2019-03-31

Letzte Ausfahrt

Eigentlich wollte ich schon in der Länderspielpause einen Text zur Lage schreiben, nach dem Motto "Letzte Ausfahrt Champions League". Mit dem Hinweis, dass jetzt alles getan werden muss, den vierten Platz zu sichern und endlich wieder Zug ins Spiel und in die Rückrunde zu bekommen.
Jetzt sind wir nur ein Spiel weiter, und aus der halbwegs vernünftigen Lage nach den vier Punkten vor der Länderspielpause ist durch die 90 Minuten von Düsseldorf eine handfeste Krise geworden. Auch wenn die CL-Qualifikation noch lange nicht abgeschrieben sein muss, möchte ich davon bis zum Saisonende echt nichts mehr hören. Denn Borussia hat in der derzeitigen Verfassung im europäischen Wettbewerb nichts verloren.

Ich möchte aber vor allem in dieser Woche von der Mannschaft nichts mehr hören: keine Interviews mit Hundeblick und Erklärungsversuchen, wo es keine zufriedenstellenden Erklärungen geben kann. Keine öffentlichen Kampfansagen, Entschuldigungen oder Beschwichtigungen. Kein "Bock umstoßen", "am eigenen Schopf aus dem Dreck ziehen", kein "bis auf zwei Spiele war es ja nicht so schlecht".
"Keine Phrasen mehr" - so hat es Seitenwahl.de bereits sehr treffend formuliert. Dem schließe ich mich von ganzem Herzen an. 
Denn ich will jetzt Taten sehen und bis dahin am liebsten kollektives Schweigen von Mannschaft, Trainerstab und Management. Volle Konzentration auf das Wesentliche. Denn es kann doch nicht sein, dass eine so hervorragende Ausgangsposition auf so jämmerliche Weise verdaddelt wird.

Ich möchte, dass sich Trainer und Mannschaft diese Woche eingraben, von mir aus komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainieren, sich alles an den Kopf werfen, was nötig ist und schonungslos begradigen, was derzeit im Team schief läuft. In der Hinrunde war zu sehen, dass da einer für den anderen kämpft und läuft. Dass Fehler des einen dann eben vom Nebenmann ausgebügelt wurden - weil jeder wusste, dass es nur gemeinsam geht. Es war sogar möglich, einen bundesliga-unerfahrenen Jordan Beyer in wichtigen Partien ins kalte Wasser zu werfen, ohne dass er und die Mannschaft unterging. Und was vorne gut lief, war da stets ein gemeinsames Werk.
Im Moment geht viel zu viel, was nach vorne probiert wird, über Einzelaktionen, die auch schnell zum Bumerang werden können, wenn sie nicht klappen. Wie beim 0:1 gegen Düsseldorf, wo Plea vorne den Ball verlor, als er es gleich mit drei Gegnern auf einmal aufnehmen wollte (und musste) und der Gegenzug den VfL ins Mark traf. 
Viel zu oft musste zuletzt dem Gegner hinterhergehechelt werden, weil die Abstimmung nicht stimmte, und oft stimmt offenbar einfach die Frische im Kopf nicht oder der Instinkt, sich im richtigen Moment in den richtigen Räumen zu bewegen - defensiv wie offensiv. Die nachlassende Laufbereitschaft zeigt ebenfalls, dass die Balance im Spiel nicht mehr stimmt. Und zu oft sieht man Spieler genervt über einen Fehler ihres Teamkollegen lamentieren. So kann man keinen Erfolg haben.

Was ich auf jeden Fall am kommenden Sonntag erwarte, ist eine leistungsbereite Mannschaft, die gegen Bremen sichtbar nichts unversucht lässt, das Spiel zu gewinnen - statt es nur im Spielaufbau und in Sachen Ballbesitz dominieren zu wollen. Der Torerfolg ist das Ziel, nicht der möglichst schöne Weg dorthin. Und in der Abwehr will ich keine bei Körperkontakt aus dem Gleichgewicht gebrachten Verteidiger sehen, sondern standhafte Zweikampfführung, bei denen der Gegner nichts zu lachen hat. Ginter und Elvedi haben genau das über 18 oder 20 Spiele gezeigt, seitdem immer seltener. 

Das Spiel gegen die Bremer um Max Kruse ist vielleicht auch die letzte Gelegenheit, größere Verwerfungen mit den Fans zu vermeiden. Ich werde am Sonntag im Stadion sein und Borussia wie immer bis zum Schluss anfeuern. Ich weiß aber nicht, ob die Stimmung im Borussia Park nicht schnell kippt, fall es auch im Spiel gegen Bremen nicht läuft - nach der verheerenden Heimbilanz der vergangenen Spiele.

Ja natürlich, wir werden diese Woche viel Müll in den Medien lesen müssen. Über ein angeblich zerrüttetes Verhältnis zwischen Hazard und dem Trainer, über Trainer-raus-Diskussionen, die in den Fanforen ja schon entfesselt laufen, über die platten Borussia-Trottel, die sich kurz vor Saisonende noch die Butter vom Brot nehmen lassen. Über die Probleme, die es mit sich bringen kann, wenn Gladbach wieder nicht international spielt, für Spieler, die man halten will oder Spieler, die man verpflichten will. Das alles wird diese Woche auf den Verein und die Fans einprasseln, egal ob es stimmt oder nur vom krawallfreudigen Boulevard so konstruiert wird. 

Das alles wird allerdings nur dann einen Keil in die Borussia-Familie treiben können, wenn Mannschaft und Trainer den Eindruck nicht widerlegen können, dass irgendetwas im Miteinander und im Auftreten auf dem Platz kaputt gegangen ist. 
Die bitter schmeckende Suppe haben sich vor allem die Spieler selbst eingebrockt. Sie könnten ja gerade in Gladbach weiter auf einer Welle der Sympathie schwimmen, selbst wenn nicht jedes Spiel gewonnen würde, weil hier der Erfolgsdruck deutlich geringer ist als anderswo. Weil kaum ein Borusse Unmögliches verlangen würde. Aber nach der Bilanz der ersten 20 Spiele konnte man von der Mannschaft verlangen, dass am Ende der Einzug ins europäische Geschäft gelingt, zumal dem kaum Verletzte im Weg stehen wie letztes Jahr. 
Und selbst wenn alles schief liefe, wäre man in Gladbach vielleicht noch gnädig - solange man sähe, dass der Einsatz stimmt. Daran gibt es vor allem nach dem Auftritt in Düsseldorf nagende Zweifel. Ausräumen lassen sich diese nur durch Taten. Schnell.

1 Kommentar:

  1. Sehr guter Kommentar, den ich nur unterschreiben kann. Gute Analyse / Bestandsaufnahme. Gruß, Fohlen

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