So, geschafft, die erste Hälfte der Saison ist rum. Und obwohl die Münchner am letzten Spieltag fast wie erwartet noch am VfL vorbeigezogen sind, gibt es absolut nichts zu meckern an der Bilanz der Borussia in der zweiten Jahreshälfte 2018. In der Winterpause will ich die Zeit nutzen, zurückzublicken, vor allem, indem ich meinen Eindruck der einzelnen Spieler schildere: wo sie stehen und wo der Verein schnell oder zum Sommer hin etwas tun sollte. Natürlich geht es auch um die, die unzufrieden sein müssten und als mögliche Abgänge gehandelt werden. Um die Texte nicht unerträglich lang werden zu lassen, splitte ich die Bilanz auch diesmal in mehrere Teile. Heute geht es um die Torleute und die Abwehr.
Tor
Wie schon in den vergangenen Jahren ist die Torwartposition die, auf der es keinen Handlungsbedarf gibt. Yann Sommer hat sich nach phasenweise etwas schwächeren Leistungen in der letzten Saison wieder zum dem Rückhalt entwickelt, der Punkte rettet oder bringt. Was er gerade in den letzten vier Spielen an entscheidenden Bällen entschärft hat, war Extraklasse. Für mich ist er deshalb auch der Spieler des Monats Dezember, natürlich auch, weil bei den überragenden Feldspielern einigen am Ende etwas die Luft ausging.
Tobias Sippel hat schon ausreichend bewiesen, dass er ein guter Stellvertreter des Schweizer Nationaltorwarts ist. In dieser Saison bekam er noch keine Gelegenheit dazu. Er wäre aber unzweifelhaft bereit, wenn es nötig würde.
Bei Moritz Nicolas lässt sich das kaum seriös beantworten. Er kommt bis jetzt im Bundesligakader gegen Sippel nicht an, so dass auch kein Bankplatz für ihn blieb. Hier muss sicher darüber nachgedacht werden, wie und wo sich der junge Schlussmann weiterentwickeln kann. Als Nummer drei und Stammtorwart in der Regionalliga gelingt das auf Dauer sicher nicht, trotz täglichem Training mit den Profis.
Abwehr
Der Abgang von Jannik Vestergaard vor der Saison riss ein sichtbares Loch in die etatmäßige Innenverteidigung der Borussia. Doch der lange Däne verschwand schnell aus den Erzählungen der Fans, er wurde - all seinen Stärken zum Trotz - bislang nicht vermisst.
Sein Nachfolger Nico Elvedi rückte von der Rechtsverteidigerposition auf die linke Innenseite und machte nach einigen anfänglichen Anpassungsschwierigkeiten seine Sache immer besser und immer souveräner - obwohl er auf der Oscar-Wendt-Seite oft deutlich mehr zu tun hatte als die Kollegen auf der rechten Abwehrseite.
Zweikampfhärte, geschicktes Verhalten in den Zweikämpfen, gute Spieleröffnungen und pressingresistentes Passverhalten: An Elvedis Leistungen gab es selten etwas Gravierendes auszusetzen. Er scheint auf seiner Position angekommen, sorgt auch bei offensiven Standards für Gefahr.
Mit einer Seelenruhe passte er sich nach Ginters Ausfall auch an seine wechselnden Partner an, spielte ohne Abstimmungsprobleme neben Jantschke rechts und coachte Jordan Beyer bei dessen ersten Profi-Gehversuchen in der Innenverteidigung sehr effektiv. Dass er kurz vor dem Hinrundenende nun auch noch verletzungsbedingt passen musste, war vielleicht indirekt einer der Schlüssel zur Niederlage in Dortmund. Nicht wegen der Fehler in der Verteidigung der Angriffe vor den Gegentoren, sondern weil durch sein Fehlen Tobi Strobl 20 Meter weiter hinten aushelfen musste und nicht wie gewohnt das Spiel von der Sechs aus lenken konnte.
