölner Keller in Wolfsburg Punkte gekostet hat, wird es mir langsam ein bisschen zu viel der Willkür. Und nebenbei auch mit schlechten Leistungen Unparteiischer auf dem Platz. Wie im Hinspiel verlor Stegemann auch heute nach und nach die Kontrolle über das Spiel, hatte auch seine Aktien daran, dass es teilweise so hitzig wurde, dass er 10 Verwarnungen verteilte und dabei noch die eine oder andere für Dortmund vergaß. 

Aber was nützt es? Wir werden weiter damit umgehen müssen. Und so halte ich es nach meiner umfangreichen Frustbewältigung nun mit unserem Coach, der nach dem Spiel die Szenen des Tages mit vielsagendem Blick nicht kommentierte - weil es letztlich ja auch nach dem Spiel nichts mehr bringt und während des Spiels höchstens zu Sperren führt.

Wenn man sicher gehen will, muss man sich von Fehlentscheidungen des Schiris unabhängig machen, indem man seine Torchancen besser nutzt und in der Defensive in den entscheidenden Szenen noch cleverer wird. Das hat der wahren Borussia heute einmal mehr gegen den BVB gefehlt. Und dennoch war es eine sehr anständige Leistung - auf Augenhöhe mit dem Börsen-Club aus dem Ruhrpott. Lassen wir also unseren Ärger von heute die Kraft von morgen sein. Am Mittwoch soll Köln auf dem Spielfeld die fußballerische Klasse Borussias und die Wut über die heute verpasste Chance spüren. Los Jungs, beendet deren Höhenflug und startet einfach eine neue Siegesserie - es gibt noch viel zu gewinnen in dieser Saison. Die Seele brennt...


Bundesliga 2019/20, 25. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - BVB 1:2 (Tor für Borussia:  1:1 Stindl)

4 Kommentare:

  1. Wieder ein sehr gelungener Beitrag! Ich war im Stadion und kann es nur unterschreiben, Leistung gut, Chancen nicht genutzt.

    Was den VAR angeht, ich beklage ebenfalls genau diesen Punkt: Es gibt offenbar KEINE klar vorgegebene Linie. Von "nur bei krassen Fehlentscheidungen eingreifen" bis hin zur akribischen Detektivarbeit im Rückblick ist ALLES drin. Besser kann man eine als Verbesserung gedachte Neuerung nicht an die Wand fahren, mit Karacho! Frage mich, wie schwer es denn sein kann, entsprechende VERBINDLICHE (!!) Regeln festzulegen?

    Und so glaubt man ab und an, doch ganz schwach den Geruch einer Verschwörung wahrzunehmen... obwohl vermutlich nur einer im Block gefurzt hat. Aber diese Uneinheitlichkeit nervt und bringt Unzufriedenheit.

    Was den Schiri heute betrifft: Ganz der gleichen Meinung. Merkwürdige Beurteilung vieler Spielsituationen, die Kontrolle am Ende völlig verloren und damit auch überfordert. Vielleicht sollten manche der Herren mal nachsitzen...

    Ach ja, und: Gute Besserung, Denis Zakaria! Hoffentlich ist es nicht so gravierend, wie es aussah...

    Und nun: Trotz allem eine gute Nacht allen wahren Borussen - jetzt vollen Fokus auf *öln!

    Gruß, Fohlen

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  2. PS (1) Mein Wunsch ist immer, dass wir TROTZ einer unterirdischen Leistung eines Schiri gewinnen, weil wir gut gespielt haben. Solch ein Sieg schmeckt besonders süß (hat heute leider nicht geklappt).

    PS (2) Ich habe leider nur den Rest vom Interview mit Rose im Sportstudio gesehen. Sehr klug, sich nicht zu irgendwelchen Antworten hinreißen zu lassen. So ein bedächtig-resigniertes Schweigen ist in manchen Fällen eben doch Gold... Da geht es ja doch primär um Effekthascherei, nicht um Verbesserungen, wie mir scheint. Also kann man auch schweigen und den Reporter gemütlich im Regen stehen lassen... Auf seriöse Fragen antworten kann man ja dann immer noch.

    Gruß, Fohlen

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  3. Danke für deine Einschätzung. Ja, es wäre mir lieb, wenn mal wieder allein die eigene Leistung der Borussia so ein Spiel prägen würde.

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  4. Zum verweigerten Elfmeter: Ich war auf der Südtribüne Reihe 15 direkt hinter dem Tor mit freiem Blick auf die max. 20 m entfernte Szene: Es war nicht nur der Ausfallschritt sondern gleichzeitig der linke Ellenbogen in Jonas Hofmanns Magengrube. Mehr Elfer geht nicht.
    Heideljünter

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