Ich habe mir vor längerer Zeit abgewöhnt, Bundesligapunkte von Borussias Gastspielen in Freiburg zu erwarten. Zu schlecht waren meist die Leistungen der Borussen, egal wer auf dem Platz stand. Und zu schlecht natürlich stets die Resultate. Ob es an der Schwarzwaldluft liegt, an dem engen Stadion, das Hektik besonders gut auf Gegner zu übertragen scheint - ich weiß es nicht. Aber weil ich das über viele Jahre so erlebt habe, war der Ausgang des Spiels für mich auch nicht so eine Überraschung wie für jenen Teil der Fußballwelt, die im Breisgau nur das Duell Aufsteiger gegen Champions-League-Teilnehmer vor Augen hatten. Unnötig zu erwähnen, dass ich aus diesem Grund gut auf den SC Freiburg in der Bundesliga verzichten könnte, auch wenn ich höchsten Respekt davor habe, was der Verein mit begrenzten Mitteln über so lange Zeit schon fertigbringt.
Die Geschichte der ersten Saisonniederlage des VfL ist auch heute leicht erzählt. Wenn man so viele (erzwungene und doch vermeidbare) Fehler macht und sich von dem oft über-aggressiven Spiel des Gegners verunsichern lässt, kann das passieren. Dann werden Pässe hektisch und schlampig gespielt und bringen den Mitspieler in die Bredouille. Dann ist angesichts des meist schon aus zwei Metern Entfernung auf einen zugrätschenden Gegenspielers der Blick für den richtigen Pass nicht da, man geht auf Nummer sicher und spielt hintenrum, wo ein einfacher Pass in die Spitze die ganze Abwehr des Gegners aufreißen könnte.
Es war auffällig, dass alle drei Gegentore auf eine lange nicht mehr gesehene, bundesligauntaugliche Zweikampfführung zurückgehen. Doch wären sie dort nicht gefallen, hätte Freiburg auch eine der anderen Chancen nutzen können, zu denen der VfL mit zu passiven Abwehraktionen eingeladen hatte. Natürlich wollte man möglichst gefährliche Standardsituationen rund um den Strafraum vermeiden, auf die die Freiburger ja auch überdeutlich aus waren. Aber wenn die Angreifer aus diesem Grund dann immer wieder frei zum Schuss kommen können, stimmt eben auch etwas nicht.
Das Chancenverhältnis fiel sehr eindeutig zugunsten der Breisgauer aus und somit war auch der Sieg hochverdient. Borussia fand offensiv nur drei, viermal einen Weg durch die Abwehr der Gastgeber. Mit nur einem Torschuss als Führender in die Pause zu gehen, war schon ein Kunststück. Aber über die gesamte Spielzeit war das definitiv zu wenig, um zu gewinnen - auch wenn Darmstadt an diesem Spieltag in dieser Beziehung gezeigt hat, dass es doch geht.
Ich kann mich nur wiederholen. Es tut selten gut, wenn wochenlang über den tollen Saisonstart des VfL geschwärmt und über mögliche Startrekorde und die Champions League gesprochen wird. Teams wie Freiburg sind für Borussia gefährlicher als Manchester oder Barcelona. Weil sie willens und in der Lage sind, den feinen Fußball von Hazard, Raffael und Co. einfach kaputtzubeißen, -klammern, -grätschen. Andere Spitzenmannschaften, auch Leverkusen, wollen ihr Spiel durchbringen und lassen dem Gegner zumindest etwas Raum zum Entfalten. Die Underdogs der Bundesliga nicht. Und das tut nicht nur in jedem Zweikampf aufs Neue weh.
Schön wäre es sicher gewesen, wenn Schiedsrichter Harm Osmers bei seinem Bundesliga-Debüt rigoroser durchgegriffen hätte. Aber Borussia kann nach den einschlägigen Erfahrungen mit Ingolstadt und Darmstadt in der vergangenen Saison keine mildernden Umstände erwarten, auch wenn den Spielern in der ersten Hälfte in den Zweikämpfen einige Ungerechtigkeiten widerfuhren und es eine Ironie des Spiels war, dass ausgerechnet Raffael der erste Spieler in diesem Spiel war, der die Gelbe Karte sah - nach dem ersten Foul.
