Wenn Borussia sich im Sommer zur ersten Trainingseinheit zur Vorbereitung auf die neue Saison versammelt, wird sich das Bild der Mannschaft gewandelt haben - einmal mehr, denn auch der sportliche Erfolg der vergangenen fünf Jahre hat den traditionellen Talententwickler vom Niederrhein nicht vor schmerzlichen personellen Umbrüchen bewahren können. Klar, das ist das Los vieler Vereine. Aber wir gehören immerhin inzwischen zu denen, die ihre Abgänge über noch "kleinere" Vereine ganz gut und kostengünstig kompensieren können. Das zeigen nicht zuletzt die Transfers von Max Kruse, André Hahn, Fabian Johnson oder Lars Stindl. Auch der erste Neuzugang für die kommende Saison, Defensivallrounder Tobias Strobl von 1899 Hoffenheim, fällt in diese Kategorie.
Doch wie verändert sich der VfL zur neuen Saison, vor allem im Strudel der drohenden Geldmassen, die die englischen Vereine streuen werden (und mit denen sie zugleich auch andere deutsche Vereine zu Großeinkäufern machen könnten)? Und kann der Verein alle drohenden Schwächungen adäquat ersetzen - ungeachtet der Frage, ob und in welcher Etage der internationalen Wettbewerbe er antreten dürfte?
Darüber lässt sich ja schon mal vorsichtig sinnieren und spekulieren.
Gehen wir es doch mal durch: Im Tor verändert sich wohl nichts, Yann Sommer macht nicht unbedingt den Eindruck, dass er sich verändern will, seine Vertreter Sippel und Heimeroth haben dazu ebenfalls keinen Grund. Der ausgeliehene Janis Blaswich ist bei Dresden offenbar zufrieden, mit einem Aufstieg in die zweite Liga käme er aus meiner Sicht auch an seine Grenzen. Ich denke nicht, dass er zurückkehren wird.
In der Abwehr macht Martin Stranzl einen Platz frei, den wohl sein Landsmann Martin Hinteregger einnimmt - wenn die Kaufoption gezogen wird, was zu erwarten ist. Hintereggers Leihe war ja im Prinzip ein Vorgriff auf die neue Saison, weil in der Rückrunde klar war, dass in Jantschke, Stranzl, Dominguez und dem möglichen Wendt-Backup Nico Schulz vier Defensivspieler verletzt fehlen würden.
Ziemlich sicher kann man davon ausgehen, dass Andreas Christensen noch ein Jahr in Gladbach verbringt, dafür sprechen auch seine eigenen Aussagen im jüngsten Interview. Die Hoffnung, dass man ihn im Anschluss fest verpflichten kann, teile ich hingegen nicht. Denn geht seine Entwicklung so weiter, stehen ihm in England (aber vielleicht auch in Barcelona oder anderswo) alle Türen offen. Und dass das höchste Ziel von Skandinaviern eher auf der Insel liegt als in Deutschland, hat uns ja gerade Havard Nordtveits Entscheidung wieder bewiesen.
Bleiben für die reinen Außenpositionen Oscar Wendt und der zuletzt etwas ins Abseits geratene Julian Korb. Für mehrere Positionen in der Viererkette und im defensiven Mittelfeld geeignet sind Tony Jantschke, der spielintelligent genug ist, sich in die veränderten Anforderungen an das Verteidigen unter Schubert schnell reinzuarbeiten, dann Hinteregger, Nico Elvedi, Tobias Strobl und Alvaro Dominguez, wenn er denn fit wird. Defensiv außen wären zudem die eher im Mittelfeld vorgesehenen Nico Schulz und Fabian Johnson einsetzbar, denkbar wäre auch noch der junge Marvin Schulz als Innenverteidiger. Bleibt noch der ewige Rooooel, der allerdings auf die Innenverteidigerposition festgelegt ist, sodass er bei einer möglichen Vertragsverlängerung im Kader erneut nur der Ersatz des Ersatzes sein würde. Ausgeschlossen ist das aber nicht.
