Die Saison ist vorbei, erneut verlassen einige Spieler die Borussia. Einen Verlust stellen sie alle dar, auch wenn man persönlich an dem einen mehr hängen mag als an dem anderen. In einer losen Folge zeichne ich nach, was dem Team mit den Abgängen verloren geht und wie man Xhaka, Stranzl, Brouwers, Nordtveit, Hrgota und Hinteregger ersetzen sollte.
Da geht er nun hin, nach England. Auch wenn es noch nicht offiziell bestätigt ist: Der Wechsel von Granit Xhaka ins Mutterland des Fußballs konnte eigentlich niemanden überraschen. Ich hatte seinen Abgang in meinem Ausblick auf die neue Saison vor einiger Zeit schon als absehbar bezeichnet. Das Schmerzensgeld ist in Ordnung, und wirtschaftlich wie menschlich ist es vernünftig, dem Schweizer den Schritt jetzt zu ermöglichen. Sportlich ist es für Borussia nicht ohne Risiko, aber eben auch unausweichlich, weil man nicht Bayern München ist.
Granit Xhaka, das steht für mich schon länger fest, ist im englischen Fußball an der richtigen Stelle. Dort wird er nicht so schnell als Rauhbein oder Platzverweis-König abgestempelt - weil auf der Insel seine Art der Zweikampfführung als normale Härte verstanden wird (was sie in der Regel auch ist). In Deutschland hatte er schnell seinen Ruf weg: Das hat ihm auch immer wieder unangemessene Karten und Sperren eingetragen - und viele unsägliche Berichte von angeblichen Experten unter den Sportjournalisten über den vermeintlich unbeherrschten Gelb- und Rotsünder.
Das alles, da bin ich mir ziemlich sicher, wird ihm bei Arsenal nicht passieren. Ich denke, er wird die Gunners-Fans und die Fachleute mit seinem Fußball begeistern - und mit seiner körperbetonten Spielweise, die er in den vergangenen Monaten auch aufgrund der öffentlichen Wahrnehmung deutlich zurückgenommen hatte.
Ich wünsche ihm von Herzen viel Erfolg, nicht zuletzt, weil Granit bewiesen hat, dass er nicht einfach nur ein Vereins-Hopper ist, sondern ein Spieler, der sich mit seinem Verein identifiziert und bis zum letzten Tag alles für diesen Verein gibt. In dieser Hinsicht ist Granit ein großes Vorbild und hat sich unseren Dank und einen Platz in unseren Herzen verdient. Für die vier Jahre im Verein, in denen er aus Fehlern gelernt und an sich gearbeitet hat, für seine Leistungen, sein respektvolles Verhalten gegenüber anderen, aber auch für das Geld, das er nun einspielt und das Gladbach die Möglichkeit gibt, die in den vergangenen Jahren erarbeitete Position in der vorderen Tabellenhälfte mit intelligenten Neuverpflichtungen zu sichern.
Die Londoner hingegen bekommen einen noch immer sehr jungen, aber inzwischen gereiften und abgeklärt spielenden Mittelfeldstrategen, der in den vergangenen Jahren und Monaten gelernt hat, dass es nicht nur drauf ankommt, ungestüm nach vorne zu arbeiten, sondern dass es viel effektiver sein kann, wenn man aus der defensiveren Position des zentralen Mittelfelds ein Spiel lenkt. Xhaka setzt heute seine Fähigkeiten viel besser und gewinnbringender ein als in den Vorjahren, das war vor allem in der Rückrunde sehr gut zu beobachten: die Übersicht und seine zentimetergenauen 60-Meter-Pässe, dazu das gute Stellungsspiel und das Vorausahnen der Situationen, das ihn nicht mehr so oft in foulträchtige Zweikämpfe gezwungen hat. Das war unauffälliger als in seiner Anfangszeit bei Borussia, aber nicht unbedingt schlechter - in jedem Fall war es ein wichtiger Grund, warum der VfL sich letztlich doch noch Platz vier sichern konnte.
Xhaka nahm sich im richtigen Moment zurück, akzeptierte, dass Mo Dahoud der bessere und trickreichere Antreiber in der Offensive ist und bügelte die zum Ende der Saison häufigeren Fehler seines Nebenmanns unaufgeregt aus, wo er konnte. Wer sich noch an die Anfangszeit der Nummer 34 bei Borussia erinnert,
weiß auch noch, dass die gerade geschilderte Rolle genau das
war, was Lucien Favre in Xhaka gesehen hat. Er hat das größere Potenzial
des damals offensiv ausgerichteten "8ers" auf der "Sechser"-Position
gesehen. Und Monsieur hatte auch darin am Ende recht.