Aber nochmal. Dass die Schubert-Elf von Gegnern im Zerstörermodus am effektivsten gestoppt werden kann, ist bekannt. So langsam müsste die Mannschaft in der Lage sein, darauf die richtige Antwort zu finden -noch schneller abzuspielen, das Tempo hochzuhalten und vor allem den Mut zu haben, die überraschenden Bälle einzustreuen, die auch eine kompakte Abwehr überwinden können.
Nervosität, wie sie nicht nur Nico Elvedi heute zeigte, oder unerklärliche Zurückhaltung in den Zweikämpfen, sind Gift für so ein Spiel. Das wissen jetzt auch Christensen und Strobl, die heute jeweils ihre wohl gruseligste Leistung im Borussentrikot boten, hoffentlich auch Wendt, der seine gewohnte Form auch heute nicht fand und Offensivwirbler wie Traoré und Hazard, denen man den zunehmenden Frust während des Spiels ansah. Dass auch die Eingewechselten, allen voran Jannik Vestergaard, heute keine Werbung für einen Startelfeinsatz machten, kam erschwerend hinzu. Aber im Gegensatz zu allen Schlagzeilen, die in den nächsten Tagen die Verbindung ziehen werden. Dieses Spiel und das am Dienstag in Manchester haben nicht viel miteinander zu tun.
Die Gegner sind nicht zu vergleichen, es lohnt sich auch nicht, Erkenntnisse aus diesem Spiel auf das in der Champions League zu übertragen. Auch nicht, ob Mo Dahoud von Strobls schwarzem Schwarzwaldtag profitieren und in die Startelf zurückkehren wird.
Denn sicher hätte der junge Mittelfeldspieler heute mit seiner Raffinesse, sich aus verzwickten Spielsituationen zu befreien, gut getan. Doch die nüchterne Stabilität in der Defensive, die sein Konkurrent, abgesehen vom heutigen Spiel, bisher gezeigt hat, hat eben auch etwas für sich. Man darf also gespannt sein, wie Schubert für Dienstag plant.
Alles in allem war also am Ende alles so wie immer. wenn es in den Breisgau geht. Unterschied zu den unerfreulichen Auftritten vor 2011: Man kann das Spiel schnell abhaken - in drei Tagen wartet schon die nächste Aufgabe. Und die ist, bei allem Respekt für die tapferen Läufer und Kämpfer aus Baden, zum Glück eine ganz andere Herausforderung. Und die wird den Borussen hoffentlich besser liegen.
Bundesliga 2016/17, 2. Spieltag: SC Freiburg - Borussia Mönchengladbach 3:1
(Tor für Borussia: 1:0 Hazard)
Sehr treffende Analyse, danke.
AntwortenLöschenIn einem anderen Forum habe ich geschrieben: "Ein Schuss vor den Bug zur rechten Zeit!"
Ich fand es unglaublich, dass wir nach dem ersten Spieltag als möglicher Meisterkandidat, und wenn nicht, als Bayernverfolger Nummer 1 tituliert wurden.
DENN, wie Du sehr treffend schreibst: "Dass die Schubert-Elf von Gegnern im Zerstörermodus am effektivsten gestoppt werden kann, ist bekannt. So langsam müsste die Mannschaft in der Lage sein, darauf die richtige Antwort zu finden - noch schneller abzuspielen, das Tempo hochzuhalten und vor allem den Mut zu haben, die überraschenden Bälle einzustreuen, die auch eine kompakte Abwehr überwinden können."
All das und auch einiges mehr fehlte am Samstag, leider.
Das ist es aber auch, was mir ein bisschen Angst macht: kann Schubert die Spielenden in der Halbzeitpause (trotz Führung) nicht auf "Überraschungen“ (und sei es „Kratzen, Beißen, Treten") einstellen?
Nun ja, die Saison ist noch früh, warten wir es ab…
Na, so langsam wird es ja, oder? ;-)
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