2016-11-19

Noch mehr Scheiße am Schuh

Klar, dieses Ergebnis frustriert. Wieder einmal. Zumal es gegen K*ln ist und die wohl auch in ein paar Wochen noch nicht wissen werden, wieso und wie sie die drei Punkte bekommen haben.
Dennoch sollte man auch im Fanlager der Borussia nach einer der ungewohnten Derby-Niederlagen weiter klaren Kopf bewahren und nüchtern analysieren. Wer nach so einem Spiel den Kopf des Trainers fordert, das sage ich in dieser Deutlichkeit, hat meiner Meinung nach keine Ahnung von Fußball.

An dem Spiel unserer Mannschaft habe ich heute im Prinzip nicht viel auszusetzen, was das Ganze ja noch ärgerlicher macht. Die erhoffte Dominanz, das hochklassige Passspiel, die Bewegung nach vorne und nach hinten war gut, bis auf eine Phase nach der Halbzeit, als man Köln zu viel Leine ließ. Nach Torchancen wäre ein 7:1 ohne weiteres realistisch gewesen, wobei bis zur Halbzeit eine 3:0-Führung eigentlich schon Pflicht war. Pustekuchen. Nicht zum ersten Mal. Die Abschlussschwäche ist das, was Gladbach im Moment abgeht und was die Mannschaft und den Trainer unnötigerweise in Erklärungsnöte bringt. Doch die Effektivität vor dem Tor - die zu Beginn der Saison ja durchaus da war - lässt sich auch nicht allein durch Training erarbeiten oder durch Zuruf von der Trainerbank erzwingen. Die Chance ist aber groß, dass sie auch über Nacht wiederkommt.

Die Torwartschelte, die im Netz schon nach dem Schlusspfiff einsetzte, mache ich nicht mit. Yann Sommer hält in diesem Jahr nicht so viele "Unhaltbare", wie man es schon von ihm im VfL-Trikot gesehen hat - das ist wahr. Aber die Schuld für die heutigen Gegentore sollte man nicht ihm geben. Das Siegtor von Risse war für mich unhaltbar, der Ball driftete ja in der Schussbahn fast einen Meter zur Seite. Sommer stand auch nicht falsch, da er mit der Flanke rechnen musste. Das war einfach einer aus der Kategorie unverdient und "dumm gelaufen", genauso wie das erste Gegentor, bei dem Vestergaard Modeste anköpfte und Sommer kaum noch eine Möglichkeit hatte, zu reagieren. Diese Art Gegentore gab es allerdings in dieser Saison schon ein bisschen zu häufig. Auch das etwas, was schwer im Training abzustellen ist. Was es nicht unbedingt besser erträglich macht.

Wenn man die Schuld für die Gegentore suchen will, muss man beim 1:2 den Freistoß verhindern (was vielleicht gegangen wäre). Beim ersten war das Übel, dass der Gegner wieder einmal ungehindert flanken konnte und in der Mitte ein Innenverteidiger gegen zwei Stürmer stand. Das kann man besser lösen, aber auch ein solcher Fehler muss mal passieren dürfen, ohne das man gleich das ganze Spiel verliert. Und mehr als die beiden Tore brachte K*ln offensiv ja auch nicht auf die Reihe. Dass die Gäste mehr auf Flanken setzen wollten, weil sie im Spiel selbst wenig Zugriff hatten, deutete sich aber schon früh nach der Halbzeit an. Köln bekam durch den Wechsel Lehmann zu Rudnevs vorne plötzlich mehr Räume und versuchte so verstärkt Modeste ins Spiel zu bringen. Bis auf das Tor, für das er nicht viel konnte, hatte er heute ansonsten wenig Spaß am Spiel, weil Elvedi und Vestergaard (beide heute wieder sehr souverän) und Christensen (mit ein paar Unsicherheiten, aber solide) konsequent in die Zweikämpfe gingen.

Ich könnte noch eine Weile philosophieren, wer heute gut oder schwächer war, und ob es nötig war, Traoré und Dahoud gegen den Chancentod Johnson (der ohnehin derzeit keine glückliche Phase hat) und unseren treuen Tony Jantschke auszuwechseln. Unerklärlich oder falsch fand ich es nicht, auch nicht den Wechsel von Hazard zu Hahn.

