2018-06-13

Zwei Neue und viele Fragen

So, es geht voran - transfertechnisch zumindest. Zwei Abgänge, einer verständlich und menschlich schmerzend, der andere weniger. 
Um Raul Bobadilla tut es mir leid, es ist dennoch für beide Seiten ein vernünftiger Schritt. Bei Vincenzo Grifo bin ich zwiegespalten. Einerseits hätte ich seine Fähigkeiten gern weiter in unserem Kader gesehen, weil wir gute Standardschützen nicht wie Sand am Meer haben und auch seine unberechenbare Art, in Zweikämpfe zu gehen, eine wichtige Waffe sein kann. Andererseits hat Grifo diese Stärken im vergangenen Jahr sehr spärlich gezeigt. Er konnte sich gegen die Konkurrenten auf seinen Positionen in der abgelaufenen Saison nicht durchsetzen, obwohl auch diese ihre Form-Durchhänger hatten. 
Lag das an ihm? Lag es daran, dass Hecking nicht genug auf ihn gesetzt hat? Vermutlich etwas von beidem. Doch seine Flucht aus Gladbach nur Tage nach der erneuten Bekräftigung, er wolle sich bei Borussia durchsetzen, spricht Bände. Wenn ein Spieler lernen will, besser werden will, dann helfen ihm auch solche Phasen in der Karriere, wo man für seine Chance kämpfen muss. 
Dazu war Grifo offensichtlich nicht bereit (genug) und sein Flirt mit gleich mehreren Vereinen zeigt auch, dass die überschwänglichen Worte, mit denen er beim VfL und jetzt in Hoffenheim antrat, nicht mehr waren als Floskeln. Natürlich ist es schade, weil man jetzt nie erfährt, ob mehr drin gewesen wäre, andererseits tröste ich mich wie im Fall Nico Schulz damit, dass der Spieler den Konkurrenzkampf nicht angenommen hat und somit auch für die Mannschaft keine mentalitätsstärkende Wirkung gehabt hätte.
Man kann dem ansonsten sehr sympathischen Grifo also alles Gute (nur nicht gegen uns) wünschen. Aber für ihn ist in Gladbach sicher kein Ehrenplatz reserviert wie für Boba, den hier auch in zehn Jahren noch alle mögen werden, obwohl er sportlich im VfL-Trikot keine Bäume ausgerissen hat.

Der jetzt doch erstaunlich schnelle Verkauf von zwei Offensivspielern, die im ersten Jahr "nicht funktioniert" haben, werfen allerdings auch auf grundsätzliche Fragen zu den Hintergründen der Kaderzusammenstellung vor der vergangenen Saison auf. Denn dass beide ihre Glanzleistungen bei Augsburg und Freiburg in einem völlig anderen Spielsystem gebracht haben, nämlich in einer auf Konter, nicht auf Ballbesitz ausgerichteten Taktik, das muss doch jedem bei Borussia klar gewesen sein. Hat man sie also geholt, weil sie erschwinglich waren oder mit einem klaren Plan? Es ist anzunehmen, dass es letzteres war. Und damit sind wir wieder beim leidigen Thema: Hätte es geklappt, wenn die Verletzungen (gerade auch bei diesen beiden) nicht gewesen wären? Die Frage muss offen bleiben, ebenso wie die Vermutung so richtig wie unbewiesen bleibt, dass Dieter Hecking mehr aus ihnen hätte rauskitzeln können oder müssen. 
Mit Bobadilla und Grifo verliert Gladbach - und damit wieder in die Zukunft - auch zwei sehr verschiedene Mentalitäten. Der bullige Stürmer Boba hinterlässt da allerdings die größere Lücke, ist er doch die Spielerkategorie "unbändiger Kämpfer", der sich auch gegen eine härtere Gangart des Gegners zu wehren weiß. Die feine spielerische Klinge von "Vince" lässt sich im Kader da schon besser kompensieren. Florian Neuhaus, der quasi einen der beiden Plätze im Kader einnehmen wird, könnte sowohl von den spielerischen als auch kämpferischen Element ein guter Ersatz sein -auch wenn er keinem der beiden in seiner Spielweise direkt ähnelt.

