2016-12-21

Ratlos - Mutlos - Trostlos - Würdelos

Dass ab morgen, spätestens aber zum Trainingsauftakt im neuen Jahr ein anderer Trainer als André Schubert die Geschicke bei Borussia leiten wird, gilt nach dem heutigen Offenbarungseid gegen Wolfsburg als sicher. Und ich bin auch müde zu widersprechen, weil die Mannschaft in den letzten fünf Spielen (Dortmund, Barcelona, Mainz, Augsburg und Wolfsburg) zu viel schuldig geblieben ist, als dass man noch das Gefühl hat, sie könne sich selbst noch aus dem Sumpf befreien, in den sie sich da hineingeritten hat.
Ob ein Trainerwechsel den erhofften Erfolg bringt, weiß man natürlich erst hinterher.

Ich bin dennoch nicht der Meinung, dass es an dieser Personalie allein gekrankt hat. Aber der Profifußball hat keine Zeit und keine Geduld für risikoreiche Experimente, ob ein Übungsleiter doch noch die Wende schaffen kann. Na klar, wer es sich einfach machen wollte, sah die Schuld seit Wochen beim Trainer. Dass sich das plumpe Schubert-raus-Geblöke aus dem Internet schließlich bis in die Fankurve hineinverfestigt hat, war dann wohl ausschlaggebend dafür, dass auch der Verein Schubert nicht mehr weiter stützen will und kann, obwohl er dies bis zum Augsburg-Spiel für mich in vorbildlicher Weise getan hatte. Die Vereinsführung ist deshalb für mich auch der einzige Akteur in diesem Spiel, dem man in dieser Hinsicht nichts vorwerfen kann.

Viele Faktoren haben zum unbefriedigenden Abschneiden in der Bundesliga geführt. Da steht ganz vorn die Verletzungsmisere, die einen erfolgreicheren Spielbetrieb einfach zu einem guten Prozentsatz torpediert hat. Ich maße mir nicht an, darüber zu urteilen, ob die Anfälligkeit mit der Trainingsarbeit von Schuberts Trainerteam oder dem Wechsel bei den Athletiktrainern zu tun hat oder ob es einfach Zufälle sind. Auffällig ist die Häufung allemal. Und das macht auch einen sportlichen Vergleich mit der Ära Favre unseriös, weil dort einfach viel weniger Ausfallzeiten zu beklagen waren. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Verletzungen während der 16 Bundesliga-Hinrundenspiele in einer (in diesem Blogformat leider schlecht lesbaren) Tabelle sichtbar zu machen. Es fehlten durchweg mehrere Startelfkandidaten verletzungsbedingt, das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Belastung der übrigen Spieler gehabt, die in allen drei Wettbewerben immerhin 26 Pflichtspiele in etwas mehr als vier Monaten zu absolvieren hatten. Zählt man die drei Länderspielpausen dazu, kommen Borussias Nationalspieler noch auf bis zu 6 Spiele mehr.

Legende: Rot steht für verletzt, grün für Einsatz und weiß für nicht eingesetzt. Grau sind die vier Spieler, die in der Bundesliga gar nicht zum Einsatz kamen (Sippel, Heimeroth, Sow und Benes)



Für mich steht vor allem in den vergangenen drei Wochen in allererster Linie die Mannschaft in der Kritik. Wenn ich sehe, wie sich das Team heute (und teilweise auch schon gegen Augsburg und Mainz) präsentiert hat, dann fehlen mir, der während der "Scheiße-am-Schuh-Phase" bis zum Hoffenheim-Spiel mit Vorwürfen sehr zurückhaltend war, schon ein bisschen die Worte.
Das Verteidigungsverhalten bei den Gegentoren heute war unterirdisch, schon peinlich. Dazu wurde den doch ähnlich schwachen Wolfsburgern nicht nur der Sieg geschenkt, nein, es wurden auch mit unerklärlichen Slapstickeinlagen noch mehrere 100-prozentige Torchancen auf dem Silbertablett serviert. Ich habe Verständnis für Druck und Unsicherheit in dieser Phase, aber hier spielen Profifußballer, es sind durch die Bank gute Techniker, denen einfachste Ballbehauptungen und Pässe nicht mehr gelingen wollen? Die keine Flanke zum eigenen Mann bringen, die Torchancen leichtfertig verdaddeln. Ich habe viel Verständnis für Fehler, aber das heute war zu viel des Schlechten. Das war zum wiederholten Mal nicht bundesligareif. Und es war auch von der Körpersprache, von der Zweikampfführung und der Willenskraft, sich der Negativserie entgegenzustemmen, zu wenig. Ich halte nichts von der These, dass Mannschaften aktiv gegen einen Trainer spielen. Aber ein wenig hatte dieses Spiel heute davon.

