2023-01-28

Wer gewinnt, hat Recht

Lernfähigkeit - das hatte ich nach den beiden Niederlagen dieser Woche angemahnt und gefordert. Und Borussia, so scheint es, hat das beherzigt. Jedenfalls kann man Spiel und Ergebnis von heute so bewerten. Das 4:1 beim neuen Lieblingsgegner passte ergebnistechnisch - nach dem 5:1 und 3:1 der vergangenen beiden Partien gegen den Hopp-Club im Borussia Park - perfekt in die Reihe. Verdient war der erste Auswärtssieg der Saison (und unter Trainer Daniel Farke) allemal.

Der Auswärtsfluch ist damit erstmal erledigt, auch das ist wichtig. Nicht nur, weil aus immer mehr Kleiderschränken langsam schon wieder die "Auswärtsdeppen"-Fan-Shirts geholt wurden, die für eine weit dunklere Borussen-Epoche stehen. Nein, es ist gut, dass dieses boulevard-affine Thema nun abgeräumt ist und man sich ganz auf andere Baustellen konzentrieren kann.

Zum Beispiel, dass man die Vorlage von heute gegen die beiden folgenden Kellerkinder-Gegner Schalke und Hertha nicht gleich wieder leichtfertig herschenkt, weil man noch ein paar Tage selbstverliebt auf den erst dritten Sieg schaut, der in den letzten zehn Spielen (inkl. DFB-Pokal) gelungen ist.
Es wäre fatal, wenn jetzt jemand glaubt, die Mannschaft sei mit diesem Spiel sofort wieder zurück in der Spur. Dafür war sie bisher zu launisch, und auch heute war noch nicht alles so glänzend, wie es das Ergebnis glauben machen will. Aber es gilt auch: Wer gewinnt, hat Recht.

Der Sieg gegen die TSG heute war vor allem Verdienst zweier Herren, die perfekt aufeinander eingespielt wirkten, obwohl sie zuletzt gar nicht so viele Minuten gemeinsam auf dem Platz gestanden hatten: Jonas Hofmann verwandelte zwei perfekt getimte und damit nicht wegen Abseits abzuerkennende Vorlagen von Lars Stindl. Und er revanchierte sich später beim vorentscheidenden dritten Tor seinerseits mit einem Assist für den Kapitän. Und auch ansonsten belebten die Routiniers das Gladbacher Offensivspiel wie in den richtig guten Zeiten.

Wo gegen Leverkusen (mit später und wirkungsvoller Einwechslung Stindls) und Augsburg (ohne beide) sehr viel statisches, abwartendes Spiel in der Hälfte des Gegners und wenig Bewegung in der vordersten Reihe zu beobachten war, stellten Stindl - mit seinem Absinken ins Mittelfeld und gewohnt guter Ballverteilung - sowie Hofmann, Kramer und Thuram mit vielen Positionswechseln und variablem Anlaufen den Gegner häufig vor Probleme.

Auch defensiv stand Borussia heute sehr viel stabiler, war aktiver und auch unter Druck längst nicht so fahrig wie zuletzt. Jonas Omlin zeigte auch heute, dass er ein sicherer Rückhalt ist, gerade für eine Mannschaft, die nicht immer ganz sattelfest wirkt. Ich habe in den drei Spielen seit Yann Sommers Weggang eigentlich noch keinen Moment gehabt, in dem ich gedacht hätte, dass Yann da "besser" reagiert hätte als sein Landsmann. Zudem wirken seine langen Bälle noch etwas gefühlvoller und gewollter auf den Punkt. Das fiel heute besonders auf, weil seine Kollegen diese Bälle im Spiel auch besser verarbeiten konnten als zuletzt.

