2019-03-02

Überrumpelt, übervorteilt, unterirdisch

Womit fange ich meinen Text an - mit der Mannschaftsleistung oder der Schiedrichterleistung? Diese Frage habe ich mir schon während des Spiels gestellt, als nach dem 1:4 die Messe endgültig gelesen war. 
Bis zur letzten Minute hatte ich mich soweit beruhigt, dass ich eigentlich die Fehler des VfL an den Anfang stellen wollte. Denn dies heute war über 70 Minuten in der Tat ein sehr unterdurchschnittliches Spiel der Hecking-Elf. Der Elfmeterpfiff zum Schluss allerdings änderte meine Meinung wieder. Also: zuerst ein paar Worte zu Herrn Zwayer und seinem Team, mit besonderen Grüßen in den Kölner Keller. Was da heute abgelaufen ist, ist in meiner Erinnerung beispiellos.  

Fangen wir hinten an. 90. Minute: Kimmich im Zweikampf mit Hazard, der Münchner taucht runter und umklammert im Fallen den Belgier. Dafür bekommt er Elfmeter. Das ist hochgradig lächerlich. Mag sein, dass es für den Schiri auf dem Feld in Echtzeit so aussieht. Aber wozu gibt es den Linienrichter und die Videoassistenten, wenn nicht, um solche krassen Fehlentscheidungen zu korrigieren. Mir fehlen da inzwischen die Worte.

Ein paar Minuten früher. Lewandowski köpft aus kurzer Distanz aufs Tor, Sommer hält wieder mal fantastisch. Bevor er den kurz vor ihm liegenden Ball unter Kontrolle bekommen kann, rauscht Lewandowski in ihn hinein, ohne den wegprallenden Ball zu spielen und hindert Sommer zugleich daran, aufzustehen und ins Spiel einzugreifen. Gnabry kann den Ball vor dem blockierten Torwart ins Tor dreschen. Ein klares Foul am Goalie. Keine Reaktion beim Schiri, keine in Köln.

Sprung zurück in die erste Minute. Als der Eckball reinfliegt, stößt Martinez Elvedi so mit dem Arm weg, dass der in der Rückwärtsbewegung ins Straucheln gerät und fällt. Ein Foul, das man im Stadion im richtigen Winkel bis in den obersten Rang unter dem Dach sieht. Martinez steht am Fünfer völlig frei und köpft ein. Ein klareres Offensivfoul habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Der Hammer: Das Tor wird in Köln überprüft und trotzdem nicht annulliert. Und auch Zwayer selbst sieht keinen Anlass, sich das  nochmal anzusehen. 

Fünf Bayern-Tore, drei davon irregulär: Das muss man erstmal hinbekommen. Die Unparteiischen können froh sein, dass Gladbach auch so noch genug Fehler gemacht hat und somit die "Leistung" der Referees nicht so entscheidend war, als dass man sie mal genauer unter die Lupe nehmen müsste.  
Es gab darüber hinaus auch noch eine ganze Reihe weiterer falscher, aber nicht so weitreichender Entscheidungen gegen beide Mannschaften (etwa die gelbe Karte gegen Boateng beim Handspiel oder die gegen Hofmann wegen Haltens). Klar ist aber auch: Zwei dieser drei regelwidrigen Tore haben für den Spielverlauf weichenstellende Wirkung gehabt.

Das Gefühl, dass mein Verein in diesen Szenen benachteiligt worden ist, nagt an mir. Aus meinen Texten wird sicher des öfteren deutlich, dass ich Ungerechtigkeiten nicht ausstehen kann. Allerdings hindert mich heute nur eins daran, Skandal und Schiebung zu rufen: die schlechte Leistung von Borussia. Bei allem anderen Ärger: Das war mit Ausnahme der guten Phase in der ersten Halbzeit, als sich die Mannschaft von dem frühen Schock erholt hatte, einfach durch und durch zu fehlerhaft. 

Bayern München reichte heute eine durchschnittliche Leistung und viel einfallslos-englisches "Kick-and-rush", um die VfL-Defensive ein ums andere Mal schlecht aussehen zu lassen. Ginter, Elvedi und Lang waren in vielen Szenen gegen entschlossen zur Sache gehende Gegner überfordert und erschreckend zweikampfschwach, nur Wendt hielt da ein bisschen cleverer gegen. Wäre Sommer nicht gewesen, wäre es ein noch viel bitterer Abend geworden. Doch auch er war beim zweiten und vierten Tor (wo er zur Flanke hätte rauslaufen können) nicht frei von Mitverantwortung. Über das ganze Spiel gesehen drängte sich ein Eindruck auf: Die Bayern waren für ein enges Spitzenspiel gerüstet, hochmotiviert in den Zweikämpfen - der VfL nicht.

