2023-01-16

Kann auch gut werden

Helau und ein gutes neues Jahr! Eine knappe Woche ist es noch bis zum Wiederanstoß in der Bundesliga, und auch ich bin mit meinem Blog wieder rechtzeitig aus dem langen Winterschlaf erwacht. Die wenigen Testspielminuten gegen unterklassige Gegner waren zum Teil ansprechend, gegen St. Pauli aber dann auch mal nicht so. Aber das ist nicht entscheidend. Was zählt, findet ab Sonntag statt, wo als erster Gegner Bayer Leverkusen in den Borussia Park reist.

Positiv ist anzumerken (toi, toi, toi), dass beim VfL derzeit der Trainingsplatz voll ist wie selten. Mal keine langwierigen Verletzungen und damit große Auswahl für Trainer Daniel Farke, was die Startelf für Sonntag angeht. Hoffentlich bleibt es so, denn wenn man so in die Bundesliga schaut, da gab es bei vielen Vereine zuletzt einige schwere Verletzungen. Hoffentlich bleiben wir davon diesmal verschont. Gut ist auch, dass die Mannschaft die Vorgaben von Daniel Farke jetzt schon ein gutes halbes Jahr einübt und damit sichtbare Fortschritte gemacht hat. 

Es wäre also grundsätzlich alles bereit für einen guten Start ins Jahr 2023 - der wiederum im Idealfall so beflügeln kann, dass die Mannschaft die lukrativen europäischen Startplätze in der Tabelle bis zuletzt in Reichweite behalten kann. Den Kader dazu hat Borussia (noch) - er müsste nur stabiler als bisher seine Leistungsvermögen abrufen. 

Aber das war es dann auch fast schon mit den mutmachenden Nachrichten für den zweiten Teil der Saison.

Denn leider spielen dabei auch andere Teams eine Rolle, und selbst Clubs wie Augsburg haben in diesem Winter transfertechnisch schon wieder große Anstrengungen unternommen. Es ist nicht gesagt, dass sich das nicht auszahlt. Aber es wird insgesamt sicher nicht leichter, sich wie gewohnt in der Konkurrenz zu behaupten - wenn man selbst zum Beispiel eben nicht die Transferfäden in der Hand hält, so wie es bei Borussia derzeit der Fall ist.

Ich hätte mir gewünscht, dass sich um diese Zeit, wenige Tage vor dem Start, auf personeller Seite schon mehr geklärt hätte - so oder so -, weil dies auch meinen Ausblick auf die Restsaison erleichtert hätte. Aber es sieht nach einem zähen Transferfenster in beide Richtungen bis zum 31. Januar aus. Und dazu nach relativ kleinen Brötchen, die Borussia so oder so wird backen müssen.

Reagieren statt agieren, das ist das neue Los auf dem Tansfermarkt für Borussia Mönchengladbach. Das kann man beklagen, es ist schlecht, aber es ist nun mal so. Es bleibt nur, das Beste daraus zu machen. Und dass sie dies versuchen, kann man Daniel Farke, Roland Virkus und dem Verein getrost abnehmen. Ob das ausreicht, wird sich zeigen. Ich bin da eher skeptisch - ohne dass ich dafür jemanden kritisieren könnte oder wollte.

Yann Sommer: Abgang ok, und tut doch weh

Immerhin: Eine Personalie steht kurz vor der Klärung, und trotz des Gepokers der vergangenen Tage zweifele ich nicht daran, dass unser tapferer Bayernschreck Yann Sommer ins Tor der Münchner wechseln wird, weil deren schlechtester Skifahrer die Zeit bis zu seinem verdienten Ruhestand erst noch mit einer längeren Verletzungsauszeit überbrücken möchte.

Das ist einerseits ein schwerer Schlag für Gladbach. Andererseits ist es aufgrund der auslaufenden Vertragssituation ein fast unvermeidlicher Abgang, der zumindest eine kostenneutralen hochwertigen (und jüngeren) Ersatz erlaubt. Dennoch: In Yann Sommer verabschiedet sich DER Rückhalt und Punkteretter der jüngeren Gladbacher Erfolgsgeschichte und einer der Garanten des Aufschwungs der Zehner-Jahre. Das ist kaum hoch genug zu bewerten.