Was mir aber viel mehr Sorgen macht, ist die Reaktion der Fans heute in dieser Szene und während des Spiels im Stadion (und auch schon in Spielen vorher, bei denen ich vor Ort war). Ich war heute nicht in Mönchengladbach, habe somit keinen direkten Eindruck vom Geschehen auf den Rängen. Unüberhörbar waren allerdings auch im TV-Stadionton die Pfiffe bei der Auswechslung von Dahoud, spürbar auch der mäßige Support vor allem in der Schlussphase, als es doch um alles ging - im angeblich "wichtigsten Spiel des Jahres".

Da wird der junge Dahoud nach einem ordentlichen Spiel und großer Laufleistung mit Pfiffen nach draußen begleitet und "Fußballgott" Jantschke mit solchen empfangen, nur weil manchem Schuberts Wechsel nicht passte. Geht's eigentlich noch? Und warum steht das Stadion kurz vor Schluss nicht auf und feuert die Mannschaft nochmal ohne Rücksicht auf Verluste an, wenn das Spiel auf des Messers Schneide steht? Was soll ich von "Fans" halten, die in der 85. Minute im Derby das Stadion verlassen? Was wollen wir denn? Wollen wir der geilste Club der Welt sein oder eine Ansammlung von Schönwetter-Fans, die Daumen hoch oder runter machen, wie es ihnen gerade passt? Dazu kommt das gefährliche Gegrummel in den sozialen Netzwerken, das zu einer sehr giftigen Mischung werden kann, vor allem wenn der Status "Scheiße am Schuh" den Jungs um Lars Stindl noch weiter erhalten bleibt.

Ich weiß, das ist immer noch eine Minderheit, aber es stört empfindlich die Stimmung im Stadion und hemmt die, die der Mannschaft nochmal einen Kick geben wollen. Gegen Barcelona war es ähnlich, da wurde schon nach einer Minute "Steht auf, wenn ihr Borussen seid" gefordert, und als die Gäste das Spiel gedreht hatten, wurde die Unterstützung von den Rängen von Minute zu Minute weniger und war am Ende matter als die Spieler auf dem Rasen. Das kann es doch nicht sein. Dass der Borussia Park eine "Festung" geworden ist, vor der die Gegner Respekt haben, das hat ein gutes Stück mit  Fans zu tun, die ihrer Mannschaft bedingungslos den Rücken stärken und sie nicht mit tausendfachem Murren noch (weiter) verunsichern. Diesen Vorteil sollten wir uns alle und der Mannschaft nicht nehmen lassen.
Und es wird höchste Zeit, diesen Schulterschluss wieder zu schaffen. Gegen Man City kann es (fast) ohne Druck "geübt" werden, gegen Hoffenheim am Samstag wird es wirklich ernst. Wie sich Borussia - Mannschaft wie Fans - da präsentiert, weist die Richtung für den Rest der Saison.  

Ach ja. Da war ja noch etwas: Der Schiedsrichter. Manuel Gräfe hat für meine Begriffe heute ein eigentlich sehr gutes Spiel gemacht. Doch bei zwei Szenen lag er leider - möglicherweise vorentscheidend - daneben. Zum einen hätte Hazard in der Anfangsphase einen Elfmeter bekommen müssen. Heintz brachte ihn zu Fall, der Kölner war nicht ansatzweise am Ball - das ist ein Strafstoß, sonst nichts.
Die zweite Szene war das Einsteigen von Lehmann gegen Dahoud vor der Pause, für das es keine andere Entscheidung geben darf als Rot. Der Spieler hatte keinerlei Chance, den Ball zu spielen, er hatte es nur auf die Gesundheit des Gegners abgesehen. Da gibt es nur eine richtige Entscheidung.
Ob das die Borussen heute auf die Siegerstraße gebracht hätte, ist Spekulation. Und natürlich ist Gräfe deshalb nicht an der Niederlage schuld. Aber es gehört zu einer Reihe von Entscheidungen, die den VfL in dieser Saison schon benachteiligten.
Und das passt wiederum irgendwie in das Bild vom Ritter von der traurigen Gestalt, das Borussia im Moment abgibt. Wenn vorne das Glück fehlt oder Chancen leichtfertig vertan werden; wenn hinten immer wieder der Ball auf seltsame Weise ins eigene Tor fällt; und wenn dann auch noch Schiri-Entscheidungen immer wieder gegen uns fallen: Dann muss man gewarnt sein. Denn eine Kombination davon kann gefährlich werden. Selbst für Mannschaften, die eigentlich zu gut sind, um abzusteigen.