Es war also insgesamt ein sehr verdienter Sieg, den man allerdings auch richtig einordnen muss. Denn der Gegner - durch diverse Misserfolge wie Borussia nicht gerade vor Selbstvertrauen strotzend -, war ein deutlich leichter zu bespielender als die beiden anderen in dieser Woche. Die Elf von André Breitenreiter verzichtete darauf, Borussia mit den gleichen Mitteln wie Augsburg und Leverkusen zu bespielen - oder sie konnte es als ebenfalls eher ballbesitzorientierte Mannschaft schlicht nicht so effektiv.

Die Hoffenheimer ließen den Gegner in der ersten Halbzeit weitgehend gewähren und stressten die VfL-Akteure nicht so, dass diese sich lieber in ihr Sicherheitspass-Schneckenhaus zurückziehen wollten, statt schnell und präzise den Weg nach vorne zu suchen. Dennoch plätscherten die ersten Minuten ähnlich torungefährlich dahin wie die in Augsburg. Mit dem Unterschied, dass Borussia nicht nur Dominanz im Ballbesitz hatte, sondern diesmal relativ früh den ersten Punch setzen konnte - mit dem ersten gelungenen Angriff kam der VfL zur ersten Führung in diesem Jahr. dank eines eiskalten Jonas Hofmann an der Kante des Abseits und der hilfreichen Überprüfung durch den VAR.

Das Aber: Direkt danach hätte Hoffenheim diesen Vorteil beinahe sofort wieder zunichte gemacht. Zwei Spieler düpierten vom Anstoß an im mehrfachen Doppelpass nahezu die gesamte Gladbacher Mannschaft, die auf den schnellen Durchbruch mental offensichtlich nicht eingestellt war. Mit etwas Glück und geballtem Einsatz wurde das Gegentor gerade noch abgewendet, das dem Spiel möglicherweise eine andere Dramaturgie gegeben hätte. Denn im weiteren Verlauf hatten die Kraichgauer auch noch zwei weitere hervorragende Chancen. Doch sie vergaben sie eher kläglich.
Borussia hingegen machte aus maximal sechs richtig guten Chancen heute vier Tore, das zweite und dritte dabei zu sehr hilfreichen Zeitpunkten. Das gelingt nicht immer, und nicht immer wehrt sich der Gegner auch so verhalten gegen eine drohende Niederlage.

Hoffenheim probierte u.a. mit der Einwechslung von Bebou und Dabbur zwar einiges, um das Spiel zu drehen. Doch die Bemühungen nach vorne blieben wenig strukturiert, wirkten eher wild, und da die Zweikämpfe häufig ungeschickt geführt wurden, spielten viele Foulpfiffe Gladbach diesmal in die Karten. Am Ende stand die Bilanz laut kicker bei erstaunlichen 23:10 Fouls.

Doch Borussia ließ sich mit zunehmender Spielzeit auf dieses Spiel zu sehr ein und war in der zweiten Hälfte wieder einmal zu wenig in der Lage, die eigene Dominanz im Spiel mit dem Ball weiter durchzubringen und für Entlastung zu sorgen.
Der Anschlusstreffer kam deshalb auch jetzt nicht so sehr aus dem Nichts wie das Gladbacher 1:0 in der ersten Hälfte. Doch der Treffer brachte die Borussen nicht ins Wanken, und weil das 3:1 durch Lars Stindl schnell folgte, war die Zitterphase diesmal erfreulich kurz.
Besonders gefreut habe ich mich auch für Luca Netz und Hannes Wolf, die mit Pleas und Konés Vorarbeit den Konter zum 4:1 lehrbuchhaft im Tor versenkten.

Darauf lässt sich aufbauen, und mit dem klaren Sieg hat die Farke-Elf sich selbst heute wohl den größten Gefallen getan. Denn mit einer weiteren Pleite - mit dazugehöriger Verunsicherung, Unruhe im Fanlager und dem steigenden Druck, gewinnen zu müssen - in das Heimspiel gegen einen abgeschlagenen Tabellenletzten zu gehen, das wäre eine schon sehr unschöne Situation gewesen.