Dennoch hätte das Spiel eine andere Wendung bekommen können. Weil Borussia sich nach dem 0:2 zunehmend fing, das eigene Spiel besser durchbrachte und auch eine Reihe guter Chancen herausspielte. Das 1:2 kurz vor der Pause war der verdiente Lohn dafür. Mit diesem Spielstand in die zweite Hälfte zu starten, war keine schlechte Ausgangsposition. Die war dann - unverständlicherweise - fahrlässig schnell hergeschenkt. Nach wenigen Sekunden nutzte Lewandowski einen erneuten kollektiven Aussetzer der Heimmannschaft zur Vorentscheidung. 

Wenn es etwas gibt, was man der Mannschaft heute als erstes vorhalten muss, ist es dass sie in beiden Halbzeiten völlig lethargisch ins Spiel gingen und sich so leichtfertig aller Siegchancen beraubten. Dass so etwas in der ersten Minute (wo die Bayern ja schon mit dem ersten Angriff hätten führen müssen) passiert - ok. Obwohl es in dieser Saison ja bei weitem nicht das erste frühe Gegentor war. Sich nach Wiederanpfiff dann aber genauso dämlich anzustellen und überrumpeln zu lassen, ist unerklärlich und unentschuldbar.
Und wenn ich vor vier Wochen noch davon geschwärmt habe, dass der VfL die (Nerven-)Stärke eines Spitzenteams zeigt, muss man jetzt ernüchtert feststellen, dass das offenbar auf dem Weg seither verloren gegangen ist. Und das, obwohl personell die gleiche Mannschaft auf dem Spielfeld steht.

Damit will ich es, was die Mannschaft angeht, heute bewenden lassen. Allerdings habe ich heute auch noch ein paar Sätze zum Trainerteam. Dass Alassane Plea trotz seiner Formkrise von Anfang an spielte, kann ich nachvollziehen. Stürmer brauchen Vertrauen. Zudem war Drmic, der sich zuletzt präsentiert hatte, verletzt und Raffael gerade erst wieder zurück. Was ich nicht verstanden habe, war, dass Plea trotz einer erneut unterirdischen Leistung auf dem Platz blieb und Hecking stattdessen in Hofmann und Neuhaus zwei der laufstärksten und kreativsten Spieler vom Platz holte. Natürlich, dass die Wirkung von Zakaria und Raffael überschaubar blieb, lag auch am Spielverlauf und dem dann endgültigen K.o. zum 1:4, der schnell folgte. Und gut, nicht jeder Plan klappt auch. Aber der heute leuchtete mir auch nicht so recht ein.

Und nun? Innerhalb von vier Spieltagen ist aus einer komfortablen eine gefährliche Situation geworden. Hoffentlich kann die Mannschaft das abschütteln und findet sehr schnell zurück zur Kompaktheit in der Abwehr und zur Zielstrebigkeit in der Offensive. Denn auch wenn die letzten vier Gegner keine Laufkundschaft waren, sondern mindestens gleichwertig besetzte Konkurrenten: So geht es nicht weiter. Derzeit scheinen zu viele Spieler zu sehr mit sich selbst und ihren Fehlern beschäftigt zu sein. Das muss raus aus den Köpfen. 
Die verheerende Ergebnisbilanz der letzten vier Spiele bedeutet noch etwas: Nach diesen Wochen der bitteren Wahrheiten warten nun die nächsten vier Wochen der Wahrheit - ich hoffe sehr, dass die Hecking-Elf diese gegen Mainz, Freiburg, Düsseldorf und Bremen deutlich freundlicher gestalten kann. Sonst ist der Europa-Startplatz in höchster Gefahr. Und das will ich nicht erleben, zumal ich gegen Bremen endlich auch mal wieder selbst im Stadion sein werde.  