Und dann gelingt mit viel Mühe der Ausgleich - zwischen all dem Gerumpel auch noch schön herausgespielt -, und der Torschütze Thorgan Hazard hat im Anschluss nichts besseres zu tun, als sich mit dem Statuen-Torjubel seines Kumpels Ibo Traoré selbst zu feiern, als hätter er den VfL gerade ins Pokalfinale geschossen - anstatt kurz die Faust zu ballen, vielleicht das Publikum nochmal zum mitmachen zu animieren und sich hochkonzentriert dem nächsten Spielzug zu widmen. Dass kurz darauf das 1:2 fällt, bei dem die Borussen ähnlich schwach verteidigten wie beim 0:1, passt genau zu dieser Torjubelszene. Die Jungs, so scheint es, haben den Ernst der Lage noch nicht verinnerlicht.
Diese Szenen waren typisch für das Auftreten einer Mannschaft, die auch heute wieder alles mit Hacke, Spitze, eins, zwei, drei lösen wollte, anstatt den Abstiegskampf anzunehmen und aus einer sicheren Deckung heraus mit schnellen knackigen Spielzügen nach vorne zu kommen und konsequent und ohne Schleifchen auf dem Ball abzuschließen.
Ist daran André Schubert Schuld? Vielleicht auch, weil er die Mannschaft in ihrem System gewähren ließ, auch als die Balance schon verloren gegangen war. Weil auch das eine oder andere Mal ein Wechsel oder eine taktische Änderung nach hinten losging, obwohl sie in der Sache richtig war (wie gegen Schalke). Aber die Tore kann er trotzdem nicht selbst schießen. Und auch heute gab es wieder genug gute Gelegenheiten, um die Torarmut zu beenden.

Die Hauptverantwortung haben also die auf dem Platz. Die, die sich festdribbeln, Fehlpässe spielen, Bälle verlieren oder nicht festhalten oder die aus besten Chancen keine Tore machen, wo es ihnen in der vergangenen Saison unter dem gleichen Trainer keine Probleme bereitete, in abgezockter Art und Weise zuzuschlagen.

Natürlich fehlt auch die Erfahrung von Stranzl, Brouwers, Nordtveit und der Antreiber Xhaka. Ihre Rollen, das zeigt sich auch immer erst im Misserfolg, hat noch keiner richtig angenommen. Das dem Management anzulasten wäre unfair, da im vergangenen Sommer der Transfermarkt zu heiß war, als dass Borussia um richtige Verstärkungen hätte mitbieten können. Dass die Baustelle für den Winter erkannt wurde, ehrt die Vereinsführung, doch es nützt André Schubert genausowenig wie damals Michael Frontzeck in seiner Restlaufzeit nicht mehr von den Wintereinkäufen Nordtveit, Stranzl und Hanke und der Rückkehr mehrerer lange verletzter Spieler profitieren konnte, sondern sein Nachfolger Lucien Favre.

Vielleicht kehrt mit dem erwarteten neuen Mann am Spielfeldrand bald der Erfolg und das Glück zurück, was Schubert und dem VfL jetzt seit September abging. Aber: Diese Hinrunde hat auch deutlich gemacht, dass Borussia zu vielem nur fähig ist, wenn alle zusammenhalten. Genauso gilt, dass der von den Fans so gern strapazierte Satz vom "geilsten Club der Welt" nur gilt, solange die Mannschaft erfolgreich spielt. In schlechten Tagen ist ein großer Teil von Gladbachs Anhang eben auch nicht besser als der von beliebigen anderen Clubs. Das hat sich in den Onlinekommentaren gezeigt und es hat sich zuletzt im Stadion fortgesetzt.
Was sich heute im Borussia Park auf den Rängen abgespielt bzw. eben nicht abgespielt hat, passte sich der armseligen Leistung auf dem Platz traurigerweise hervorragend an. "Ein einig Volk von Brüdern" ist aber vor allem dann bitter nötig, wenn es eng wird. Eine Verweigerungshaltung, wie sie heute von weiten Teilen der Stadionbesucher an den Tag gelegt wurde, führt sicher nicht dazu, dass die Mannschaft sicherer wird. Und auch nicht, dass sich Spieler, die vor kurzem noch von den Fans so umworben wurden, sich im Zweifel für Borussia entscheiden wollen, weil der VfL ein so besonderer Club ist.

