2022-10-01

Zeitweise abwesend an der Weser

Ich sach ma so: Moin - jetzt wach, Borussia? Nach der Länderspielpause heute im Topspiel eine Viertelstunde zu lange geschlafen, und schon war der Abend zerfidelt und das Kind in den Bremer Brunnen gefallen. Diese unerklärlich schläfrige Auftaktviertelstunde war trotz ehrlicher und merklicher Bemühungen danach nicht mehr auszugleichen, und so steht am 8. Spieltag eine verdiente wie ernüchternde 1:5-Klatsche beim starken Aufsteiger Werder.
Immerhin eine Niederlage, die man dem grundsätzlich sympathischen Gegner nicht so krumm nimmt wie anderen - nicht nur, weil der SV Werder neben Borussia derzeit der einzige Rautenclub der Liga ist.

Ja, mit dem 1:5 hat sich die Farke-Truppe viel von dem eingerissen, was sie sich in den vergangenen Spielen mehr oder weniger mühsam aufgebaut hat. Das ist total ärgerlich. Es war aber auch nicht zu erwarten, dass Lars Stindl und seine Kollegen nun die Liga jede Woche so umpflügen wie beim 3:0 gegen Leipzig vor zwei Wochen. 

Dumm ist es aber schon, dass diese spielerischen Extreme nun ausgerechnet so nah beieinander lagen. Solche Rückschläge wie heute versetzen mich als gestählten Borussia-Fan immer in Unruhe. Die Angst, es könnte mit einem Schlag alles einstürzen, was eben noch so hoffnungsvoll erschien - sie ist immer dabei. Und gerade die hohen Niederlagen der letzten Jahre gegen Freiburg, Leverkusen, München oder Dortmund wirken da wie warnende Leuchtfeuer.

Dennoch nehme ich die heutige Niederlage ganz anders entgegen als die eben genannten. Denn es stand über 90 Minuten eine etwas neben sich stehende, aber füreinander einstehende Mannschaft auf dem Platz - eine Elf, die auch angesichts dieser Widrigkeiten zusammengehalten hat. Die Ramy Bensebaini wieder aufmunterte, wenn und obwohl der bisher so starke Algerier heute mehrere seiner Kreisligamomente hatte, wie bei den vorentscheidenden Toren zum 3:0 (eigentlich sein Assist) und bei seinem unerklärlich eleganten, seitlich eingesprungenen Eigentorkunstwerk zum 4:0.

Es war ein Team auf dem Platz zu sehen, dass sich treu geblieben ist, das den Weg weitergegangen ist - und auch wenn die Resilienz heute in entscheidenden Phasen unzureichend war - dennoch standgehalten hat. Weil Borussia das Spiel - gegen zugegebenermaßen dann weniger aggressive Bremer - später erheblich besser in den Griff bekam und sich wirklich genug Chancen herausspielte, um die Partie sogar noch bis zum Schluss offen zu gestalten. Bei einer normalen Chancenverwertung wäre eine spannende Schlussphase, vielleicht gar ein Punkt drin gewesen. Verdient wäre das dann auch nicht gewesen, aber das kümmert andere ja auch nicht.

Es war also ein anderer Spirit zu registrieren, als noch in den Endphasen der Übungsleiter Hütter und Rose. Es war allerdings auch deutlich, dass heute einfach zu viele Spieler zu viele Probleme mit sich und der Abrufbarkeit ihrer normalen Leistung hatten. Nicht nur der unglückliche Bensebaini, auch Scally, Stindl, Hofmann und andere waren alles andere als in Galaform. Daran lässt sich in einem funktionierenden Kollektiv aber besser arbeiten, als wenn irgendwann nur mit den Schultern gezuckt wird oder einer auf den anderen zeigt, wenn etwas in die Hose gegangen ist.

