Ein emotionales Spitzenspiel zum Abschluss der Saison-Ouvertüre, dazu ein Happyend und die ersten drei Bundesligapunkte gegen einen der schärfsten Konkurrenten aus dem vergangenen Bundesliga-Jahr - angesichts der eindrucksvollen Startbilanz mit vier Siegen aus vier Pflichtspielen kann man sich als Borussia-Fan ein breites Grinsen nicht verkneifen. Muss man auch nicht. Auch wenn das Glück in manchen Szenen gegen Bern und Leverkusen auf Seiten des VfL war, so waren die Siege doch allesamt verdient, natürlich auch der etwas schwerfällige im DFB-Pokal.
Was das Leverkusen-Spiel angeht, wäre es sehr bitter gewesen, wenn am Ende nur ein Punkt für die Schubert-Elf zu Buche gestanden hätte. Zwar war der späte Ausgleich der Gäste insgesamt nicht unverdient, doch wäre es nach einem wirklich beeindruckenden Gladbacher Auftritt nicht gerecht gewesen, wenn der zuerst clever erspielte und dann mit viel Kampf verteidigte Vorsprung noch aus der Hand gegeben worden wäre.
Die Borussen spielten in der ersten halben Stunde genau das, was sie vorhatten - sie kontrollierten das Spiel, ließen die gefährlichen Bayer-Offensivkräfte auf- und ins Leere laufen, gar nicht erst ins Spiel kommen. Dabei setzten Kapitän Stindl und seine Crew selbst einige Nadelstiche und verpassten nur knapp die Führung für den VfL. Dann aber hatte die Bayer-Elf den Dreh besser raus und setzte Borussia effektiver unter Druck. Die Ordnung im Gladbacher Spiel ging zuhends flöten. Was in der vergangenen Saison vielleicht noch mit einem Rückstand zur Halbzeit geendet hätte, lief mit der "Borussia 2016" genau andersherum. Ein langer Ball auf Hahn, dankenswerterweise von Abwehrmann Jonathan Tah verlängert und durch den beim Rauslaufen zögernden Torwart Leno begünstigt, und Gladbach schlug eiskalt zu. Das gleiche kurz vor Schluss, als ich eigentlich schon dachte, Borussia hätte nach der aufreibenden kämpferischen und taktisch wilden zweiten Hälfte nichts mehr zuzusetzen. Auch hier waren Johnson, Hazard und Stindl im richtigen Moment gedankenschneller als ihre tüdeligen Gegner und veredelten die tolle Mannschaftsleistung bei tropischen Temperaturen zum verdienten 2:1.
Das legt nahe, dass der VfL in diesen Wochen tatsächlich die Reife einer Spitzenmannschaft erkennen lässt, die nicht nur spielerisch hochwertiges auf den Rasen zaubern kann, sondern auch das Beißen und Rackern annimmt, wenn es nötig ist und in der Hektik eines Pressing-Spiels wie am Samstag kühlen Kopf bewahren kann. Das wird nicht immer gelingen, aber mit dem erfolgreichen Kaltstart haben sich die Jungs, im übrigen fantastisch unterstützt vom Publikum, eine hervorragende Ausgangsposition für die weitere Saison geschaffen. Und alle scheinen geerdet genug, dass sie deswegen jetzt nicht abheben. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass man erwähnt, wer Gladbach im vergangenen Dezember mit 5:0 regelrecht zerlegt hatte: es waren vor allem die am Samstag fehlenden Chicharito und Kießling. Mit ihnen wäre es für die junge Borussen-Abwehr sicher noch eine größere Aufgabe geworden, die Übersicht zu behalten. Andererseits konnte sich die Bayer-Offensive mit Bellarabi, Volland, Calhanoglu und Kampl natürlich auch so mehr als sehen lassen.
Ach ja: Der wohl unvermeidlichen Diskussion über vermeintliche Fehlentscheidungen zugunsten Borussias im Spiel gegen die "Pillen" lässt sich kühl entgegnen, dass das Schiedsrichtergespann aus meiner Sicht bei allen wichtigen Szenen richtig lag. Der von mir grundsätzlich immer wieder gern kritisierte Schiri Brych und seine Assistenten hatten recht bei der kniffligen Entscheidung beim Foul an Johnson, das außerhalb des Strafraums geschah und demnach auch nicht mit Elfmeter geahndet wurde. Richtig war auch, den Ringkampf von Vestergaard mit seinem Leverkusener Gegenspieler beim Eckball nicht als Foulspiel zu werten und demzufolge auch keinen Elfmeter für Gladbach zu pfeifen.
Aus meiner Sicht war es zudem korrekt, nach dem "Handspiel" von Andreas Christensen im Strafraum weiterlaufen zu lassen, da klar erkennbar war, dass Christensen seinen Arm vom Ball noch wegzieht und ihn höchstens leicht berührt.