Ob sein Nachfolger, vermutlich ja Sommers Landsmann Jonas Omlin aus Montpellier, sofort in diese Fußstapfen treten kann, muss sich zeigen. Es ist auf jeden Fall gewagt, mitten in der Saison die Nummer eins hinter einer nicht immer sattelfesten Abwehr auszutauschen. Zumal es, anders als bei den Bayern, nicht von einer langwierigen Verletzung erzwungen, sondern durch nüchterne Abwägung finanzieller Vor- und Nachteile getrieben ist.

Um das klar zu sagen: Ich kritisiere den Wechsel nicht, ich denke sogar, dass er für alle Seiten am Ende eine vernünftige Sache ist. Zwar halte ich es nicht für ausgemacht, dass Sommer in der Bayern-Elf und deren Abwehr in gleicher Weise brillieren kann wie bei uns. Aber wenn es sein Wunsch ist, seine persönliche Titelbilanz aufzufrischen, und sei es mit nur "halb" erspielten Trophäen, dann kann man ihm das nicht übelnehmen.
Torschlusspanik führt manchmal zu seltsamen Entscheidungen, und ob sich diese für den Schweizer auszahlt, liegt nicht nur allein an ihm. Denn sollte Neuer zurückkommen, werden die Karten ab Sommer neu gemischt. Man darf gespannt sein, ob sich das bisweilen doch sehr amateurhaft agierende Bayern-Management die Kraft hat, sich dann für das Leistungsprinzip und gegen den Platzhirschen zu entscheiden.

Ich hätte Yann Sommer natürlich gern als Legende bis zu seiner Rente im Gladbach-Tor gesehen. Aber nun wird es anders kommen und ich habe absolut keinen Grund für "hard feelings". Ich wünsche ihm alles Gute für seinen finalen Karriereplan, aber gegen Gladbach soll es für die Bayern natürlich weiterhin nichts zu holen geben.

Abschiedstour für wichtige Achsen-Spieler 

Verabschieden müssen wir uns auch im Sommer von Ramy Bensebaini und Marcus Thuram, und dies wohl ohne einen einzigen Cent Ablöse. Das ist bis jetzt zwar unausgesprochen, aber ebenso unausweichlich. Beide werden Lücken hinterlassen, die Borussia nicht auf einen Schlag adäquat füllen kann. Ohne eine re-investierbare Summe aus dem Verkauf der beiden Nationalspieler wird es allerdings sogar schwer werden, jemanden nach Gladbach zu holen, der in diese Aufgabe auf absehbare Zeit hineinwachsen kann, so wie es mit Manu Koné der Fall war. 

Dass diese beiden Spieler in diesem Jahr Kandidaten für einen ablösefreien Wechsel sein würden, war schon vor der Saison absehbar. In diesem Fall gilt - wie bei Ginter und Zak - allerdings: Der Verein kann wenig tun, wenn der Spieler seinen Vertrag erfüllen will, um dann den entsprechend lukrativeren nächsten Schritt machen zu können. Man kann es schade finden, dass diese Spieler das Prinzip der soliden Gladbacher Entwicklung - Spieler billig kaufen, entwickeln und teurer wieder verkaufen - zwar kennen, aber in ihren Karriereerwägungen nicht berücksichtigen.
Aber: Beide Spieler haben ihre Leistungen - mit normalen Schwankungen - immer gebracht, haben Top-Einstellung und werden auch bis zum Abpfiff der Saison gerne und mit vollem Einsatz für Borussia auflaufen. Dann haben sie ihren Vertrag erfüllt und dürfen - müssen - auch ohne Groll verabschiedet werden. So gehört es sich, auch wenn es weht tut.

