2019-10-31

Die Angst ist weg

Es ist paradox: Ich feiere meine Mannschaft extrem für einen wahnsinnig starken Auftritt in Dortmund. Zugleich bin ich leer und bin es so leid, dass der VfL in solchen engen K.o.-Spielen am Ende immer bedröppelt und mit leeren Händen dasteht. 
Es ist nicht fair, dass dieses Spiel verloren gegangen ist. Aber natürlich muss man anerkennen, dass die Dortmunder ihre Chancen am Ende besser genutzt haben als die wahre Borussia. 

Auf der einen Seite hatte ich den Pokal im Geiste ja schon abgehakt, als das undankbare Los für die zweite Runde gezogen worden war. Schließlich hat der BVB inklusive der beiden Partien aus den vergangenen Wochen die letzten zehn Spiele gegen Gladbach gewonnen. 
Und angesichts der dünnen Personaldecke war ich auch kurz vor dem Spiel noch fest darauf eingestellt, dass heute nichts zu holen sein würde. Umso enttäuschender ist es, jetzt wirklich raus zu sein, obwohl man allen Zweifeln zum Trotz doch den Gegner über 80 Minuten dermaßen dominiert und an seinem Spiel gehindert hat. 
Ich weiß nicht, ob die Gastgeber im eigenen Stadion schon einmal so brutal über den Platz gejagt wurden wie heute. Mir hat es jedenfalls enorm imponiert, wie Stefan Lainer und seine Kollegen von Anfang an das schnelle Kombinationsspiel der Favre-Elf bis auf einzelne Konter im Keim erstickten, Ballverluste provozierten und die Schwächen des Gegners immer wieder mit viel Aufwand offenlegten. 

Allerdings blieb dafür das Spiel nach vorne nach Ballgewinnen fehlpassanfällig, sodass nur wenige richtig gute Torchancen auf Gladbacher Seite zu notieren waren. Die waren allerdings dann umso dicker (Thuram und Neuhaus). Dortmund hingegen hatte in der ersten Hälfte außer dem Lattenknaller von Hazard kaum Erstklassiges anzubieten. Das wurde später in der zweiten Halbzeit etwas anders, da robbte der BVB sich gegen müder werdende Gladbacher näher an Yann Sommers Tor heran und der VfL hatte das eine oder andere Mal auch das nötige Glück, nicht in Rückstand zu geraten.

Es war von Beginn an zu fürchten, dass das extrem laufintensive Spiel nicht über die gesamte Zeit durchzuhalten sein würde, da in Stindl und Hofmann zwei gerade wiedergenesene Spieler in der Startelf standen, die eigentlich noch nicht bereit sind für 90 oder 120 Minuten. Dazu kam das erneute Pech, schon nach einer halben Stunde den nächsten Verletzten, Ramy Bensebaini, austauschen zu müssen. 
Oscar Wendt fügte sich zwar nahtlos in die bärenstarke Rose-Truppe ein und gab später die Vorlage zu Thurams Führungstreffer. Besser wäre es natürlich aber gewesen, die Wechseloption noch länger offenhalten zu können. Aber auch auf der Bank saß nicht mehr viel, mit dem man Dortmund in Angst versetzen konnte. Die direkt aus einer Verletzung kommenden Ginter, Traoré und Strobl konnten kaum mehr als Bankwärmer sein, dazu kamen die beiden Jungen Noß und Makridis sowie Wendt und Herrmann als einzige echte Alternativen für so ein Spiel auf Messers Schneide - vor 80000 Zuschauern.

