2019-12-21

Durchkommen ist alles

Nach der Last-Minute-Enttäuschung von Wolfsburg konnte es in den verbleibenden beiden Spielen bis zur Winterpause nur darum gehen, möglichst unbeschadet ins Ziel zu kommen und idealerweise die Verfolger auf Distanz zu halten. Denn der Substanzverlust im Gladbacher Spiel war unübersehbar. Es liegt wahrscheinlich auch daran, dass die Gegner inzwischen bessere Lösungen finden, den VfL seiner Stärken zu berauben, etwa, indem man das Kombinationsspiel in einem engen Abwehrnetz zu ersticken sucht. 
Aus diesem Grund ist es gut, dass jetzt eine Verschnaufpause kommt und die Mannschaft mit dem Trainerstab dann vier Wochen wieder daran arbeiten kann, das Spiel neu zu justieren. Das wurde vor allem aus der eigenen Hälfte heraus zuletzt oft zu behäbig geführt, auch weil vorn oft die Bewegung der Stürmer und damit Abnehmer für in die Tiefe gespielte Pässe fehlten.

Mich selbst haben die letzten zwei englischen Wochen auch ge- oder überfordert. Vielleicht hat der eine oder andere ja unter der Woche einen Bericht vom Paderborn-Spiel vermisst. Ich habe diesmal das Spiel nicht sehen können, weil ich zur gleichen Zeit auf einem Konzert war. Aus Zeitgründen und angesichts dessen, was ich über das Spiel gelesen hatte, habe ich dann auch darauf verzichtet, mir die Partie nachträglich nochmal über Fohlen TV reinzuziehen. Ich habe es stattdessen bei einer Zusammenfassung der wichtigsten Szenen belassen. Das war glaube ich eine gute Entscheidung, denn wahrscheinlich würden sich die Dinge, die ich über das Spiel von heute und das von Mittwoch zu sagen hätte, recht ähnlich klingen.

Es war auch heute eine erste Halbzeit, in der der Gegner die besseren Chancen hatte und die Gladbacher in der Rückwärtsbewegung das eine oder andere Mal schlecht aussehen ließ. Darauf folgte eine deutlich bessere zweite Hälfte, die einmal belohnt wurde und einmal nicht. 
Da gegen Paderborn am Ende ein Sieg stand, kann ich mit dem Remis heute gut leben. Es war insgesamt ja auch verdient. Unseren vielen Fans im Olympiastadion hätte ich dennoch natürlich das Erfolgserlebnis gegönnt, zumal Berlins Wundertrainer Klinsmann ja frühzeitig das Signal gab, mit dem 0:0 zufrieden zu sein, als er seine einzigen gefährlichen Offensivspieler Lukebakio und Selke in der 70. Minute rausnahm.

Es gäbe auch heute jede Menge zu analysieren, zu schauen, wo wer nicht das gebracht hat, was möglich war. Allerdings rechne ich damit, dass allein die Erholungspause über Weihnachten viele der Ungenauigkeiten im Spiel reduzieren wird. 
Die Mannschaft weiß ja, dass der Weg zum Erfolg über entschlossene Pressingsituationen wie vor dem 1:0 gegen Paderborn geht und weniger über ein unkoordiniertes Anlaufen von breit gestaffelten Abwehrspielern durch einen oder zwei Angreifer, wie es heute häufig zu beobachten war. Dass schnelle und schnörkellose Pass-Stafetten aus der eigenen Hälfte heraus besser sind als mit dem Ball am Fuß in eine massierte Doppelviererkette zu laufen. Da lässt sich vieles verbessern. 

Aber, und das gehört zu den guten Punkten in der Bilanz: Mann muss auch solche Spiele, die nicht glatt laufen, vernünftig nach Hause bringen können. Und zum Hinrundenende zweimal zu Null zu spielen, das ist eben auch eine Qualität, auch wenn bei dem einen oder anderen Angriff der Gegner auch das nötige Glück beistand. So hat Gladbach nicht nur (zusammen mit Wolfsburg) die wenigsten Gegentore bekommen, sondern liegt auch mit fünf Zu-Null-Spielen in dieser Statistik mit Bayern und Bayer vorn. Yann Sommer ist der Stammkeeper mit der besten Paradenquote der Liga. Pervan (Wolfsburg), Hitz (Dortmund) und Flekken (Freiburg) sind danach zwar noch etwas besser, aber diese drei haben nur 9, 4 beziehungsweise 8 Spiele absolviert - Sommer alle 17 Partien.  
Auf der anderen Seite sind 33 Tore kein Spitzenwert, aber angesichts der sicheren Abwehr dennoch gut für eine außerordentliche Punkteausbeute. Der Klassenerhalt dürfte so in Kürze perfekt zu machen sein. Nicht ungewöhnlich ist, dass das Sturmquartett mit zweimal sechs und zweimal fünf Toren den Löwenanteil (22) an dieser Bilanz hält. Das Mittelfeld fällt hingegen gegenüber den Abwehrspielern interessanterweise zurück. Den sechs Toren von Bensebaini, Wendt, Elvedi und Lainer stehen nur vier von Zakaria, Neuhaus und Stindl gegenüber. Mehr Torgefahr aus dem Mittelfeld ist also eine Option, noch unberechenbarer zu werden. Gerade Flo Neuhaus und Jonas Hofmann werden selbst wissen, dass da noch viel Luft nach oben wäre.