Und um fair zu bleiben: Das hatte natürlich heute auch sehr viel mit dem gut eingestellten Gegner zu tun, der die Gladbacher Schwächen gnadenlos aufdecken und auch effektiv ausnutzen konnte - so ähnlich, wie es dem VfL gerade erst gegen Leipzig gelungen war.  

Also: Ich bleibe positiv, weil der Farke-Weg für die Mannschaft der richtige zu sein scheint- nein: ist - und weil Rückschläge zu einer Entwicklung dazu gehören. Es hätte nicht so deftig sein müssen, das wissen alle. Aber besser so ein Schuss vor den Bug als viel Gemurmel, das die vorhandenen Schwächen nur kaschiert.

Sehr schnell klären muss die Mannschaft aber wichtige Fragen: Wie es sein kann, dass man die ersten 15 Minuen verschläft, obwohl man weiß, dass der Gegner in den ersten und letzten Minuten des Spiels besonders aktiv und besonders torgefährlich ist. 

Wieso die Zweikampfbilanz in der ersten Halbzeit kollektiv so unterirdisch sein konnte, das Absinken in der Verteidigung und die defensive Struktur überhaupt nicht funktionierte, und dann teilweise auch nicht konsequent nach hinten mitgegangen wurde, sodass etwa Ducksch beim 3:0 noch gemütlich auf den völlig freien Füllkrug querlegen konnte, wo weit und breit kein Gladbacher war, der ihn am Torschuss hätte hindern können. 

Oder wie es sein kann, dass man sich dieses Pressings, wenn es so konsequent gespielt wurde, nicht mal ansatzweise erwehren konnte. Antworten darauf sind deshalb so wichtig, weil ein solcher schwarzer Tag einmal passieren kann, aber nicht häufiger. Und natürlich, weil am nächsten Wochenende ein Gegner kommt, der genauso unangenehm zu spielen ist und der in diese Kerbe selbstverständlich auch gern reinschlagen möchte. So leicht wie heute sollte man es keinem Gegner nochmal machen - und schon gar nicht dem Erzrivalen aus K***.

An so einem Tag muss man sich mit dem Schiedsrichter eigentlich am wenigsten beschäftigen. Matthias Jöllenbeck hat aber ein Lob verdient, weil er relativ unsichtbar blieb und mit seiner Linie ziemlich gut durch kam. Das machten ihm die beiden Teams aber auch leicht, denn anders als so manch anderer Ligateilnehmer stand bei beiden stets der Ball im Mittelpunkt - nicht der Versuch, dem Gegner in jedem Zweikampf möglichst noch einen mitzugeben oder durch rücksichtsloses Spiel gar Verletzungen in Kauf zu nehmen. Die Borussen sind dessen eigentlich ohnehin unverdächtig. Aber gerade die Bremer bewiesen heute, dass man physisch, knackig und auch hart spielen kann und dabei doch nicht ständig die Verletzung des Gegners riskieren muss. Das hat mir sehr gefallen und lässt mich den Sieg des Gegners auch leichter anerkennen. 

Ganz am Rande lasse ich hier noch eine Sache zum Nachdenken fallen, die ich nie verstehen werde. Auch wenn ein Spiel entschieden ist, lege ich persönlich Wert auf Gleichbehandlung bei der Nachspielzeit. Jöllenbeck pfiff heute beide Halbzeiten ohne eine Sekunde Nachspielzeit ab - trotz sechs Toren, VAR-Überprüfungen, Verletzungspausen und ordentlich Zeitspiel vom Sportkameraden Pavlenka ab Minute 8. 

Klar, ich weiß, dass das pünktliche Abpfeifen bei solch klaren Ergebnissen - zumindest nach 90 Minuten - die Regel ist. Aber da am Ende in der Tabelle ja auch nur ein mehr oder weniger geschossenes Tor über Titel, Platzierung oder Abstieg entscheiden kann, ist dies aus meiner Sicht trotzdem nicht in Ordnung. Zumindest, wenn beide Teams noch sichtbar nach vorne spielen, was heute der Fall war (anders als beim 0:6 gegen Freiburg in der letzten Saison). Natürlich hätte das am Bremer Sieg heute nichts geändert, das ist mir schon klar. Aber ich finde, bedenkenswert ist es unabhängig von dieser Partie dennoch.

