2019-11-11

Like a Spitzenreiter

Was für eine Woche! Drei sehr unterschiedliche, höchst beeindruckende Siege, und das am Ende einer Sieben-Spiele-Serie innerhalb von 22 Tagen. Ja, heute war phasenweise der Substanzverlust schon deutlich zu bemerken, aber die Mannschaft ließ dem Gegner dennoch kaum Spielraum, das auszunutzen. Das ist Spitzenreiterlike - und das ist das, was Borussia in den vergangenen Jahren das eine oder andere Mal vermissen ließ, als es drauf ankam.

Heute will ich nicht viel kritisieren. Natürlich gab es Dinge, die in anderen Spielen vielleicht nach hinten losgehen. Aber das muss man dem immer wieder durch Verletzungen dezimierten, und doch immer noch wahnsinnig laufstarken Team einfach mal zubilligen. Die Bremer verstanden es immer wieder sehr geschickt, in gute Kontersituationen zu kommen und erspielten sich eine Reihe richtig guter Chancen. Um Gegentore da abzuwenden, brauchte es schon einen Yann Sommer in Weltklasseform und das eine oder andere Mal auch Glück. Sonst hätte das Spiel auch kippen können.
Sicher hätten einige Angriffe besser abgeschlossen werden können, um die nie aufgebenden Bremer endgültig auf die Verliererstraße zu schicken. Aber es war auch in Ordnung so, denn ein höherer Sieg wäre der Leistung des Gegners dann auch nicht angemessen gewesen.

Natürlich wäre Yann Sommer das Zu-Null heute besonders zu gönnen gewesen, wenn er sogar schon einen Elfmeter hält, und das in dieser entscheidenden Phase des Spiels, als Gladbach etwas wackelte. Man kann durchaus auch monieren, dass in der letzten Minute der Nachspielzeit - in Unterzahl - ein Risikopass an den gegnerischen Strafraum gespielt und der Ball verloren wird, sodass Bittencourt unserem Goalie mit dem Treffer zum Schlusspfiff überhaupt noch die weiße Weste versauen konnte.

Und sicher kann man sich über die völlig unnötige Aktion ärgern, mit der sich Ramy Bensebaini nach einem richtig guten Spiel kurz vor Ende seinen ersten Platzverweis in der Bundesliga einfing.

Aber ich finde, heute kann man es auch einmal dabei belassen, sich zu freuen, dass die Rose-Elf diese wichtige Phase in der Saison bravourös durchgestanden und veredelt hat. Vier Punkte Abstand auf Platz zwei, das bedeutet, dass uns die Tabellenführung auch nach dem 12. Spieltag noch sicher ist. Fünf Spieltage steht das Team jetzt bereits auf dem Platz an der Sonne, und der Abstand ist erstaunlicherweise nur größer geworden. Das ist einfach nur "supercalifragilistic-expialigetisch", wenn ihr versteht, was ich meine.

Das wiederum kann man vom Sportsfreund Tobias Stieler und seinem Team leider nicht sagen. Dabei machte der es eine Halbzeit lang so gut, dass ich meine über die Jahre gut gereiften Vorbehalte schon überprüfen wollte. Er nahm nach Hinweis des VAR (und entsprechend vehementen Protesten der Gladbacher) das Tor der Bremer zu Recht zurück, weil zuvor Rashica Zakaria gefoult hatte. Viel zu oft spielen solche Fouls bei Ballgewinnen im Mittelfeld für die Bewertung eines Tores ja keine Rolle. Diesmal war es anders und das war gut so. Stieler hatte auch sonst eine großzügige Auslegung, lag auf beiden Seiten aber meist richtig damit.

Davon blieb in Halbzeit zwei nicht mehr viel übrig. Die Pfiffe wurden unberechenbarer, und mit zwei Fehlentscheidungen nahm er dann beinahe entscheidenden Einfluss auf das Spiel. 
Zuerst mit dem zweiten Videobeweis, der zum Elfmeter führte. Vielleicht fühlte sich der Schiri ja mit dem zurückgenommenen Tor unterbewusst doch nicht so wohl. Anders ist für mich die Entscheidung in der 50. Minute nicht erklärbar. 
In der Zeitlupe sieht man sehr deutlich, dass Bensebaini durch einen Gegenspieler geschubst wird, dadurch die Balance verliert und nur deshalb Osako unabsichtlich auf den Fuß tritt. Wenn man diesen kausalen Zusammenhang als Schiedsrichter nicht sieht, erstaunt mich das sehr.
Dazu kommt, dass diese Aktion mit dem Kampf um den Ball rein gar nichts zu tun hatte. Ich weiß, das ist kein Ausschlusskriterium für einen Foulpfiff. Doch wenn solche Szenen abseits jeder Torgefahr und des Zweikampfs um den Ball jetzt zu Elfmetern führen, müsste es nach nahezu jeder Standardsituation in Tornähe Elfmeter geben, weil irgendwo immer irgendwer zu Boden gerungen wird. In diesem Spiel zum Beispiel in der ersten Hälfte, als Marcus Thuram von Osako schmerzhaft im Gesicht getroffen wurde und zu Boden ging.

