Um zu wissen, dass es längst noch nicht klar ist, wohin die Reise des VfL in dieser Saison gehen wird, hätte es die Abreibung heute in Dortmund nicht gebraucht.
Wer die bisherigen Spiele verfolgt hat, konnte dort schon sehen, dass unsere Borussia Probleme im Spielaufbau bekommt, wenn ein Gegner aggressives Pressing praktiziert. Dass daraus resultierende Passfehler schnell in guten Torschussmöglichkeiten des Gegners enden. Dass der VfL Schwierigkeiten bekommt, wenn er einem dominanten Gegner hinterherläuft, Gegner im Zweikampf nicht stellen und sich aus der Abwehr nicht befreien kann. Die bisherige Saison hat auch gezeigt, dass die Offensive vielfach vor dem Tor nicht kaltschnäuzig genug ist. Was Stindl und Hazard heute vor Bürkis Tor vertändelt haben, müsste normalerweise zu einem Auswärtssieg reichen. Dass das heute wohl dennoch nicht gereicht hätte, ist natürlich auch klar.
Denn heute traf die Hecking-Elf auf einen Gegner, der diese Defizite alle komprimiert auf 90 Minuten aufgedeckt hat. Im übrigen nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren. Das muss man akzeptieren und daraus lernen. Denn natürlich war es hervorragend, wie der BVB bei den Toren und einigen weiteren Chancen unsere Defensive aufgerissen hat. Am Anfang vieler Tore standen aber eigene individuelle Fehler: Vestergaard und Ginter jeweils mit Fehlpässen etwa oder der zu kurze Befreiungsschlag vor dem letzten Tor, dem als Tiefpunkt des Abends der Sonntagsschuss von Weigl folgte. Das sind Dinge, die man schnell abstellen muss, weil sie besonders ärgerlich sind.
Was tiefer liegt, ist die taktische Problematik. Gegen spielstarke Gegner wie Dortmund oder Leipzig gelingt es Borussia nicht, den gewünschten Ballbesitzfußball zu spielen. Man gerät im Gegenteil über weite Strecken des Spiels erheblich unter Druck und in die Defensive. Und diese Rolle unter Dauerfeuer kann das Team nicht so effektiv verteidigen wie es früher unter Lucien Favre mal möglich war. Heute ging es knapp 25 Minuten gut, und dann war Gladbach innerhalb von Minuten waidwund geschossen.
Zieht sich der Gegner hingegen freiwillig zurück und rührt Beton an, wie es Augsburg, Frankfurt oder Stuttgart taten, fehlen Borussia oft die Mittel und die Schnelligkeit im Spiel, um diese Abwehrriegel zu knacken.
Von außen ist kaum zu bewerten, ob hier nur Nuancen verändert werden müssten, um in die Spur zu kommen oder ob es sich um ein tiefergreifendes Problem handelt, mit dem sich der Verein durch die gesamte Saison schleppen wird. Ein wichtiger Punkt, aber nicht die Ausrede für alles, ist sicher die personelle Situation. Traoré, Grifo, Strobl, Benes, Drmic sind alles Spieler, die eine andere Qualität in so ein Spiel bringen könnten. Dass ein angeknockter Chris Kramer heute nicht voll auf der Höhe war und die beiden Youngster Zakaria und Cuisance letztlich vor der Kulisse im Westfalenstadion zu viel Verantwortung auf den Schultern trugen, spielt auch eine Rolle. Denn bezeichnend war, wie die vermeintlichen Stützen der Mannschaft heute mit untergingen. Kein Wendt, kein Raffael, kein Johnson, kein Vestergaard, kein Stindl und kein Ginter waren in der Lage, ordnend einzugreifen. Die einzige Ausnahme in einer kollektiv schwachen Mannschaft war der bedauernswerte Tobi Sippel im Tor. Immerhin auf dieser Position hat der VfL derzeit keine Probleme, trotz des Ausfalls von Yann Sommer.
Was die Feldspieler angeht, muss sich Dieter Hecking fragen lassen, wohin er den VfL entwickeln will. Für Ballbesitzfußball, wie ihn die Spitzenteams Dortmund, Bayern, aber auch Leipzig oder Hoffenheim spielen, fehlt der Mannschaft im Moment wohl die Klasse, auf jeden Fall aber die Tiefe im Kader, um Formschwächen abzufedern. Für Konterfußball aus einer massierten Deckung heraus fehlt es hinten wie vorne an Effizienz. Kriegt das Trainerteam diese Unwuchten nicht schnell in den Griff, könnte dies für die Saison ein ständiges Auf und Ab bedeuten. Schon allein deshalb hoffe ich auf schnelle und gute Besserung.
Bundesliga,
Saison 2017/18, 6. Spieltag: Borussia Dortmund - Borussia Mönchengladbach 6:1
(Tor für Borussia: 5:1 Stindl)
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