Mit einem Punkt aus drei Spielen als Tabellen-15. in die erste Länderspielpause: Das ist eine Bilanz, die man angesichts des unangenehmen Anfangsprogramms mit Spielen gegen Bayern München und Auswärtspartien in Leverkusen und bei Union durchaus befürchten, ja sogar als nicht so ganz unrealistisch betrachten konnte.
Denn dass ein neuer Trainer nicht vom ersten Spieltag an die Maßstäbe ganz neu setzen kann, das versteht sich von selbst. Dass die Verletzungen - die vielen Spieler, die deswegen fehlen oder noch keinen Spielrhythmus haben - und die ungeklärten Situationen rund um mögliche Transfers ein weiteres Hindernis in der Neuausrichtung der Mannschaft nach der unerquicklichen Rose-Spätphase sein würden, leuchtet auch jedem ein. Also muss man einkalkulieren, dass vieles noch nicht rund läuft. So weit, so verständlich.
Jeder weiß aber auch, dass es nicht so unglücklich laufen muss. Gegen die Bayern wären drei Punkte nicht unverdient gewesen, dort wurden sie ein Stück weit von außen (Schiri/VAR) verhindert.
Dass die Spiele gegen Bayer und die Eisernen verloren wurden, lag aber bei allen Randgeräuschen zu allererst an der eigenen Leistung unserer Rautenträger.
Egal. Haken wir Leverkusen ab, schauen wir auf heute. Und da zeigte sich einmal mehr das unerklärlich fahrige Gesicht dieses doch inzwischen über mehrere Jahre ganz gut zusammengehaltenen und eingespielten Kaders. Ja, die jungen und vergleichsweise unerfahrenen Scally und Beyer standen heute auf dem Platz, und letzterer leitete den unerfreulichen Verlauf des Nachmittags mit seinem Fehlpass auch ein. Doch ihm ist als allerletztes ein Vorwurf zu machen, wenn neben ihm die erfahreneren Nebenleute wie Bensebaini, Stindl, Hofmann, Neuhaus dem Gegner die Bälle reihenweise in die Beine spielen. Stindls Missverständnis mit Wolf führte zum 0:2, das Abwehrverhalten bei beiden Toren war unterirdisch, auch weil es wieder einmal nicht gelang, rechtzeitig ein taktisches Foul zu ziehen oder in Überzahl gegen zwei Gegner im Strafraum den Überblick zu behalten.
In der zweiten Hälfte war es wie gegen Leverkusen ein kurzes engagiertes Aufflackern nach der Pause, und danach viel Leerlauf, Ratlosigkeit und unpräzises Spiel gegen einen in die eigene Hälfte zurückgezogenen laufstarken Gegner. Es sah eigentlich nie danach aus, als würde heute noch ein Tor für Borussia fallen wollen, genauso wie vor einer Woche. Und es wäre unverdient gewesen, wenn nach dem in der Nachspielzeit endlich erzwungenen Anschlusstreffer von Jonas Hofmann auch noch das mögliche 2:2 gefallen wäre. Doch Patrick Herrmann vergab die Topchance einmal mehr ziemlich unsouverän und legte damit ein weiteres Problem des VfL offen: Solange Alassane Plea und Lars Stindl im Angriff zu viel gleichzeitig machen müssen, weil ihre Nebenleute weder als Vorbereiter noch als torgefährliche Alternativen zur Verfügung stehen, bleibt Borussia vorne viel zu leicht ausrechenbar.
Es fehlen - noch eine Weile - die Läufe von Thuram und Embolo, die Vorstöße von Lainer und natürlich auch die Gefährlichkeit, die ein Ramy Bensebaini in Bestform ausstrahlen kann. Alle anderen sind ja bemüht, aber weder Bennetts noch Herrmann noch irgendein anderer haben den Zug zum Tor, den es braucht, um im Zweifel dann auch anderen Räume in der Hälfte des Gegners zu öffnen.
Dass es hätte anders laufen können, zeigte die Anfangsphase, in der Gladbach das Spiel sicher im Griff hatte, mit vielen Direktpässen agierte und auch passabel durchs Mittelfeld kam. Das ist ein vernünftiger Weg, denn die Spieler für dieses schnelle Direktspiel sind da. Dennoch scheiterte die Hütter-Elf, übrigens wie in Leverkusen, immer wieder dann mit schlecht getimten Bällen, wenn es in die Spitze gehen sollte. Nicht zuletzt resultierten aus solchen fahrigen Zuspielen auch die gefährlichen Konter, die am Anfang beider Niederlagen standen.
Es ist, wie es ist. Und es sieht leider so aus, als hätte die Mannschaft noch sehr viel von der Endphase der letzten Saison in den Beinen und noch nicht genug von der Überzeugung für Hütters aufwändiges, intensives und körperbetontes Spiel in den Adern, die sie im Spiel gegen den Rekordmeister noch gezeigt hatte.
