"Der Sturm gewinnt Spiele, die Abwehr Meisterschaften" - dieser Spruch wird Jupp Heynckes zugeschrieben. Und wenn es danach ginge, hätte Borussia in dieser Saison keine schlechten Voraussetzungen. Soweit ist es natürlich noch lange, lange nicht. Doch nicht nur der Sturm, auch die Gladbacher Defensive ist ein Prunkstück, auch wenn das nötige Glück manches Mal schon seinen Teil dazu beigetragen hat, dass es nur 15mal im Tor von Yann Sommer eingeschlagen hat. Deshalb geht es zum Abschluss meiner kleinen Zwischenbilanz-Serie natürlich um die Torleute und Abwehrspieler (der derzeit zweitbesten Abwehr der Bundesliga).
Wie im ersten Teil schon geschrieben, verzichte ich auf eine Bewertung von Andreas Poulsen, Mamadou Doucouré, Jordan Beyer und auch von Tobias Strobl, der ja sowohl in Mittelfeld als auch in die Abwehr gezählt werden könnte. All diese Spieler haben aufgrund von Verletzungen die meisten Spiele verpasst oder sind einfach noch nicht soweit, eine Alternative darstellen zu können. Dass man sich auf Beyer und Strobl verlassen kann, hat man gleichwohl auch in den wenigen Spielen gesehen, in denen sie eingreifen konnten. Vielleicht kommt es auf sie in der Rückrunde dann wieder stärker an. Wer weiß das schon?
Yann Sommer: Es
gibt wirklich nichts über den Schlussmann, Rückhalt, Hexer zu sagen,
was man noch nicht weiß. Er spielt erneut eine fantastische Saison. Als
der VfL zu Beginn der Saison noch nicht so in der Balance war wie jetzt,
da war der Schweizer der Rückhalt, den es brauchte, um Extrapunkte
machen zu können. Er parierte unfassbare Bälle, hielt die Mannschaft im
Spiel - die Zuverlässigkeit in Person.
Ganz selten hat man mal den
Eindruck, dass er bei einem Gegentor vielleicht doch etwas besser hätte
reagieren können. So etwa beim Dortmunder Siegtreffer im Pokal, als er
zwar gut in die Ecke tauchte, aber den Ball nicht abwehren konnte.
Verlassen kann man sich auf den jungen Vater allerdings in jeder
Situation im Spiel, er ist derzeit vielleicht sogar der kompletteste
Torwart in der Liga. Was
es zur logischsten Sache der Welt macht, dass Max Eberl mit ihm
verlängern wollte und dem in dieser Woche mit der Unterschrift bis 2023 Taten folgen ließ.
Solange Yann Sommer gesund ist, werden wir daher auch von Max Grün und Tobi Sippel nichts zu sehen bekommen, bei denen die Null bislang nur bei den Spielminuten steht. Angst hätte ich aber auch bei keinem der beiden Ersatzkeeper.
Nico Elvedi: Der 23-jährige Schweizer hat eine rasante Entwicklung hinter sich. Das Vertrauen, das ihm Dieter Hecking in der vergangenen Runde entgegenbrachte, als er ihn zur Stammkraft in der Innenverteidigung machte, hat er zurückgezahlt. Und auch unter Rose macht er unbeirrt weiter. Starke Zweikampfführung, gute Behauptung in Kopfballduellen (vorne wie hinten), zentimetergenaue Grätschen und ein hervorragendes Aufbauspiel zeichnen Elvedi aus. Und damit ist er auch einer der Schlüsselspieler im Team geworden. Er lässt sich kaum nervös machen, bleibt auf seine Aufgabe fokussiert und lässt sich auch durch Schiri-Entscheidungen nicht aus der Ruhe bringen. Ein wahrer Eisvogel auf dem Platz, und für mich der heimliche Abwehrchef beim VfL. Verbessern kann er sich noch bei Standards, wo ihm schon mancher Gegenspieler entwischen konnte.