Ich denke, dass sich im Abwehrbereich transfermäßig nur noch etwas tut, falls man mit Dominguez weiterhin nicht rechnen kann, Brouwers keinen Vertrag mehr bekäme oder Christensen doch nicht zu halten wäre.
Im Mittelfeld ist eine Personalie schon klar: Tobias Strobl nimmt den Platz von Havard Nordtveit ein, der Neue kann alle Positionen spielen, die auch der Norweger bei Borussia schon innehatte. Ob Strobl seinen Vorgänger auch qualitativ gleichwertig ersetzen kann, muss sich zeigen, aber da kann man dem Gladbacher Scouting in der Regel schon trauen. Und schließlich darf man auch nicht vergessen, dass auch Nordtveit lange zwischen Stammplatz und Bank pendelte. Die ganz große Form erreichte er ja erst vor wenigen Monaten wieder.
Während die Außenpositionen mit Ibo Traoré, Thorgan Hazard, Fabian Johnson, Patrick Herrmann, André Hahn, Jonas Hofmann und Nico Schulz üppig besetzt sind, wird sich Wohl und Wehe von Borussia am ehesten im defensiven Mittelfeldzentrum entscheiden. Dass Granit Xhaka den VfL für eine riesige Ablösesumme gen England verlassen wird, davon kann man getrost ausgehen. Ob man trotz dieses Geldes einen gleichwertigen Ersatz verpflichten kann, der im Sommer sofort Xhakas Fußstapfen ausfüllt? Bis jetzt reine Spekulation.
Dass auch Dahoud verkauft wird, glaube ich aus diesem Grund nicht. Ein weiteres Jahr in Gladbach tut ihm auch persönlich sicher gut. Ideal wäre es, wenn Max Eberl ihn rechtzeitig nochmal zu einer Verlängerung seines Vertrages (gilt bis 2018) bewegen könnte. Denn sollte er auf diesem Niveau weiterspielen, wird es 2017 schwer sein, ihn vom nächsten Schritt abzuhalten. Auch wenn mehrere Borussen grundsätzlich auch die "Sechs" spielen können (Strobl, Jantschke, Stindl, Marvin Schulz, Christensen, Elvedi), käme es beim Abgang von Xhaka entscheidend auf den zu verpflichtenden Ersatz an, der neben Dahoud den etwas absichernderen Part innehätte. Es wäre fahrlässig, hier nicht tätig zu werden.
Anders sähe das im offensiven Bereich aus, in dem Gladbach außerst komfortabel ausgestattet ist. Meine kleine Befürchtung, dass Patrick Herrmann von geldwerfenden Engländern abgeworben werden könnte, ist zwar noch nicht vom Tisch, aber derzeit nicht allzu akut. Also gäbe es höchstens Handlungsbedarf, wenn sich ein Spieler dem Konkurrenzkampf durch einen Wechsel entziehen wollte. Auch das ist derzeit nicht abzusehen.
Für die Außenpositionen offensiv stünden nach heutigem Stand zur Verfügung: Traoré, Hazard, Herrmann, Hahn (vorwiegend rechts), Johnson, Hofmann, Nico Schulz (vorwiegend links) (Edit: Natürlich ist Jonas Hofmann eigentlich eher auf der rechten Angriffseite beheimatet, ich denke aber, dass er alle offensiven Positionen bis auf Stoßstürmer spielen könnte). Auf den zentralen Stürmer-/Halbstürmerpositionen sind neben den gesetzten Raffael und Stindl vor allem Hazard, Hahn und Hofmann denkbar. Und natürlich Josip Drmic, der nach seiner langwierigen Verletzung einen neuen Anlauf beim VfL nehmen wird und muss. Denn selbst wenn es einen Plan gab, ihn schnell wieder zu verkaufen: Derzeit wäre das kaum zu einem akzeptablen Preis möglich.
Bleiben zwei Fragezeichen: Wer ersetzt Branimir Hrgota, der zuletzt nicht einmal mehr auf der Bank saß? Und schafft Marlon Ritter, in der Regionalliga ein Toptorjäger, nun auch den Sprung nach oben? Hier wäre, je nachdem, wie man diese Fragen beantwortet, ein bis zwei Kaderplätze neu zu bestücken.