Damit nicht genug. Für dieses harmlose "Vergehen", das Stieler sich mehrfach in aller Ruhe am Fernseher ansehen konnte, gab es für Bensebaini dann auch noch Gelb. Das ist der noch größere Witz als die Elfmeterentscheidung. Und natürlich rege ich mich nur deshalb so darüber auf, weil dies später die bekannten Konsequenzen (Gelb-Rot) hatte. Nach meinem Wissen gibt es zusätzlich zum Elfmeter dann Gelb, wenn das Foul rücksichtslos war (war es nicht), wenn es Foul ballorientiert war und eine klare Torchance verhindert (war es nicht) oder wenn das Foul nicht ballorientiert war (wie in diesem Fall) und damit ein aussichtsreicher Angriff vereitelt wurde (wurde es nicht). Warum also Gelb für Bensebaini? Das weiß nur der Schiedsrichter. 

Sein Geheimnis bleibt wohl auch, warum er kurz nach dem Elfmeter Nuri Sahin für ein taktisches und rücksichtsloses Foul von hinten auf den Knöchel von Laszlo Benes nur Gelb zeigte und nicht Rot - obwohl dafür alle Kriterien erfüllt waren. In diesem Fall war offenbar auch der sonst sehr akribische VAR nicht zu einem Hinweis an Stieler bereit. Es ist äußerst ärgerlich, wenn ein Spieler dadurch möglicherweise schwerer verletzt ausscheidet und der Übeltäter so leicht davon kommt. Denn er wird dann auch beim nächsten Mal wieder so in den Mann reinspringen.

Damit bin ich auch bei den Wermutstropfen des heutigen Spiels. Man kann ja schon die Uhr danach stellen, dass ein Gladbacher so um die 30. Minute verletzt vom Feld muss und der zweite in der frühen zweiten Halbzeit. Heute erwischte es Christoph Kramer und Benes. Wollen wir hoffen, dass beide in zwei Wochen wieder hergestellt sind. Denn durch Bensebainis Sperre und die vielen angeschlagenen Spieler wird die Aufgabe trotz der Verschnaufpause in den nächsten Tage nicht einfacher. Wie die Mannschaft und der Trainerstab damit aber umgehen, ist wirklich bärenstark. Fällt einer aus, rückt der nächste nach. Und jeder weiß sofort zu überzeugen. Man kann wirklich derzeit stolz sein auf Borussia und die Klassemannschaft, die sich hier gefunden hat. Und das ist ein Gefühl, das man nicht mehr missen möchte.
        
Bundesliga 2019/20, 11. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - Werder Bremen 3:1 (Tore für Borussia: 1:0 Bensebaini, 2:0 Herrmann, 3:0 Herrmann)

2 Kommentare:

  1. "Supercalifragilistic-expialigetisch" ... ich weiß ganz genau, was du damit meinst, und es stimmt.

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  2. Auch dieses Spiel war wieder sehr intensiv und die Bremer haben sich teuer verkauft. Zum Glück war Sommer zu jeder Zeit auf der Höhe und endlich schlägt auch der VAR mal zu unseren Gunsten aus (zumindest was die Rücknahme des vermeintlichen 2:1 betraf). Bei einigen Entscheidungen von Stieler fragten wir uns auf der Tribüne nur "warum pfeift er jetzt?" - aber gut, für manches ist man im Stadion einfach zu weit weg...

    Dass Sommer die weiße Weste noch verloren ging, hat mich auch ein wenig gefuchst, zumal er tatsächlich auch endlich mal wieder einen Elfer parieren konnte. Am Ende des Tages war es aber bedeutungslos, außer beim Torverhältnis (aber Dank Uli H. aus M. wissen wir ja, dass das ohne Bedeutung ist! Randnotiz: Stellt euch alle mal vor, wie die wahre Borussia am 34. Spieltag punktgleich mit den Münchenern ist, aber um ein Tor besser...)

    Aber was soll's: Gewonnen, ja, gewonnen, als "es um was ging", ein Vierpunktepolster auf den Brauseclub (wie wohltuend) und nun die Länderspielpause (dumm nur, dass wir wieder 8 Mann ziehen lassen müssen, die auch mal eine Pause brauchen könnten. Man kann nur hoffen, dass alle heil zurückkommen!!!). Ich bin froh, selbst mal ein wenig verschnaufen zu können; die letzten Spiele waren doch selbst für uns Fans irgendwo anstrengend.

    Kompliment jedenfalls besonders auch an Trainer Rose und sein Trainerteam und - vergessen wir das nicht - auch die medizinische Abteilung wird ihren Teil beitragen. Und zusammen sind wir BORUSSIA MÖNCHEN-GLADBACH!!! Genießen wir den Platz an der Sonne, solange wir ihn haben... Viele Grüße, Fohlen

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