Wo Nico Elvedi einen Riesensprung nach vorne machte, muss man dies auch bei seinem etatmäßigen Nebenmann Matthias Ginter konstatieren. Der frühere Dortmunder war spätestens nach zwei, drei Spielen voll drin in seiner neuen Chefrolle in der Abwehr und rechtfertigte damit sowohl seine WM-Teilnahme als auch das Festhalten Löws an ihm in der Nationalmannschaft seitdem. Ginter ist nicht nur ein sehr konzentrierter Verteidiger, sondern auch ein guter "Quarterback" - einer, der seine Mitspieler punktgenau einsetzen kann, mit einem energischen Antritt durchs Mittelfeld mit anschließendem Pass in sich öffnende Räume genauso wie mit einem präzisen Seitenwechsel über 50 Meter, wie er es immer wieder mit Thorgan Hazard demonstrierte. Zudem ist Ginter vor dem gegnerischen Tor eine Waffe - wenn er nicht selbst nach Standards an den Ball kommt, dann schafft er den Raum für andere. Es war schwer, Ginter mit dieser Horrorverletzung ersetzen zu müssen. Als auch noch Elvedi und Jantschke passen mussten, war es einfach dann einfach etwas zu viel.
Unter etwas anderen Vorzeichen wäre Louis Jordan Beyer ein Spieler der Hinrunde bei Gladbach geworden. Denn fast aus Verlegenheit zu Saisonbeginn auf die Rechtsverteidigerposition gespült, machte der 18-Jährige von Beginn an einen sehr mutigen, abgezockten Eindruck und überzeugte mit sehr konzentrierten Auftritten. Die Belohnung waren dreieinhalb Spiele aus den ersten fünf Bundesligapartien. Danach war Neuzugang Michael Lang fit und beendete das Fohlenmärchen durch starke Leistungen, Beyer rückte lange zurück ins zweite Glied, stand oft nichtmal im Kader.
Erst in den letzten beiden Hinrundenspielen hatte er es der Innenverteidiger-Seuche zu verdanken, dass er wieder in die Startelf kam. Weil Innenverteidiger im Jugendbereich seine Hauptposition war, schenkte ihm Dieter Hecking das Vertrauen, und der zahlte erneut zurück. In Hoffenheim lief es zwar erst etwas wacklig an, dann aber hielt er mit Elvedi und später in Unterzahl ohne den Schweizer im Zentrum dem Dauerdruck der Sinsheimer stand.
Erstaunlich auch, mit welcher Gelassenheit Beyer vor 80000 Leuten in Dortmund auftrat. Dass ihm bei einem mutigen Antritt in die gegnerische Hälfte der Ballverlust zum 0:1 unterlief, sah jeder. Dass er beim zweiten Gegentor Reus im entscheidenden Moment aus den Augen verlor, auch. Aber das gehört zum Lernprozess dazu. Wie er aber trotzdem unbeeindruckt weiterspielte und in dieser Notabwehr den Gastgebern kaum richtige Torchancen ermöglichte, das war schon klasse. Ein Kompliment gilt allerdings auch dem Trainerteam, das in so einen Jungen dann auch Vertrauen setzt. Das hat sich bei Gladbach in den vergangenen Jahren nicht jeder Trainer getraut. Und ich glaube, dass die meisten Fans das zu würdigen und die unvermeidlich auftretenden Fehler richtig einzuordnen wissen.
Fehler machten in der Hinrunde natürlich auch andere, nicht nur der junge Jordan Beyer. Und so lieb ich Oscar Wendt als Spieler und als Mensch gewonnen habe - er gehört zu denen, die bisweilen unter Druck zu "Panikattacken" und undurchdachten Aktionen neigen, die am Ende mitunter auch zu Gegentoren führen. Das war in der vergangenen Saison so und obwohl der Schwede in dieser Saison deutlich verbessert auftrat, gab es immer wieder Ausreißer in seinen Leistungen. Seine Schwächen gegenüber sehr schnellen Gegnern sind bekannt, es ist daher auch kein Wunder, dass gegnerische Trainer vorzugsweise seine Seite bespielen lassen. Andererseits kann Wendt jederzeit auch starke Auftritte folgen lassen, etwa gegen die Bayern oder gegen Bremen, wo er gegen starke Gegner voll auf der Höhe war. Fakt ist aber auch, dass viele Bälle von außen von ihm nicht geblockt werden können - der Sancho-Schuss zum 0:1 in Dortmund ist da nur ein Beispiel.