Aber die Elf, die auf dem Platz stand, zeigte einen unglaublichen Willen, Moral und Durchhaltevermögen. Sie ließ sich ihre Ausfälle einfach nicht anmerken. Als hervorragender Schachzug erwies sich der taktische Kniff, Denis Zakaria als mittleren Teil der Dreierkette naben Elvedi und Jordan Beyer zu stellen. Letzterer zeigte erfreulicherweise ein fast fehlerloses Spiel, Zakaria und Elvedi räumten gemeinsam mit den Außen Lainer (was für ein Lauf- und Sprintpensum!!!) und Wendt gekonnt ab. 
Einziger Nachteil: Zakaria wäre auf der Sechserposition mindestens genauso wertvoll gewesen, weil er aus dieser Position heraus in dieser Saison schon sehr viele vielversprechende Angriffe einleitet hat. Ohne diesen Nebenmann (und den ebenfalls fehlenden Kramer) hatten Benes, Hofmann und Neuhaus es oft etwas schwerer, im Mittelfeld in die gefährlichen Räume zu kommen. Trotz einiger unpräziser Zuspiele machten alle drei es unauffällig, aber gut. Thuram war sehr präsent und gewohnt zweikampfstark, doch ihm fehlte neben Stindl eigentlich noch ein dritter Angreifer zur Entlastung und natürlich die Schnelligkeit und Wucht eines Breel Embolo. Das fiel umso mehr auf, als Kapitän Stindl in der zweiten Halbzeit langsam müde wurde.

Dennoch erzwang der VfL den Führungstreffer, und danach hatte ich eigentlich ein gutes Gefühl, auch wenn Dortmund stärker wurde. Denn es bestätigte sich das, was ich schon in den ersten Minuten gedacht hatte und was sich in den vergangenen Wochen nach und nach als Eindruck verfestigt hat: Die Angst ist weg aus dieser Mannschaft!  
Wir wissen alle, wie oft der VfL in entscheidenden Spielen immer wieder verkrampft hat, nicht das auf den Platz brachte, was er sich vorgenommen hatte und die Enttäuschung danach für Fans wie Spieler noch größer war, als wenn man mit wehenden Fahnen untergeht. Das war so beispielsweise im Euro-League-Spiel bei Lazio Rom, beim Ausscheiden gegen Schalke, bei Pokal-Pleiten gegen Leverkusen oder Düsseldorf. Immer war die Mannschaft mehr an sich selbst gescheitert als am Gegner. 

Ja, auch heute stehen wir mit leeren Händen da. Aber das Bild, was die Mannschaft vermittelt hat, war ein ganz anderes und viel Positiveres. Es war ein "Ihr-kriegt-uns-nicht-klein"-Auftritt, der nicht nur innerhalb des Stadions Eindruck hinterlassen hat, sondern wahrscheinlich in ganz Deutschland, auch bei vielen Gegnern in der Liga. 
Das ist gut, und es ist ähnlich wie bei Eintracht Frankfurt in den vergangenen Jahren. Jeder wusste, da kommt eine unverwüstliche Büffelherde auf dich zugerast, und wenn man diesem Stress auf dem Feld ausgesetzt war, hinterlässt das Spuren. Schon vorher im Kopf.
Diese Botschaft hat auch die wahre Borussia heute ganz Fußball-Deutschland gesendet. Sie lautet: "Wir sind gut. Wir sind stark. Wir wissen, was wir können und lassen uns nicht einschüchtern. Wir kämpfen bis zum Umfallen. Wir sind Borussia." 
Unterschätzen wird Roses Schützlinge ab heute keiner mehr. Ein wenig fürchten vielleicht schon. Und darauf können wir schon ein bisschen stolz sein. zumal auch die Fans im Stadion heute ihren Teil dazu beitrugen, ein "rundes Bild" abzugeben. Toller Support, sich in einem solchen Stadion zeitweise deutlich die Oberhand zu ersingen. Top!

Ein paar Worte noch zu Schiedsrichter Cortus: Geschenkt, dass dem 1:1 wohl eine knappe Abseitssituation voraus ging, die Gegentore waren eher dem zu laschen Verteidigen in diesen Situationen zuzuschreiben. Aber zwei Dinge ärgern mich doch. Einerseits nicht gegebene Verwarnungen für taktische Fouls, was auf Gladbacher Seite  bei Zakaria zurecht geahndet wurde. Nico Schulz, der kurz darauf noch einmal heftig zulangte und dann dafür Gelb bekam, hätte im Normalfall gleich duschen gehen müssen. Dass das 20 Minuten vor Schluss erheblichen Einfluss auf dieses kräfteraubende Spiel gehabt hätte, ist offensichtlich.