Was bedeuten die beiden Abgänge sonst noch für den Borussen-Kader? Zumindest, dass ein Verbleib von Herrmann, Johnson und auch Hofmann (den ich ohnehin nicht als Wechselkandidat gesehen habe) wahrscheinlicher geworden ist. Das bewerte ich jetzt nicht, weil ich es schon in der Rückschau angedeutet habe: Sind beide (Herrmann und Johnson) fit, sind sie Startelfkandidaten. Aber da sie sich jetzt schon über Jahre immer wieder mit Verletzungen herumschlagen, besteht eben auch ein größeres Risiko, dass sie ihre Topform nicht mehr erreichen. 
Heißt das zugleich, dass auf der Rechtsverteidigerposition alles beim alten bleibt, weil ja auch Johnson dort eine weitere Option wäre? Möglich. Das kann auch ganz praktische Gründe haben. Der unbändige Mittelstürmerwunsch bei Borussia ist der Konkurrenz natürlich bekannt, was - wie damals bei Luuk de Jong - die Preisvorstellungen der Clubs möglicher Kandidaten erheblich steigen lässt. Dass der VfL eine Toplösung für unter 15 Millionen Euro bekommt, scheint derzeit nicht realistisch. Wenn man dann rechnet, dass in der Offensive noch ein bis zwei Kaderplätze aufzufüllen sind, kann es von Vorteil sein, wenn man die Lücken in der Defensive quasi hausintern füllen könnte. Ob das erfolgversprechend ist und die Mannschaft wirklich stärker macht, lasse ich mal offen. 

Bis jetzt jedenfalls ist, was die Zugänge angeht, noch wenig über die weitere Transfertaktik bei Max Eberl zu erkennen (was kein Nachteil in den Verhandlungen sein muss). Es gibt zwei Neue plus die bislang ausgeliehenen Neuhaus, Ndenge und Yeboah. Die Pläne mit den beiden letzteren sehen wohl eher keine Rückkehr in den Profikader vor. Und die beiden "echten Neuen" sind zunächst mal nur in die Kategorie hoffnungsvoll einzusortieren, wobei ich Keanan Bennetts zutraue, sofort eine Alternative für die Bundesligamannschaft zu sein. Stürmer Torben Müsel wird trotz etwas mehr als einer Handvoll Zweitligaspiele für Kaiserslautern wohl zunächst eher aus der zweiten Reihe starten.

Diese beiden Zugänge beantworten allerdings weniger die Fragen über die Startelf der neuen Saison, sie werfen eher neue auf. Ungeachtet der Tatsache, dass weder Bennetts noch Müsel die Toplösungen sein werden, die Borussia als Lehre aus der vergangenen Saison angekündigt hat: Es stellt sich die Frage, was und mit wem der VfL mittelfristig im Sturm plant. Im vergangenen Winter kam das Toptalent Justin Steinkötter aus Münster, unter Vertrag ist bereits das südamerikanische Toptalent Julio Villalba, um dessen künftige Rolle sich zumindest noch Fragen stellen: ausleihen? An die Profis heranführen? Abgeben? In der Hinterhand hat man ja auch noch Simakala, Feigenspan und Yeboah, die zwar immer nah am Bundesligateam dran waren, aber den Sprung bisher nicht geschafft haben. Wer also von diesen hat das Zeug, in ein bis zwei  Jahren Raffael und Stindl herauszufordern oder gar ein funktionierender Baustein in einem spielerischen "Plan B" zu werden? Antworten darauf werden wir in dieser Sommerpause nicht erhalten. Aber auch bei der Frage, wer als Neuzugang den Konkurrenzkampf im Team sofort belebt, müssen wir wohl noch Geduld haben. 

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