2017-04-26

Und wir stehen auch diesmal wieder auf

"Ich fühle nur Leere nach diesem Spiel. Nicht mal mehr Wut über die vielen kleinen Fehler des Schiedsrichtergespanns über die gesamte Spielzeit, die zu wenigen gelben Karten für Frankfurt, die strittigen (Elfmeter-)Szenen im Frankfurter Strafraum, die mitten im Gladbacher Angriff abgepfiffene Verlängerung, die Unsportlichkeiten eines Fabian und die Zeitschinderei der Gäste, die zu keiner Zeit adäquat nachgespielt wurde. Einfach nur Leere, weil der VfL es seit mittlerweile zwei Jahrzenten nicht schafft, ein solches Spiel zu seinen Gunsten zu gestalten, das Weiterkommen zu erzwingen. Gefangen in der Tragik des immer wieder scheiternden Helden."

Diese Sätze habe ich gestern relativ kurz nach Spielende geschrieben. Heute, mit etwas Abstand, nach ein paar Stunden schlechtem Schlaf und einem langen Morgenspaziergang, will ich mich nicht mehr so sehr mit den Widrigkeiten des Spiels aufhalten, die vielleicht am Ende den Ausschlag gegeben haben, dass es auch dieses Jahr nichts wird mit dem Finale in Berlin.

Heute möchte ich lieber einen Dank an den Anfang stellen. Den Dank an die besten Fans der Welt. Denn was trotz der schrecklichen ersten Hälfte im Stadion abging und was der Borussia Park bis zum Schluss abgerissen hat, das hat es lange nicht mehr gegeben. Der Support bei Heimspielen in dieser Saison ist (auch von mir) schon viel kritisiert worden. Mir ist auch der Konflikt im Fanlager und mit Teilen des Vereins  bewusst, der kurz vor dem Spiel durch die zerstörte Choreo nochmal so richtig aufgebrochen ist. Und ich hoffe, dass dieser Riss möglichst schnell wieder zu kitten sein wird. 
Aber gerade vor diesem Hintergrund war die Unterstützung im Stadion - normalerweise bei einem solchen sportlichen Anlass ja eine Selbstverständlichkeit - bemerkenswert und herausragend. Ich konnte zwar nur vor dem Fernseher mitzittern, aber auch da war die Power, die von den Rängen kam, ganz deutlich zu spüren. Darauf bin ich stolz.

Dank gilt der Mannschaft und dem Trainer- und Betreuerteam für einen tollen Pokalwettbewerb, der bis ins Halbfinale geführt hat. Das ist, man vergisst es ja leicht in der Enttäuschung, nicht selbstverständlich. Im Spiel gestern hat sich der VfL gestern untadelig und erstklassig präsentiert, das gelang der Mannschaft in den Vorjahren in vergleichbaren Situationen nicht immer, wenn man an das dämliche Ausscheiden gegen Bremen oder Bielefeld denkt, wo die Vorzeichen auf einen Finaleinzug eigentlich noch besser standen. Dass wir gegen den vermeintlich leichtesten Gegner im Halbfinale gescheitert sind, mag sein. Aber darüber zu jammern, hat auch keinen Zweck. Seien wir stolz auf die Art und Weise, wie Hahn und Co gestern Borussia vertreten haben - zumindest 80 Spielminuten und sechs Elfmeter lang.


Ich habe es schon mal geschrieben, Gladbach ist gebucht auf das Ausscheiden als tragischer Held, es war irgendwie schon immer so und es nimmt auch kein Ende. Gestern hat das Team sicher - auch vom Gegner erzwungen - nicht den Fußball gespielt, der es normalerweise auszeichnet; zumal wenn die ganzen Verletzten an Bord gewesen wären. Gut, das trifft auch auf Frankfurt zu, die auch vor und in diesem Spiel von (teilweise durch den eigenen rustikalen Einsatz mitverursachten) Verletzungen gebeutelt wurden.

Dennoch ist die Leistung von Hahn, Elvedi, Vestergaard und all den anderen über jede Kritik erhaben. Die Mannschaft hat mit 40 Minuten Verspätung den Abnutzungskampf mit der Eintracht angenommen und dabei alle Tugenden gezeigt, die eine große Mannschaft auszeichnen: Willen, Zähigkeit, unbändige Kraft, unbegrenzte Laufbereitschaft und eine unglaubliche Moral. All das, in Verbindung mit der "Begleitmusik" von den Tribünen, war eines Pokalhalbfinales mehr als würdig.

Aber: Borussia ist in Berlin dennoch nicht dabei, trotz sechs eiskalt verwandelter Elfmeter und einer klaren Überlegenheit in allen Spieldaten. Es macht mürbe und lässt einen verzweifeln, wenn man immer wieder den gleichen Spielausgang in K.o.-Spielen erlebt: Stets bemüht, immer ganz nah dran, aber nie belohnt. Aber es liegt offenbar in den Genen des Vereins.