Und so haben heute alle verloren - nicht nur André Schubert, der ohne Zweifel viel für Borussia geleistet hat und sich seit seiner Amtsübernahme aus meiner Sicht stets tadellos verhalten hat. Und der doch von so vielen Seiten dermaßen verletzend angegiftet wurde, dass man sich als Borussia-Fan durchaus auch für manche Anhänger schämen muss.
Und deshalb bin ich traurig, dass das Fußballjahr 2016 uns alle nicht nur ratlos über die zuletzt mutlosen und trostlosen Auftritte zurücklässt, sondern auch noch auf eine sehr spezielle Weise würdelos endet. Hoffen wir, dass 2017 uns diese bittere Zeit schnell vergessen lässt und neue Erfolge schnell die entstandenen Wunden im Verein schließen können.

Bundesliga 2016/17, 16. Spieltag (20.12.16): Borussia Mönchengladbach - VfL Wolfsburg 1:2 (Tor für Borussia: 1:1 Hazard)

3 Kommentare:

  1. Dieser Einschätzung kann ich zustimmen. Sicherlich sind die Akteure auf dem Platz als erste in der Pflicht, eine ordentliche Leistung zu bringen und vor allem geschlossen, als eine Mannschaft, aufzutreten. Ein Häuflein von Individualisten hat in einem Mannschaftssport eher begrenzte Chancen, etwas zu reißen - besonders Spieler der Kategorie, die sich ein Verein wie Borussia Mönchengladbach leisten kann. Wir sind eben nicht Real Madrid, Barcelona oder Manchester City...
    Aber zurück zum jetzigen Schlamassel. Sicherlich hat André Schubert, nachdem Favre gegangen war, Großes erreicht. Immerhin, nochmals Champions League! Aber meines Erachtens wollte er einfach irgendwie zu viel, zu schnell. Ja, es ist toll, wenn man auf den Gegner reagieren kann, wenn man beispielsweise sogar im Spiel das System ändern kann. Ja, es ist toll, wenn Spieler Seiten oder ggf. sogar Positionen wechseln können - aber teilweise war das für meinen Geschmack einfach zu viel Rotiererei, teilweise schien es so, als wollte man Spieler auf Biegen und Brechen auf eine bestimmte Position zwingen (mir fällt da Johnson ein). Wie sollen da Automatismen und Laufwege oder gar "No-Look"-Pässe funktionieren? Eben. Gar nicht.
    All das führte für mich dazu, dass keine feste Struktur mehr da war und vielleicht resultiert dann daraus, dass die Verunsicherung dazu führte, dass jeder nur noch auf sich schaut, sich unsicher fühlt oder meint, alleine irgendwas hinbekommen zu müssen - und daher dann auch jede Menge Fehlpässe, Abwehrfehler etc.
    Die schlechte Chancenverwertung tat dazu noch ihr übriges - irgendwann fällt man dann vermutlich tatsächlich über die eigenen Füße.
    Vielleicht hätte man den Trainer schon eher wechseln müssen - fragt sich dabei nur, wer es denn sein könnte. So üppig scheint mir der Trainermarkt momentan nicht zu sein und die Wunschlösung "Weinzierl" (so verlautete es ja damals die Presse) war nicht zu haben. Man muss also drauf hoffen, dass Eberl einen geeigneten Kandidaten finden wird.
    Dass die Fans auf den Rängen unzufrieden sind, ist für mich allerdings auch klar. Wir alle haben in den letzten Jahren mehr den Champagner des Erfolges genossen als das abgestandene Wasser des Misserfolges. Und so schnell stellt man sich da nicht wieder um. Die Jahre, in denen das Wort "Abstiegskampf" fest verbandelt war mit den Worten "Borussia Mönchengladbach", die möchte man nicht zurück haben. Man steht auf der Tribüne und sieht dabei machtlos zu, wie ein Fehler nach dem anderen gemacht, ein Fehlpass nach dem anderen passiert, eine Torchance nach der anderen versiebt wird. Ja, da kann man unzufrieden sein und das zurecht! Wie sich diese Unzufriedenheit äußert, gut, das ist eine andere Frage, aber bei solchen Leistungen wie den gezeigten kann man nicht auch noch applaudieren. Ich bin jedenfalls froh, dass nun erst einmal Winterpause ist. Ein bisschen weg vom Fußball, alles sacken lassen und hoffen, dass es diese Saison doch noch einmal gut geht und drei andere Mannschaften hinter uns stehen. Und die Vereinsführung wird nun hoffentlich die Zeit dazu nutzen, unter jeden Stein zu schauen und die Situation aufzuarbeiten, damit die Rückrunde hoffentlich wieder besser läuft. Beste Grüße, Fohlen

