2020-05-16

Wohltemperierter Kaltstart

So, versprochen: Heute nichts über die Umstände des Re-Starts in der Fußball-Bundesliga und die innere Zerissenheit über den sehr speziellen Fortgang der Saison. Denn heute kann ich - endlich - wieder über echten, frisch gespielten Fußball schreiben. Und dafür blende ich den Rest zumindest für heute aus.

Kompliment, das war ein höchst zufriedenstellender Kaltstart, den ich so nicht erwartet hatte. Ich war zwar zuversichtlich, dass Marco Rose und sein Trainerteam die Mannschaft auf den Punkt genau auf diese Situation vorbereitet hatten. Doch dass Eintracht Frankfurt gerade in der ersten Halbzeit so hilflos agieren würde, hätte ich nie gedacht.

Natürlich spielte es Borussia in die Karten, gleich mit dem ersten Angriff in Führung zu gehen und kurz darauf erhöhen zu können. Aber auch danach kamen die Gastgeber - trotz zwei drei passabler Chancen - auf dem Platz überhaupt nicht zurecht. Ganz anders der VfL, der zweimal eiskalt zuschlug und das Spiel dann schon in den ersten 45 Minuten sehr gekonnt - bisweilen aber etwas zu lässig - verwaltete. Dass das oft ins Auge geht, wissen wir zur Genüge. Und auch das letzte Spiel vor der Corona-Pause gegen die *ölner hatte ja einmal mehr bewiesen, dass auch ein an sich sicherer 2:0-Vorsprung schnell in Gefahr geraten und die Souveränität dann schnell dahin sein kann.

Heute kam dieser Zeitpunkt, als ein vermeidbarer Fehlpass von Stefan Lainer und eine ungewohnt unpräzise Elvedi-Grätsche ins Leere Yann Sommers Hoffnung auf ein schon lange überfälliges "Zu-Null-Spiel" zerstörte. Dieses Gegentor hätte es nicht gebraucht, verdient war es am Ende für die Frankfurter schon. Als Silva traf, war das Spiel aber dennoch bereits entschieden, weil es eben da schon 3:0 und nicht 2:0 stand.
Vielleicht wäre es auch gar nicht so weit gekommen, hätten beide Teams heute nicht fünfmal auswechseln können und dies zum Zeitpunkt des Anschlusstreffers auch schon voll ausgeschöpft gehabt.
So sinnvoll diese Regelung aus gesundheitlicher Sicht ist: Sie beeinflusst das Spiel möglicherweise mehr als als die ganzen Corona-Vorkehrungen drumherum. Denn wenn man die halbe Feldspieler-Mannschaft austauschen kann, wirkt sich das nicht nur auf die Frische im Team aus, sondern auch auf die Architektur des Spiels. Während auf Gladbacher Seite Stindl, Herrmann und Wendt nach ihrer Einwechslung so ein bisschen ihre Rolle suchten, kamen die Frankfurter plötzlich besser ins Spiel. Doch dass Borussia bis zum Schluss auf die Zähne beißen und einen knappen Vorsprung über die Zeit bringen kann, wissen wir auch. Zum Glück war dies auch heute so. Alles andere wäre sehr ärgerlich gewesen.

Gefreut hat mich, dass Laszlo Benes trotz seines Kurzauftritts von 5 Minuten noch ein Ausrufezeichen setzen konnte. Ich persönlich hätte ihn heute gern früher gesehen. Nicht, weil mich Hofmann oder Neuhaus nicht überzeugt hätten - beide bearbeiteten mit dem bärenstarken Tobi Strobl die Räume im Mittelfeld äußerst effektiv. Nein, bei Neuhaus (11,15 Kilometer) und Hofmann (12,13) war schon nach gut einer Stunde zu beobachten, dass sich kleinere Ungenauigkeiten in ihr Spiel schlichen, was auf normalen Kräfteverschleiß nach der kurzen Vorbereitungszeit schließen lässt. Bei Hofmanns ärgerlich vergebener Chance auf das vierte Tor, als er in der 85. Minute die besser postierten Plea und Herrmann vor dem Tor ignorierte und mit seinem Schuss an Hinteregger scheiterte, war das dann unübersehbar.
Benes führte sich jedenfalls hervorragend ein, mit guten Ballbehauptungen und einem Zuckerpass auf Herrmann, der allein vor dem Tor aber knapp daneben schoss. Der in der Rückrunde von Rose noch unberücksichtigte Slowake machte Lust auf mehr, und er wird sicher auch noch mehr Spielzeit bekommen.

Natürlich waren Plea (1 Tor) und Bensebaini (1 Tor, 1 Assist) heute mit blitzsauberen Leistungen die offensichtlichen Matchwinner. Allerdings finde ich auch bemerkenswert, was Tobias Strobl als Abfangjäger im defensiven Mittelfeld heute abgeliefert hat. 92 Prozent Passquote, 67 Prozent bei den gewonnen Zweikämpfen, prima lange Bälle, kompromisslose Zweikämpfe und oft auch nur das geschickte Zustellen von Passoptionen - das ist deutlich mehr als ordentlich. So stark, dass ich heute - zumindest gegen den unter seinen Möglichkeiten spielenden Gegner - den verletzten Denis Zakaria nicht vermisst habe. Da Strobl immer noch von vielen sehr kritisch gesehen wird, freut mich das umso mehr.

