2019-02-23

Verschenkt, verpennt, verschaukelt

Es wäre ja zu schön gewesen, wenn Borussia Mönchengladbach mal eine Saison ohne solche surrealen Phasen durchspielen könnte. Zweites Heimspiel, zweites 0:3, und so richtig weiß man nicht, warum. Borussia war heute über 85 Minuten noch spielbestimmender, noch souveräner als gegen die Hertha vor zwei Wochen. Kramer und Co. spielten quasi nur auf ein Tor, erarbeiteten sich beste Einschusschancen, die normalerweise für zwei Spiele reichen. Und scheiterten doch - und das mehr an sich selbst als an dem jeweiligen Gegner, den man freistehend anschoss.

Ich spare mir eine umfassende Analyse des Spiels, denn es würde den Spielen zuvor weitgehend gleichen. Auch heute waren es drei individuell schwach verteidigte Situationen, die zu den Gegentoren führten. Mehr aussichtsreiche Chancen hatten die Gäste auch eigentlich nicht. Yann Sommer wurde erneut dreimal überwunden, ohne dies wirklich verhindern zu können. Und: Ohne sich in der sonstigen Spielzeit groß auszeichnen zu müssen. Das sagt genug über das Spiel aus. 

Vorne die Chancen nicht genutzt, hinten bei den Gegentoren nicht griffig genug gewesen - das ist gleichbedeutend damit, dass man das Spiel nicht schuldlos verloren hat. Das gilt auch heute. Was mich allerdings rasend macht, ist, dass dazu noch eine Leistung des Schiedsrichters und seiner Videoassistenten kommt, die man so nicht stehen lassen kann. 

Robert Kampka benachteiligte Gladbach in einer Reihe von falsch bewerteten Zweikämpfen. Er besaß auch kein Maß dafür, wann ein Schiedsrichter ein Zeichen setzen muss. Dass zum Beispiel Arnold relativ früh nach seinem brutalen Sprung mit dem Ellbogen voran in Kramers Rücken ohne Karte blieb, ebenso der notorisch in die Beine tretende William, das ist schon ärgerlich. Davon allein würde ich mich aber noch nicht verschaukelt fühlen.

Es war allerdings auch nur der Anfang einer Reihe von aus meiner Sicht eklatanten Fehlleistungen. Die fingen in der zweiten Halbzeit mit einem klaren Foulelfmeter an Ginter an, der nicht gegeben wurde. Der Gladbacher wurde - im Blickfeld des Schiedsrichters - von seinem Gegenspieler Brooks mit beiden Händen von hinten umgeschubst. Für eine ähnliche Szene (ein leichtes Festhalten weit abseits des Balles) bekam Schalke diese Woche einen Foulelfmeter gegen Man City. Hier aber reagierte weder der Schiri noch Benjamin Cortus im Kölner Keller. 

Kurz darauf hätte es Handelfmeter geben müssen, als Weghorst einen Flankenball von Wendt beim Reingrätschen mit dem leicht abgestreckten Arm klar ablenkte. Hier überprüfte Cortus die Situation immerhin, kam aber zu der Annahme, das sei kein strafbares Handspiel. Warum auch immer. Kampka verzichtete auch darauf, sich die Szene selbst anzusehen. Der vom Körper leicht abgewinkelte Arm lag in dieser Situation nicht "natürlich" an, es lag damit eine Vergrößerung der Körperfläche vor. Dass er aus kurzer Entfernung angeschossen wird, ist somit das einzig Entlastende. Das nahm der Spieler durch seine Grätsche allerdings auch billigend in Kauf, um den Querpass blocken zu können.
Ich weiß nicht, wieviele Elfmeterentscheidungen ich in vergleichbarer Konstellation in dieser Saison schon in der Bundesliga gesehen habe - es waren einige. Und das hier hätte ebenfalls einer sein müssen.

Drittens: Als Casteels den Ball nach vorne prügelte, der kurz darauf zum vorentscheidenden 2:0 im Gladbacher Tor landete, setzte die versammelte Unparteiischen-Riege dann endgültig zum Tiefschlaf an. Denn Mehmedi, der den in dieser Szene zu passiven Elvedi überraschte, kontrollierte den hochspringenden Ball mit der hochgezogenen Faust - keine natürliche Armbewegung. Klarer kann man sich keinen Vorteil verschaffen. Das Handspiel war in jeder Wiederholung klar zu sehen - doch weder Kampka noch Cortus (noch irgendeiner bei Sky) überprüften die Szene nochmal. Zum Vergleich: Letzte Woche bekam Wolfsburg gegen Mainz einen Elfer, weil Gbamin den Ball mit dem am Körper anliegenden Arm leicht, aber in einer bewussten Bewegung mit nach vorne nahm - einen Ball, der ihm im Gewühl aus 30 Zentimetern Entfernung an den Arm sprang. 
Zu schlechter Letzt war dann auch noch der Einsatz des Wolfsburgers Brooks gegen Elvedi vor dem 0:3 äußerst grenzwertig. Eine nahezu identische Szene hatte er zuvor Ginter am gegnerischen Strafraum abgepfiffen. 
Das fiel ehrlicherweise dann aber kaum noch ins Gewicht. Verloren hatte Borussia das Spiel schon vorher. Natürlich zeigt uns die Erfahrung jede Woche aufs Neue, wie willkürlich die Entscheidungen vor allem beim Handspiel sind. Es wird auch nicht jeder mit meiner Meinung übereinstimmen. Aber mir war es heute in entscheidenden Szene einfach zu viel, was zu Ungunsten der Hecking-Elf ausgelegt wurde.

