2020-12-19

Schlechte Angewohnheiten

Ich glaube, es ist nach 9 Spielen in 29 Tagen nicht unbedingt die Zeit für mich, ein Spiel akribisch bis ins Einzelne taktisch zu analysieren, um Gründe zu finden, die zu  einer Niederlage geführt haben. Es gibt dennoch einige Dinge anzusprechen zu dieser vermeidbaren Niederlage, die richtig weh tut: tabellarisch, aber auch menschlich.

Zum einen war dieses 1:2 unnötig, weil es eine deutlich verbesserte und meist sehr kompakte Abwehrleistung über 75 Minuten wertlos machte.

Zum anderen, weil die Gegentore in letzter Zeit irgendwie immer wieder auf vergleichbare Art und Weise fallen. Und weil die Mannschaft in Führung liegend immer wieder zu sehr versucht, ein Ergebnis zu verwalten, statt es weiter aktiv zu gestalten.

Und natürlich, weil diese Niederlage nicht nur eine der Mannschaft war, sondern auch eine persönliche von Marcus Thuram. Mit seiner hässlichen Aktion in der 79. Minute rückte für mich der Ärger über die unnötige Niederlage in den Hintergrund. Denn auch wenn ich selbst nichts getan habe, schäme ich mich als Gladbach-Fan für diese Szene.

Der Reihe nach. Bis zum 1:1 war ich mir sicher, dass Borussia das Spiel heute gut nach Hause bringen wird. Die Spieler von Marco Rose waren vor allem in der ersten Halbzeit schneller in den Zweikämpfen, besser in der Spielanlage, und sie hatten die besseren Chancen, auch wenn Yann Sommer bei Kramarics Pfostentreffer und bei zwei knapp neben das Tor geschossenen Bällen auch mit dem Glück im Bunde war. Der VfL hätte auf der anderen Seite aber durch Breel Embolos zu leicht vergebene Konter durchaus deutlicher führen können - ja sogar müssen. 

Stattdessen musste ein ziemlich ungeschickter Einsatz von Hoffenheims Dennis Geiger gegen Thuram herhalten, um Borussia in Person von Kapitän Lars Stindl per Elfmeter in Führung zu bringen. Es war einer dieser Elfmeter, die ich gar nicht gern sehe, weil dort ein Abwehrspieler sehr hart bestraft wird, obwohl bei dem aus dem Strafraum rauslaufenden Stürmer keinerlei Torgefahr besteht. Nun gut, so ist die Regel, und nach dem 2:3 in Frankfurt profitierte Gladbach bereits zum zweiten Mal in einer Woche davon.

In der zweiten Halbzeit stand Borussia weiter stabil, ohne zu glänzen. Es gelang ihr aber auch nicht, mehr Druck aufzubauen, sich durch die Hoffenheimer Abwehr zu kombinieren und einen vernünftigen Angriff zu Ende zu spielen, um die Partie vorzeitig zu entscheiden. Das zieht sich durch die gesamte Saison, genauso wie die häufig vermeidbaren Gegentore. Die haben heute wiederum besonders beispielhaften Charakter. 

Der Ausgleich resultierte aus einem Konter nach einem Pressschlag mit Stindl im Hoffenheimer Strafraum und einem folgenden verlorenen 50:50-Zweikampf von Elvedi gegen Bebou. Der Ballverlust und der Gegenangriff - das kann passieren, auch wenn vielleicht manchmal ein taktisches Foul da möglich und sinnvoll gewesen wäre. Doch den entscheidenden taktischen Fehler beging im Anschluss ein anderer Spieler, nämlich der gerade eingewechselte Hannes Wolf. Vor allem deswegen kam am Ende Kramaric vor dem Tor völlig frei zum Schuss.