Durch seine körperliche Unverwüstlichkeit war er (in Liga, Euro League und Nationalmannschaft) in diesem Jahr extremst belastet, Das war zwischendurch auch mal an einem kleinen (kräftemäßigen) Durchhänger zu bemerken. Doch auch da war er weit entfernt davon, schwache Spiele abzuliefern. Inzwischen scheint der Akku wieder ausreichend aufgeladen zu sein. Das bewies er auch am Samstag gegen die Bayern wieder eindrucksvoll.
Matthias Ginter: Nicht ganz so auffällig und konstant in den Leistungen wie Elvedi fand ich den einzigen aktuellen Nationalspieler von Borussia bisher. Das lag natürlich daran, dass Matze Ginter unheimlich viel einstecken musste, einige Spiele ausfiel und andere wohl nicht völlig fit absolvierte. Deshalb ist er, obwohl er ohne Zweifel zuverlässig sein Scherflein zum Erfolg der Mannschaft beigetragen hat, noch nicht ganz wieder in der Position, die sein eigener Anspruch ist - Abwehrchef. Allerdings muss man anerkennen, was er unspektakulär abräumt, dass er die teils naiven Fehler der ersten Spiele unter Rose (wie gegen Leipzig) abgestellt hat und sich der Bestform nähert, und das, obwohl er in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe körperliche Einschläge in Rekordzeit verkraften musste.
Ramy Bensebaini: Bei dem wochenlangen Transfergeplänkel um Malang Sarr und Ramy Bensebaini im Sommer war für Außenstehende nicht so ganz auszumachen, wer denn nun Wunschlösung A und wer B gewesen wäre. Dass es mit dem Franzosen aus Nizza genausogut gelaufen wäre wie mit dem algerischen Afrika-Cup-Sieger Bensebaini, kann natürlich niemand wissen. Sicher ist allerdings, dass wohl kein Gladbach-Fan Bensebaini wieder hergeben würde. Schon gar nicht mehr seit dem Auftritt gegen München.
Denn der 24-Jährige bringt nicht nur wie Stefan Lainer eine Robustheit und Härte mit, die das Rose-Spiel in gewisser Weise braucht. Er ist ein feiner Fußballer, der sich auch in engsten Situationen spielerisch befreien kann und er hat sich nach den ersten etwas holprigen Gehversuchen in der Liga sehr schnell den Grenzen, die die Schiedsrichter in Deutschland setzen, angepasst. Das spricht für hohe Spielintelligenz. Dass er als Afrikameister in einem Top-Nationalteam auch den Champions-Geruch mitbringt, ist auch in Gladbach nicht zu unterschätzen. Und dieses Selbstvertrauen und Können sieht man auch seinen Aktionen vor dem Tor an. Der Kopfball zum 1:1 gegen die Bayern war große Klasse, der Elfmeter so kalt und sicher verwandelkt wie man es sich nur wünschen kann.
Tony Jantschke: Stammspieler ist der "Fußballgott" ja schon seit einigen Jahren nicht mehr. Und oft lag es nur daran, dass er sich just dann verletzte, wenn eine Chance bestand, sich wieder mal in der Startelf festzuspielen. Aber an einer Sache gibt es keinen Zweifel: Tony ist immer da, wenn man ihn braucht. Man kann ihn nachts wecken und in ein Spiel werfen, er macht, was nötig ist. So stark wie bei seinen Einsätzen in dieser Saison habe ich den 29-Jährigen allerdings lange nicht mehr gesehen. Vor allem aber kann ich mich gar nicht mehr an ein wirklich schwaches Spiel von ihm erinnern. Es besteht also überhaupt kein Risiko, für Jantschke einen anderen Verteidiger auf der Bank zu lassen. Und das ist wirklich eine Luxussituation für Marco Rose - wie eigentlich für jeden Trainer, der den bodenständigen und zuverlässigen Fanliebling zur Verfügung hatte.