Über Tony Jantschke noch viele Worte zu verlieren, hieße unter Borussia-Fans Eulen nach Athen tragen. Er war auch in dieser Saison der, den die meisten (auch ich) nur als Backup sahen, der für den Spielstil des VfL zu oldfashioned schien. Aber wer Jantschke über die Jahre kennengelernt hat, weiß auch, dass er in jeder Gladbacher Mannschaft schon mal abgeschrieben war und nichtsdestotrotz in jeder Mannschaft irgendwann seine tragende Rolle gespielt hat. Auch den passintensiven Part, den Ginter und Elvedi in der Innenverteidigung in dieser Saison zu leisten haben, adaptierte der "Fußballgott" für sich ohne große Probleme, in seinen Einsätzen war wie gewohnt Verlass auf Tony. In der Defensive war er gewohnt bissig und glich mit gutem Stellungsspiel und klass Tacklings manchen Schnelligkeitsnachteil aus. Es ist weiterhin kein Spaß, als gegnerischer Stürmer gegen das Gladbacher Urgestein spielen zu müssen.
Der Schweizer Michael Lang stieg wie gesagt erst mit Verzögerung in die Startelf ein, die frühe Verletzung im Trainingslager war verantwortlich dafür. Doch dass er eine Verstärkung darstellt, war sofort zu sehen. Er ist ein sehr ruhiger, erfahrener Spieler, der mit Basel regelmäßig Champions League spielte und insofern ein wichtiger Anker in einer noch sehr jungen Mannschaft wurde. Sein Vorwärtsdrang ist eine Waffe, er kann auf engstem Raum hervorragend mitkombinieren - alles Attribute, die Tony Jantschke auf der Position nicht auf gleichem Niveau drauf hat.
Und insofern ist Lang auch ein guter Nachfolger von Elvedi, der über rechts stets ein großes Pensum abspulte. Warum Lang in den letzten beiden Spielen auf der Bank blieb, erschließt sich mir nicht so recht. Möglicherweise war eine Pause nötig, weil ihm im Schlussspurt die Kraft auszugehen drohte. Schließlich hat er die Grundlagen dafür im Trainingslager nicht legen können. In jedem Fall ist der Nationalspieler ein Gewinn für die Fohlenelf und das erhoffte Plus auf der Rechtsverteidigerposition.
Bleiben noch drei, die in der Hinrunde keine Rolle spielten. Florian Mayer, in der Vorbereitung noch mit ordentlichen Einsatzzeiten, kam nur zum Schluss mal zu einem Kaderplatz. Andreas Poulsen, immerhin mit Erstliga- und Euro-League-Erfahrung beim FC Midtjylland in Dänemark, wurde von Dieter Hecking Mitte der Hinrunde mal als noch zu grün für die Bundesliga bezeichnet. Eine Alternative war er folglich bislang auch nicht. Das ist nicht schlimm, solange Oscar Wendt nicht ausfällt oder sich seiner Sache zu sicher und damit schludrig wird. Es wäre aber zu hoffen, dass sich der junge Däne schnell herankämpft. Denn sonst wird Borussia nicht umhin kommen, ihm angesichts des älter werdenden Schweden einen weiteren Konkurrenten vor die Nase zu setzen.
Und dann ist da noch Mamadou Doucouré. Noch nie in seiner langen Leidensgeschichte seit dem Wechsel von Paris Saint-Germain zu Borussia vor zwei Jahren war der Franzose so nah an seinem Bundesliga-Debüt. Wäre alles glatt gelaufen, hätte Dieter Hecking sicher in den letzten Spielen als Alternative zu Ginter und Elvedi auf ihn gesetzt. Denn als man den Jungen in Testspielen erstmals in Aktion sehen konnte, war kaum zu übersehen, was für ein eleganter Spieler er ist, dass er über ein hervorragendes Stellungsspiel verfügt und all das erfüllen kann, was man sich von einem Talent wie ihm versprechen kann, das mit 17 Jahren schon als Mannschaftskapitän die Jugendausgabe der Champions League, die Youth-League, gewonnen hat.