Noch ärgerlicher aber empfand ich das Verhalten des Schiris in der Nachspielzeit. Erst fällte er eine eklatante Fehlentscheidung, indem er eine Ecke für den BVB gibt, nachdem Brandt den Ball für jeden deutlich sichtbar selbst über die Linie geköpft hatte. Und dann zeigte dem darüber und über ein paar andere strittige Szenen verständlicherweise erbosten Marco Rose die Rote Karte. Ich weiß nicht, was Rose gesagt hat, aber die Reaktion scheint mir in dieser Szene ohne vorherige Ermahnung nicht angemessen. Zumal sich der Unparteiische für diese Aktion dann auch noch entsprechend viel Zeit ließ, die er - man ahnt es - nicht angemessen nachspielte. Das sind Dinge, die einfach nicht sein müssen. 

Ärgern können wir uns dann nächste Saison wieder darüber, wenn der Coach in der ersten Runde nicht dabei sein darf. Bis dahin können wir diesen Wettbewerb getrost vergessen. Aber die Leistung der Mannschaft heute, die können wir uns merken. Und auf die können das Team und wir stolz sein.
 
DFB-Pokal, 2. Runde: Borussia Dortmund - Borussia Mönchengladbach 2:1 (Tor für Borussia: 0:1 Thuram)

4 Kommentare:

  1. Das gibt so ziemlich auch meine Stimmungslage wieder. Mit der schon fast üblichen Niederlage im Hinterkopf war ich an das Spiel herangegangen, aber als ich die wahnsinnige Energiekeistung sah, wollte ich, dass es anders kommt. Mit dem 1:0 wuchs die Hoffnung - aber dann... Und nun bin ich tatsächlich irgendwie enttäuscht, dass es am Ende doch "wie immer" wurde. Über den Kommentatof, der mit keinem Wort wirklich auf die vielen Ausfälle bei uns einging und die Regie, die immer wieder den eingemummelten Reus (buhuu) zeigte, will ich gar nicht weiter eingehen (nervig). Dass unsere Fans unsere Mannschaft feierten, beweist dmwieder mal Feingefühl und es hat mich gefreut, das zu sehen.

    Und ha, tatsächlich: Die Angst ist weg! Irgendwie hatte ich da einen vagen Gedanken, ein Gefphl, als ich den gestrigen Auftritt sah. Konnte es aber nicht in Worte fassen. Aber das ist es! Angst essen nicht mehr Seele auf. Es war ein druckvolles, furchtlose Spiel. Wie sehr habe ich gestern Plea vermisst, als stärkende Säule für Thuram...

    Nun gilt es: Mund abputzen, regenerieren und in Lev eine gute Leistung abliefern. Beyer war gestern wirklich gut, selbst unter dem enormen Druck, Hut ab. Ich hatte befürchtet, dass er als Jungspund eventuell ins Trudeln kommt, aber mitnichten. Benés beweist immer mehr, dass er Klasse hat. Die Leihe nach Kiel war gut und richtig! Zakaria... großartig - aber lange wird er nicht mehr da sein, wenn er so weiter macht. Und Lainer, der Terrier, der macht vor, wie Mentalität geht. So einen brauchen wir!

    Wir sind Borussia. Und niemand anderes!

    Gruß, Fohlen

    AntwortenLöschen
  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

    AntwortenLöschen
  3. Danke, Fohlen und auch Biestmann (auch wenn du deinen treffenden Kommentar wieder entfernt hast)! Ihr habt oft gute Ergänzungen zu bieten, darüber freue ich mich.

    AntwortenLöschen
  4. Hallo Wortarbeiter, vielen Dank. Ab und an muss ich meinen Senf dazugeben, weil ich diesen Blog einfach schätze. Und momentan ist es schön, die wahre Borussia zu genießen. Es ist längst nicht alles Gold, was glänzt, aber die Grundidee ist definitiv da. Und nach irgendwie so lange dieses so oft erlebte "haste Sch... am Fuß, haste Sch... am Fuß" tut es gut, eben auch mal glücklich in der Sonne zu stehen. Mal ehrlich, der Sieg gegen Lev war auch ein Stück weit des diesmal vorhandenen Chancenwuchers der Pillen geschuldet. Aber egal, das nehme ich doch gern mit... Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey hey... Gruß, Fohlen

    AntwortenLöschen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.