Ja, Frankfurt hat eine sehr gute erste Halbzeit gegen kopflose und mutlose Gladbacher gespielt und jedes weitere Wort über das Auftreten der VfL-Elf in den ersten 40 Minuten ist überflüssig. Es war einfach schlecht. Doch nach dem überraschenden und unverdienten Ausgleich durch Hofmann zur Pause, dem guten Start des VfL in die zweite Halbzeit und dem immer dominanteren Auftreten der Hausherren konnte die Eintracht letztlich nur noch versuchen, sich mauernd mit allen Mitteln in die Verlängerung und ins Elfmeterschießen zu retten. Ab der 46. Minute war Borussia so klar Herr im Hause wie selten in den vergangenen Monaten. 
Aber einmal mehr fiel das notwendige und längst verdiente Tor nicht, das der Mannschaft die Sache hätte leichter machen können. Der ganze Aufwand aus 120 knochenharten Minuten blieb ohne Ertrag. Und am Ende schießt uns ausgerechnet Branimir Hrgota aus dem Wettbewerb, den die VfL-Defensive nach den ersten unsicheren Minuten immer besser an sich abprallen ließ, so wie alle anderen Entlastungsversuche der Gäste ab der 46. Minute. Es ist zum Haare raufen.

Jammern hilft nicht. Ich versuche, aus solchen Niederlagen das Positive herauszuziehen. Und das war nicht so wenig gestern. Die 120 Minuten haben wieder bewiesen: Die Mannschaft ist zusammengewachsen, sie ist intakt, sie hat Moral und sie kann inzwischen auch mit der zweiten oder dritten Kadergarde bestehen - wenn auch nicht so elegant wie mit Raffa und Co. in der Startelf. 
Ich möchte jedenfalls nie wieder Gemaule über Spieler hören, die angeblich für Gladbach nicht gut genug sind. Was ist nicht alles über André Hahn, Jonas Hofmann oder Nico Schulz abgelästert worden - zwei Spieler, die als Fehleinkäufe abgestempelt wurden, ohne dass sie viel Zeit bekommen hatten, auf dem Rasen das Gegenteil zu beweisen und einer, der leistungsmäßig immer mal wieder in einem Wellental unterwegs ist. Der spielerisch limitiert ist, aber nicht im Kämpferherz. Eins konnte und kann man André Hahn nie absprechen: dass er für sein Team und diesen Verein brennt und dafür ohne Rücksicht auf Verluste alles raushaut. Nach dem Auftritt in Glasgow war gestern das zweite Spiel, mit dem er sich spätestens einen Platz in den Herzen der VfL-Fans gesichert haben müsste.
Natürlich ist es ungerecht, aus dieser eingeschworenen Einheit, die gestern auf dem Platz stand, einzelne Spieler herauszuheben. Aber dass man diese drei extra lobend erwähnt, ist meiner Meinung nach angemessen. Natürlich, auch sie haben das goldene Tor nicht herausgespielt. Aber sie haben - wie ihre Teamkollegen - weit mehr geleistet als man mit simplen Spieldaten erfassen kann. Das aber unter anderen Voraussetzungen als ein im Team gesetzter Stammspieler wie Christensen oder Stindl.

Es heißt ja immer, dass Niederlagen einen stärker machen. Gladbach ist kontinuierlich stärker geworden in den vergangenen Jahren. Auch durch Rückschläge, die wir kassiert haben. Das heißt aber nicht automatisch, dass man solche Spiele wie gestern ab jetzt gefälligst zu gewinnen hat, auch wenn der direkte Vergleich der Teamkader einen vielleicht zu dieser Meinung verleiten könnten. Die Gewissheit, am Ende der Sieger zu sein gibt es nie, schließlich mischen vom Gegner bis hin zum Schiedsrichtergespann immer auch noch andere Kräfte mit.

Ich bin aber zuversichtlich, dass die Mannschaft dieses Schicksal einmal mehr annimmt, sich schüttelt und "Jetzt erst recht!" sagt, zumal mit Blick auf die neuen Verletzungen (Wendt und Drmic). 
So gefestigt wie ich sie mental sehe, können Heckings Schützlinge aus dieser Enttäuschung die nötige Kraft ziehen, um den Saisonendspurt doch noch in unsere Richtung umzubiegen. Es gibt kein besseres Balsam für die Wunden, als aus einer solchen Niederlage die Wut und Entschlossenheit für den nächsten Sieg zu ziehen. Was illustriert das besser als die entscheidende Zeile aus der Vereinshymne: "Stolzer Blick zurück, volle Kraft nach vorn..."

Ich wünsche mir, dass sich für dieses letzte Ziel in der Saison auch alle Fans möglichst schnell wieder hinter dem Team versammeln - "für den Namen, den die Welt so glorreich kennt". Die Jungs haben es verdient.