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  2. Gut gesagt, Fohlen. Nur zum Publikum noch eine Anmerkung, damit ich nicht falsch verstanden werde. Ich bin genauso hilflos und ratlos und leide während des Spiels wie ein Hund, wenn ich sehe, wie sich die Mannschaft manchmal einen abbricht und nichts dabei herauskommt. Das kenne ich nur zu gut von früher und ich möchte doe Vor-Favre-Zeit auch nicht wiederhaben. Dass es schwer fällt, bei einem Spiel wie gestern als Zuschauer ruhig zu bleiben, sehe ich völlig ein. Aber pfeifen und die Mannschaft durch ausbleibenden Support zu schwächen, halte ich in keiner Phase für akzeptabel. Ich weiß, das sieht mancher anders, der meint, sich für sein Geld auch den Frust von der Seele pfeifen zu dürfen (darf er ja auch, ich finde es aber falsch). Auch Schubert muss sich angesichts mancher versemmelter Chancen oder Fehlpässe ja oft machtlos gefühlt haben. Aber er hat am Rand nie negative Stimmung zugelassen, sondern nach jedem Misserfolg gleich wieder in die Hände geklatscht und seine Spieler positiv angefeuert. Das ist bei Borussias Fans zum Glück lange genauso gewesen, auch zum Beispiel noch nach der Klatsche in Dortmund. Aber danach ist es auf den Rängen zunehmend ins Negative abgedriftet und auch das hat die Mannschaft gemerkt, denke ich. Das mag einen Teil zur Verunsicherung beigetragen haben, soll aber kein Alibi für das Team sein. Jetzt haben immerhin alle wieder die Chance, sich zusammenzuraufen.

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  3. Hallo Wortarbeiter, so ähnlich ist das auch bei mir angekommen. Ich kann auch nicht verstehen, wenn es mal nicht so läuft, dass gleich bei jedem Fehlpass das Raunen anfängt und auch die Pfeiferei beginnt bei einigen recht schnell. Ich selber habe bei mir im Block einen notorischen Meckertypen, meistens fängt der so um Minute 5 - 7 schon an zu motzen und hat dabei meistens hauptsächlich einen oder zwei Spieler auf dem Kieker (ist bei uns im Büro zum geflügelten Wort geworden: "Mann, Mann, Mann... der Wendt wieder!"). Solch ein Verhalten ist natürlich destruktiv.

    Aber wenn man merkt, dass unten auf dem Platz nichts kommt, kein Aufbäumen, kein Kratzen, kein Laufen (ich glaube, unsere Mannschaft ist mittlerweile eine der laufschwächsten der Liga!!), kein Team... ja, dann fällt es mir schwer, da noch lautstark Support zu geben und damit den Eindruck zu erwecken,ich fände die Minderleistung auch noch gut.Bei mir äußert sich das dann eher dahingehend, dass ich still werde - nun gut, so hat jeder seine Reaktion. Aber wie gesagt: Das ist in der Tat kein Alibi für das Team. Wäre gespannt, was deine Meinung zum neuen Trainer ist (ich nehme mir das du mal so raus, unter Borussen)... Viele Grüße, Fohlen

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