2022-11-09

Wiederholter Systemausfall

Es ist ernüchternd, wie Borussia Mönchengladbach in dieser Saison zwischen den Extremen wandelt. Gerade noch ein dominanter und schön herausgespielter Sieg gegen Stuttgart, nun wieder eine ziemlich verdiente Niederlage in einem Spiel, das man von der ersten Minute aus der Hand gegeben hatte. Hilflos und planlos begegnete die Farke-Elf - einmal mehr - in der ersten Halbzeit einem begrenzt spielstarken, aber physisch pressenden Gegner, verlor nahezu jeden Zweikampf gegen die Bochumer und brachte sich durch eigene Unzulänglichkeiten schon nach 11 Minuten deutlich in Rückstand. 

Es dauerte 15 Minuten, bis zum ersten Mal der gegnerische Strafraum betreten wurde, 30 Minuten, bis das zum zweiten Mal gelang. Und auch in der zweiten Hälfte musste es erst die 62. Minute werden, bis ein eher zufälliger Ballgewinn durch den vom Gegner angeschossenen Jonas Hofmann dessen Stürmerkollegen Marcus Thuram erreichte und der Alassane Plea gut einsetzte. 

Das Anschlusstor verlieh Borussia neuen Schwung gegen müder werdende Bochumer. Dass es dennoch nicht mehr zum Ausgleich oder zu mehr gereicht hat, lag zum einen an dem ungenauen Pass-Spiel, das sich auf Gladbacher Seite durch die ganze Partie zog.
Zum anderen lag es aber auch an der Situation in der 82. Minute, als das 2:2 durch Bensebainis Kopfball fiel, aber Minuten später durch VAR und Referee Daniel Schlager wieder kassiert wurde, weil Flankengeber Jonas Hofmann im Abseits gestanden hatte.
Das stimmte zwar. Doch weil der Bochumer Lampropoulos zuvor den Ball ziemlich unbedrängt im Strafraum zur Seite geklärt hatte, hätte er diese Abseitsstellung zugleich von strafbar zu nicht strafbar geändert. Hätte, weil es auch hier natürlich Regelauslegungen gibt, die so weich sind, dass sie von jeden Schiedsrichter in alle Richtungen auslegbar und damit immer zu rechtfertigen sind.

Vor der Saison wurde die Regel dahingehend geändert, dass ein "kontrolliertes" Spielen des Balles durch den Abwehrspieler vorliegen muss und nicht eine eher zufällige Berührung ausreicht, das Abseits aufzuheben. So schoss Erling Haaland einst gegen Paderborn ein äußerst umstrittenes Tor, weil dem gegnerischen Spieler ein Ball übers Schienbein gerutscht war, während der Dortmunder Stürmer meilenweit im Abseits stand.
Um solche Dinge künftig zu vermeiden, wurde hier nachgebessert. Doch wie man sieht, nützt das alles nichts, wenn Schiedsrichter nicht zwischen einer kontrollierten und unkontrollierten Ballaktion unterscheiden können. Daniel Schlager begründete das Annullieren des Tores nach dem Spiel damit, dass der Abwehrspieler bedrängt gewesen sei und deshalb kein kontrolliertes Spielen des Balles möglich gewesen sei. Das ist - Entschuldigung - der größte Bullshit, den ich seit langem gehört habe. Bei einer Standardsituation, bei der ein Ball in die Mitte des Strafraums gespielt wird, gibt es keine Situation, bei der ein Spieler völlig unbedrängt zum Ball gehen kann. Die Bewegung und das Spielen des Balles war hier in dieser konkreten Situation insofern völlig normal, auch wenn Lampropoulos den Ball nicht so traf, wie er wohl wollte. Davon eine Abseitsentscheidung abhängig zu machen, ist absolut abenteuerlich.

Dass es mich bei diesem Schiri nicht wundert, ist dessen sonstigem Auftritt geschuldet. Auch diesmal lieferte Schlager eine unfassbar einseitige Spielleitung ab, was sich sehr gut an der völlig unterschiedlichen Bewertung von Zweikämpfen der Stürmer Hofmann (Bochum) und Thuram (Gladbach) ablesen lässt, aber auch an grob falschen Bewertungen wie dem Freistoß gegen Scally, als ihm Antwei-Adjei in die Füße fiel. Es ist unglaublich, dass ein Schiedsrichter, der so wenig Verständnis für das Spiel hat, zu einem (auf dem Papier) Vertreter der deutschen Schiedsrichterei auf internationaler Ebene gemacht worden ist.

Aber zurück zu Borussia. Denn es wäre zu einfach, die Gründe für die Niederlage beim Schiri zu suchen. Schließlich hätte sich Hofmann auch in der strittigen Szene schneller aus der Abseitsposition bewegen können, dann hätte es die Diskussion nicht gegeben.

Und man hätte sich nicht von Bochum so auf dem falschen Fuß erwischen lassen müssen. Es ist schwierig nachzuvollziehen, warum Kramer und Co. gegen lauf- und physisch starke und (über-)hart in den Zweikämpfen agierende Gegner gefühlt immer wieder die gleichen Fehler machen, beziehungsweise nicht zu ihrem Spiel finden. Warum sie nicht in die Zweikampfintensität des Gegners kommen. Warum sie sich nur noch mit langen Bälle nach vorne befreien können. Warum sie gerade auf solche intensiven Anfangsphasen, die leicht vorhersagbar sind, nicht vorbereitet sind. 