Das alles hätte natürlich keinesfalls mit ausschlaggebend für die Niederlage (und meinen Text) werden können, wenn Gladbach das umgesetzt hätte, was die Mannschaft in der Hinrunde und in den ersten drei Spielen nach der Winterpause ausgezeichnet hatte: Effizienz vor dem Tor, Kompromisslosigkeit und Konzentration in der Rückwärtsbewegung und im eigenen Strafraum. Doch da fehlt es inzwischen an einigen Nuancen, und dies wird derzeit brutal bestraft. 
Auf 5:0 Tore und 9 Punkte folgten zuletzt trotz zweier (guter) Heimspiele 1:7 Tore bei nur einem Punkt. Und als nächsten kommen die Bayern, die wieder im alten Modus unterwegs sind. Der komfortable Vorsprung auf die Verfolger schmilzt dramatisch, der Heimnimbus, der der Mannschaft einiges an Sicherheit und Selbstvertrauen verliehen hatte, ist erstmal weg. Der VfL ist in der ersten richtigen Krise in seiner so starken Saison. Und damit muss er schnell fertig werden. Hoffen wir, dass das Team auch auf diese Herausforderung schnell eine gute Antwort findet. Und, wenn nötig, auch mal wieder in der Schiri-Lotterie etwas mehr Glück hat.
  

Bundesliga 2018/19, 23. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - VfL Wolfsburg 0:3

4 Kommentare:

  1. Naja, VW schummelt halt nicht nur bei den Abgaswerten....

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  2. Die Schiedsrichterleistung sehe ich genauso. Dabei wird ihm von recht vielen ein fehlerfreies Spiel attestiert! Ginter-Schubser ist ein Elfer. Da kann es keine zwei Meinungen geben. Wenn so etwas künftig als normale Härte gewertet wird, gute Nacht. Bei der Hand-Situation im Strafraum ist zwar die Entfernung wirklich sehr kurz, aber sein abgewinkelter Arm geht beim Schuss auch nach oben, d. h. er versucht sogar den Ball abzublocken. Der Schiri macht sich nicht mal die Mühe die Szene anzuschauen.

    Noch eklatanter wird's beim 2:0. In der Zeitlupe ist glasklar zu sehen, dass Mehmedi den Ball mit dem Arm mitnimmt und kontrolliert. UND KEIN MENSCH HAT DAS IN DER WIEDERHOLUNG MONIERT!!! Kapier's nicht. Auch nicht nach 2 Tagen zur Beruhigung.


    Aber bitte: Nicht "Kramer & Co.". Diese ständige Verklärung der Leistungen unseres "Weltmeisters" im medialen Bereich und auch von vielerlei Fan-Seite(n) ist mittlerweile nur noch schwer erträglich. Kramer hat seine Stärken in einer Mannschaft, die auf Ballbesitz spielt oder gegen überlegene Gegner. In unserem schnellen, modernen Spiel (wenn es denn mal wieder gespielt wird, 2019 hab ich's noch nicht wirklich gesehen) gehört CK zu unseren schwächsten Gliedern. Und das war leider auch gestern so.

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  3. Sehe dies auch so, selten eine so schlechte Leistung des gesamten Schiedsrichter Teams (inkl. Videoschiedsrichter) gesehen!

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  4. Moin, danke für Euer Feedback.
    Bin froh, dass ich mit meiner Meinung zum Schiedsrichter nicht allein stehe.
    Was "Kramer und Co." angeht: Das ist gar keine bewusste Hervorhebung von mir gewesen. Ich versuche einfach, immer mal etwas Abwechslung in die Benennung der Mannschaft zu bringen, manchmal mit "Stindl und Co", manchmal eben so.
    Ich sehe bei diesem Spiel allerdings Kramers Leistung auch deutlich besser als Du, "Anonym II". Nicht allein, weil er mit 12,8 Kilometern den größten Aktionsradius hatte, sondern, weil ich fand, dass er die Bälle ganz gut verteilt hat. Kramer ist natürlich deutlich offensiver als Strobl, er treibt sich auch mal an der gegnerischen Torlinie rum. Das kann vorteilhaft sein. Wenn es darum geht, schnell in die Defensive umzuschalten, kann es aber auch zum Nachteil werden. Für mich hat Tobi Strobl in der Vorrunde zurecht die Stammposition besetzt, nach der Winterpause wirkte er etwas überspielt und machte Fehler, insofern fand ich den Wechsel zu Kramer auch nicht schlecht. Klar, wenn es gegen Offensivkanten wie die von Frankfurt geht, gegen die auch der Sechser bei den ständigen langen Bällen in die Luftzweikämpfe muss, wäre Strobl die logischere Wahl. Aber gegen Wolfsburg hat mir Kramers Art da ganz gut gepasst, zumal er auch in den Zweikämpfen ganz clever zu Werke ging. Beste Rautengrüße, Michael

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