2021-01-30

Sich neutralisierender Stressfußball

Ja, soll man sich über das zweite 1:1 in dieser Saison gegen Union nun freuen oder nicht? Ist es ein gewonnener Punkt oder sind es zwei verlorene im Kampf um die Champions-League-Plätze?

Da gibt es heute viele Anknüpfungspunkte, die man diskutieren und beleuchten könnte. Am Ende muss ich persönlich sagen: Ich kann mit dem Punkt gut leben. Zumal die Ungeschlagen-Serie im Jahr 2021 damit weiterlebt.

Halten wir fest: Es ist nicht jeden Tag Feuerwerks-Fußball-Tag! Das liegt an der eigenen Mannschaft, aber zu einem guten Teil auch daran, was der Gegner in seiner Grundordnung zulässt. Eine offene Partie wie gegen Dortmund konnte man "An der alten Försterei" von vornherein nicht erwarten.
So war es vielleicht für uns kein besonders zufriedenstellendes Spiel. Aber es war dennoch eine gute Leistung von beiden Teams, denn beide haben ihre Aufgaben, bis auf einzelne Szenen, sehr seriös erfüllt. Und speziell für Borussia ist es noch immer keine Selbstverständlichkeit, auch gegen solche kompakt verteidigenden Gegner einen Rückstand wettzumachen. 

Die Defensivarbeit war mit Ausnahme der beiden Tore hüben wie drüben effektiv und stark, es gab für beide Teams etwa gleichviele Dreiviertelchancen, aber kaum erstklassige Torgelegenheiten. 

In der Offensive boten beide Teams solides Spiel, in der schnellen und direkten Überbrückung des Mittelfeldes war das oft sogar sehr ansehnlich. Doch auf beiden Seiten fehlte im entscheidenden Moment die Präzision beim letzten Pass in die Spitze, der ballführende Spieler zögerte zu lange oder wählte die falsche Option. Strafraumszenen waren dadurch selten - was wir auf der einen Seite gern, auf der anderen Seite nicht so gern sehen.

Berücksichtigen muss man auch, dass Marco Rose heute in Flo Neuhaus und Lars Stindl zwei der zuletzt spielprägendsten Akteure auf der Bank ließ. Dazu kam, dass Vielspieler Chris Kramer eine frühe Verwarnung kassierte und sicher auch deswegen früher vom Platz ging als gewohnt. Wir wünschen uns natürlich, dass die anderen Spieler im Kader etwas Gleichwertiges auf den Platz bringen, wenn sie gefordert sind. Das ist allerdings nicht selbstverständlich. Und heute war es objektiv gesehen nicht so - auch wenn in vielen Situationen nicht viel fehlte, damit ein Pass eben doch zur Torvorlage hätte werden können. 

Nach der Einwechslung der ausgeruhten Stindl und Neuhaus zeigte sich dann aber eben auch, wie das das Gladbacher Spiel von der Bank zum Positiven verändern kann. Denn auch die Nebenmänner Jonas Hofmann oder Alassane Plea profitieren enorm von der Kreativität der beiden Führungsspieler, ihren guten Laufwegen und Pass-Ideen. Ich hatte das Gefühl, dass das Spiel heute noch zugunsten Borussias gekippt wäre, wenn es noch 10 Minuten länger gedauert hätte.

Damit will ich nicht sagen, dass mich Plea, Hofmann, Hannes Wolf oder Marcus Thuram vorher enttäuscht hätten. Sie bemühten sich um vertikales Spiel nach vorne, liefen gut an, arbeiteten beherzt mit nach hinten. Sie waren allerdings nicht in der Lage, ihre Ideen dann auch in passgenaue Zuspiele zu veredeln, die richtig gefährlich geworden wären. Es fehlt einfach bei manchem noch ein bisschen Form und Spielpraxis im Organismus dieser Mannschaft. 

Plea war heute manchmal zu eigenwillig, Thuram kam selten in Situationen, in denen er seine Stärken (Eins-gegen-Eins und Schnelligkeit) in Tornähe ausspielen konnte. Und Hannes Wolf zeigte sich zwar durchweg verbessert - in Zweikämpfen, Defensivarbeit und Bissigkeit -, aber vor dem Strafraum wählte er dann oft die falsche Option oder spielt zu ungenau ab. Er bräuchte einfach mal wieder ein Erfolgserlebnis, ich sehe ihn aber auf einem vernünftigen Weg. Und: Es ist ehrlicherweise durch seine lange Verletzung in Leipzig auch erst seine erste "echte" Bundesliga-Spielzeit. Gebt ihm noch etwas Zeit: Ich denke, er wird seinen Weg bei uns machen.

Dass an einer gewissen Rotation kein Weg vorbei führt, wird dennoch jeder einsehen - gerade mit Blick auf das Pokalspiel am Mittwoch in Stuttgart und das Derby am kommenden Samstag.

Aber zurück zum heutigen Spiel: Klar, wenn beide Team ziemlich das gleiche versuchen, endet das oft in einem nicht sehr ansehnlichen Spiel. Dass die Gastgeber durch einen recht billigen und dabei noch eher suboptimal getroffenen Kopfball nach einem Freistoß aus dem Halbfeld zur Führung kamen, war fast schon Business-as-usual für Borussia gegen diesen Gegner.
Alassane Pleas Tor war dagegen immerhin schön herausgespielt - wobei aber auch hier ein Quäntchen Glück dabei war, dass Hofmanns Vorlage genau so sprang, dass der Franzose sofort ins lange Eck abschließen konnte.