Bundesliga 2016/17, 11. Spieltag (19.11.16): Borussia Mönchengladbach - 1. FC K*ln 1:2 (Tor für Borussia: 1:0 Stindl)

6 Kommentare:

  1. Wenn hier einer ein Chancentod ist, dass ist es ja wohl Hazard. Wenn er in der ersten Halbzeit nicht so stümperhaft abschließt, dass steht es zur Halbzeit 3:0 und gut ist.

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  2. Du hast recht, im Moment trifft der Vorwurf auf die meisten zu. Aber bei Johnson fiel mir in den vergangenen Spielen besonders auf, dass er immer wieder hervorragend freigespielt wurde, aber bis auf das Tor gegen Stuttgart einfach nichts daraus gemacht hat. Er ist im Moment bei weitem der torungefährlichste Offensivspieler. Das war letzte Saison noch anders.

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  3. Da hat Gary recht. Über Hazard wird überall gesagt geschrieben das er eine gute Saison spielt, aber was der schon an Chancen vergeben hat...
    Und wenn er bei der ersten Großchance den Ball zum blanken Wendt rübergeschoben hätte.....
    Aber was hilfts. Irgendwann muß sich das Blatt auch mal wieder wenden.

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  4. Mit deiner Ansicht, Sommer habe keine Schuld an den Gegentoren, stehst du (mit Ausnahme von Uwe Kamps, der bisher noch jeden Keeper von Borussia schlechter gemacht hat) ziemlich alleine da. Sowohl bei der RP als auch bei torfabrik bekommt unser Keeper mit Recht eine glatt 5! Wenn man schon für einen guten Torwart 10 Zentimeter zu klein ist, sollte man wenigstens durch gutes Stellungsspiel und Sprungkraft überzeugen können. Beides hat Sommer beim Freistoß von Risse völlig vermissen lassen. Letzte Saison hat er überzeugt, diese Saison gehen mindestens 6-8 Tore komplett auf seine Kappe!

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  5. Mit deiner Ansicht, Sommer habe keine Schuld an den Gegentoren, stehst du (mit Ausnahme von Uwe Kamps, der bisher noch jeden Keeper von Borussia schlechter gemacht hat) ziemlich alleine da. Sowohl bei der RP als auch bei torfabrik bekommt unser Keeper mit Recht eine glatt 5! Wenn man schon für einen guten Torwart 10 Zentimeter zu klein ist, sollte man wenigstens durch gutes Stellungsspiel und Sprungkraft überzeugen können. Beides hat Sommer beim Freistoß von Risse völlig vermissen lassen. Letzte Saison hat er überzeugt, diese Saison gehen mindestens 6-8 Tore komplett auf seine Kappe!

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  6. Lieber frankthehank,
    das ist ja das Schöne am Fußball: Dass man Szenen unterschiedlich bewerten kann. Ich lasse andere Meinungen gelten, bleibe aber bei meiner Einschätzung. Im übrigen hat auch der gegnerische Torwart Sommer in Schutz genommen (wie andere Ex-Torleute auch). Ist vielleicht auch eine Frage der Sichtweise. Beim ersten Tor konnte er aber wirklich nix machen. Und die Notengebung mag ich auch nicht. Wenn ein Torwart sich außer in diesen zwei Szenen nicht auszeichnen konnte und über die anderen beiden diskutiert werden kann, ist mir die Benotung zu hart. Aber Torleute müssen wohl damit leben, auch wenn die eigentlichen Fehler von anderen gemacht wurden. P.S. Ich war kein aktiver Torwart, sondern Stürmer ;-)

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