Spielerischer Aderlass

Die Folgen sind für Borussia allerdings einschneidend. Innerhalb eines Jahres hat der Verein dann in Zakaria, Ginter, Embolo und Sommer vier absolute Topspieler des Kaders deutlich unter Wert abgegeben. Im Sommer werden in Bensebaini und Thuram zwei weitere hinzukommen. Und möglicherweise wird angesichts dieser Aussichten auch noch der eine oder andere folgen, der eigentlich einen laufenden Vertrag hat.

Ein Kandidat dafür ist Manu Koné, der schon einige Begehrlichkeiten geweckt hat, dem aber sicher noch ein Jahr mehr bei Borussia für seine Entwicklung gut täte. Da er aber mit dem wohl größten Profit im Sommer zu verkaufen wäre und zugleich sehr ehrgeizig ist, könnte es ein reales Szenario sein, ihn schon nach der Saison abzugeben - um die Löcher auf anderen Positionen stopfen zu können. Auch das wäre nachvollziehbar für beide Seiten, und vernünftig wäre es wohl aus finanziellen Erwägungen auch. Sportlich dagegen würde es einen qualitativen Aderlass bedeuten, der durch neue Spieler auf kurze Sicht kaum auszugleichen wäre. 

Zumal ein großes Fragezeichen hinter den Verbleib von Leihspieler Julian Weigl zu setzen ist. Um ihn aus dem Vertrag in Portugal herauszukaufen, braucht Borussia auf jeden Fall Geld - wahrscheinlich im zweistelligen Millionenbereich, zudem ist Weigl kein Geringverdiener. Gelingt dies, wäre es ein wichtiger Schritt zu einer neuen Mannschaftsachse. Wenn nicht, dann wäre dies ein Ausweis Gladbacher Ohnmacht aus dem Transfermarkt. 

Und mit diesem Szenario konfrontiert, könnten weitere Spieler ins Grübeln kommen, ob ihr Weg nicht doch woanders mehr Erfolg verspricht. Jonas Hofmann und Alassane Plea haben sich ihre Vertragsverlängerung mit deutlich erhöhten Gehältern bezahlen lassen. Ziemlich sicher aber auch mit relativ niedrigen Ausstiegsklauseln. Ganz sicher kann sich Borussia also auch ihres Verbleibs nicht sein - wenn es schlecht läuft.

Dann wäre da noch Lars Stindl, der aus familiären Erwägungen mit einem Auslaufen des Vertrags in Gladbach liebäugelt, was ihm in Gladbach angesichts seiner Verdienste sicher niemand übel nehmen würde, obwohl es schwierig wäre, einen Charakter wie ihn im Teams zu ersetzen.

Und was macht Tobi Sippel, dessen Vertrag ebenfalls im Sommer ausläuft. Er ist nach Yann Sommers Verletzung durch zwei durchwachsene Spiele und anschließende Blessuren etwas unglücklich auf Position drei im Tor zurückgefallen und hat bei Fans, aber vielleicht auch beim Trainer, an Ansehen verloren. Bisher war auf ihn immer Verlass gewesen, ich hätte ihm normalerweise auch zugetraut, für ein halbes Jahr die Nummer eins zu geben. Die letzten Patzer haben an diesem Nimbus gekratzt, und das merkt er auch selbst, wie er im Interview durchblicken ließ. Geht es für ihn hier noch ein Jahr weiter? Auch angesichts der Reihe junger guter Torleute, die auf dem Sprung stehen wie Olschowsky, Kersken oder Brüll, oder auch Moritz Nicolas, bei dem sich bald entscheiden muss, wohin es für sie geht.

Und dann reden wir noch nicht von Leistungsträgern wie Neuhaus und Elvedi, deren Vertrag 2024 endet, die idealerweise also vorzeitig verlängern oder im kommenden Sommer verkauft werden müssten. 

Hoffen auf das Beste

So weit, so schlecht. Dieses Szenario ist ein reales, das unabhängig vom Erfolg in der Rückrunde eintreten kann, und in Teilen sicher eintreten wird. Die Aufgabe für Virkus und Co. im kommenden halben Jahr und danach könnte also kaum größer sein. Und sie war auch nie in der Ära Eberl so dramatisch wie derzeit.