Umso wichtiger ist es, die Trainingswoche gut zu nutzen und mitzunehmen und daruaf aufzubauen, was heute gut war. Gelingt das, dann könnten wir alle wieder etwas entspannter in die nächsten Wochen gehen. 

Bleibt der Blick auf den Schiri. Benjamin Brand pfiff viel, meist auch richtig. In der ersten Halbzeit allerdings entschied er dreimal auf Freistoß für Hoffenheim in aussichtsreicher Position, obwohl die Gladbacher Spieler deutlich vor dem Zusammenprall den Ball gespielt hatten. Das wurde aber im Spielverlauf mangels Hoffenheimer Torgefahr nicht zu einem Problem. Das gilt auch für die Tatsache, dass er (und der VAR) Angelino nach dessen Tritt von hinten mit offener Sohle in Kramers Wade mit einer Verwarnung davon kommen ließ, obwohl dieses rücksichtslose Foul nach den Regeln deutlich eher Rot als Gelb war.

Etwas merkwürdig fand ich, dass eine gut sichtbare Abseitsstellung von Dabbur vor dem 1:2 in der Berichterstattung dann überhaupt keine Rolle mehr spielte. Gut, es war nicht spielentscheidend.
Aber Dabbur, der bei der Freistoßflanke im Abseits gestanden hatte, wurde aus meiner Sicht aktiv, weil er sich zum auf den langen Pfosten bewegenden Ball hin orientierte. Das beeinflusste das Verteidigungsverhalten von Ramy Bensebaini, der somit nun einen Gegner im Rücken und auch den in seine Richtung vor ihm laufenden Dabbur beachten und verteidigen musste. Dabbur bremste nach vier Schritten zwar ab und orientierte sich dann wieder in Richtung Tormitte. Doch aus meiner Sicht reichte diese Bewegung aus, um aus der straflosen Abseitsstellung eine aktive und damit strafbare Abseitsstellung zu machen.
Letztlich haben alle diese Anmerkungen etwas sehr Gutes gemeinsam: Man muss sich gar nicht mehr darüber aufregen, weil sie das Spiel nicht weiter beeinflussten.

Saison 2022/23, Bundesliga, 18. Spieltag: TSG Hoffenheim - Borussia Mönchengladbach 1:4. Tore für Borussia: 0:1 Hofmann, 0:2 Hofmann, 1:3 Stindl, 1:4 Wolf.

Vier schöne Tore geben einen Vier-Euro-Schubs, Spendenstand somit jetzt 87 Euro. Danke, Jungs!

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

3 Kommentare:

  1. Endlich mal ein Auswärtsdreier. Ich möchte allerdings nicht wissen, wie das Spiel ausgegangen wäre, hätte Stindl nicht postwendend das dritte Tor gemacht.

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  2. Viel schlechter als Hoffenheim gestern kann man in der Liga kaum auftreten. Insofern bin ich nur verhalten optimistisch. Im übrigen ist Elvedi jetzt am unteren Ende seines Leistungsvermögens angekommen. Sein Abwehrverhalten beim Gegentreffer war wieder Kreisliga. Kann eigentlich nur besser werden.

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  3. Hallo und danke mal wieder für deine Analyse! Es war ein ordentlicher Kick von uns, aber wenn ich dich richtig verstehe, geht's dir so wie mir. Sich so richtig freuen fällt schwer, weil man enttäuscht von den letzten Auftritten ist und nicht weiß, was die Wundertüte Borussia in den den kommenden Spielen auf den Platz zaubert. Da sind ohne Zweifel immer noch richtig gute Kicker in der Truppe, die aber leider einfach nicht (mehr) in der Lage sind Woche für Woche abzuliefern. Daran ändert leider auch Farke nichts. Die Saison wird weiterhin ein Auf und Ab sein und wir hoffen mal wieder auf die kommende Spielzeit.

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