Denn: Christoph Kramer machte den richtigen Laufweg nach außen, um den durchgebrochenen Bebou zu stellen, kam aber nicht mehr nah genug heran, um die Flanke zu verhindern. Stefan Lainer ging - auch gut - auf den kurzen Pfosten mit, um einen Pass auf Baumgartner zu verhindern. Also wäre es die Aufgabe des dritten in Reichweite gelaufenen Spielers gewesen, im Rückraum von Lainer einzulaufen, falls die Flanke in die Mitte oder zum langen Pfosten kommt. Wolf aber lief ebenfalls auf den kurzen Pfosten zu. Und weil er den in seinem Rücken mitlaufenden Kramaric über die ganze Zeit von der Mittellinie bis in den Strafraum nicht auf dem Schirm hatte, stand der dann völlig frei.

Auch beim zweiten Tor ist Wolf einer der entscheidenden Akteure, obwohl oder weil er hinten fehlte. Bei seinem Kopfballduell wurde er leicht geschoben, absolut nichts, was man pfeifen muss. Statt schnell die Situation zu erfassen, blieb der Östereicher aber laut schreiend am Boden liegen und kümmerte sich auch nicht mehr um den weiterlaufenden Angriff der TSG. Auch in der Wiederholung ist nichts zu erkennen, was Wolf derart wehgetan haben könnte, dass er sich bis zum Gegentor nicht mehr vom Rasen erhob. 

Fakt ist allerdings, dass das Spiel zurecht weiterlief, und sein Gegner auf dem Flügel, Ryan Sessegnon, nach der Verlagerung auf rechts und der per Kopf verlängerten Flanke dort stand, wo Wolf auch hätte stehen müssen - wäre er nicht liegengeblieben.
Wenn man hart ist, kann man also sagen, dass Marco Rose heute einen Teil der Niederlage eingewechselt hat. Aber es geht mir nicht darum, den Stab über dem jungen Offensivspieler zu brechen. Denn in anderen Spielen waren es andere Borussen, die ähnliche Fehler gemacht haben. Allerdings muss Wolf im defensiven Verhalten schnell dazulernen, wenn er eine echte alternative sein will. Und er muss vor allem aufhören, auch bei leichten Fouls oder einfach Ballverlusten wie ein Sterbender zu Boden zu sinken, liegenzubleiben und auf einen Pfiff zu warten - oder darauf, dass der Gegner Erbarmen hat und den Ball ins Aus schlägt.

Wenn der Schiedsrichter ein Foul nicht gleich pfeift, dann pfeift er es gar nicht mehr. Das weiß jedes Kind. Hannes Wolf schadet mit solchen Aktionen nicht nur der Mannschaft, sondern auch seinem eigenen Ruf. Denn man darf sicher sein, dass auch die Schiedsrichter beobachten, wie sich Spieler verhalten. Und dass sie bei jemandem, der sich auch mal solche "Mätzchen" leistet, wenn er nicht hart gefoult wird, dies auch großzügiger durchwinken als bei anderen.

Aber nochmal: Der VfL hätte bis zur 75. Minute das Spiel aus eigener Kraft längst entschieden haben können, er hätte durch Embolo auch noch spät ausgleichen können. Also bringt es nichts, die Schuld  auf einzelne Spieler abzuwälzen. Daraus lernen muss man allerdings, und ich denke, das werden die Spieler auch.

Daraus lernen, das gilt heute ganz besonders aber für Marcus Thuram. Der junge Franzose hat nicht nur mich heute maßlos enttäuscht. Es gibt absolut nichts schönzureden, diese Rote Karte war verdient und natürlich unumgänglich. Dass Tikus seinen Gegner aus wenigen Zentimetern Abstand auch noch direkt Richtung Mund spuckt, ist besonders widerlich, und macht das Ganze für mich noch schlimmer. Das gilt nicht nur, aber auch in Corona-Zeiten.