DFB-Pokal 2016/17, Halbfinale (25.4.17): Borussia Mönchengladbach - Eintracht Frankfurt 7:8 n.E. (Tore für Borussia: 1:1 Hofmann, Elfmeterschießen: Stindl, Herrmann, Hahn, Strobl, Benes, Vestergaard, verschossen: Christensen, Sow) 

5 Kommentare:

  1. Hey, guter Artikel.
    Und ja man wird ein wenig müde, immer in solchen Spielen der Ritter der Herzen zu bleiben und auszuscheiden, ist auf Dauer sch.... . Solche Spiele wie in Florenz gibt es gefühlt einfach zu wenige. Dennoch mit ohne acht so eine 2. und 3. Halbzeit hinzulegen ist gut. Außerdem ehrlich das beste Elfmeterschießen (von beiden) seit langem! Toll geschossene Strafstöße auch von den vermeidlichen "Fehleinkäufen". Und dies kann ich ehrlich nicht mehr hören, Hahn spielt unglücklich ja, aber er zerreißt sich, Schulz kommt rein, ohne Spielpraxis und spielt besser als "solide", Hofmann trifft falsche Entscheidungen und wirkt nicht optimal, aber brennt... Was wollen wir eigentlich mehr? Wir haben keine 2 oder 3 gleichwertigen Mannschaften als Backup. Respekt vor einem Sow, der in einem Halbfinale rein kommt, ordentlich spielt und ja einen schwachen Elfmeter schießt ... Aber er ist zum Punkt gegangen und wollte das Team nach Berlin schießen. Also lasst uns die Mannschaft auch in Mainz voll unterstützen! Alle die mit der Raute auf dem Rasen stehen verdienen unseren Support. Genauso, wie alle in der Kurve gemeinsam unter der Raute vereint, besser sind, als zerstritten - hey Sottocultura findet eine Lösung mit dem Verein - volle Unterstützung in Mainz. Wir werden da sein!!!

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  2. Kann mich dem Text im Blog nur anschließen und auch Addi hat das gesagt, was ich so ziemlich denke. Die erste Halbzeit war allerdings erschreckend schwach, man hat sich komplett den Schneid abkaufen lassen. Und auch wenn der Schiedsrichter (mal wieder) dem Gegner viel zu viel Freiraum ließ, daran wollen wir uns nicht messen lassen. Gerade WENN der Schiri schwach ist, sollte man versuchen, sich vor Augen zu halten, dass man TROTZ Minderleistung der Schiri ein Spiel positiv gestalten kann.

    Noch ein Wort zu Nico Schulz: Nichts gegen Wendt, aber ich kann und konnte bisher nicht verstehen, warum Nico Schulz wieder und wieder auf der Bank versauert! In jedem Spiel, in dem ich ihn gesehen habe, empfand ich ihn als belebendes Element! Vielleicht hat er etwas weniger Vorwärtsdrang als Wendt, aber vielleicht verteidigt er deshalb auch etwas solider. Aber er hat - das hat man sofort nach seiner Einwechslung gesehen - den Willen, was auf dem Platz zu tun, sich einzubringen und er will gewinnen! Daher verstehe ich absolut nicht, warum er nicht berücksichtigt wird und nicht spielen darf! Linksverteidiger wachsen nicht auf Bäumen... so ein Spieler will auch seine Einsatzzeiten!!

    Was Hahn angeht, ja, er agiert momentan unglücklich, aber man sieht wirklich, der Mann WILL und er zerreißt sich für jeden Ball.

    Trotzdem, ja, es ist schwer, immer wieder vor der Belohnung zu stehen und dann unglücklich raus zu sein... Doch nach der ersten Enttäuschung wird man doch wieder aufstehen, den Staub abputzen und hinter der Raute stehen. Einmal Borusse, immer Borusse...

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  3. Ich will meinen Senf auch mal dazugeben. .. Die erste Halbzeit war natürlich schlecht gespielt, aber man hat dem Team angemerkt, dass es sich dessen bewusst war und hat permanent gegen die eigenen Unzulänglichkeiten angeknüpft. Dafür meinen Respekt, so erwarte ich das. Hin und wieder muss man sich auch in ein Spiel reinkämpfen und -beißen. Dafür haben sie sich letztlich auch den Support verdient, der Ihnen entgegengebracht wurde. Der beste und lauteste Support, den ich seit langer Zeit im Borussiapark erlebt habe. Lauter zu sein (bis auf wenige Ausnahmen) als die Frankfurter, ist nicht so schlecht. Dieses Wechselspiel zwischen Team und Fans gab mir letztlich ein gutes Gefühl. Wir haben der Mannschaft geholfen, Minute um Minute besser zu werden, so dass man nach 90 und 120 Minuten durchaus guten Gewissens hätte sagen können, letztlich sind wir verdient weitergekommen. Es sollte halt nicht sein. So ist der Fußball. AbeR die Bereitschaft der Fans, die Mannschaft zu unterstützen und sich nicht nur wie ein Operettenpublikum unterhalten zu lassen, war genauso überragend wie der Willen der Mannschaft, sich an den Fans aufzurichten und ein Weiterkommen erzwingen zu wollen.

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    1. angeknüpft = angekämpft
      Shice Autokorrektur

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  4. Danke für Eure Einschätzungen, ich sehe, wir liegen da ganz nah beieinander. Und das ist schön, angesichts der Reaktionen, die man unter Borussia-Texten bei Facebook und Co. manchmal so findet.

    Beste Rautengrüße und auf einen erfolgreichen Mai für unsere Jungs!

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