Wie gesagt: Man kann nicht erwarten, dass alles schon perfekt sitzt - das war ja auch bei den Gegnern bisher nicht so. Aber dass die entscheidenden Fehler der Rückrunde - mangelnde Kompaktheit im Defensivspiel nach Ballverlusten und die fehlende Variabilität im Spiel nach vorne alias Plan B - weiterhin die beherrschenden Probleme sind, enttäuscht schon.
Denn Union reagierte heute taktisch auf die gute Anfangsphase der Fohlen, indem sie Stindl und Neuhaus sehr eng - fast in Manndeckung - nahmen und dafür eher Chris Kramer freiließen und so zum unfreiwilligen Gladbacher Spielmacher machten, was dieser überhaupt nicht zu nutzen wusste. Die taktische Antwort der Borussen blieb ohne Wumms. Denis Zakaria brachte zwar an Kramers Stelle nach der Pause deutlich Belebung, aber auch die Umstellung auf eine Dreierkette mit Bensebaini und dem oft absinkenden Zakaria als verkappten Aufbauspielern brachte gegen die massive Defensive von Union nur ganz wenig schnelle und durchdachte Angriffe hervor. Es dauerte meist zu lange, bis die eigene Hälfte überwunden war - auch weil lange Bälle gegen die Union-Defensive und dem Gladbacher Personal im Angriff wenig erfolgversprechend waren und beim anlaufen der Union-Stürmer immer wieder der sichere Passweg nach hinten gewählt wurde.
Fazit: Es fehlt an vielem, und Borussia steht nach drei Spielen nicht ohne Grund da, wo man steht. Die Balance zwischen den Mannschaftsteilen ist noch nicht gefunden. Die Aggressivität, mit der man Gegner zu Fehlern zwingen kann, wird nicht als Mannschaftsverbund und bisher nur punktuell umgesetzt, Angriffspressing war heute zum Beispiel gar nicht zu sehen.
Und die Zielstrebigkeit und Handlungsschnelligkeit - bis hin zum häufigeren Schuss aufs Tor, wenn es mal Sinn ergibt - lässt auch zu wünschen übrig. Für all das gibt es die oben genannten Gründe und mildernden Umstände. Es ist derzeit nicht einfach (aber genausowenig für die anderen Teams), ganz sicher. Das darf aber nicht als Entschuldigung dafür hergenommen werden. Adi Hütter und sein Team haben einen Rucksack voller Aufgaben, damit sie in zwei Wochen mit hoffentlich ein paar Spielern mehr, die sich über diese Tage wieder in Form bringen können, deutlich besser auftreten können. Bis dahin nehmen wir den Fehlstart in der Liga so an, wie man ihn - noch - nehmen kann: mit Fassung.
Exkurs: Am Schiedsrichter lag es heute nicht. Aber die selbstherrliche Arroganz, mit der Schiedsrichter Felix Brych gefühlt jede zweite (meist auch noch sehr klare) Aktion - egal ob Ausball oder Foul - falsch entschied, die ist gleichermaßen beeindruckend wie zur Weißglut treibend. Es hätte wahrscheinlich nichts genutzt: Aber auch heute beendete er das Spiel deutlich zu früh. Das Tor in der Nachspielzeit wurde allein eineinhalb Minuten gecheckt, danach ließ sich Luthe noch einmal eine gute halbe Minute Zeit mit einem Abstoß, und blieb, obwohl er dafür von Brych schon in der 46. Minute ermahnt worden war, natürlich ohne Verwarnung. Brych pfiff dann eine Minute nach Ende der angezeigten Mindestnachspielzeit von drei Minuten ab - gerade, als Borussia sich nach Ballgewinn für einen vielleicht letzten Angriff der Mittellinie näherte.
Dass kurz vor Schluss auch noch ein langer Ball auf Herrmann sofort als vermeintliches Abseits zurückgepfiffen wurde, obwohl es eine Zentimeterentscheidung gewesen wäre und doch die klare Maßgabe gilt, solche Angriffe durchlaufen zu lassen, das passte ins Bild. Aber das nur der Vollständigkeit halber. Wichtiger ist das, was die Mannschaft verbessern kann und muss.
Bundesliga 2021/21, 3. Spieltag: FC Union Berlin - Borussia Mönchengladbach 2:1. Tor für Borussia: 2:1 Hofmann.
Saisonspende: Mühsam nährt sich das Eichhörnchen, Nach dem leeren Abend in Leverkusen gibt es heute durch Hofmanns Tor immerhin einen Euro dazu. Spendenstand nun: 4 Euro.
Folgendes gilt für die Saison 2021/22: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal: 1 Euro. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 121 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.
Anderer Trainer. Selbes Team. Selbes Gegurke. Ist es möglicherweise völlig Wurscht, wer diese Mentalitätsunterirdischen trainiert? Alle haben es gesehen. Ich habe es gesehen. Jeder konnte es zum Ende der letzten Saison sehen. Diese Mannschaft braucht dringend Veränderung. Die gibt es aus nachvollziehbaren Gründen nicht. Deshalb wird es sehr sehr schwer mit dieser ausgepowerten Truppe die Liga zu halten. Man will es nicht wahrhaben. Aber es wird so kommen.
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