Aber Fußball wäre nicht Fußball, wenn nicht auch alles ganz anderes laufen könnte. Gesetzt den Fall, Borussia spielt - mit Thuram und Bensebaini - eine (sehr) gute Rückrunde und qualifiziert sich für einen europäischen Wettbewerb: Dann könnte dies nicht nur Koné, Hofmann und Plea von Wechselgedanken abbringen und dem Verein finanziellen Spielraum verschaffen. 

Es würde auch für den beim Zweitligaspitzenreiter Burnley auf der britischen Insel aufblühenden Jordan Beyer ein Argument sein, nicht den Verlockungen der Premier League folgen zu wollen, sondern zur Stammkraft in seinem Heimatverein zu werden. Sollten die "Clarets" ihn halten wollen, wäre das sportlich-perspektivisch natürlich ein herber Verlust für Borussia. Er würde dank seines langfristigen Vertrages in Gladbach allerdings auf jeden Fall eine relativ hohe Ablösesumme einbringen.

Eine gute Rückrunde und ein europäischer Startplatz könnte dann auch die Verpflichtung von Spielern im typischen Mönchengladbacher Beuteschema erleichtern, die in die entstehenden Lücken hineinstoßen und schnell in tragende Rollen reinwachsen. Es könnte sich insofern alles, was im Moment vielleicht noch schwer vorstellbar scheint, doch wieder einrenken. Die aktuelle Mannschaft scheint intakt, das Team wirkt lern- und leistungsbereit.  

Wenn das Konzept und die Spieler passen, kann Borussia auch über diese Saison hinaus große Freude machen - mit einem dann verjüngten, aber entwicklungsfähigen Team und etwas reduzierter Anspruchshaltung drumherum. Der Trainer ist sicher ein wichtiger Faktor dafür, dass das gelingen kann. Mit Glück und Geschick auf und neben dem Platz kann also vieles wieder gut werden. Als alte Gladbacher Unke sehe ich zwar noch nicht so recht, dass es so kommt, aber denkbar ist es.

Natürlich wünsche ich es mir sehr. Und hoffe, dass mit dem Anpfiff am Sonntag ein erster großer Schritt in diese Richtung gelingt. Also: Haut rein, Jungs!

3 Kommentare:

  1. Goldiiie@gmx.de1/18/2023 9:35 AM

    Jepp! sehe ich ganz genauso - ich hätte es nur nicht so perfekt beschreiben können ;-)

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  2. Super geschrieben!!!

    @ Tschüss Yann, Danke für alles, total Schade, dass es die Bajuwaren sein müssen, wo du deine Titel holen möchtest. 9 Jahre Herzblut Borussia und dann noch so viel Geld dem Verein gebracht bei einem 1/2 Jahr Vertrag: chapeau! Alles gute für dich persönlich - und hoffentlich können wir dich mit ärgern und weiter Punkte den Münchnern abnehmen. ;-)

    Ob das Reinvestieren des ganzen Geldes in einen neuen Torwart sein muss??? Nicht ganz der Borussia-Weg, oder? Vorallem weil wir genügend "Nachwachs" haben sollten auf der Position!?! Mal sehen ob einem Olschowsky die Position 2 reicht, bei ebenfalls auslaufendem Vertrag ...

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    1. Das sehe ich auch so. Man hält ja so viel von der jungen Garde Torhüter dass man Verträge verlängert und sie dann verleiht weil an Yann kein Vorbeikommen ist. Durchaus nachvollziehbar - aber dann gleich die kompletten Millionen in einen neuen Torhüter zu investieren an dem die jungen auch nicht vorbei kommen, finde ich fraglich.
      Warum nicht das halbe Jahr Olschowsky die Chance geben?
      Wobei ich mich Frage wer die geplante zukünftige Nr. 1 sein sollte. Einer der ausgeliehenen (Nikolas, Kersken...) oder Olschowsky mit Spielpraxis in der tiefsten Liga?
      Aber das zeigt mal wieder wie schnell es gehen kann. Talent ist eins aber wichtiger ist zur richtigen Zeit das richtige Glück zu haben.

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