2016-09-15

Untergetaucht

Wenn man als Kind im Schwimmbad untergetaucht wurde, war das manchmal spaßig, oft aber auch ziemlich doof, vor allem, wenn man davon überrascht wurde. Denn was passiert dabei? Jemand anders ist stärker oder geschickter und drückt einen trotz Gegenwehr so unter Wasser, dass man kurz die Orientierung verliert, sich vielleicht noch verschluckt und prustend und gerädert wieder auftaucht. Was das mit Borussias drittem Treffen mit Manchester City innerhalb eines Jahres zu tun hat, kann man sich denken. (Und natürlich kommt kein Bericht über diese unwettergetränkte Dienstreise ohne eine entsprechende Wasser-Metapher aus, ist ja klar).

Ich kann mich fürchterlich über unverdient verlorene oder grausam schlechte Auftritte meiner Mannschaft aufregen. Gestern bin ich ganz ruhig geblieben. Dafür war die Sache zu schnell zu klar. Der durch die Euphorie der zweiten Champions-League-Teilnahme in Folge ein wenig optimistisch weggewünschte Klassenunterschied zu den Schwergewichten dieser Liga war an diesem Abend so offensichtlich wie in der ganzen vergangenen Saison nicht, sodass man - nach 8 ordentlichen Minuten - nur bangen konnte, dass sich der VfL nicht eine ähnliche Klatsche abholt wie Celtic einen Tag zuvor beim 0:7 in Barcelona.

Natürlich habe ich Ideen, woran das lag. Wenn man mal die Unterschiede in der finanziellen Potenz und dementsprechend in der Qualität der beiden Kader als offensichtlich beseiteschiebt, heißt eine Antwort auf die Frage nach dem Warum sicherlich Pep Guardiola. Der hat sich im vergangenen Jahr mit einem auf City-Niveau getunten Fußballer-Ensemble des FC Bayern zweimal gegen Gladbach die Zähne ausgebissen. Dass man glaubt, den Katalanen, ein Jahr später mit der gleichen Taktik ein drittes Mal gegen die Wand laufen lassen zu können, ist aus meiner Sicht dann schon ein bisschen zu optimistisch. Die Schubertsche Dreierkette mit zwei aufopferungsvoll kämpfenden Außenverteidigerstürmern, bissigen zentralen Mittelfeldabfangjägern und einem Toptorwart als Trumpf hat damals auch gegen die Bayern schon viel Glück des Tüchtigen gebraucht. Es hätte damals genausogut so bitter enden können wie gestern in Manchester.

Zu einem dritten Coup gegen Guardiola fehlte diesmal einiges. Nicht hilfreich war sicher, dass Guardiola die Aufstellung und somit die Taktik schon einen Tag früher kannte. Aber entscheidender war die nicht ausreichende Form wichtiger Schlüsselspieler. Oscar Wendt wirkt seit Wochen fahrig, unsicher in der Verteidigung und ist offensiv eher Hemmschuh denn Antrieber auf der linken Seite. Ganz schwach, wie er bei den wenigen guten Angriffen frei angespielt wurde und die mögliche Torchance umständlich und mit den falschen Pässen "beerdigte".
Nico Elvedi war mit der Aufgabe, den hervorragend aufgelegten Sterling aufzuhalten und gleichzeitig nach innen abzusichern, völlig überfordert. Im vergangenen Jahr hatte Julian Korb gegen City diese Aufgabe in der Viererkette und kam deutlich besser zurecht. Insofern war der Wechsel nach dem 0:2 auch folgerichtig und brachte etwas mehr Stabilität.
Vor allem aber brach das defensive Mittelfeld unter dem Druck von Gündogan und Co völlig zusammen und gab Raum preis, der die Abwehr dann von einer Verlegenheit in die nächste stürzte. Kramer braucht noch Zeit, Dahoud kommt erst langsam wieder in Schwung, Strobl war zwar bemüht, aber wie alle immer einen Tick zu langsam gegen die beeindruckend dominanten Gastgeber. Innerhalb von zwanzig Minuten stand es nicht nur verdientermaßen 0:2, zugleich war die ganze Gladbacher Herrlichkeit und das schon in Freiburg angekratzte Selbstvertrauen zum Einsturz gebracht. Stindl, Johnson, Hahn und Raffael rieben sich damit auf, Löcher zuzulaufen, während die Gastgeber mit geschicktem Passspiel und konsequentem Forechecking immer neue aufrissen. Hätte nicht Yann Sommer in Weltklasseform die Übersicht behalten und mit Abstrichen noch Andreas Christensen - man möchte es sich nicht ausmalen. Ärgern kann man sich darüber, dass man sich in der Nachspielzeit noch ein solch billiges Gegentor einfängt, wo der Stürmer sich seelenruhig aus fünf Metern die Ecke aussuchen kann, aber letzlich macht auch das den Bock nicht mehr fett.

So muss man das Spiel schnell abhaken, unter der Rubrik "Erfahrungen". Jeder weiß, dass Borussia nicht mit solchen Teams auf Augenhöhe ist. Auch wenn man es sich immer wieder erhofft. Die guten Auftritte gegen Juve, City und in der Bundesliga gegen Bayern in der vergangenen Saison, auch die gute Bilanz gegen den "Pep" wirkten da vielleicht etwas verklärend. Sie haben gezeigt: Um mitzuhalten, muss beim VfL jedes Rädchen gut geschmiert ins andere greifen, während sich die großen Teams auch mal aus einem schwächeren Spiel unbeschadet herausretten können.
Ersteres ist bei Borussia derzeit nicht der Fall, letzteres bei Manchester gestern auch nicht. Das bedeutet viel Arbeit fürs Trainerteam. Denn Freiburg wie die Guardiola-Truppe haben Borussias Konkurrenten ziemlich deutlich vor Augen geführt, wie man Raffael und Co. stoppt. Ähnlich hat der nächste Gegner Bremen auch im Pokal gegen uns gewonnen. Das lässt für Samstag nicht unbedingt Gutes ahnen, auch wenn die Bremer sicher auch ihre eigenen Probleme haben.
Dass noch nicht alles passt, muss man hinnehmen, die Mannschaft hat sich einfach im Vergleich zum Vorjahr verändert. Aber in solchen Situationen, am Umgang mit Rückschlägen zeigt sich auch, ob das Trainerteam Antworten hat und auch, ob die Spieler bereit sind, ihren Worten über die gute Stimmung und das freundschaftliche Miteinander in der Mannschaft Taten folgen zu lassen und sich über die Grenzen hinaus für den anderen (und die Fans) reinzuwerfen. Denn das ist das einzige, was mir in den vergangenen beiden Spielen wirklich ein bisschen gefehlt hat: ein gesunder erkennbarer Trotz, die Entschlossenheit, die Widrigkeiten (Freiburger Spielweise, Spielausfall und das ganze Drumherum in Manchester) anzunehmen und zu zeigen: Jetzt erst recht! Das wünsche ich mir für Samstag. Denn sonst könnte aus dem prima Saisonstart schnell lähmende Ratlosigkeit und Krisenstimmung werden - wie die, die zu Favres Rückzug im vergangenen Herbst geführt hat.

Champions League, Gruppenphase, 1. Spieltag: Manchester City - Borussia Mönchengladbach 4:0

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