Und auch wenn wir sicher gerne eine hätten: Es gibt keine Entschuldigung dafür. Wer sich dazu hinreißen lässt, jemanden anzuspucken, hat auf dem Fußballplatz nichts zu suchen. Die ganze Spuckerei auf dem Platz ist ohnehin eklig und unnötig, eine ziemlich blöde Angewohnheit, wie Chris Kramer im Interview nach dem Spiel offen zugab. Aber in Richtung des Gegners ist es einfach inakzeptabel. Und da ist es egal, was der Gegner vorher zu ihm gesagt hat. Worte sind Worte - spucken, treten oder schlagen, das ist eine andere Qualität.

Das besonders Enttäuschende ist, dass gerade Marcus Thuram für solches Verhalten bisher überhaupt nicht stand. Er ist ohne Frage einer der meistgefoulten Spieler der Liga, und dabei bekommt er viele mögliche Situationen noch nicht einmal für sich gepfiffen. Doch er gehört trotzdem nicht zu den Meckerern und Lamentierern. Er schien sich auch gegenüber den Gegenspielern und Schiedsrichtern immer im Griff zu haben. 

Heute wurde er von Posch in der Szene natürlich provoziert, aber auch das ist nicht das erste Mal für ihn gewesen. Warum ihm heute die Sicherungen durchgebrannt sind, wird er vielleicht selbst nicht erklären können. Er wird ganz sicher daraus lernen, er ist intelligent und gut erzogen, und er steht auch für Werte innerhalb und außerhalb des Fußballplatzes. Der Verein und Marco Rose haben gut reagiert und tun gut daran, ihn aus der Schusslinie zu nehmen. Auch hier darf man ihn nicht wegen eines Fehlverhaltens verdammen. Dennoch wird ihm das noch eine ganze Zeit nachhängen.

Nicht zuletzt erwies er seinem Team einen Bärendienst - und nicht nur für heute. Bei der Widerlichkeit der Spuckattacke direkt ins Gesicht und in Coronazeiten kann ich mir durchaus sechs Spiele Sperre oder mehr vorstellen, sicher werden es mindestens vier. Das bedeutet, er fehlte nicht nur heute in der Schlussphase und im Spiel gegen Bielefeld am 2. Januar. Er fehlt damit auch gegen Bayern und ziemlich sicher gegen den BVB. 

Das macht das, was Borussia jetzt braucht - möglichst bald mal eine kleine Erfolgsserie, um den Anschluss an die oberen Plätze nicht zu verlieren - natürlich nicht leichter. Aber vielleicht lässt es das Team ja auch noch etwas enger zusammenrücken. Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf die Reaktion am Dienstag im Pokal gegen Elversberg. Hoffentlich ohne die schlechten Angewohnheiten, mit denen sie sich heute selbst auf die Verliererseite gebracht haben.

Bundesliga 2020/21, 13. Spieltag: Borussia  Mönchengladbach - TSG Hoffenheim 1:2. Tor für Borussia: 1:0 Stindl (FEM, Thuram).

Saisonspende: Ein Tor, damit steigt die Spendensumme um 50 Cent auf 63 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Erreichen der K.o-Phase und für jede weitere erreichte CL-Runde: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

1 Kommentar:

  1. Ein sehr objektiver Artikel, prima!! Ich sehe viele Dinge ähnlich. Es ist keine Frage,so ein Verhalten kann man nicht akzeptieren. Und gehört bestraft! Marcus war bis gestern ein tolles Vorbild, ich erinnere an sein Kniefall Aktion, und er wird sich auch wieder straffen, wenn er zurück ist. Eines würde mich gerne interessieren, welche Aktie Hr. Posch hatte? Hat er gepöpelt, du schw.... s.., oder ähnliches, wenn es so wäre, ist so ein Verhalten nicht o.k. und gehört auch sanktioniert, dass da was war, ist zu erschließen, dass Hr. Posch eine Minute später ausgewechselt wurde, nur leider werden wir es nicht erfahren, denn wer ist so blöd eine Mitschuld zu zugeben? Ich hoffe die Sperre, wird Ergebnis technisch keine allzu große Auswirkung auf Borussia haben. Euch allen eine schöne Zeit

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