Heute war das besonders fahrlässig, weil im Tor ein Debütant stand, gegenüber dem es besonders unfair war. Natürlich presste Bochum agressiv auf den Neuling Jan Olschowsky, natürlich griffen sie den ungelenken Marvin Friedrich im Spielaufbau früh an. Aber es kam auch zu wenig Unterstützung von den anderen Mitspielern. Elvedi stand in der Anfangsphase völlig neben sich. Möglicherweise war er auch nicht fit. So wirkte es auf mich zumindest. Doch gerade die Leistungsträger und die älteren Spieler waren es heute wieder, die mit den groben Fehlern oder mit schwachen Zweikampfwerten auffielen. 

Und so gab es am Ende heute nur einen Lichtblick, und das war jener Jan Olschowsky, der sich nach den frühen Nackenschlägen sehr aktiv im Spiel zeigte und immer wieder auch schnelle Spieleröffnungen versuchte. Er war durch den Spielverlauf auch oft zu langen Bällen gezwungen. Und auch wenn viele nicht ankamen, gefiel mir die Präzision und die Schärfe der Abschläge. Das war angesichts der Umstände ein mehr als ordentliches Debüt, auch wenn Olschowsky sich nicht mit großen Paraden auszeichnen konnte. Einziger Malus war der Pass auf Elvedi vor dessen Vorlage zum Bochumer 2:0. Das Zuspiel war nicht besonders gut, doch Elvedi hätte es natürlich ganz anders lösen können und müssen.

So, wieder stehen wir also nach einem solchen Spiel etwas ratlos da und fragen uns, wann der Lerneffekt einsetzt und wie sich die Mannschaft in der nächsten Partie verkauft. Es ist wirklich alles drin in dieser Wundertüte. Aber ich muss zugeben, dass es ganz schön an meinen Nerven zerrt.

Saison 2022/23, Bundesliga, 14. Spieltag: VfL Bochum - Borussia Mönchengladbach 2:1. Tor für Borussia: 2:1 Plea.

Ein Tor = ein Euro. Neuer Spendenstand ist 67 Euro.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

4 Kommentare:

  1. Deiner Analyse stimme ich Mal wieder voll und ganz zu. Ich ärgere sehr über die VAR Entscheidung, aber aus einem anderen Grund. Diese Entscheidung gibt Borussia ein Alibi für die aus meiner Sicht sehr schlechte und enttäuschende, aber leider auch erwartete Leistung.. Es macht einfach nur selten Spass der Borussia beim kicken zuzusehen.

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  2. Ich stimme ebenfalls zu. Wieder mit einer kleinen Einschränkung.
    „Gerade noch ein dominanter und schön herausgespielter Sieg gegen Stuttgart…“ Dss ist nicht richtig. Das ist rosaroarosarot. Der Sieg war nicht dominant. Er war sehr glücklich gegen Durchschnitts-Stuttgarter.

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  3. Laßt uns die Dinge doch endlich mal beim Namen nennen....

    Wir sollten uns jetzt weder am indisponierten Schiri abarbeiten (so ärgerlich auch die Rücknahme des regulären Tores gewesen ist), noch das vorangegangene Heimspiel gegen Stuttgart schönreden.
    Der Heimsieg war auch für mich keinesfalls dominant und zudem überaus glücklich....schön herausgespielt waren allenfalls die Tore.
    Hätten die Bochumer nach dem zweiten Tor nicht den Fuß vom Gas genommen, wäre ein ähnliches Debakel, wie seinerzeit an der Weser, durchaus im Bereich des Möglichen gewesen...die ersten 10 Min. waren jedenfalls eine Blaupause!
    Borussia 2022 ist nicht nur von vorne bis hinten ausgecoacht, sondern in der derzeitigen Verfassung, eine völlig konzeptlose Mannschaft. Man reagiert überwiegend, statt zu agieren...vom sog. Ballbesitzfußball (!!) nur wenig zu sehen.
    Nach dem 14. Spieltag ist die Fohlen-Elf nun endgültig im Mittelmaß der Liga angekommen und der Blick wird sich nach dem Dortmund-Spiel wohl auch eher nach unten richten.
    Alles andere wäre nicht nur eine faustdicke Überraschung, sondern verbietet sich auch, angesichts der gezeigten Leistungen in den letzten Wochen.
    So mutieren wir so langsam wieder zum gern gesehenen, willkommenen Aufbaugegner und die "Auswärtsdeppen" sind ebenfalls wieder auferstanden...
    Die Vergangenheit hat uns leider viel zu schnell wieder eingeholt, als das es viele wahrhaben wollen...auch ICH kann mich mit dieser Vorstellung und diesen Gedanken nur schwer anfreunden...aber es ist nunmal die (traurige) Wahrheit.
    Die Hoffnung stirbt zuletzt...lot jonn....Borussia for ever...

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  4. Einzig der Trainer macht ein wenig Hoffnung und findet (endlich!!) klare Worte...legt zudem den Finger in die Wunde.
    Die Statements der Spieler gleichen sich von Woche zu Woche bei Auswärtsspielen und sind mittlerweile auch schon ein reines Dejavue-Erlebnis...nur ändern tut sich leider nichts.
    Die Verhaltensmuster der Mannschaft sind und bleiben bei einem agressiv pressenden Gegner immer dieselben!!

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