Bundesliga 2018/19, 24. Spieltag: Borussia Mönchengladbach - Bayern München 1:5 (Tor für Borussia: 1:2 Stindl)

5 Kommentare:

  1. Passt aus meiner Sicht mal wieder sehr gut zum Spiel; ich schätze es sehr, dass nicht nur einfach plump alles auf die Schiesrichter geschoben wurde (obwohl... deren Leistung war nicht minder unterirdisch im Vergleich zur Mannschaft, die auch gestern irgendwie schon wieder neben sich stand). Warum man zwei Mal zu Beginn der jeweiligen Halbzeit in der Abwehr kollektiv im Tiefschlaf war, erschließt sich mir nicht. Auf jeden Fall darf dir DAS nicht zwei Mal hintereinander so passieren!

    Zu den (Gegen)-Toren: Aus meiner Sicht hätten - nach Betrachtung der Bilder im TV - das erste Tor und der Elfer definitiv nicht gegeben werden dürfen. Der dritte monierte Treffer vielleicht auch nicht, da bin ich mir unsicher.

    Wenn man auf Seiten der Mannschaft diese Unkonzentriertheiten nicht bald aus den Kleidern schüttelt, dann können wir alle nächste Saison wiederum Europa höchstens im TV verfolgen, ohne Gladbach. Und idealerweise wäre es schon schön, in der CL vertreten zu sein: Das ist, wo das Geld ist (über die überaus verzerrte Schieflage, monetär gesehen, dieser beiden Wettbewerbe ist wohl genug gesagt worden).

    Ich kann ebenfalls nur hoffen, dass die sich bald fangen und die fast schon als "Pflichtsiege" zu bezeichnenden weiteren Spiele sowohl ernst als auch konzentriert angegangen werden.

    Ach ja, und es drängt sich der Gedanke auf, dass unserer Abwehr ein Typ à la Stranzl sicherlich gut täte...

    Und dem Kölner Keller täte es auch sehr gut, dass es endlich und wirklich e i n h e i t l i c h e Richtlinien gäbe, an die sich auch gehalten wird!! Aber das schien ja gestern mal wieder eher ein Würfelspiel zu sein. Und auch die aufreizende Lässigkeit der Bayern, die es nun wahrlich nicht nötig haben, Zeitspiel zu betreiben, wurde einfach so hingenommen. Warum wird das nicht - egal von welcher Mannschaft - endlich mal unterbunden? Manchmal bekommt man den Eindruck, der Gegner darf im Borussia-Park irgendwie alles. Beschweren wir uns, werden unsere Spieler weggeschickt wie ungezogene Jungens, während der Gegner den Schiedsrichter gefühlt minutenlang "belabern" darf. Gut, das mag ein wenig durch die Vereinsbrille geschaut sein, aber vielleicht hat man sich daran gewöhnt, dass es irgendwie einfach so sein "muss"?!

    Besorgte Grüße
    Fohlen

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    1. Sehr gut geschrieben, dem ist nichts hinzuzufügen :-)

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  2. Morgen,wo sind die Männer, wenn es mal nicht läuft? Da fehlt es wohl an Typen im Kader.Dabei achten sie doch so explizit darauf. Dieter, glaube Peitsche, statt Zuckerbrot ist angesagt.Der Streichelkurs ist vorbei,sonst gibt's ein böses Erwachen

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  3. Nicht umsonst hat Zwayer im Kicker die Note 6 bekommen. Sicherlich hätten wir auch so verloren, aber dieser Typ pfeift immer irgendwie gegen uns! 50/50 Entscheidungen häufig gegen uns, gelbe Karte für Hofmann viel zu früh und bei vergleichbaren Vergehen der Bayern nix. Und der Elfer.... verstehe ich echt die Welt nicht mehr. Nichtsdestotrotz muss langsam was passieren. Mir auch unverständlich, warum Plea meist auf Außen spielt. Wir wollten eine echte Nummer 9. Wir kaufen eine und sie spielt meist auf der Seite. Klar kann man nicht immer treffen, aber wenn man ihn als 9er holt und ihm sagt, dass er dort spielt ist es nicht ungewöhnlich, dass Plea innerlich unzufrieden ist und seine Leistung nicht abruft (meine Interpretation). Ich hoffe ein bisschen, dass Mainz genau der richtige Auswärtsgegner ist. M. E. ist unser Kader wesentlich stärker besetzt. Nun ist es an Hecking eine gute Taktik zu finden.

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  4. Danke für eure klugen, gut abgewogenen Kommentare!

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