Irgendwie also alles ausgeglichen zwischen Union und Borussia in dieser Saison. Ergo muss und kann jeder heute wohl mit diesem Ergebnis leben.

Auch wenn man es im Lichte der Gesamtsaison und der Ergebnisse gegen die Topteams sieht, ist es fast ein logisches Ergebnis. Union hat gegen den BVB und Leverkusen gewonnen, gegen Bayern, Wolfsburg, Frankfurt und zweimal Gladbach remis gespielt, und nur gegen Leipzig knapp verloren.
Der VfL hat bekanntlich Bayern, Dortmund und Leipzig geschlagen, gegen Wolfsburg, Frankfurt und Union remis gespielt und gegen Leverkusen knapp verloren. Da standen sich heute offensichtlich - ob nun überraschend oder nicht - zwei in dieser Saison ebenbürtige Mannschaften gegenüber. Und sie standen sich vielleicht in ihrer ähnlich stressigen Spielweise auch ein bisschen im Weg.

Da war es gut, dass heute auch der Schiedsrichter (im Rahmen seiner Möglichkeiten) ohne spielentscheidenden Einfluss blieb und die ausgeglichene Partie in eine Richtung kippen ließ.
In der ersten Halbzeit fiel Bastian Dankert zwar schon mit einigen (für ihn durchaus nicht untypisch) absonderlichen Zweikampfbewertungen gegen beide Mannschaften auf. Als sich Marco Rose angesichts der albernsten Freistoßpfiffs dan mal so richtig echauffierte - nicht zu Unrecht, als Zakaria mit einer Drehung den Ball abschirmte und ein Unioner über seine Beine fiel -, zeigte Dankert ihm dienstbeflissen Gelb.
Kann man natürlich machen, wenn ein Trainer schimpft wie ein Rohrspatz. Wenn man ein Spitzenschiedsrichter sein will, kann man das aber auch anders lösen. Ich erinnere daran, wie souverän und sachlich Manuel Gräfe im Spiel gegen den BVB eine ähnliche Szene beim zurückgepfiffenen Führungstreffer entschärfte, ohne irgendwem auf der Gladbacher Bank mit einer Verwarnung oder einem Arroganzanfall zeigen zu müssen, wer hier den längeren Arm hat.
Ansonsten sehe ich aber keine nennenswerten Fehler - auch das Handspiel des Unioners aus kurzer Entfernung bei anliegendem Arm in der Schlussphase ist aus meiner Sicht kein Elfmeter. Da haben wir diese Saison (Kramer und Bensebaini) schon Handspiele im eigenen Strafraum gehabt, die man dann eher als strafwürdig hätte einstufen müssen. Das war für mich völlig ok.

Was inzwischen aber schon (und nicht nur beim Team Dankert) fast dauerhaft lächerlich ist, ist die willkürliche Berechnung der Nachspielzeit. Alleine die Abstöße der Unioner nahmen über die gesamte Spielzeit pro Stück 20 bis 30 Sekunden von der Uhr. Nur eine einzige Minute gab es in der ersten Hälfte drauf (trotz Tor plus Überprüfung, Trainermaßregelung und den üblichen Verzögerungen). Sechs Minuten waren es am Ende von Halbzeit zwei. Und das, obwohl es eine sehr lange Verletzungspause gab, an deren Ende Union seinen zweiten Keeper Karius erst noch wecken musste, damit der sich - in aller Seelenruhe - Schuhe, Strümpfe, Trikot und Handschuhe anzog und schließlich auch noch gemächlich ins Tor trottete. Das zog sich allein schon knapp sechs Minuten hin. Und selbst in der Nachspielzeit wurde noch eine gute Minute verplempert. Mir ist es einfach unerklärlich, warum nicht endlich mal überall und konsequent die real gestoppte und von beiden Teams und den Schiris vergeudete Zeit nachgespielt wird.     

Bundesliga 2020/21, 19. Spieltag: FC Union Berlin - Borussia  Mönchengladbach 1:1. Tor für Borussia: 1:1 Plea.

Saisonspende: Ein Törchen - die 50 Cent machen den Kohl nicht fett, der Spendentopf steht bei 94,50 Euro.

Zur Erinnerung, darum geht's: Ich spende am Ende der Saison einen Betrag X für einen (oder mehrere) gute(n) Zweck(e), auf den/die ich mich später festlege. Die Spendensumme setzt sich wie folgt zusammen: Jedes erzielte Tor von Borussia in den drei Wettbewerben: 50 Cent. Jedes Tor von Tony Jantschke: 10 Euro. Platzverweis von Max Eberl oder Marco Rose: 2,50 Euro. Gehaltener Elfmeter von Yann Sommer (oder einem Ersatzmann): 2,50 Euro; Zu-Null-Spiel: 1 Euro. Derbysieg gegen K***: 5 Euro. Siege gegen Bayern, Dortmund oder Leipzig: 10 Euro. Ein Sieg in Freiburg oder Wolfsburg: 10 Euro. Tore oder Vorlagen von Gladbacher Spielern in der deutschen Nationalelf: 1 Euro. Erreichen der K.o-Phase und für jede weitere erreichte CL-Runde: 10 Euro. Internationaler Startplatz am Saisonende: 20 Euro. Meisterschaft oder Finalsieg in CL oder EL: 50 Euro. DFB-Pokalsieg: 30 Euro. Gladbacher Torschützenkönig: 30 Euro.

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