Bleibt also als Kritikpunkt einmal mehr die schwache Chancenverwertung in der zweiten Halbzeit. Dass die Tordifferenz nochmal wichtig werden kann, wissen wir alle. Borussias Angreifer aber gehen mit ihren Konterchancen ein ums andere Mal zu fahrlässig um. Thuram, Plea (einmal allein vor Trapp und mit seinem sehenswerten Pfostenschuss), Hofmann, Herrmann - das hätten gut drei, vier Tore mehr werden können, wenn nicht müssen. Gut, dass sich der Gladbacher Sturm zu Beginn des Spiels viel effektiver gezeigt hatte. Sonst wäre es vielleicht nicht so ein vom VfL fast zu jeder Spielphase kontrolliertes Spiel geworden. Aber wenn die Mannschaft jede Aufgabe so aufmerksam und diszipliniert angeht, muss uns vor dem Endspurt in der Meisterschaft nicht bange sein. Mental sind die Rose-Schützlinge jedenfalls auf der Höhe. Und wenn sie mit der Grabesstille in leeren Stadien weiter so gut zurecht kommen wie im Derby und heute, ist vieles möglich. Eins ist aber genauso sicher: einen "Heimvorteil" gibt es in der Geister-Bundesliga einstweilen nicht mehr. Heute kam das Gladbach zugute, ein volles Frankfurter Stadion hätte aus der Schlussphase noch eine richtig hektische Angelegenheit machen können. Mal sehen, wie sich das weiter auswirkt, auch auf die Spiele der Konkurrenz bezogen.

Übrigens, auch das kann mal gesagt werden: Schiedsrichter Felix Zwayer zeigte heute eine anständige Leistung. Neben ein paar Dingen, die man als Fan natürlich gern anders sieht, fand ich in dieser Partie nur die vielen zugedrückten Augen beim Frankfurter Evan Ndicka daneben. Der hatte für ein rüdes Foul gegen Thuram schon in Halbzeit eins Gelb gesehen, schlug dann mit dem Ellbogen aus, wofür sein Teamkollege Kostic ebenfalls schon Gelb bekommen hatte. Da verschonte Zwayer den heute oft überforderten Abwehrspieler, ebenso, als der dann auch noch den Elfmeter verschuldete, was durchaus eine Kann-Verwarnung gewesen wäre. Sagen wir mal so: Wäre das Spiel in der Schlussphase enger gewesen, wäre ich mit Zwayer in diesen Situationen vielleicht nicht ganz so gnädig gewesen. Aber insgesamt gibt es da heute wenig zu meckern.

So kann es also gern weitergehen - machen wir das Beste draus!

Bundesliga 2019/20, 26. Spieltag: Eintracht Frankfurt - Borussia  Mönchengladbach 1:3 (Tore für Borussia: 0:1 Plea, 0:2 Thuram, 0:3 Bensebaini FEM)

1 Kommentar:

  1. Gelungener Kommentar, wie ich finde. Auch wenn du, lieber Wortarbeiter, das ganze "Geisterspektakel" kritisch siehst, konntest du dies in diesem Kommentar dann ziemlich außen vor lassen, was ich gut finde, denn hauptsächlich ging und geht es ja im die Leistung der Mannschaft des geilsten Clubs der Welt :o)

    VOR dem Spiel war ich noch ziemlich emotional "draußen", es erschien mir alles so weit weg. Umso verblüffter war ich, als der Ticker in gefühlt Lichtgeschwindigkeit auf 2:0 für unsere Borussia sprang. Diese beiden frühen Tore waren natürlich Gold wert! Und schon mal beruhigend.

    Der Elfmeter mit Glück verwandelt (vielleicht sollten sie das doch ab und an mal üben und ein Lehrvideo von Max Kruse schauen...) - aber egal. Ich finde, wir sind oft genug besch*** worden, da kann dem Tüchtigen - denn die Mannschaft war Samstag schon tüchtiger als die Adlerträger - auch das Glück mal hold sein.

    Der Gegentreffer war nur in der Gestalt ärgerlich, dass ein Zu-Null-Spiel mal wieder schön gewesen wäre (und auch die Tordifferenz kann ja bekanntlich manchmal Zünglein an der Waage sein), aber am Ende zählen erstmal die drei Punkte.

    Über den Schiri kann ich nicht viel sagen, da ich nicht in Besitz eines Pay-TV-Abos bin und somit auf die Zusammenfassung im aktuellen Sportstudio (*gähääään*, aber trotzdem wach bleiben!) angewiesen war. Und am Sonntag Morgen konnte man sich die Zusammenfassung ja nochmals anderswo mit etwas anderen Bildern und einem anderen Kommentator antun.

    Also, unterm Strich: Die Mannschaft scheint gefestigt, sie ist viel gelaufen, sie hat wieder mal als echte Einheit gespielt und das kann in diesen Spielen vor Kreisliga-Kulisse ein echter Bonus sein.

    In dem Sinne: Auf geht's, Borussia, hoffentlich in die CL. Ich schaue schon mal nach Tickets nach Manchester, wetten, wir kriegen wieder die Citizens? ;o)

    Schwarz-Weiß-Grüne Grüße,
    Fohlen

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