Warum nur kann
Borussia bei dem blutleeren Abgas-Club nicht gewinnen? Das
Endergebnis der Samstagspartie war einmal mehr der Hohn. Der VfL
spielte Wolfsbug 60 Minuten an die Wand, dreißig weitere Minuten beherrschte
man, müder werdend, den Gegner, der nur in der dichten Verteidigung und einem
hervorragend aufgelegten Torwart Casteels sein Heil suchen konnte.
Insofern ist der Verlust der drei Punkte besonders ärgerlich. An der
Leistung der Gladbacher gibt es aber nur wenig zu mäkeln. Es war das
mit Abstand beste Auswärtsspiel seit dem 5:1 in Frankfurt. Und das
ist am nächsten Wochenende eine halbe Saison her.
Viele Fans hatten im
Netz dennoch schnell Schuldige ausgemacht und folgten damit der
unterirdischen Analyse des offenbar weitgehend geistesabwesenden
Sky-Starschwätzers Fuss und dem irreführenden Kurzbericht in der
Sportschau: Nico Elvedis Abwehrverhalten bei den Gegentoren und André
Schuberts Taktik mit der Dreierkette gegen Kruse, Draxler und Co
wurde die Niederlage angekreidet.
Wer so argumentiert,
macht sich einfach und recht hat er trotzdem nicht. Zuerst zu Nico
Elvedi: Beim ersten Tor versuchte er in höchster Not zu retten, als
das Kind schon in den Brunnen gefallen war und Draxler frei vor dem
Tor in Ballbesitz kam. Elvedi musste mit viel Tempo in den Zweikampf
kommen, ohne aber einen Elfer zu verursachen. Die Chancen dafür
standen in dieser Szene 50:50, er entschied sich für den geraden
Weg, Draxler hebelte ihn mit einer ziemlich guten Körpertäuschung
aus. Das kann passieren. Der eigentliche Fehler passierte aber schon
in der Rückwärtsbewegung außen, spätestens, als Nordtveit den
Pass in die Mitte nicht unterbinden konnte. Dass Wolfsburg dann noch
von einer unglücklichen Weiterleitung durch Hinereggers
reingestellten Fuß profitierte und der Schuss von Draxler dann auch
noch vom Pfosten ins Tor sprang, zeigt, wie glücklich das
Zustandekommen dieses zu diesem Zeitpunkt absurden Führungstreffers
war. Wolfsburg hatte bis dahin überhaupt nicht stattgefunden,
Borussia das Spiel eindeutig beherrscht.
Eklatant schlechter
war das Verhalten der gesamten Mannschaft unmittelbar nach dem
Gegentreffer. Wieder eine extrem offensive Aufstellung, ein
Ballverlust, der die meisten Spieler hinter dem Ball herlaufen ließ.
Dass Elvedi dann im Zweikampf mit Kruse schlecht aussah, stimmt. Aber
auch hier muss man eins berücksichtigen. Wenn der Gegner so leicht
in den Strafraum kommt, hat vorher etwas nicht gestimmt. In Zeiten,
wo der Abwehrspieler im eigenen Strafraum auch noch die Arme
möglichst hinter den Rücken halten und den direkten Körperkontakt
fast meiden muss, damit er den Stürmer nicht zum Fallen einlädt,
ist es schwer, noch richtig zu attackieren. Und dass Kruse im
Strafraum mit so viel Platz kaum zu verteidigen ist, wissen wir ja
alle selbst.
Nun zu Schuberts
Dreierkette, mit der der VfL unter anderem ja auch gegen München
gewonnen hat (wenn auch mit viel Glück, wenn man die erste Hälfte betrachtet). Im
Prinzip gibt es diese „Dreierkette“, die in Wahrheit gar nicht so
statisch gespielt wird, ja nur im Spielaufbau, wenn Borussia in
Ballbesitz ist. Und dann sichert meist einer der Sechser, Xhaka oder
Dahoud mit ab, während Elvedi und Hinteregger (sonst Wendt) nach
vorne schieben. Der Vorteil, den die hoch stehenden Außenverteidiger
und auch die immer wieder wechselweise nach vorne stoßenden
Christensen, Xhaka oder Nordtveit bieten, ist, dass der Gegner keine
Luft und keinen Platz mehr findet, kontrolliert nach vorne zu
spielen. Dieses effektive Pressing gelang Borussia gegen Stuttgart
fast perfekt über 90 Minuten, gegen Wolfsburg - mit Ausnahme der
beiden Gegentore – ebenso. Diese beiden Spiele waren für Yann
Sommer wohl die geruhsamsten in der Rückrunde.
Die Gefahr darin sind die Ballverluste, die man in einem spiel aber nie ganz abstellen kann. Und wenn man hinterhelaufen muss, wird es für die beste Defensive schwer. Da ist Borussia anfällig, und wird es wohl auch vorerst bleiben. Etwas, was man im übrigen mit den Über-Bayern teilt.
Wenn man dem Team
also etwas vorwerfen will, sollten es nicht die „falsche“ Taktik
oder individuelle Fehler in der Abwehr sein, sondern die
Anfälligkeit, wenn man gerade ein Gegentor kassiert hat, gleich das nächste zu schlucken, weil man es sofort wieder gut machen will. Etwas mehr Abgeklärtheit wäre da oft bessern. Kritisieren kann man auch die
manchmal zu verspielte Art, den Ball ins Tor tragen zu wollen. Allerdings ist sie es auch, die uns mit Zaubertoren oft genug wieder entschädigt. Mit
Patrick Herrmanns Schnelligkeit kommt zum Glück aber eine
weitere Option zurück ins Repertoire, nämlich präzise schnelle
lange Bälle aus der Abwehr in die Spitze. Das klappt gegen Stuttgart nach wenigen Sekunden, und es wurde auch gegen
Wolfsburg versucht. In Hinteregger, Xhaka, Christensen und Nordveit
gibt es gleich vier Spieler, die diese präzisen Schläge in die
Tiefe hervorragend beherrschen. Doch die Streuung zwischen gut und
lausig war gegen Wolfsburg einfach zu groß.
Festzuhalten ist,
dass Borussia in der englischen Woche deutlich stabiler geworden ist,
mit Ausnahme der beiden Gegentore beim VW-Werksteam eine der
stärksten Offensivreihen der Liga über die komplette Spielzeit fast
völlig aus dem Spiel genommen hat und diesmal eben ein Quäntchen
weniger Fortune in der Zweikampfführung hatte als am Mittwoch gegen
Stuttgart, wo jeder Ball irgendwie wieder zum Mitspieler sprang.
Kein
Beinbruch also, wohl aber eine sauärgerliche Niederlage, die im
engen Rennen um die europäischen Startplätze Gift ist. Zumal die
drei Punkte bei diesem jämmerlichen Heimpublikum in der VW-Arena
wirklich Perlen vor die Säue geworfen heißt. Wie üblich gaben die
Gladbacher Fans den Takt vor und zauberten Stimmung in das fremde
Stadion, während man über die Golfsburg-Fans in Abwandlung des
Spruchs über den Man-City-Anhang (der Spielverlauf ähnelte sich ja
leider auch ziemlich) nur eins sagen konnte: „They don't even sing when
they are winning.“
Bundesliga 2015/16, 25. Spieltag: VfL Wolfsburg - Borussia Mönchengladbach 2:1 (5.3.16)
(Tor für Borussia: 2:1 Raffael)
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