Saison 2022/23, Bundesliga, 8. Spieltag: SV Werder Bremen - Borussia Mönchengladbach 5:1. Tor für Borussia: 4:1 Thuram.

Nach einem solchen Spiel kann man für das Spendenkonto nicht viel erwarten. Ein Euro kommt hinzu, jetzt sind es 43 Euro. Hoffen wir auf einen zweistelligen Zuwachs am kommenden Wochenende. Dazu braucht es ja "nur" den Sieg im Derby.

Das gilt in der Saison 22/23: Für jedes erzielte Tor von Borussia in Bundesliga oder DFB-Pokal zahle ich 1 Euro. Für jedes Tor von Tony Jantschke oder Christoph Kramer: 10 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 10 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg: 10 Euro. Einstelliger Tabellenplatz am Saisonende: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Deutsche Meisterschaft: 122 Euro. DFB-Pokalsieg: 50 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

3 Kommentare:

  1. Ich bin immer noch fassungslos und ringe um Worte...aufgrund dieses kollektiven "Blackouts" an der Weser!!!

    Spirit hin oder her...so etwas darf einer (vermeintlich) spielstarken Mannschaft nicht passieren...ohne Wenn und Aber!!!
    Schon nach einer Minute war klar, in welche Richtung dieses Spiel gehen würde und die Gegentore nur eine Frage der Zeit.
    Man kann Spiele verlieren, die Frage ist dabei aber immer WIE...!
    Und dieser katastrophale Auftritt weckt durchaus
    Erinnerungen an ähnliche Debakel der Vorsaison.
    Diese Mannschaft wird gegen jeden aggressiv pressenden Gegner erhebliche Probleme bekommen, wenn sie sich nicht in der Lage sieht, von der ersten Minute an mit Kampf, Willen und Leidenschaft dagegenzuhalten.
    Abermals hat man eine gute tabellarische Ausgangssituation sowie den psychologischen Vorteil eines positiven (Heim)Ergebnisses -vor der Länderspielpause- leichtfertig verspielt.
    Die Hoffnung auf (endlich) mehr Stabilität wie Kontinuität, ist mit diesem einen Spiel schon wieder in ihren Grundfesten erschüttert, wenn nicht sogar pulverisiert.

    Mit Hinblick auf das bevorstehende Derby kommt dieser völlig überraschende wie unerklärliche Aussetzter natürlich zur Unzeit und sind meinerseits erhebliche Zweifel und Bedenken hinsichtlich einer mannschaftlichen "Reaktion" oder "Antwort" mehr als angebracht.

    In diesem Sinne....noch ein "schönes" Wochenende. ;-))))

    Die Raute im Herzen...

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  2. Dieses Spiel zeigt, dass auch Farke diesen charakterlosen Haufen nicht in den Griff bekommt. Diese Erkenntnis ist viel schlimmer als ein verlorenes Fußballspiel. Und zur Belohnung gibt es noch zwei Tage frei…..

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  3. Was nicht sein darf, darf nicht sein? Hoffentlich spricht das Trainerteam eine andere Sprache, als ihr Kommentar ( was ich angesichts der ersten Stellungnahmen nach dem Spiel nicht glauben mag). Schönreden ist genau das, was an der Weissweiler Allee die Wohlfühloase Borussia hat entstehen lassen. Egal ob Hecking, Rose, Hütter oder Farke. Solange nicht ausgemistet wird, wird das nix mehr. Freue mich schon auf ihren Kommentar nach der 0:4 Heimklatsche gegen heiße Domstädter.

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