Stefan Lainer: Überraschte Gesichter gab es allenthalben, als Marco Rose nicht einen der starken Offensivspieler von Salzburg mit nach Gladbach lotste, sondern den gar nicht so billigen, gar nicht mehr so jungen und in Deutschland gar nicht so bekannten Verteidiger Stefan Lainer. Den hatte nun wirklich keiner auf dem Zettel.
Die Frage nach dem Warum hat sich in der Zwischenzeit längst erledigt. Zu klar ist die Rolle, die dem Österreicher auf dem Platz zukommt. Er ist der, den man heute schon mit dem einstigen "Terrier" Berti Vogts vergleicht. Er ist der giftige Zweikämpfer, der dem Gegner nicht nur im Laufduell einmal oder zweimal in die Parade fährt, um den Ball zu klauen. Er hat auch die Luft, ein drittes oder viertes Mal zuzustoßen. Sein angriff ist oft der Auslöser für eine Pressingphase der Mannschaft, und seine Balleroberungen stehen oft am Anfang von Gladbacher Toren oder zumindest guten Angriffen. Wäre er in der Rückwärtsbewegung genauso stark wie auf dem Weg nach vorne und würde dann auch noch seine Streuung bei den Pässen verkleinern, spielte er sicher nicht bei Borussia, sondern zum Beispiel bei Atletico oder Liverpool.
So aber ist er einer der Architekten des Gladbacher Spiels geworden, weil er vorlebt, was auch die Kollegen immer besser umsetzen. Die Mentalität, bis zum Schlusspfiff nicht nachzulassen und keinen Rückschlag als endgültig zu akzeptieren, ist bewundernswert. Und zum Glück färbt sie ab. Den Bayern spricht man ja traditionell diese unerschütterliche Mia-san-mia-Selbstverständlichkeit zu. Sie ist mit Marco Rose, so scheint es, auch nach Gladbach gekommen. Doch ein Trainer allein kann sie nicht auf den Platz bringen. Wenn man dort aber einen Stefan Lainer zur Verfügung hat, kann man als Mitspieler kaum anders als mitzuziehen. Denn er zeigt, wie es praktisch geht, den Gegner zu stressen und zu Fehlern zu zwingen.
Oscar Wendt: Es war zu Beginn der Saison wie immer - ein neuer Herausforderer auf der linken Abwehrseite kam neu zu Gladbach, aber am Ende spielte doch wieder der ewige Oscar. Und auch die zweite Erfahrung bewahrheitete sich: Oscar Wendt ist dann am besten, wenn ihm ein gleichwertiger Konkurent im Nacken sitzt. Und so hat Marco Rose die angenehme Situation, dass er zwei Topleute für diese Position zur Verfügung hat, die beide seinen druckvollen offensiven Fußball hervorragend umsetzen. Eine Sache, die viele dem 34-Jährigen vor der Saison schon nicht mehr zugetraut hatten. Auch ich war mir da nicht so sicher.
Doch letztlich hat der Schwede ja auch früher gern sehr offensiv gespielt. Die Probleme in der Rückwärtsbewegung macht er zum Teil durch gutes Stellungsspiel und Erfahrung wett, zum Teil hilft ihm auch die Aufstellung, etwa als vorgeschobener Außenverteidiger, der noch eine Dreierkette hinter sich weiß. Doch auch in der Viererkette finde ich Oscar Wendt in dieser Saison unerwartet stark.
Es freut mich besonders, weil gerade er es auch beim Publikum (manchmal auch bei mir) immer wieder schwer hatte. Alle mögen ihn, seine Bedeutung innerhalb der Mannschaft ist wichtig und unumstritten. Aber auch er weiß, dass er langsam seinen Platz frei geben muss, wie vor ihm Filip Daems. Diese Saison aber hält er, was man sich von ihm verspricht. Und er kann seine Karriere vielleicht mit einem krönenden Abschluss versehen. Das weiß er und deshalb wird er auch nicht anfangen zu stänkern, falls ihm Bensebaini langsam den Rang abläuft. Dafür ist Oscar viel zu sehr Borusse geworden in den langen Jahren in Gladbach. Und auch das ist gut so.
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