Dass die richtige Einstellung, sein Auftreten als Kapitän und seine selbstbewusste Art auch auf die Mannschaft abfärbte, ist offensichtlich. Denn er war in Abwesenheit von Martin Stranzl schnell der Leader im Team, der, der auch mal verbal voranging. Der - das Hannover-Spiel hat das sehr deutlich gezeigt - kaum zu ersetzen ist, wenn die Mannschaft auf dem Rasen an sich zu zweifeln beginnt und einen Tritt in den Hintern bräuchte.
Es war diese positive Entwicklung des Baslers am Niederrhein, die Arsenals Trainerikone Arsene Wenger nun eine solche Summe bieten lässt, wie sie derzeit als Ablösesumme kursiert. Und da sind wir beim Knackpunkt für den VfL. Xhaka ist für unser Team diese 40 plus x Millionen wert, eigentlich sogar noch mehr. Denn sein Weggang verursacht ein spielerisches, kämpferisches und mannschaftsführerisches Loch, das auch bei der Re-Investition dieser Summe wohl nicht zu schließen ist - zumindest nicht sofort wirksam für die neue Saison. Borussia verliert einmal mehr ein Kernstück seiner Erfolgself und muss neu aufbauen. Zum Glück trifft den Verein das nicht mehr so stark, weil der Kader insgesamt schon auf einem ganz anderen Niveau ist wie beim Aderlass vor ein paar Jahren mit Reus, Dante und Neustädter. Doch eine Garantie, dass jemand sofort in Granits Rolle schlüpfen könnte, gibt es nicht. Und auch nicht, dass ein Dahoud genausogut mit Xhakas Nachfolger harmoniert wie dies in dieser Saison der Fall war. Die bisher als mögliche Nachfolger genannten Kramer, Rode oder Tielemanns sind unabhängig von ihrer "Machbarbarkeit" andere Spielertypen, die bislang eher auf der Dahoud-Position zuhause waren. Insofern ist es in diesem Jahr wohl die spannendste Personalie, wie der Verein Xhakas Position neu besetzen wird.
Lieber Wortarbeiter,
AntwortenLöschenein schöner "Abgesang" auf Xhaka und zu weiten Teilen finde ich diese Ausführungen auch gut und richtig. Ich glaube auch, dass er mit seinem Spielstil auf der Insel, sagen wir mal, weniger "aneckt" als in der Bundesliga. Allerdings denke ich, dass es einige Situationen gab, wo sich ein - auch in seinen Augen - Führungsspieler auch in jungen Jahren hätte klüger verhalten können. Ich erinnere mich beispielsweise an eine Szene - ich weiß nur nicht mehr in welchem Spiel - wo er sich auf eine dumme Provokation des Gegners einließ und deshalb vom Platz flog. ABER es ist ihm natürlich hoch anzurechnen, dass er aus seinen Fehlern offenbar gelernt und sich in ein paar Jahren deutlich weiterentwickelt hat.
Für seine erst 23 Jahre wirkt er spielerisch und auch menschlich definitiv reifer und er wird ein Verlust für die Borussia sein. Definitiv. Da ist der Hinweis auf sein Fehlen in Hannover auf jeden Fall angebracht (waren die an dem Abend blutleer...).
Dass er weggehen würde, war abzusehen, aber er hat auch nie ein Hehl daraus gemacht, dass er in die Premier League will. Von daher werden ihn sicher die guten Wünsche der meisten Gladbach-Fans auf die Insel begleiten. Kein Vergleich zu dem Rumgeeiere, mit dem uns damals ein gewisser Dante strapaziert hat.
Sicher ist es in Adlerlass, aber Max Eberl ist durchaus zuzutrauen, dass er guten Ersatz finden wird. Zumal durch diesen Transfer die Kassen gut gefüllt sind...
Viele Grüße
Fohlen
Nachsatz: Man muss allerdings anmerken, dass hierzulande auch verschiedene Maßstäbe angelegt werden. Was ein Ribéry darf (dem Gegner an der Seitenlinie ins Gesicht fassen und ins Auge pieken), das darf ein Xhaka noch lange nicht... Aber nun gut. Das ist vorbei und es beginnt mal wieder ein neues Kapitel in der Geschichte Gladbachs. - Fohlen
AntwortenLöschenVöllig korrekt. Was die Reizbarkeit angeht, hat sich GX allerdings schon über die Jahre stark verbessert. Das Nachtreten gegen Darmstadt war natürlich dämlich, nicht entschuldbar, aber aus der Situation heraus (gleich mehrere Fouls gegen Xhaka gingen der Szene voraus) ein bisschen nachvollziehbar.
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