Wir wissen alle, aus dem erhofften Debüt wurde nichts. Ein blöder Moment im Testspiel gegen Münster und Doucouré wurde wieder an den Anfang zurückgeworfen. Ganz abgesehen davon, was das mit der Psyche eines jungen Spielers macht: Es stellt sich die Frage, ob er dauerhaft für den Leistungssport geeignet ist. Beantworten kann das derzeit niemand. Wir alle können nur hoffen, dass er auch dieses Tief durchschreitet und zurückkommt. Es wäre eine Tragödie, wenn nicht.
Teilzeitarbeiter in der Abwehr waren in den ersten 17 Spielen auch noch Tobi Strobl und Fabian Johnson, auf die ich im Mittelfeld noch genauer eingehen werde. Es ist gut, Spieler zu haben, die leicht auf andere Positionen verschiebbar sind, wenn es nötig wird. Bei Strobl und Johnson hat man in diesen wenigen Spielen aber auch gesehen, dass sie aushelfen können, ohne dass man als Fan Angst haben muss. Unstrittig ist aber auch, dass sie auf anderen Positionen für die Mannschaft wertvoller sind.
Insofern steht Borussia nicht erst aufgrund der Erfahrungen der vergangenen zwei bis drei Wochen vor einer schweren Entscheidung. Soll man auf den Defensiv-Kader vertrauen, obwohl sich durch wenige Verletzungen auf den "falschen Positionen" schnell größere Probleme auftun können? Oder soll man einen Spieler dazuholen, der in Bestbesetzung möglicherweise dann aber nur auf der Bank schmort (siehe Reece Oxford im zweiten Halbjahr der letzten Saison)? Solange Poulsen, Mayer und Doucouré keine wirkliche Alternative sind, spricht mehr dafür, im Winter nachzurüsten. Denn wie schnell die Personalnot ausbrechen kann, haben die jüngsten Beispiele gezeigt. Es wäre dramatisch, wenn man durch solche Schwächungen am Ende die gute Ausgangsposition für Europa riskieren würde.
Wäre Doucouré stabil, würde ich das anders sehen, aber so spricht mehr dafür, diesen Kaderplatz zumindest vorläufig neu zu besetzen. Dass Max Eberl Andreas Christensen oder Reece Oxford zu vernünftigen Konditionen aus England loseisen könnte, halte ich für eher unwahrscheinlich. Aber irgendwo gibt es sicherlich einen Spieler, der sofort helfen kann und in seinem Verein gerade keine Chance bekommt oder wechselwillig wäre.
Ein Beispiel, ohne dass ich weiß, ob er in Frage käme: Timm Klose (30), der die Bundesliga aus Nürnberg und Wolfsburg kennt, derzeit in der 2. englischen Liga bei Norwich Stammspieler ist, aber nur noch ein halbes Jahr Vertrag hat. Oder ein alter Bekannter: Roman Neustädter (auch 30), der inzwischen bei Fenerbahce als Innenverteidiger aufläuft und auch nur bis Sommer dort gebunden ist. Er wäre zudem auf der Sechs einsetzbar. In einer solchen Kategorie könnte ich mir vorstellen, dass Gladbach zuschlägt. Dass man quasi im Vorgriff auf die neue Saison noch jemand Spektakuläreres (und Teures) an der Angel hat, der die bisherigen Stammspieler in den Schatten stellen könnte, sehe ich nicht. Dafür ist der Winter wohl die falsche Wechselperiode.
Man sieht - in der Abwehr ist Borussia gut aufgestellt. Große Veränderungen sind hier im neuen Transferfenster nicht zu erwarten. Dass das für die Offensive anders aussieht, wissen wir alle. Es kann dort viel passieren oder auch gar nichts - mit sehr unterschiedlichen Konsequenzen. Aber dazu komme ich im nächsten Teil.
" Der Abgang von Jannik Vestergaard vor der Saison riss ein sichtbares Loch in die etatmäßige Innenverteidigung..." ???
AntwortenLöschenAnsonsten weitestgehend zutreffend, aber deutlich zu lang.
Hilf mir, vielleicht stehe ich auf dem Schlauch: Was ist falsch daran?
LöschenIn mehr Kürze, läge mehr ...
AntwortenLöschenJa, das ist mir wohl bewusst. Nehme ich mir für 2019 vor, ok? Aber versprechen kann ich nichts. ;-)
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