Es war weiter völlig in Ordnung, den Freistoß von Kramer vor dem 1:0 laufenzulassen, da selbst in Zeitlupe nur schwer aufzulösen ist, ob der Ball "ruhte" oder sich vielleicht doch noch einen halben Zentimeter bewegt hat, bevor Kramer ihn berührte. Und wer beim 2:1-Siegtreffer von Stindl auf Abseits plädiert, ignoriert wissentlich die Grenzen der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit. Linienrichter sind wirklich schon extrem gut geschult, wie die vielen korrekten Entscheidungen Woche für Woche beweisen. Aus meiner Sicht muss man aber endlich aufhören, einen im Laufduell eventuell ein paar Zentimeter vorstehenden Angreiferfuß, -bauch oder -kopf zum Entscheidungskriterium zu machen, zumindest, wenn damit nicht unmittelbar ein Torschuss erfolgt und sich der Stürmer so einen unerlaubten Vorteil verschaffen würde.
In der fraglichen Szene, die sich gut 30 Meter vor dem Tor abspielte, gaben selbst die Sky-Experten zu, fünf Minuten nach einer Kamera-Einstellung gesucht zu haben, die eine Abseitsposition nahelegte. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, dann einigermaßen rechthaberisch auf Abseits zu entscheiden, wissend, dass die Echtzeit-Entscheidung des Schiedsrichter-Assistenten den technischen Mitteln der Kameras im Stadion unterlegen ist und auch damit nicht immer zweifelsfrei Klarheit geschaffen werden kann. Wenn ich die Interpretationen in solchen Szenen beobachte, da wünsche ich dann schon mal viel Spaß mit dem demnächst einzuführenden Videobeweis.
Dass ich mit dem Schiedsrichtergespann dennoch nicht zufrieden war, lag einmal mehr an der unterschiedlichen Gewichtung der Vergehen auf beiden Seiten. Die gelben Karten für Borussia, zweimal wegen Fouls gegen Kramer und Strobl sowie für Stindl nach dem Handgemenge mit Bellarabi, waren zweifelsfrei in Ordnung. Warum aber Wendell und Toprak nach mehreren teilweise groben und taktischen Fouls das Spielende auf dem Platz erlebten, erschließt sich mir nicht. Dass in der Szene mit Stindl die Aggressionen von zwei Leverkusener Spielern ausgingen, aber nur Bellarabi verwarnt wurde, der Stindl mit beiden Händen (schon fast rotwürdig) zu Boden stieß, passt in dieses Bild. Dazu kamen einige Mätzchen, wie das Blockieren von Freistößen, serienweise falsche Einwürfe oder Einwürfe mit teilweise 20 bis 25 Metern "Raumgewinn", die auf Gästeseite überhaupt nicht geahndet wurden. Aber letzlich hatte dies zum Glück keinen Einfluss auf den Spielausgang, sodass ich mich nicht länger darüber aufregen muss. Gesagt haben wollte ich es aber mal.
Bundesliga 2016/17, 1. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Bayer Leverkusen 2:1
(Tore für Borussia: 1:0 Hahn, 2:1 Stindl)
Guter Kommentar. Danke auch für die Ausführungen bezüglich Zeitlupen, Lupen, Kamera-Einstellungen und aller Experten, die dann unbedingt "Recht haben" müssen. Hinterher - und nicht in Echtzeit - kann man immer ganz toll dastehen!
AntwortenLöschenGleiches gilt auch für die Argumentation wegen "Abseits" oder "nicht Abseits", wenn es um eventuell minimal hervorstehende Körperteile wie Zehen, Ohren oder Bäuche (haben Fußballer dicke Bäuche??) geht. Wo ist da "im Zweifelsfall für den Angreifer" geblieben?
Nun denn. Unter dem Strich: Ein verdienter Sieg und wichtige drei Punkte - für die Tabelle, für den Kopf und auch für die wirklich gute Unterstützung durch die Fans. Die Lautstärke im Stadion war teilweise wirklich beeindruckend. Gruß, Fohlen
Guter Kommentar. Danke auch für die Ausführungen bezüglich Zeitlupen, Lupen, Kamera-Einstellungen und aller Experten, die dann unbedingt "Recht haben" müssen. Hinterher - und nicht in Echtzeit - kann man immer ganz toll dastehen!
AntwortenLöschenGleiches gilt auch für die Argumentation wegen "Abseits" oder "nicht Abseits", wenn es um eventuell minimal hervorstehende Körperteile wie Zehen, Ohren oder Bäuche (haben Fußballer dicke Bäuche??) geht. Wo ist da "im Zweifelsfall für den Angreifer" geblieben?
Nun denn. Unter dem Strich: Ein verdienter Sieg und wichtige drei Punkte - für die Tabelle, für den Kopf und auch für die wirklich gute Unterstützung durch die Fans. Die Lautstärke im Stadion war teilweise wirklich beeindruckend. Gruß, Fohlen
So sehe ich das auch, die stimmliche Wucht und der mit der Dramatik des Spiels steigende Anfeuerungs-Pegel der Fans kamen selbst vor dem Fernseher hervorragend rüber. Top-Support im Borussia Park!
AntwortenLöschen...ich schätze mal - ich war im Stadion dabei - wer DIE teilweise Lautstärke am TV nicht gehört hat, der ist schwerhörig. Ab und an war es recht ruhig,aber im entscheidenden Moment konnte man akustisch eine Monsterwelle sehen und fühlen. Das war richtig gut!
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