Unter dem Strich bedeutet das voraussichtlichen Handlungsbedarf auf der Sechserposition und auf einer Stürmerposition. Dies müsste durch einen Topmann im defensiven Mittelfeld und möglicherweise durch einen "Nachwuchs"-Stürmer (wie damals Hrgota) angegangen werden. Inwiefern die Abwehr nochmals verstärkt werden muss oder sollte, liegt mehr an den Personalien Dominguez (Fitness) und Brouwers (neuer Vertrag?) als an dem umworbenen Christensen. Wenn hier noch ein Transfer kommt, dann sicher ein erfahrener Mann, eventuell auch hier einer, der auch im defensiven Mittelfeld einsetzbar wäre. Dass neue Spieler nicht immer Eins-zu-Eins den Abgang ersetzen müssen, zeigt sich zum Beispiel an Lars Stindl, den viele als reinen Kramer-Ersatz eingeordnet hatten. Viel wertvoller ist er auf der offensiveren Position, die er heute bei Borussia bekleidet. Und Dahoud hat die Kramer-Lücke dann vollends geschlossen. Klappt nicht immer, aber bei Borussia hoffentlich immer öfter.
So, das war jetzt viel über die möglichen Baustellen für die neue Saison. Im zweiten Teil will ich - noch spekulativer - ein paar Spieler nennen, die ich für geeignete (und auch realistische) Neuzugänge halten würde (oder auch nicht). Bis dann.
Kompliment. Gut geschrieben und alles durchdacht.
AntwortenLöschenSehr gute zusammenfassung. Kompliment :-)
AntwortenLöschenSehr gute Zusammenfassung.Gut geschrieben und auf den Punkt gebracht.
AntwortenLöschenHinsichtlich der Kaufoption bei Hinteregger bin ich mir unsicher.
Weiter sollte noch zu problematisieren sein, dass wenn ein Weinzierl im Sommer zu haben sein könnte, vielleicht der Eberl ernsthaft um eine Veränderung auf der Trainerposition nachdenken müsste. Solch ein Zeitfenster würde so schnell nicht wieder entstehen.
Ob dies wünschenswert ist, sei mal offen gelassen.
Nur mal so ein Gedanke.
Danke Euch für das Lob.
AntwortenLöschenDurchaus einige Gedanken, die man sich machen kann.
Was Hinteregger angeht, scheint eine Entscheidung noch Zeit zu haben, so zumindest Eberl heute auf der Pressekonferenz. Ich halte ihn für sehr entwicklungsfähig, das hat er bisher auch schon angedeutet. Man darf nicht vergessen, dass der Sprung in die Bundesliga nicht ohne ist und die Abwehr in den ersten Rückrundenspielen auch wenig eingespielt war. Dass man die Option bei ihm nicht zieht, kann ich mir deshalb eigentlich nur dann vorstellen, wenn man stattdessen einen Spieler vom Kaliber Verstergaard oder besser bekommen könnte. Auch das ist natürlich nicht auszuschließen, zumal Hinteregger ja nicht ganz billig wäre.
Die Trainerfrage würde ich von meiner Seite aus nicht stellen. Ob Weinzierl mehr aus dem Kader herausholen könnte, ist schwer zu sagen. Gut, über Schubert heißt es zwar manchmal, dass es Kritik im Verein an ihm geben soll, aber das ist bisher wenig konkret und ich kann es unmöglich bewerten. Das Risiko, ohne Not einen Trainer zu ersetzen, wird man aus meiner Sicht nicht eingehen, wenn nichts Dramatisches passiert. Ich glaube, da hat Borussia auch genug Erfahrungen mit gemacht. Ich sage nur Horst Köppel. Der war damals auch mit einer Rumpel-Mannschaft vergleichsweise erfolgreich, aber nie "sexy" genug. An die Bilanz der ihm jeweils folgenden Herren Advocaat und Heynckes sei an dieser Stelle lieber nicht erinnert. ;-)