2016-08-18

Mission in Bern erfüllt

Länger als von mir geplant war hier diesmal Sommerpause. Warum? Zum einen brauchte ich wohl selbst eine Schreibpause. Und es gab nicht viel, was mich dazu gedrängt hätte, früher in die Tasten zu hauen als heute. Gut - bei den Gerüchten um einen Wechsel von Max Eberl nach München habe ich kurz gezuckt. Und mich dann doch gezügelt. Aber sonst? Die Transfers waren früh eingetütet, es ereignete sich wenig Schlagzeilenträchtiges rund um Borussia. Und was die Aussagekraft von Saisonvorbereitungseindrücken angeht, habe ich in der vergangenen Saison ja selbst so meine Erfahrungen gemacht.

Egal: Gestern hat die Saison 2016/17 für Borussia begonnen - und ich war in Bern live dabei.


Ausgerechnet die Champions-League-Quali als erstes Pflichtspiel. Man hätte sich kaum einen fordernderen Saisonauftakt vorstellen können. Viele Faktoren haben dieses Spiel beeinflusst - und vor aller Kritik und Abwägung gilt es zunächst das nackte Ergebnis zu würdigen. Ein Auswärtssieg, zumal mit drei geschossenen Toren, das ist in den Regeln der Uefa-Wettbewerbe ein Pfund, mit dem sich im Rückspiel wuchern lässt. Damit ist das Weiterkommen noch nicht gesichert, aber doch wahrscheinlich geworden - die Mission von Bern ist also erfüllt. Der zweite Schritt muss im Borussia Park getan werden.

Blickt man nun genauer auf die Leistung des VfL im Spiel gegen Young Boys, darf man in der Bewertung die Umstände nicht außer Acht lassen. Es war ein erstes Saison-Pflichtspiel gegen einen eingespielten und durch den Erfolg gegen Donetsk euphorisierten Gegner. Ein Spiel auf ungewohntem Kunstrasen, das auch eine Anpassung an das eigene Spiel verlangt. Und es war das erste Spiel ohne Stützen wie Xhaka, Nordtveit oder Stranzl, mit Neuen, die sich mit dem eingespielten Rest erst finden müssen. Dass das Zeit braucht, war in den Vorbereitungsspielen zu erahnen.
Für den VfL sprach, dass der Gegner verletzungsbedingt erheblich geschwächt war und der YB-Kader eben nicht so ausgeglichen besetzt ist wie der von Borussia (wo André Schubert zudem personell nahezu aus dem Vollen schöpfen konnte). Ebenso, dass man die Qualität eines Tabellenvierten der Bundesliga höher einschätzen muss als die eines Vizemeisters in der Schweiz.
Am Ende schlug sich dies im Ergebnis nieder. Das 3:1 war Folge einer gnadenlosen Effizienz bei der Verwertung von (nicht mal besonders zwingenden) Torchancen. Es war Belohnung für eine kampf- und laufstarke Leistung des gesamten Teams, für Geduld im Spiel gegen einen geschickt verteidigenden und bisweilen überhart attackierenden Gegner. Dem wirkte der renommierte Fifa-Schiedsrichter Rizzoli leider längst nicht so konsequent entgegen wie in der Verhängung unnötiger gelber Karten gegen die Borussen. Der Sieg im "Stade de Suisse" war aber auch der nötigen Prise Glück geschuldet, die die Mannschaft auf ihrer Seite wusste - etwa mit dem ausbleibenden Abseitspfiff beim vorentscheidenden 2:1 durch Hahn und Raffaels abgefälschten Schuss zum 3:1.
So ganz in der Höhe verdient war der Sieg deshalb unter dem Strich auch nicht. Denn Bern verzeichnete mehr und die klareren Torchancen (Gladbach hatte viele gute Ansätze, aber kaum gefährliche Abschlüsse) und legte mit einigen zielstrebigen Angriffen die Schwächen der Gästedefensive bei schnell vorgetragenen Angriffen schonungslos offen. Mit etwas mehr Effektivität wären die Schweizer nächste Woche mit einer ganz anderen Ausgangsposition nach Mönchengladbach gefahren.

Aber nochmal: Es war das erste Spiel, es war ein schwieriges Spiel, das man aufgrund der angepeilten CL-Teilnahme nicht verlieren durfte. Am Ende steht ein überzeugendes Ergebnis nach einem streckenweise überlegen, meist geschickt geführtes Spiel mit einigen Schwächen, zum Beispiel manchen zu kompliziert vorgetragenen Angriffen, Missverständnissen im Passspiel und kleineren Stellungsfehlern in der Rückwärtsbewegung. Die Aufstellung und Taktik ohne Dahoud, Vestergaard und Hahn in der Startelf ging auf, Kramer und Strobl zeigten im defensiven Mittelfeld ein solides Spiel, hielten die Gastgeber meist effektiv auf dem Weg durch die Mitte auf. Der Dreier-Riegel Elvedi - Christensen - Jantschke sah zwar nicht immer souverän aus, zum Beispiel beim Gegentor, bot aber insgesamt klare und gute Abwehrarbeit. Tony Jantschkes robuste Zweikampfführung fiel dabei positiv auf, die Spieleröffnung und die Pässe im Spiel nach vorn weniger. Der lange verletzte Routinier hat wie alle Borussen noch deutliches Steigerungspotenzial. Das gilt auch für die herausragenden Spieler: Ibo Traoré, der manchen Ballverlust durch tolles Nachsetzen wettmachte und nach vorn zumindest eine Stunde lang ein steter Unruheherd war. Daneben setzten das Torphantom Raffael, der unscheinbare, aber an den entscheidenden Szenen beteiligte Kapitän Lars Stindl und der mit unbändigem Einsatz und Torgefahr punktende André Hahn sichtbare Ausrufezeichen im Konkurrenzkampf.

Champions League-Qualifikation 2016/17: BSC Young Boys Bern - Borussia Mönchengladbach 1:3 (16.8.16)
(Tore für Borussia: 0:1 Raffael, 1:2 Hahn, 1:3 Raffael)

2 Kommentare:

  1. Willkommen zurück aus der Sommerpause, lieber Wortarbeiter!

    Wie immer, auch dieser Beitrag präzise und auf den Punkt formuliert. Was mir noch dazu auffiel: Wenngleich Rizzoli uns diese etwas...hmmmm... merkwürdigen Gelben Karten gegeben hat, dann hat er uns im Gegenzug aber auch das 2:1 zugestanden und das finde ich in dem Kontext viel wichtiger. Das 3:1 in der Fremde kann uns nur in die Karten spielen und ich hoffe, dass sich unsere Mannschaft nun nicht zu sicher fühlt für das Rückspiel. Aber unser Pfund ist nun mal, dass der Borussia-Park normalerweise unsere Festung ist und dass wir dann auch wieder auf "normalem" Rasen spielen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf das Rückspiel und denke, unsere Chancen sind doch recht groß, auch in dieser Saison wieder an den Fleischtöpfen der CL teilzuhaben. Für einen im Vergleich doch recht "kleinen" Club (finanziell gesehen) ist das schon wichtig, um weiter wachsen zu können.

    Beste Grüße, Fohlen

    AntwortenLöschen
  2. Völlig richtig, wobei beim 2:1 eher der Linienrichter die Hauptrolle spielte.

    AntwortenLöschen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.