Wie dem auch sei: Mit dem letzten Berlin-Besuch für diese Saison endet die Hinrunde genau so, wie sie begonnen hat: mit einem 0:0. Dazwischen lagen elf Siege und vier Niederlagen, was für Gladbacher Verhältnisse absolute Oberklasse bedeutet. Die wochenlange Tabellenführung war sozusagen das Sahnehäubchen, und dass sie jetzt weg ist, ist für mich unerheblich. 

Denn bei allen leisen und augenzwinkernden Titelträumen wissen wir alle, dass es im zweiten Halbjahr um etwas anderes geht. Dann steht im Vordergrund, einen der ersten Plätze zu verteidigen und eben in der Rückrunde nicht wieder einzubrechen wie in den Vorjahren. Dazu gehört, die Spieler, die bislang noch keine große Rolle einnehmen konnten, weiter ins System zu integrieren. Selbst Lars Stindl fremdelt ja noch etwas, er war auch heute nach seiner Einwechslung kaum ins Spiel eingezogen.

Dazu gilt es, das Gute zu konservieren, an den Schwächen zu arbeiten und Fehler zu minimieren - dann kann eigentlich nichts schiefgehen.

Ob das gelingt, ist die große Frage. Die Art und Weise, wie alle im und rund um das Team den Rummel der letzten Wochen weggesteckt haben, wie sie damit umgegangen sind und wie seriös sie sich ins Ziel gearbeitet haben, spricht dafür, dass das klappen kann.
Aber es gibt keine Garantie. Verletzungen können das verhindern, vielleicht auch das eine oder andere unmoralische Wechselangebot, das Spielern die Konzentration für das Hier und Jetzt rauben könnte. Vielleicht ist die Konkurrenz n der Rückrunde auch eine andere. Wenn selbst Köln jetzt anfängt zu punkten, Hertha mit Millionen um sich werfen kann und die anderen, die uns finanziell voraus sind, ihrer Favoritenrolle besser gerecht werden, kann das ein ganz schweres Unterfangen werden. 

Doch Borussia muss sich auch hinter niemandem verstecken. Dieses Selbstbewusstsein, jedem Gegner gewachsen zu sein, schien mir nach dem Aus in der Euro League und der Pleite in Wolfsburg ein wenig verloren gegangen zu sein. Auch dass muss die Mannschaft in den kommenden Wochen wieder verinnerlichen. 

Soweit erstmal meine textliche Begleitung einer wirklich aufregenden und freudebringenden Halbserie unseres VfL. Euch allen wünsche ich eine geruhsame und glitzernde Weihnachtszeit und einen guten Rutsch in das hoffentlich gute Jahr 2020 - in dem wieder einmal eine Gladbacher Mannschaft Geschichte schreiben könnte. Danke, dass ihr auch in den vergangenen Monaten mein Blog so aufmerksam verfolgt habt. Das freut mich sehr und motiviert mich. Ich freue mich darauf, dass es bald weitergeht. Bis dahin, herzlichste Rautengrüße!    

Bundesliga 2019/20, 16. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - SC Paderborn 2:0 (Tore für Borussia: 1:0 Plea, 2:0 Stindl FEM)

Bundesliga 2019/20, 17. Spieltag: Hertha BSC - Borussia  Mönchengladbach 0:0

2 Kommentare:

  1. Dazu ist ganz schnell und einfach gesagt: Ein Blog, der für mich einer der besten ist, wenn es um Borussia geht - ich lese (und kommentiere) immer sehr gern. Also, bitte weiter so und ich freue mich auf weitere spannende und treffende Lektüre... Auf ein fußballerisch erfolgreiches Jahr 2020 für unsere, die wahre, Borussia. Gruß, Fohlen

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